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China: Wenn der Bitcoin klein bleibt, wird er leben dürfen

Beijing Patrol, via flickr.com: Lizenz: Creative Common

Von Saigon aus, wo er einen amerikanischen Geschäftsmann trifft, beobachtet Zhang Weiwu gebannt, wie der 15. April über die chinesische Bitcoin-Szene rollt – und nichts passiert. Er fühlt sich in seinen Vorhersagen bestätigt und spekuliert, wie es weitergehen wird. Die Geschichte vom Diener, der einen leeren Krug bringt, einem Nachtclub, der verschwindet, ohne dass er verboten wurde, und einer Bitcoin-Börse, die der Zentralbank droht. Die Zukunft des Bitcoins in China wird, sagt Zhang voraus, langweilig werden.

Ich rolle eine durchsichtige Haut aus getrockneter Reissuppe um einige stinkende Gemüseblätter, die selbst wiederum um Rindfleisch gerollt sind, und dippe sie in eine stinkende, salzige Fischsauce. Das ist mein Essen in Saigon. Ich esse wie ein König und stinke wie ein toter vegetarischer Fisch. Der Duft wird mich noch einige Tage begleiten, aber ich brauche das Salz, nachdem mir die Hitze in Saigon den Schweiß literweise aus dem Leib gepresst hat.

„Normalerweise rede ich mit Menschen anstatt mit meinem Smartphone,“ sagte ich schuldbewusst zu meiner vietnamesischen Gastgeberin, „Aber es passiert heute einfach zu viel in der Bitcoin Welt.“

Es machte mir Spaß, zu beobachten, wie sich die Ereignisse der Bitcoin-Sphäre entfalteten. Noch mehr Spaß macht es mir aber, um ehrlich zu sein, abzuhaken, welche meiner Voraussagen sich erfüllt haben:

Prophezeit am 9. Januar: Die PBOC (People’s Bank of China) wird den Bitcoin nicht verbieten, aber den Handel behindern. Check.

Prophezeit am 28. März: Die Anweisung der PBOC existiert und wurde versehentlich enthüllt. Check.

Prophezeit am 4. April: OKCoin wird nach Hong Kong auswandern. Noch unbestätigt.

Prophezeit am 10. April: Wir haben den Boden erreicht, warte nicht, wenn du kaufen willst. Es wird am 15. April keinen weiteren Kurssturz geben. Check.

So weit sind drei Ereignisse „wie geplant“ eingetroffen, eines steht noch auf der Warteliste. Was mich aber wirklich überrascht hat, war der Picassa ATM, den BTC-China präsentiert hat. Ben, mein amerikanischer Freund, den ich in Saigon treffe, ist nicht überrascht. Er hat so etwas erwartet. Das beweist wohl, dass kulturelle Gräben kein Märchen sind: Meine Voraussagen funktionieren nicht bei Leuten aus dem dem Westen wie Bobby Lee, dem Geschäftsführer von BTC-China.

Was ich aber vorhersagen kann, ist, dass die folgenden Episoden der Bitcoin China Show eher langweilig werden. Schaltet besser einen anderen Kanal ein, wenn ihr Unterhaltung sucht. Ich möchte meine Leser auch warnen und um Geduld bitten: Meine Erklärung wird mit einer Kindergeschichte beginnen.

Denn ich erwarte, dass es so weitergeht, wie wir es in China schon oft erlebt haben. Und dieses Muster lässt sich am besten durch zwei Geschichten beschreiben.

(cc) Jeremy Reding/flickr.com

(cc) Jeremy Reding/flickr.com

Ein tüchtiger Fürst trinkt auch aus einem leeren Krug

Die erste ist sehr alt. Jedes chinesische Kind kennt sie: „Der Fürst befiehlt seinem Diener, ihm Wein zu kaufen, aber er gibt ihm keine Münzen. „Ein wirklich tüchtiger Diener,‘ sagt er, ‚braucht keine Münzen, um Wein zu kaufen.‘ Der Diener geht los und kehrt mit einem leeren Krug zurück.“

Der Witz endet an dieser Stelle. Er ist ein wenig wie die meisten westlichen Nachrichten über China: Er erzählt, was passiert, aber nicht, was wirklich passiert. Ein Chinese kennt jedoch den Teil, der nicht erzählt wird:

1. Die Vorgeschichte: Der Fürst hat das Gefühl, der Diener sei ungehorsam gewesen oder habe ihn beleidigt, und gibt ihm daher einen Befehl, der nicht zu befolgen ist. Ein gehorsamer Diener würde seine Unterlegenheit demonstrieren, indem er sagt: „Herr, ich kann keinen Wein bringen, ich habe versagt und bitte um eine Strafe“ (Er bitte nicht um Pardon!). Der Fürst hätte ihn bestraft oder ihm Pardon gewährt und die Angelegenheit damit ordnungsgemäß beendet.

2. Der schlaue Diener hat aber, was der Fürst nicht ahnt, entweder einen neuen Herrn gefunden oder neun Punkte im Pai Gow gemacht, was der Grund dafür sein könnte, dass er den Fürsten zum ersten Mal beleidigt hat. Mit dem leeren Weinkrug hat er die Gelegenheit genutzt,  seinen Herrn noch einmal zu narren, bevor dieser ihn auf die Straße wirft.

Also, der Anfang der Geschichte war, dass der Fürst den Ungehorsam des Dieners spürte, und das Ende, dass er den Diener feuerte. Beides muss ausgelassen werden, um eine „objektive Nachricht“ zu schreiben: „Prophezeie nichts und setze nichts voraus.“

Ungewöhnlichlich ist nun, was in der Bitcoin-Welt passiert ist: Die PBOC hat den Dienern keine Audienz gegeben. Normalerweis gibt der Fürst den Dienern in solchen Fällen eine Warnung, einige Tage, bevor er kostenlosen Wein verlangt – ein kleiner Wink würde reichen, und der Diener versteht die Botschaft und kann verhindern, dass er sein Gesicht verliert. Nun hat die PBOC allerdings keiner der Börsen eine Audienz gewährt, und das muss bedeuten, dass sie sie aus dem Gesamtbild entfernt sehen möchte. „Du kannst eine Bitcoin Börse führen,  ohne eine Bank zu benutzen, so, wie du Wein ohne Münzen kaufen kannst.“ Der Diener weiß, dass es nun nicht mehr hilft, Gehorsam zu zeigen, und daher passiert etwas seltenes: Huobi warnt die PBOC, so wie, würde ein Chinese sagen, eine Ameise einen Baum warnt, dass es gefährlich sei, den Bitcoin in den Schwarzmarkt zu drängen, da er dann nicht mehr zu kontrollieren sei. Mit anderen Worten: Ein tüchtiger Fürst kann Wein aus einem leeren Krug trinken. Es ist gut für einen Lacher, aber der Diener wird gefeuert.

Die zweite Geschichte ist wahr. Ich habe sie gehört, als ich in der Oberstufe war und die harte Realität in China kennenlernte.

Niemand stirbt, aber Konflikte werden gelöst

Ein Geschäftsmann hat einen Nachtclub eröffnet. Er hat selbstverständlich die Beamten bestochen, aber die Beamten haben seine Einnahmen durch einen Fehler höher berechnet, als sie waren, und daher gedacht, dass das Bestechungsgeld zu gering sei. Nachdem es ihm nicht gelang, zu beweisen, dass er korrekt gerechnet hatte, beschloss der Geschäftsmann, den Nachtclub dennoch weiter zu führen. Ein falscher Zug. In einem Western würden die Beamten jetzt den Clubbesitzer abknallen, auf seinen toten Körper spucken und in seiner Schublade nach Geld suchen. So pittoresk laufen die Dinge in China aber nicht ab.

Was wirklich passiert ist das folgende: Die Polizei parkt ein mobiles Polizeibüro direkt vor dem Nachtclub. Danach geht niemand mehr hinein – nicht, weil die Gäste kriminell sind, sondern weil sie die Botschaft richtig deuten: die Polizei hat etwas gegen den Nachtclub, und sie könnte eine Razzia bei den Gästen durchführen, etwa auf der Suche nach illegaler Prostitution. Der Nachtclub ging bankrott, die Beamten erkannten, dass der Geschäftsmann tatsächlich korrekt kalkuliert hatte, und das mobile Büro verschwindet. Bis der nächste Nachtclub eröffnete und sich das Spiel wiederholte.

So läuft es in chinesischen Geschichten: Niemand stirbt, Konflikte werden gelöst, Geld wird geteilt, und es gibt kein Blutvergießen.

Die chinesische Regierung scheint von der Weisheit Mahatma Ghandis gelernt zu haben. Ghandi hatte vorhergesagt, dass,  wenn man es nur schwierig genug macht, regiert zu werden, die Regierenden es vielleicht aufgeben werden, zu regieren. In China gilt: wenn du (die Regierung) es den Unternehmen nur schwierig genug machst, zu wirtschaften, dann werden sie vielleicht ihr Geschäft aufgeben. Echtes Blutvergießen ist nicht nötig. Um genau zu sein, hat China sogar gelernt, es besser zu machen als Ghandi. Hier ist es nicht einmal nötig, dass die Unternehmen bankrott gehen. Solange sie schwach bleiben, dürfen sie oft weiterleben. Man nennt es „Harmonie“, und es ist derzeit ein politischer Zeitgeist. Töte nicht die Bauern, die ihr Land an die Regierung verloren haben, es reicht, wenn du es ihnen schwer machst, zu leben. Schließe Wal-Mart nicht, schwäche es nur so sehr, dass es nicht mit HuaRuen konkurrieren kann.

Also, was wird in der nächsten Staffel der Bitcoin-China-Show geschehen? Wenn Bitcoin wieder groß und stark in China wird, wird eine neue Politik kommen und es unterdrücken. Wenn der Bitcoin klein bleibt, wird er leben dürfen.

 

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Zhang Weiwu ist ein chinesischer IT-Unternehmer, der seit zehn Jahren mit deutschen Unternehmen handelt und sich seit zwei Jahren mit dem Bitcoin beschäftigt. Die virtuelle Währung ist für ihn die größte Erfindung dieser Dekade. Er sucht aktiv nach Gelegenheiten und Partnern für Bitcoin-Geschäfte. Er ist über linkedin zu erreichen.

Mehr von Zhang Weiwu: „Es ist kein Spiel der Überlebenden, sondern der Verlierer.“ und Wahrheit, Gerüchte und Gehorsam

Über Zhang Weiwu (7 Artikel)
Ist unser Korrespondent aus China. Der IT-Unternehmer ist immer auf der Suche nach Geschäftspartnern und gibt unseren Lesern einen Blick hinter die Kulissen der chinesischen Bitcoin-Szene.

8 Kommentare zu China: Wenn der Bitcoin klein bleibt, wird er leben dürfen

  1. Der Bitcoin wird China nicht fragen müssen ob er überleben darf. Aber vielleicht irgendwann China den Bitcoin muhaharr

  2. Schöner Artikel. Vielleicht denkt man in Zukunft bei der Spendenbitte auch an einen QR Code. Denn so eine Adresse möchte ich nicht manuell auf mein Smart-Wallet tippen. Danke, weiter so!

  3. Der Bitcoin wird ggf. auch ohne China (oder nur klein in China) überleben. Die Annahme, dass China einmal ohne den Bitcoin nicht mehr existieren kann, ist jedoch absolut überzogen – um nicht ‚hirnrissig‘ zu sagen.

  4. Die gesamte Fiat-Mafia hat ordentlich Schiss vor Bitcoin – und das nicht ganz zu Unrecht.

  5. Wer produziert denn Bitcoin und Scryptcoin Hardware ?
    Richtig….China.
    Und wollen die auch ihre Hardware verkaufen ?
    Aber natürlich.
    Gelingt das auch wenn der Bitcoinpreis in den Keller geht ?
    Nein.

    Was will ich damit sagen ?

  6. ich denke jede mafia freut sich auch über den bitcoin 😀

  7. Shanghai Observer // 7. Mai 2014 um 9:26 // Antworten

    Na ja. Das ist die Frage. Wird eine solche Strategie verfolgt? Dem Anschein nach schon. Aber wenn ja, mit welchem Ziel? Den Bauern verhungern zu lassen, oder ihn lediglich hungrig zu machen? Bisher sprechen die Beweise eher für den zweiten Fall. Wie dem auch sei, sollte man die erfinderische Natur der fleißigen chinesischen Bauern nicht vergessen. Wo Nachfrage ist, wird sich auch Angebot finden lassen.

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