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„Es ist kein Spiel der Überlebenden, sondern der Verlierer.“

(cc) Ravi Chahal / flickr.com - Creative Common License 2.0 https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/

Einige Tage aus dem Leben eines chinesischen Bitcoiners: Zhang Weiwu trifft den Geschäftsführer einer großen Börse und beginnt zu seiner Überraschung eine Diskussion. Er erklärt, weshalb es Chinesen niemals gelingt, Chinas Grenzen zu verlassen, egal wo sie sind und warum China „Alles unter dem Himmel“ ist. Während er auf einen Flug nach Saigon wartet, um einen amerikanischen Geschäftsmann zu treffen, erfährt er, dass Huobi womöglich schließen muss. Eine Geschichte über Bitcoins und China.

Von Zhang Weiwu

Ich saß gerade in einer Flughafenbar, als Huobi bekanntgab, dass ihre Bank ihr Konto schließen wird. Huobi ist die größte chinesische Börse, und es könnte sein, dass es sie bald nicht mehr gibt. Die Zentralbank meint es diesmal wohl ernst.

Ich war gerade auf dem Weg nach Saigon, um einen amerikanischen Unternehmer zu treffen, der mit mir ein Bitcoin-Geschäft aufziehen möchte. Er hatte versprochen, Geldgeber hinter sich zu haben, aber ich war mir nicht sicher, ob das wahr war. Möglich, dass er nur eine Idee hatte und noch einen Informatiker suchte, der für ihn die Arbeit machte. Während ich auf mein Flugzeug wartete, das wie alle chinesischen Flugzeuge zu spät kam, beobachtete ich auf dem Smartphone, wie der Preis abstürzte. Ich hatte schon geahnt, dass es Huobi erwischen würde und meine Order auf 2379 CNY gesetzt. Bei 2410 CNY fand der Kurs allerdings einen Boden. Meine Order blieben unerfüllt, ich ärgerte mich.

Die Nachricht von Huobi ist schlecht, aber ich freute mich insgeheim. Denn sie bedeutet, dass ich eine Diskussion gewonnen habe, was in China ein seltenes Vergnügen darstellt. Ich sollte mich jedoch auch sorgen, das Gesicht von jemandem verletzt zu haben. Chinesen diskutieren gewöhnlich nicht, denn da sie nicht debattieren können, wird eine Diskussion oft zu einem Kampf, und da es schlecht ist, zu kämpfen, haben wir beschlossen, das Diskutieren zu lassen.

„Ich kam mir vor wie ein Ausländer im eigenen Land.“

Aber gestern habe ich diskutiert. Einen ganzen Nachmittag lang. Der Geschäftsführer einer großen Bitcoin-Börse, ein Vertreter der jungen chinesischen Elite, hat mich in sein Büro eingeladen. Hier stand ein Tisch und ein prächtiges Tee-Set, doch er hatte keine Zeit für Zeremonieren. Nicht nur dafür, wie er mit bedauerndem Ton erklärte: „Sondern für alles andere auch. Ich führe diese Bitcoin-Börse seit einem Jahr und ich hatte seitdem kein einziges Wochenende.“ Er erzählte mir alles über sein Geschäft, mit einer Freimütigkeit, wie sie sich Chinesen selten erlauben können.

„Es hat einen Grund, weshalb ich dich eingeladen haben. Der Trend geht abwärts, wir müssen um jeden Zoll kämpfen. Es hat als Preiskampf begonnen, spätestens seit BTC-China die Gebühren auf 0 Prozent gesenkt hat, und es wird bald enden. Wie bei allem in China ist der Überlebende der Sieger. Du gehörst zu den frühesten Bitcoinern in China, du warst Geschäftsführer, und du siehst wie jemand aus, der mit sich selbst zurechtkommt. Wir sollten zusammen auf die Rennbahn gehen.“

Ich habe geantwortet: „Ich möchte ebenso aufrichtig sein wie du es zu mir bist: Ich fürchte, die Zentralbank meint es ernst. Es ist egal, was sie verlangen, was zählt ist, was sie wollen. Und sie wollen den Bitcoin beseitigen. Es ist kein Spiel der Überlebenden, sondern der Verlierer.“

Wir haben den Rest des Nachmittags weiter diskutiert:

Er: „Die PBOC [People’s Bank of China = Chinesische Volksbank] braucht den Bitcoin, um der Dominanz des Dollars etwas entgegenzusetzen.“
Ich: „Die PBOC ist die reichste Organisation, die die Welt je gesehen hat, sie ist zu erhaben, um den Bitcoin für sich einzusetzen.“

Er: „FxBTC könnte lügen, um im Guten aus dem Geschäft auszusteigen.“ [FxBTC ist eine chinesische Börse, die vor kurzem jede Art der Einzahlung ausgesetzt hat]
Ich: „Warum sollten sie aussteigen, kurz bevor sie ihre ganze Internetseite upgraden und eine neue Marke aufbauen?“

Er: „Man muss glauben, um ein erfolgreiches Unternehmen zu führen.“
Ich: „Und man muss kritisch denken, um zu entscheiden, wann sich eine Investition lohnt.“

Und so ging es weiter. Ich habe das Gefühl, seit Jahren in China nicht mehr so diskutiert zu haben. Ich kam mir vor wie ein Ausländer im eigenen Land.

Er sagte: „Nimm das Angebot an oder lass es sein. Wir können immer noch eine große Nummer spielen.“
Ich antwortete: „Wir können groß planen, aber nicht auf diesem Feld. Es gibt noch mehr Geschäftsmodelle als eine Börse, und es gibt mehr Orte als China. Weißt du was? Ich denke an Hong Kong und an Südamerika. Sie haben schon immer Währungsprobleme gehabt, die darauf warten, gelöst zu werden. Chinesische Geschäftsleute sind bereits da, und Lateinamerikaner müssen keine große Zentralmacht fürchten, die gegen den Bitcoin vorgeht. Wir haben eine ganze Welt zu erobern!“

Er öffnete seine Hände, seufzte, und sagte: „Du weißt schon, dass es keine Welt außerhalb von China gibt.“

→ China ist „alles unter dem Himmel“

Über Zhang Weiwu (7 Artikel)
Ist unser Korrespondent aus China. Der IT-Unternehmer ist immer auf der Suche nach Geschäftspartnern und gibt unseren Lesern einen Blick hinter die Kulissen der chinesischen Bitcoin-Szene.

12 Kommentare zu „Es ist kein Spiel der Überlebenden, sondern der Verlierer.“

  1. Soweit ich das sehen kann, reichen die sogenannten größeren Egos unserer kleinen gelben Freunde nichtmal bis zu meinen Kniekehlen. Aber Hochmut kommt ja bekanntlich vor dem Fall – was sicher überall unter dem Himmel gilt.

    • @rico666 Du ungebildeter Tropf. Es gibt in China mehr Leute mit dem Nachnamen Li als es Deutsche gibt, da wird schon der oder andere dabei sein, der mehr auf dem Kasten hat als du!

      • Gääähhhnnnn …

      • rico666 // 13. April 2014 um 20:00 //

        Und die Hoffnung stirbt zuletzt. Mir scheint, da hat einer das Gesetz der großen Zahlen falsch verstanden. Und die Tatsache, dass ich einigermaßen vernünftige deutsche Sätze bilden kann macht mich noch nicht zum deutschen Staatsbürger. Soviel zu logischen Fehlschlüssen.
        Wenn ich in der TNS (http://www.triplenine.org/ – ist nicht überall bekannt) ein paar mehr Mitglieder aus dem Reich der Mitte begrüßen kann, reden wir weiter.

  2. Chinesen kann man erst dann wirklich ernst nehmen, wenn sie sich der restlichen Welt öffnen.
    Dann wird man sehen, was passiert. Vorher ist alles nur Gelaber.

  3. Here ein Kommentar von 小虎 unter der englischen Version:
    „Jaja. So ist das halt hier, im ach so tollen freien Westen. Keine Ahnung von nichts, aber hauptsache allen sagen wie man zu leben hat. Dass es die Chinesen schon ein paar tausend Jahre länger gibt, ist den meisten hier sowieso egal, wenn sie es überhaupt wissen. 中国, das Reich der Mitte. Wir sind für sie nur lächerliche Barbaren die nichtmal unbewaffnet zu Tisch gehen (Messer und Gabel). In China gehört ein Messer in die Küche und nicht an den Esstisch. Das ist nur eines von unzähligen Beispielen, warum man sich besser informieren sollte über so genannte Entwicklungsländer. China hat sich alles über Jahrtausende hart erarbeitet. Wir haben unseren Reichtum auf dem Rücken von dutzenden anderen Völkern und der Erde selbst (Sklaven, Globalisierung, Umweltverschmutzung) aufgebaut und es nicht geschafft zusammen zu halten, weil wir durch Gier uns auch noch gegenseitig bekämpfen mussten. Armer Westen, hoffentlich kommen sie bald und “retten” uns. Ich habe mal in der Schule gelernt, dass wir die Guten waren und die Kommunisten, damals im kalten Krieg die “Bösen”. Ich befürchte seit längerem, dass die “Propaganda” der Kommunisten im großen und ganzen schon richtig war und der Kapitalismus das pure Böse ist. Wie man unschwer erkennen kann ist die Welt voller Probleme und unser tolles System, das die Reichen reicher macht und die armen noch ärmer wird, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht im Stande sein auch nur ein einziges davon zu lösen.
    Tut mir leid wenn es ein bisschen offtopic ist. Aber meine Freundin ist Chinesin und ich ärgere mich jedes Mal wieder aufs Neue wenn ich irgendetwas über China lese was nicht aus China kommt. Dieser Artikel ist eine Ausnahme und interessant zu lesen. Ich rede von dem typischen kritischen “Smog gibts nur in China und er ist so böse, außerdem von Chinesischen Firmen und wir sind an überhaupts nicht schuld, weil wir wollen ja nur helfen Probleme von anderen zu lösen – Süddeutsche Zeitung Artikel”

    小虎特别喜欢比特币。“

  4. HAHAHAHAHA, das immer noch so viele menschen gibt die wirklich glauben wir hätten zurzeit den Kapitalismus

    einfach nur traurig…

  5. Guten Tag ich verfolge ihren Blog nun eine weile schon
    Möchte ihnen danken füe die tollen Blogs
    Ich finde es Ok wenn man die Option hat für einen Artikel zu bezahlen aber trotzdem die freie wahl
    Z.b weil ich momentannkeine Btcs habe könnte ich auch nocht bezahlen

  6. Ein wirklich guter Artikel. Thanks a lot.

  7. Ich habe noch nie jemanden eine Geschichte aus China so offen und unverfälscht lesen dürfen und hoffe, dass Sie uns in der Zukunft mehr dieser indirekten Einblicke in die chinesische Kultur bieten werden!

  8. Euch kleingeistigen Spöttern sei gesagt, das dieser Beitrag, losgelöst um das immer noch nicht gelöste Geheimnis der weiteren Zukunft des BC in China, den Nagel hinsichtlich Sichtweise der Chinesen auf den Punkt bringt.
    Und wenn man die Begriffen hat, sollte man sich vor dem Hintergrund, das die Chinesen DIE Werkbank der Welt sind (deshalb auch die größten Divisenhalter; was uns im Kalten-Krieg bei den Russen in den Wahnsinn getrieben hätten, weil die dann mit einem Fingerschnipp die s.g. Weltwirtschaft abgeschossen hätten), sich in Afrika im großen Stiel ohne politische Einflussnahme Ressourcen sichern (und nicht nur Bodenschätze, sondern auch den Wert des Bodes an sich) mal anfangen, über den mittelfristigen wirtschaftlichen Stellenwert des ach so hoch aufgehängten Westens Gedanken zu machen…
    Viel Spaß beim Nachdenken

  9. MasterOfFight // 15. April 2014 um 8:56 // Antworten

    Das es interkulturelle Unterschiede gibt, verschiedene Ansichten, ein unterschiedlicher Horizont etc, muss man einfach Akzeptieren.
    Die Chinesen sind sehr sehr stark auf ihr eigenes Land fixiert, sowie der Amerikaner oder viele andere.
    Wenn man zusammen Spielen würde, gäbe es viele viele viele neue Möglichkeiten und Lösungen zu vielen Problemen.

    Jedes Land fälscht ein bisschen an seinen Zahlen rum um besser dazustehen.
    Das China eine der größten oder sogar die größte Wirtschaftsmacht darstellt, mag gut sein, aber worauf wird sie Aufgebaut? Auf zich tausenden rücken kleiner Menschen die Arbeiten bis sie umfallen. Natürlich alles Regions und Berufsabhängig. Und in anderen Teilen der Welt auch vertreten, aber trotzdem…

    Gäbe es weniger Engstirnigkeit und mehr offenes Miteinander könnten wir Wirtschaftlich alle Profitieren.

    Zum Artikel selber:
    Sehr gut und leserlich geschrieben. Vor allem auch sehr interessant zu beobachten was vor sich geht im Staate China bezüglich unser aller Bitcoin Geschäfte.

    Ich bin sehr gespannt was die Zukunft bringt.

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