Alpenländer, Kryptoaktien und der Markt als Monster

Oh Mann, was für eine Woche. BitPay und Coinbase bringen 0-Prozent-Angebote auf den Markt, Ecuador verbietet den Bitcoin, und während sich in einem Alpenland die Ministerien widersprechen, genehmigt das andere noch ein ATM-Netzwerk. Außerdem: Jed McCaleb, umtriebiger Kryptowährungsunternehmer, bringt mit starker Rückendeckung sein neues Protokoll an den Start, und Overstock will Kryptoaktien herausgeben und Mitarbeitern den Bonus in Bitcoins auszahlen. Wow. Der Kurs reagiert derweil, indem er kräftig nachgibt aber am Ende wieder aufholt.
Die 0-Prozent-Anbieter
Tja, der Markt ist ein gnadenloses Monster, vor dessen Schlund nur die am besten Angepassten überleben. Anders gesagt: diejenigen, die dem Kunden geben, was er wünscht, oder, besser noch, was er nicht mal zu wünschen gewagt hat. Zum Beispiel einen vollkommen kostenlosen Zahlungsdienst. BitPay, weltweit dominierender Bitcoin-Zahlungsdienstleister, hat nun seine 0-Prozent-Politik vorgestellt: Händler, die Bitcoins akzeptieren und auch gerne Dollar empfangen, müssen künftig nichts bezahlen. Nada, ohne Limit und für immer. Auch Coinbase ist mit einem 0-Prozent-Angebot nachgezogen, allerdings gilt dieses nur für Wohltätigkeitsorganisationen.
Es ist wirklich so, wie Dell getwittert hat: Beim derzeitigen Stand der Dinge gibt es für Händler keinen Grund, Bitcoins nicht zu akzeptieren: Kosten, die deutlich unter denen von PayPal oder Kreditkarten liegen, ein Betrugsrisiko, das gar nicht existiert, und eine kinderleichte Installation. Kein Wunder begeistern sich immer mehr Händler für Bitcoins. Laut einer kürzlich veröffentlichten Statistik bedient BitPay in Europa bereits mehr als 10.000 Händler und hat allein 2014 mehr als 2 Millionen Euro umgesetzt. Gut 20 Prozent von BitPays europäischen Kunden sind aus Großbritannien, 8 aus Deutschland und 6 aus den Niederlanden. Man muss kein zweiter Adam Riese sein, um zu sehen, dass die Kunden-je-Kopf-Quote nicht zu Gunsten Deutschlands ausfällt.

“Airplane” von Andrew Malone via flickr.com. Lizenz: Creative Commons 2.0
Neue Bitcoin-Akzeptanzstellen in Europa sind etwa die niederländischen EasyHotels in Amsterdam, Den Haag und Rotterdam. Oder AirBaltic als erste Fluggesellschaft. Die lettische Fluggesellschaft hat anfangs auf Bitcoin-Zahlungen dieselbe Gebühr wie auf Kreditkartenzahlungen aufgeschlagen, nämlich 5,99 Euro, dies aber nach einem empörten Coindesk-Artikel wieder zurückgenommen. Nun sind Bitcoin für AirBaltic zusammen mit den AirBaltic-Punkten die einzige kostenlose Zahlungsform für Flugtickets.
Und der Kurs, der fällt und fällt und fällt und steigt
Drei Schritte zurück und einen Schritt nach vorne: all der guten Nachrichten zum Trotz hat der Preis beschlossen, ein wenig auf Tauchfahrt zu gehen. Kurz nachdem ich einen Artikel zur „Stabilität“ bei etwa 460 Euro veröffentlicht hat, kam der erste Dump. Im Lauf der Woche folgte der zweite un der dritte und der vierte. Erst gestern setzte eine kleine Trendwende ein, die den Preis von einem Tief von 420 zurück auf knapp 440 geschickt hat.
Bei Bitcoin.de gab es einen bemerkenswerten Ausreisser: Am 29. Juli wurden gegen 16 Uhr rund 150 Bitcoins zum Preis von mehr als 800 Euro gehandelt. In den Charts sah das so aus (die Balken sind das Handelsvolumen, die Kurve ist der Median des Preises):
Ein mächtiger Ausreißer, oder? Bei der Community ist das natürlich nicht unbemerkt geblieben und es gab Spekulationen, was da los war. Absprache? Manipulation, Geldwäsche? Die Wahrheit ist, wie so oft, trivialer. Ein User hat Kaufen und Verkaufen verwechselt und so die Order am falschen Platz positioniert. Klar dass ein solches Angebot (Kaufe 150 Bitcoins für mehr als 800 Euro) nach 30 Sekunden verputzt war. Als der Käufer bemerkt hat, was er getan hatte, hat er erfolgreich um die Stornierung des Verkaufs gebeten.
Aber das nur nebenbei. Die wichtigere Frage ist wohl: Warum zum Teufel fällt der Preis, obwohl es Woche für Woche ganze Wagenladungen an guten Nachrichten gibt und sich das Bitcoin-Ökosystem rasend schnell entwickelt? Anfang Dezember 2013 war der Preis bei Bitcoin.de wirklich bei mehr als 800 Euro, obwohl es noch kein weltweites ATM-Netzwerk, keine großen Händler, bei denen man mit Bitcoins bezahlen kann, keine in die Hunderte von Millionen gehenden Investitionen in Bitcoin-Start-Ups und so weiter gab. Wie kann es sein, dass der Preis jetzt, wo all dies da ist, nur noch bei der Hälfte steht?
Eine Antwort dürfte darin liegen, dass die Akzeptanz des Bitcoins bei Onlinehändlern rund um die Welt teuer erkauft ist. Schließlich wechseln BitPay und Coinbase die Bitcoins, mit denen bezahlt wird, in Dollar oder Euro. Ob sie das nun tun, indem sie im selben Moment auf den Börsen verkaufen, ob sie langsam (und gewinnbringend) handeln, oder ob sie die Bitcoins außerhalb der Börsen vertreiben – so oder so stärken sie den Verkaufs- und schwächen den Kaufdruck. Mit Bitcoins zu bezahlen, bedeutet mit diesem Modell leider, Bitcoins zu verkaufen und mit Euro oder Dollar zu bezahlen. Zur gleichen Zeit steht der Kurs durch die Miner unter Druck. Denn diese erzeugen im Schnitt alle 10 Minuten 25 Bitcoins. Davon wird zumindest ein Teil verkauft. Die Nachfrage tut sich derzeit wohl schwer, diesem doppelten Verkaufsdruck standzuhalten.
Bitcoin 2.0

Wer wird der Star am Himmel der Bitcoin 2.0-Projekte? Bild: “Star Trails Over NASA” von Zach Dischner via flickr.com. Lizenz: Creative Commons 2.0
Mastercoin, Colored Coins, Ethereum, Counterpary – es gibt mittlerweile einige sogenannte Bitcoin 2.0 Coins. Die Idee dahinter ist, dasselbe, was der Bitcoin mit Geld macht, mit Verträgen zu tun: Die Blockchain-Technologie zu nutzen, um augenblicklich und sicher Besitzansprüche auf Güter aller Art zu übergeben. Sei es Gold, seien es Aktien. Die Idee leidet, meiner Meinung nach, unter dem „Echte Welt Problem“ – sie benötigt außerhalb der Blockchain Rechtsverhältnisse und gültige Verträge. Aber das Potenzial ist da.
Das findet auch Patrick Byrne, Geschäftsführer von Overstock, einem US-Versandhändler, der in Sachen Bitcoin-Akzeptanz Pionierwege eingeschlagen hat, als er als erstes großes Unternehmen Anfang 2014 Bitcoins akzeptierte. Byrne hat in dieser Woche gleich zwei aufsehenserregende Statements von sich gegeben: Zum einen hat er angekündigt, dass man künftig den Mitarbeitern einen Bonus in Bitcoins auszahlen werde. Zum anderen möchte Byrnes Overstock-Aktien via Counterparty herausgeben. Damit würde das Unternehmen zur ersten Kryptoaktien-Gesellschaft. Wir sind gespannt, was dabei herauskommt.
Auch Jed McCaleb, Gründer von Mt. Gox und Ripple, treibt ein Bitcoin 2.0 Projekt voran. Bereits im Februar hat er für ein mysteriöses, nicht nähergenanntes Projekt Entwickler gesucht. Gestern bekannte er nun Farbe: Stellar soll ein dezentrales Gateway sein für Überweisungen zwischen virtuellen und Fiat-Währungen. Das Projekt erfreut sich der Unterstützung von Square und Stripe, zwei Zahlungsdienstleistern, die bereits mit Bitcoin arbeiten.
Österreich, Equador und Schweiz
Und zuletzt kommen wir noch zu den Staaten und Behörden. Bekanntlich sehen weder die einen noch die anderen den Bitcoin mit allzu wohlwollenden Augen an, was irgendwie verständlich ist. Schließlich unterlaufen virtuelle Währungen die staatliche Herrschaft über das Geld.
Einen ganz besonders strengen Ansatz hat nun ausgerechnet das Land erwählt, dessen Londoner Botschaft zur Heimat des Cypherpunks und Wikileaks-Gründers Julian Assange wurde: Ecuador. Die Regierung des Landes, dessen offizielle Währung derzeit der Dollar ist, hat beschlossen, eine eigene elektronische, an den Dollar gekoppelte Währung zu schaffen – und sämtliche anderen virtuellen Währungen, insbesondere den Bitcoin, kurzerhand zu verbieten. Die Ende 2013 gegründete Bitcoin Community Ecuador reagiert darauf mit einem offenen Brief an die Regierung, in welchem sie diese davor warnt, dass eine zentrale elektronische Währung droht, die per Verfassung gewährte Privatheit von Kommunikation und Geldverkehr einzuschränken bzw. aufzulösen.
In Europa gibt es gemischte Nachrichten von den Alpenländern. Fangen wir mit dem positiven an: In der Schweiz hat die Bitcoin Suisse AG als zweite Firma das Recht erhalten, Bitcoin ATMs aufzustellen. Damit scheint die Schweiz ihre Rolle als Hort liberaler und diskreter Politik in Europa auch in Sachen Bitcoin fortzusetzen. Wie schon SBEX schließt sich Bitcoin Suisse einer Selbstregulierungsorganisation im Finanzwesen an und erhält damit die Lizenz für Finanzdienstleistungen.
In Österreich wird die Rechtslage dagegen sehr verwirrend. Das Finanz- und Wirtschaftministerium hat unlängst eine Anfrage von Niko Alm, NEOS Sprecher für Netzpolitik, zur recht- und steuerlichen Behandlung von Bitcoins beantwortet. Während das Wirtschaftsministerium Bitcoins so wie die deutsche BaFin als Finanzinstrument einordnet, findet das Finanzministerium, dass Bitcoins keine Finanzinstrumente sind – meint aber dennoch, dass es Geschäftsmodelle gebe, die eine Konzessionspflicht auslösen. Eine Steuerbefreiung für den Handel mit Bitcoins lehnt das Finanzministerium ab, da mit Bitcoins keine Verbindlichkeit auf gesetzliche Zahlungsmittel (den Euro) verbunden sind. Das Grazer Bitcoin-Unternehmen Coinfinity kommentiert die beiden Schreiben: „Alles in allem werfen die gesammelten Antworten der beiden Minister viele neue Fragen auf, auch deswegen weil sie sich in manchen Punkten schlicht widersprechen.“ Auch Alm ist mit den Antworten unzufrieden: „Die rechtliche Unsicherheit erlaubt im Moment keinerlei unternehmerische Tätigkeit in diesem Bereich, während andere Länder diese von vielen Experten als potenziell nächste technologische Innovationswelle gesehene Entwicklung standortpolitisch ausnützen.“
Dem ist nichts hinzuzufügen. Newsrückblick – Ende.
Im Originalartikel auf wired.com wird auch auf BitShares hingewiesen.
Schade das das hier unter den Tisch gefallen ist.
Wer deutschsprachige Infos zum BitShares Ökosystem sucht wird auf dem
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