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„Ich kann mich nicht erinnern, wofür ich fast 5.000 Bitcoins ausgegeben habe.“

Neo & Bee

Neo & Bee: Die erste Bitcoin-Bank, die es nie gegeben hat. Mittlerweile dürfte klar sein, dass das als Hoffnungsträger gestartete Unternehmen aus Zypern keine Zukunft mehr hat. Der Versuch, zu rekapitulieren, was geschah, zu zeigen, was die Gründe sind, und zu fragen, was dies für die Bitcoin-Sphäre bedeutet.

Vermutlich hätten Sie nicht erwartet, dass dieses Blog einmal den alten Marx zitiert. Aber es passt zu gut: Geschichte wiederhole sich, „das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce.“ Die Tragödie war es, als ein Franzose nach Japan zog und dort die größte Bitcoin-Börse der Welt, Mt. Gox, mit Vollgas gegen die Wand fuhr. Die Farce war es, als ein Brite nach Zypern ging und dort eine „Bitcoin-Bank“ gründete, die pleite war, bevor sie den Betrieb aufgenommen hatte.

Geschäftsführer geflüchtet, Geld der Investoren weg, keiner weiß, weshalb

Zunächst die Kurzfassung, was geschehen ist: Danny Brewster, ein Brite der, entschuldigung, sehr britisch aussieht, wanderte nach Zypern aus, um dort die „Bitcoin Bank“ Neo & Bee zu gründen. Er hat einen relativ ausführlichen Business-Plan veröffentlicht und Anleihen auf Bitcoin-Börsen aufgelegt. Im Februar hat Neo & Bee mit großem Pompom ein Büro eröffnet, das niemals den Geschäftsbetrieb aufgenommen hat, und heute sind die Aktien des vermeintlichen Unternehmens so tief im Keller, dass der Handel ausgesetzt wurde. Das Ergebnis: Danny Brewser, der Brite auf Zypern, ist zurück nach Großbritannien geflüchtet, keiner weiß, wo er ist, aber jeder weiß, dass er einen Weinberg Geld verloren hat, das ihm niemals gehört hat. Wie es dazu kam ist, mal wieder, nicht ganz klar.

Die Chronik einer Pleite

neo_bee_4Nun zur Langfassung. Im September 2013 nehmen mehrere Bitcoin-Anleihen-Börsen, etwa Bitfunder und Havelock Investments, das Papier von Neo & Bee auf. Laut der Beschreibung wird Neo & Bee eine Bitcoin-Bank auf Zypern, die Bitcoins auf der Insel ebenso leicht benutzbar macht wie Kreditkarten. Danny Brewster, der Geschäftsführer, erklärt zudem, er habe Kontakte zu Politikern sowie der Universität von Zypern. Der Brite, der laut eigenen Angaben zuvor eine leitende Stellung im Bank-Business innehatte, sagt, er sei ein Early Adopter von Bitcoin und habe tausende eigene Coins in das Unternehmen investiert.

Bis Februar 2014 sammelt Neo & Bee rund 9.400 Bitcoins von Investoren. Die Anleihe wird mittlerweile nur noch auf Havelock geführt, nachdem Bitfunder, eine andere Börse, im Herbst 2013 schließen musste. Der Gründer von BitFunder, Okyo, hat gegenüber Anlegern, die ihre Bitcoins nicht mehr herausgebracht haben, Schulden im Umfang von mehreren Millionen Dollar und flüchtet nach Zypern zu Danny Brewster. Dieser investiert derweil rund 4.400 Bitcoin in eine aggressive Marketingkampagne, wie sie die Bitcoin-Welt zuvor nicht nicht gesehen hat: Werbespots im Fernsehen, ganzseitige Anzeigen in Magazinen und riesige Plakate in allen Städten Zyperns.

Am 24. Februar 2014, als die Kurse auf Mt. Gox gerade heftig purzeln, eröffnet Neo & Bee ein Büro in Nicosia, der Hauptstadt Zyperns. Tuur Demeester, ein Bitcoin-Evangelist, wurde von Brewster eingeladen. Er erzählt, dass ihn Danny mit einem Bentley am Flughafen abgeholt und in sein luxuriöses, aber spartanisch eingerichtetes Miethaus gebracht habe. Das Büro fand Demeester beeindruckend: ein vierstöckiges Gebäude im Zentrum von Nicosia. Während Demeester es besichtigt, handelt Brewster auf Mt. Gox, er kauft Bitcoins im Wert von 80.000 Euro und verkauft sie kurz darauf wieder, als der Kurs leicht steigt.

Die Eröffnung des Büros findet in jeder zyprischen Zeitung und international Beachtung; einige hundert Leute sind anwesend und interessiert; Neo & Bee hat bereits einen der wichtigsten Einzelhändler für seine Firma gewonnen und kooperiert eng mit der Hochschule von Nicosia, die auch einen Master in „Cryptocurrency“ anbietet. Es sieht gut aus. Der Preis der Anleihe auf Havelock verdoppelt sich und Neo & Bee gilt als eine der größten Hoffnungen der Bitcoin-Szene.

Danach passiert … nichts. In den folgenden Wochen wird bekannt, dass im Büro bislang nur beraten wird und das Produkt noch gar nicht wirklich fertig ist. Mitte März spitzt sich die Geschichte zu. Es geht ganz schnell: Zuerst verlangen die Investoren den Finanzbericht, den Neo & Bee zwar versprochen, aber niemals geliefert hat. Danny Brewster vertröstet sie und postet ein Update des Berichts, ohne zu erklären, wofür das investierte Kapital verwendet wird. Auf reddit und bitcointalk häufen sich hässliche Gerüchte über Danny Brewster.

Am 18. März sagt Brewster laut einem Mitarbeiter von Neo & Bee, dass die Firma noch 5.000 Bitcoins habe – was angesichts der gesammelten 9.400 Bitcoins bereits den Verlust fast der Hälfte der Einlagen bedeutet, bevor die Firma überhaupt eröffnet hat. Am selben Tag zieht sich Brewster von den sozialen Medien, wo er zuvor häufig gepostet hat, zurück. Drei Tage später verlässt er Zypern.

neo_bee_3Am 19. März erklärt Brewster seinem Management, dass er nur noch 140 Bitcoin habe. Er sagt ihnen allen Ernstes: „Eigentlich dachte ich, wir hätten 5.000, aber als ich meine Wallet öffnete, sah ich, dass die Coins nicht da sind. Ich habe sie irgendwie ausgegeben, aber ich kann mich nicht mehr erinnern, für was.“ 5.000 Bitcoins waren damals gut 2 Millionen Euro wert.

Danny verspricht, sein Auto zu verkaufen und den Erlös sowie die 140 Bitcoins der Firma zu geben. Den Bentley verkauft er wirklich, doch das Geld, das er für ihn erhält, nimmt er ebenso mit nach Großbritannien, wie die die 140 Bitcoins. Angeblich rufen ihn familiäre Verpflichtungen in seine Heimat. Zurück bleiben Angestellte, die keinen Lohn mehr erhalten, Investoren, deren Aktien nichts mehr wert ist, und ein Unternehmen, das Schulden über mehrere Millionen Euro hat. Auf Bitcointalk und reddit hat Danny Brewster seitdem mehrfach Stellung bezogen, um angeblich „das wahre Bild“ zu zeigen.

Seine Aussagen sind aber widersprüchlich. Er habe auf Bitfunder zwischen 1400 und 1700 Bitcoins verloren. Auf Mt. Gox habe er nur 360 Bitcoins aus eigenem Besitz (Post auf bitcointalk), oder 2.480 Bitcoins von Neo & Bee (gegenüber seinen Mitarbeitern) verloren. Mittlerweile sucht die Polizei in Zypern Danny Brewster wegen der Veruntreuung von Kundengeldern. Möglicherweise wird sie einen internationalen Haftbefehl erlassen. Die verlorenen Bitcoins wird dies aber wohl auch nicht zurückbringen.

Es gibt nun zwei Interpretationen:

(1) Alles war von vorneherein Lug und Trug und Bauernfängerei: Ein Unternehmen, dass es nur gab, um Anlegern das Geld aus der Tasche zu ziehen, dieses in Werbekampagnen und glänzende Büros zu investieren, um noch mehr Leute dazu zu bewegen, gutes Geld in schlechte Aktien zu versenken. Neo & Bee – die Parodie der modernen Wirtschaft, ein Unternehmen, das eine reine Marketingblase war und ein Geschäftsführer, der niemals im Ernst vorhatte, ein Geschäft zu betreiben, sondern von Anfang an geplant hat, Bitcoins einzusacken und mit ihnen zu verduften.

(2) Brewster ist kein Betrüger, aber einer der übelsten Unternehmer aller Zeiten: Er wollte wirklich die Bitcoin Bank auf Zypern gründen und startete mit hehren Zielen. Allerdings hat er keine Gelegenheit ausgelassen, das Geld seiner Anleger zu verschleudern: Erst für Bitfunder, dann für Werbekampagnen und ein teures Büro, und schließlich in Spekulationen auf Mt. Gox. Das Geschäft zu führen hat er dabei vollkommen vergessen.

Was das für den Bitcoin bedeutet, ist schwer zu sagen. Es ist natürlich schade, dass sich ein Unternehmen, das mit großen Hoffnungen gestartet ist, als Luftnummer erwiesen hat – aber eine Währung ist nicht an dem Schundluder schuld, der mit ihr veranstaltet wird. Möglich wäre allerdings, dass die Distribution des Bitcoins ihren Beitrag geleist hat: Leute, die keinerlei Eignung als Unternehmer hatten, wurden reich, indem sie zur rechten Zeit ihren Computer angeworfen haben, anstatt Leistung zu zeigen, und haben sich danach für wirkliche Unternehmer gehalten. So war es bei BitFunder, so war es bei Mt. Gox, und so war es bei Neo & Bee.

Über Christoph Bergmann (2802 Artikel)
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7 Kommentare zu „Ich kann mich nicht erinnern, wofür ich fast 5.000 Bitcoins ausgegeben habe.“

  1. Unerhört!

  2. 90% aller Bitcoin-Unternehmen sind nur dazu da um uns alle abzuzocken. Bei mir was es Gox.

  3. Naja, 90 Prozent dürfte etwas hoch gegriffen sein, aber es ist ein beträchtlicher Anteil und das ist auch ein Problem

  4. Der Bitcoin an sich ist eine einzige Abzocke. Manche scheinen das jetzt langsam zu begreifen. Wenn man genug Kapital aus dem Markt gesaugt hat, wird der Kurs endgültig abstürzen. Dafür muss man eigentlich kein Hellseher sein.

  5. Also, dass diese Betrüger und Verbrecher keine Angst vor den Spätfolgen haben, kann ich nicht verstehen. Die verpulvern von einer Menge Menschen die Kohle und machen diese Menge Menschen damit extrem stinkig. Und es gibt mit Sicherheit auch eine Menge Menschen, die gerne sehen würden, wie diese Betrüger am Galgen baumeln….
    Ich hätte jedenfalls an keinem Platz der Welt mehr ein Gefühl der Sicherheit. Der Bitcoin ist sehr mächtig und das Kapital, welches da drin steckt ebenfalls. Und mit Sicherheit spielen auch sehr mächtige Leute damit rum. Und nicht nur die Seriösen 😉

  6. Ein übles Spiel. Gox, Vircurex und wie sie alle heißen/hießen ….den selbsternannten Managern wurde es zu einfach gemacht mit dem Versprechen eines Eintrages in eine Datenbank an das Geld der Anleger zu kommen.
    Bei Tages-/Festgeldzinsen etablierter Banken, die die Inflation nicht einmal ausgleichen, ist dies wohl nicht verwunderlich.
    Nun findet auch auf (noch?) existierenden BTC-Börsen kaum mehr Handel statt.
    Eine ehemals gute Idee geht zu Grunde.

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