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Eine überzogene Regulierung schafft nicht mehr, sondern weniger Sicherheit

Die Branche kritisiert die BitLizenz von New York

"Veterans Week New York City" von DVIDSHUB. Lizenz nach Creative Commons 2.0

Wer es zu gut meint, erreicht manchmal das Gegenteil. Der Bundesstaat New York plant eine BitLizenz, die Konsumenten schützen und Kriminalität verhindern soll, ohne dass dies Innovationen zu sehr behindert. Das Anliegen ist zu begrüßen – doch das Anfang August vorgestellte Regelwerk ist so hart, dass es für Unternehmen kaum einzuhalten ist. Branchenvertreter kritisieren an den Vorschriften, dass sie Innovation verhindern bzw. ins Ausland verdrängen, technisch kaum einzuhalten sind und viel zu weit gehen. Das Ergebnis könnte eine verspielte Chance sein.

Regulierung ist ein zweischneidiges Schwert. Sie schützt Konsumenten und verhindert den Mißbrauch von Technologien, was wichtig ist, aber zugleich stets zu Lasten von Innovationen geht und es neuen Unternehmen schwer macht, in einem Markt Fuß zu fassen. Eine sinnvolle Regulierung muss daher ein Mittelmaß finden – einen Zustand, der Verbraucher ausreichend schützt und Kriminalität ausreichend verhindert, aber Raum für Experimente und Innovation lässt und die Eintrittshürden nicht zu hoch ansetzt. Sowohl vollständige Freiheit als auch vollständige Sicherheit sind Illusionen – das eine ist selbstdestruktiv, das andere würgt jede selbstbestimmte Aktion ab.

Die BitLizenz versucht, so Ben Lawsky, Superintendant der New Yorker Finanzaufsicht, eine Balance zu treffen: Schutz für Konsumenten, ja, Verhinderung von Kriminalität, ebenfalls ja, aber kein Unterdrücken von Innovation. Sagt zumindest Lawsky. Die Vertreter der Branche sowie Wissenschaftler sehen das wohl im September in Kraft tretende Regulierungswerk jedoch ganz anders.

Technisch nicht zu erfüllen

"Brookly Stnow Storm" von mike via flickr.com. Lizenz gemäß Creative Commons 2.0

„Brookly Stnow Storm“ von mike via flickr.com. Lizenz gemäß Creative Commons 2.0

Zum einen wäre da Jeremy Allaire, der Geschäftsführer von Circle, der nicht gerade im Ruf steht, ein Idealist oder libertärer Hardliner zu sein. Allaire ruft seit Jahr und Tag nach Regulierung und sucht aktiv den Kontakt zu den Aufsehern. Dass sogar er sich nun geradezu entrüstet zur BitLizenz äußert, sollte eigentlich Bände sprechen.

Natürlich sei Regulierung wichtig, um rechtliche Unsicherheiten abzubauen und es Banken, Versicherungen und Wirtschaftsprüfern zu erleichtern, mit Bitcoin-Unternehmen zusammenzuarbeiten, so Allaire. Aber so, wie die Anforderungen an die BitLizenz verfasst seien, erzeugt diese den gegenteiligen Effekt: Sie wird die Anzahl der Marktteilnehmer reduzieren – ohne hohe Beträge von Investmentkapital wird in New York künftig keine Bitcoin-Gründung mehr möglich sein – und die meisten Firmen ins Ausland drängen – in eine unregulierte und damit unsichere Rechtsumgebung. Das Ergebnis: Nicht mehr, sondern weniger Rechtssicherheit; weniger Kundenschutz, mehr Kriminalität.

Die Vorgaben der BitLizenz seien zudem technisch für die meisten Unternehmen unmöglich erfüllbar. Selbst Circle, unterfüttert mit Investitionskapital im zweistelligen Millionenbereich, hätte keine andere Wahl, als Kunden aus New York zu blockieren. Die Lizenz verlangt von den Unternehmen etwa die umfassende Verifizierung von Kunden, die Dokumentation aller Transaktionen, die Investition von Gewinnen nur in Dollar-Anleihen sowie die Übersendung der Fingerabdrücke aller Mitarbeiter an das FBI.

Viel zu hohe Reichweite

Erschwerend kommt hinzu, dass diese harten Vorgaben nicht nur für Handelsplätze gelten. Bei diesen als Glied zwischen digitalen Währungen und Banken seien solchen Regulierungen durchaus angebracht, meint Allaire. Doch die BitLizenz erstreckt sich auch auf Wallets (lokal und online), alternative Kryptowährungen, Mining-Pools und mehr. Also auf diese ganze noch im Entstehen begriffene Branche, die im Geist von Software-Ingenieuren mit der Möglichkeit, Geld zu programmieren, spielt und experimentiert. Solche Software-Firmen und Open-Source-Projekte sollten und könnten nicht wie ein Finanzunternehmen reguliert werden, meint Allaire.

Ähnlich sehen es Jerry Brito und Eli Dourado, zwei Forscher der George Mason University in Virginia. Auch sie begrüßen das Ziel von Lawsky, eine Balance zu finden, die Konsumenten schützt und Kriminalität verhindert, aber keine Innovation abwürgt – meinen aber ebenfalls, dass die BitLizenz dieses Ziel verfehlt habe. Zum einen übersteigen Kosten und Aufwand, um eine BitLizenz zu erhalten, die für eine Banklizenz. Zum anderen gehe die Regulierung von Blockchain-Anwendungen, die kein Geld sind, wie Namecoin, von Mining-Pools sowie von Wallets zu weit.

Zu strenge Vorgaben und eine zu weit reichende Regulierung – das sind die Punkte an Lawskys Vorschlag, die der Bitcoin-Branche in den USA Kopfzerbrechen bereiten. Von unerwarteter Seite kommt nun noch Kritik an einem weiteren Punkt. Die drei größten chinesischen Bitcoin-Börsen kritisieren, dass Lawsky von allen Unternehmen verlangt, die New Yorker Richtlinien einzuhalten, solange die Unternehmen für Bürger des Bundesstaates New York offenstehen. Da das Internet per Definition keine Grenzen kennt, trifft dies also auch deutsche Online-Wallets, chinesische Yuan/BTC-Börsen und so weiter. Wer einen Bitcoin-Service anbietet, sollte es sich künftig besser zweimal überlegen, ob er nach New York reist, sofern er keine New Yorker IP-Adressen blockt.

Für ausländische Unternehmen nicht nachzuvollziehen

"Statue of Liberty 1" von thenails via flickr.com. Lizenz nach Creative Commons 2.0

„Statue of Liberty 1“ von thenails via flickr.com. Lizenz nach Creative Commons 2.0

BTCChina, Huobie und OKCoin sind wie ihre US-Kollegen der Meinung, dass die Regulierung virtueller Währungen notwendig und zu begrüßen ist. Dass scheint ebenso Konsens zu sein wie dass der Vorschlag von New York „fundamentale Fehler“ habe, die der gesamten Branche schaden. Dass die Regulierung auch Unternehmen außerhalb New Yorks betreffe, von diesen weitreichende Informationen auch zu Geschäftspartnern verlange, die nichts mit virtuellen Währungen zu tun haben und zudem fordere, dass die Firmen die Fingerabdrücke aller Mitarbeiter an das FBI weitergebe – dies sei für chinesische Unternehmen weder nachvollziehbar noch vermittelbar. Der Anspruch der Aufseher von New York, dass sich die ganze Welt an ihre Vorgaben halte, sei nicht zu realisieren (und er widerspricht vermutlich auch internationalem Recht).

Anfang September läuft die Phase ab, in der die New Yorker Aufsicht Kommentare zur geplanten Lizenz entgegennimmmt. Etwas später wird das erste Bitcoin-Gesetz der Welt in Kraft treten. Sollte sich bis dahin nichts an dem geplanten Gesetz ändern, könnte dieses zum Beispiel dafür werden, wie man durch eine offiziell gutgemeinte Regulierung die Chance verpasst, Innovation zu befördern, Kunden zu schützen und Kriminalität zu verhindern. Unternehmen sind durchaus bereit, für einen attraktiven Standort wie New York (und auch Deutschland) eine harte Regulierung in Kauf zu nehmen. Gut gemacht wird eine Regulierung so sogar zum Gütesiegel. Wenn die Vorschriften jedoch so gefasst sind, dass ihre Einhaltung mehr oder weniger unmöglich ist, werden die Unternehmen ins unregulierte Ausland abwandern. Das Ergebnis wird dann nicht mehr, sondern weniger Rechtssicherheit sein.

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9 Kommentare zu Eine überzogene Regulierung schafft nicht mehr, sondern weniger Sicherheit

  1. > (und er widerspricht vermutlich auch internationalem Recht).

    Der war gut, seit wann interessiert das die Weltpolizei? Hab herzlich gelacht.

  2. Name required // 21. August 2014 um 19:56 // Antworten

    Die New Yorker Politiker werden Lawsky schon noch den Hintern versohlen, sobald sie feststellen, dass er damit New York als Finanzplatz und den Arbeitsplätzen massiv schadet.
    Sie müssen nur darauf angesetzt werden.

  3. hat jemand mal daran gedacht das das so gewollt ist? die banken waren in den letzten jahren nicht untätig.

    • Ja. Ich. 😉

      Der Sinn der Regelungen ist nicht der so oft zitierte Kundenschutz, es ist der Schutz des bestehenden Systems. Wer definiert noch mal was als Verbrechen gilt? Die Bürger?

      Wie sagte Brecht so treffend: „Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?“

  4. Es wird immer davon ausgegangen, dass jemand der nicht ausdrücklich gegen den bitcoin hetzt wohl positiv über ihn denkt.
    Diese Regulierung könnte ebensogut das Ziel verfolgen, dass nicht sein kann was nicht sein darf.
    Durch ein Verbot des BTC würden sich die USA ins Fettnäpfchen setzen. Also wird der BTC so arg reguliert, dass er nicht existieren kann. Auch die amerikanischen Banken haben zwischenzeitlich eine ungeheure Macht…..

  5. Heinz Schumacher // 22. August 2014 um 14:27 // Antworten

    Cyberwar gegen den BTC… Dann haben sie aber die Netzgemeinde gegen sich und die weiß sich IMMER zu helfen.

  6. Wo wir schon bei Zitaten sind, haben bitcoin.de und Christoph nicht immer laut nach Regulierung gerufen und dazu fällt mir nun ein: „Die ich rief, die Geister,
    Werd’ ich nun nicht los.“ von Johann Wolfgang von Goethe.

  7. Werter Freiheit, ich fürchte, Sie überschätzen unseren Einfluß bei den amerikanischen Aufsehern deutlich. Auch in Deutschland waren die Regulierer schon am Werk, bevor wir darüber geschrieben haben.

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