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Der nationale Airdrop – ein Altcoin für Island

Altcoins

(c) Janine Grimmig / pixelio.de

Stellen Sie sich vor, Sie führen einfach eine neue Währung ein. Es hat zwar niemand danach gefragt, aber Sie finden, Ihr Land könnte eine gebrauchen. Also bauen Sie eine Blockchain, erzeugen die erste Hälfte aller Coins selbst, um sie ihren Mitbürgern zu schenken, die damit machen können, was sie wollen. Klingt verrückt? In Island passiert das gerade. Der Auroracoin – Revolution oder ein windiges Finanzprodukt?

Baldur Friggjar Odinsson hat Anfang Februar 2014 den Auroracoin veröffentlicht. Der Altcoin funktioniert wie der Bitcoin: es gibt Blöcke, Wallets, Transaktionen, Miner und insgesamt 21 Millionen Coins. Die Hälfte von diesen ist aber bereits erzeugt und für die Isländer reserviert. Odinsson will jedem der 330.000 Isländer genau 31,8 Auroracoins geben. Gestern, am 25. März, hat der Airdrop begonnen.

Der Airdrop war die beste Marketingaktion, die ein Altcoin jemals hatte. Wer hat nicht auf so einen Coin gewartet? Die Idee ist frisch, hat Charme, Potenzial und mit Island ein ideales Ziel. Seitdem die “Finanzpiraten” das Land 2008 in den Bankrott gerissen haben, inflationiert die isländische Krone dahin, die Bevölkerung ist gebildet, aber verschuldet, hat Banker satt und ist, vor allem, so überschaubar , dass fast jeder jeden über Facebook kennt. Und als wäre das noch nicht genug steht in Island eine der größten Bitcoin-Miningfarmen weltweit, Cloud Hashing. Kein Wunder, dank Thermalquellen gibt es auf dem Felsbrocken im Atlantik günstigen und nachhaltigen Strom im Überfluß. Wenn nicht hier, wo dann klappt so etwas wie der Auroracoin?

Die Miner haben sich auf den Coin gestürzt. Er wurde in Foren und auf reddit schon relativ früh relativ teuer gehandelt, und als er auf Cryptsy geführt und Coinmarketcap gelistet wurde, explodierte der Preis. Der Auroracoin legte den steilsten Anstieg hin, den jemals ein Altcoin vorgeführt hatte und landete, nur ein wenig mehr als ein Monat nach dem Launch, auf dem zweiten Platz nach Marktkapitalisierunug – hinter dem Bitcoin. Ein Auroracoin war zwischenzeitlich 0,14 Bitcoin wert, wodurch der Airdrop einen Wert von mehreren tausend Euro je Isländer erhielt. Irre, wie Werte entstehen können.

Dutzende Nachahmer

AuroracoinDer rasende Erfolg des Auroracoin hat, wie könnte es anders sein, Nachahmer gefunden. Scottcoin, Spaincoin, Ukrainecoin, Aphroditecoin (Griechenland), E-Krona (Skandinavien) und und und. Der Mazzacoin sollte angeblich offizielle Währung des Oglala Sioux Tribe werden, was aber eine Ente war, und am 24. März ist der Germanycoin erschienen, der allen Ernstes behauptet, schon am 30. März einen Airdrop in Deutschland zu veranstalten, der die Germanycoins auf 40.000 Bundesbürger verteilt. Warum er auch auf chinesisch angekündigt werden muss, verstehe ich allerdings ebenso wenig, wie warum der Airdrop schon sechs Tage nach Bekanntgabe geschehen muss. Nun ja.

Sie können sich vorstellen, dass die meisten dieser Nationalcoins unter Betrugsverdacht stehen (und stehen sollten). Auch vom Auroracoin hieß es hundertfach, dass er eine Abzocke sei, ein Pump-and-Dump-Coin, dass Baldur die gehorteten 10,5 Millionen Auroracoins einfach auf den Markt hauen würde um mit den Bitcoin, die er dafür erhält, die Fliege zu machen. Auch die isländische Politik erklärte flugs, dass sie den Auroracoin nicht unterstütze und jede andere Währung als die Isländische Krone illegal sei.

Eine Zeitlang sah es zudem aus, als würde der Auroracoin am eigenen Erfolg scheitern. Der Preis ist einfach zu stark gestiegen. Es gibt die Attacke des Pool-Hopping: Ein starker Pool mined einen schwachen Coin. Weil die Schwierigkeit so tief ist, findet er in kürzester Zeit extrem viele Blöcke. Dann steigt die Schwierigkeit, und der Pool schwenkt auf einen anderen Altcoin um. Die Folge: Die verbliebenen, schwächeren Miner brauchen lange, um Blöcke zu finden, bis sich die Schwierigkeit neu anpasst. Das kann einen Coin lähmen.

Den Auroracoin traf es wegen des rasant steigenden Kurses besonders hart: Als er viel wert war, stürzten sich die großen Pools auf ihn. Dann kam es zu einem Crash – wie sollte es auch anders sein nach so einer Ralley – und die Miner flüchteten. Die Rechenleistung lag am Boden, die Difficulty war aufgepuscht. Ich weiß nicht exakt wie es der Auroracoin geschafft hat, es gab stunden- oder tagelang keine neuen Blöcke, aber er hat es überlebt. Vielleicht durch eine Fork. Eine Blockchain ist ein komplexes, aber zähes Ding.

Der Airdrop beginnt: Es regnet Geld auf Island

OLYMPUS DIGITAL CAMERAGestern war es nun soweit: Der Airdrop hat begonnen. Viel lässt sich noch nicht sagen, aber der erste Eindruck ist überraschend günstig. Baldur scheint es ernst zu meinen. Im Subreddit “Auroracoin” meldeten einige Isländer, dass sie die ihre 31.8 Auroracoins erhalten haben, was derzeit mit rund160 Euro weit vom Höhepunkt weg ist, aber doch etwas. Wer würde sich nicht darüber freuen? Bis heute Nachmittag wurden laut auroracoin.org 376.861,8 AUR ausgeschüttet, womit knapp 12.000 Isländer ihre Ration abgeholt hätten. Bei einem Preis von etwa 5 Euro je Auroracoin wurde Island damit seit dem Airdrop um gut 1,8 Millionen Euro reicher.

Im Auroracoin-Forum berichteten manche, dass der Airdrop erfolgreich war, während andere nicht an die Auroracoins gekommen sind. Die Schwierigkeit bei der Verteilung ist, dafür zu sagen, dass nur Isländer, und diese nur einmal je Person, in den Genuss des Auroracoin-Paketes kommt, aber gleichzeitig jemand auch die Coins für seine Großeltern oder Kinder abholen kann. Es gibt in Island wohl öffentliche Einwohnerdatenbanken, was, zusammen mit der geringen Anzahl der Menschen, die Sache vereinfacht.

Der Airdrop läuft wohl vor allem über eine Mischung aus Facebook und SMS statt: Die Isländer installieren (laut Berichten) ein Facebook-Tool, das eine Information an den Auroracoin-Server sendet, dass diese Facebook-ID sich bereits registriert hat. Anschließend müssen sich die Isländer noch per SMS verifizieren. Dann werden die Auroracoins augeschüttet. Ob dieses Verfahren exakt so läuft oder ob es noch andere gibt, weiß ich ehrlich gesagt nicht.
Es ist auch noch nicht im mindesten klar, was die Isländer mit den Auroracoins machen. Eventuell freuen sie sich einfach, dass sie Altcoins im Wert von einigen hundert Euros erhalten haben und verkaufen diese gegen Bitcoins (was sie jedoch vor das Problem stellt, dass es kaum Möglichkeiten gibt, Bitcoins gegen Isländische Kronen zu verkaufen). Für diese Variante spricht, dass der Preis des Auroracoins seit dem Airdrop um rund 40 Prozent gefallen ist.

Vielleicht behalten die Isländer aber auch die Auroracoins, um mal zu sehen, was passiert, oder, was natürlich am spannendsten wäre: sie tauschen sie. Bisher gibt es noch so gut wie nichts zu kaufen. Auf reddit bieten Isländer lediglich Pizza und Computerservice gegen AUR an, und Baldur hat bereits die Kooperation mit einem Zahlungsservice angekündigt. Man wird sehen, was dabei herauskommt. Interessant wird es allemal.

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