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Alle sind sich einig: Der Bitcoin ist super – aber noch lange nicht das Ende der Fahnenstange

Der Veranstaltungssaal im Wiesbadener Dorint-Hotel, in dem die Payment 2014 stattfand. Gleich geht's los ...

Die Payment World 2014 war eine jener Konferenzen, deren Eintrittspreis so hoch ist, dass er nur den Sinn haben kann, Leute draußenzuhalten. Ich hatte das Glück, eine Gastkarte zu haben und kann daher darüber berichten, was hinter den verschlossenen Türen im Dorint-Hotel in Wiesbaden von den Insidern zum Bitcoin gesagt wurde. Um ehrlich zu sein: Ich war ziemlich baff. Alle sind begeistert – vom Bitcoin und von der Blockchain. Ein Bericht über eine verblüffende Konferenz.

Als ich auf der schwäbischen Alb losfuhr, war es stockdunkel und es lag ein bemerkenswert dichter Nebel überall. Als ich in Wiesbaden ankam, war es schon hell, und das Dorint-Hotel verlangte Parkgebühren, die ähnlich unverschämt sind wie die Ticketpreise für die Payment World 2014. Organisiert wurde die zweitägige Konferenz vom Management Forum der Verlagsgruppe Handelsblattt GmbH. Da das Handelsblatt gegenüber dem Bitcoin bisher eher den Standpunkt eingenommen hat, entweder zu nörgeln oder zu nörgeln, habe ich damit gerechnet, dass unsere liebe Kryptowährung auch hier eher im Hagel der Kritik stehen würde. Ich wurde eines besseren belehrt.

Die Vortragenden waren Florian Moser von der Fidor-Bank, Joerg Platzer vom Bundesverband Bitcoin und Holger Klemusch vom Polizeipräsidium Köln. In der anschließenden Podiumsdiskussion gesellte sich noch Adrian Hotz von Inside eCommerce sowie Jens Münzer von der BaFin dazu.

Der meiner Meinung nach spannendste Vortrag kam von Kriminalhauptkommissar Klemusch. Er hatte mich schon vorher überrascht, indem er mir erzählt hatte, dass er als Privatmann auf MtGox ein wenig Bitcoin verloren hat. Wer sich privat nicht für etwas öffnet, habe dienstlich keine Chance, so Klemusch.  Vom ersten dienstlichen Kontakt mit Bitcoins 2011 berichtete er in seinem Vortrag. Damals kam ein Kollege auf ihn zu und suchte Rat bei einer merkwürdigen Anzeige: Ein Erpresser hatte einem Lebensmittelhändler gedroht, er würde seine Waren vergiften, falls dieser ihm nicht 450.000 Bitcoin schickt. Damit der Lebensmittelhändler die nötigen Bitcoins minen konnte, räumte ihm der Erpresser eine Frist von drei Monaten ein. Nicht nur die Erpressten, sondern auch die Erpresser hatten damals wenig Ahnung von Bitcoins, schmunzelte Klemusch.

Erpressungen seien an der Tagesordnung, so Klemusch, und es sei mittlerweile auch nicht selten, dass dabei Bitcoin verlangt werden. Die Nachverfolgbarkeit von Bitcoin-Transaktionen verdeutlichte der Kommissar mit einem Beispiel, bei dem Bitcoins so lange hin und her überwiesen worden sind, dass es im besten Fall sehr schwierig und zeitraubend ist, dem Täter auf die Spur zu kommen. Als Klemusch dann über Online-Schwarzmärkte wie die Silk Road sprach, wurde im Publikum ein überraschtes Lachen laut – so was gibt es wirklich? Der Komissar stellte jedoch klar, dass es die Schwarzmärkte nicht wegen dem Bitcoin gebe und dass dieser auch nicht die einzige Möglichkeit sei, im Deepweb zu bezahlen. Für die Ermittler seien anonyme Zahlungswege längst zum alltäglichen Ärgernis geworden, mit dem man leben müsse. Ebenso herausfordernd für die Polizei sind Anzeigen aus der Bitcoin-Szene, etwa wenn jemand betrogen oder bestohlen wurde. Für Klemusch selbst ändert dies nichts daran, dass er als Privatmann von Bitcoin ziemlich begeistert ist.

Auch Florian Moser von der Fidor Bank erzählte in der anschließenden Podiumsdiskussion, dass er sich zwar schwer tue, Bitcoins als Investment zu empfehlen, aber selbst – natürlich – welche halte. Der Experte für digitales Banking hatte im Auftaktvortag der Veranstaltung das Modell der Fidor Bank vorgestellt – als Bank für eine Zielgruppe, die man als digitale Virtuosen betrachte. Der Bitcoin ist in diesem Modell nur ein Teil. Auf die Frage des Moderators, weshalb Banken noch nicht angefangen hätten, Bitcoins zu verbuchen, meinte Schuster, dass vor allem Bedenken zur Sicherheit ausschlaggebend seien.

Für Joerg Platzer, der “zwischen Bank und Polizei” vortrug, war das eine Steilvorlage: Banken, so der Vorstand des Bundesverband Bitcoin, verbuchen aus demselben Grund keine Bitcoins, aus dem Bahnunternehmen keine Gleise für Hubschrauber bauen. Der Bitcoin sei eine Technologie, die Banken überflüssig mache, um Zahlungen zu prozessieren. Punkt. In einem furiosen Schnelldurchlauf stellte Platzer den Bitcoin vor und raste bildhaft und unterhaltsam durch all die Vorteile, die er bringt und Anwendungen, die er ermöglicht. Platzers Vortrag mündete in einem Ausblick, der größer gar nicht sein kann: Der Bitcoin sei der Auftakt zu einer ökonomischen Singularität, die sämtliche wirtschaftlichen Aktivitäten des Individuums verändern werde. Wir stehen noch ganz am Anfang.

Die fünf Teilnehmer der Podiumsdiskussion, zum Publikum gewendet. Von links nach rechts: Adrian Hotz, Jörg Platzer, Holger Klemusch, Florian Moser und Jens Münzer.

Die fünf Teilnehmer der Podiumsdiskussion, zum Publikum gewendet. Von links nach rechts: Adrian Hotz, Jörg Platzer, Holger Klemusch, Florian Moser und Jens Münzer.

Ein Blick auf das Publikum bestätigte den Eindruck, auch nach beinah sechs Jahren Bitcoin erst am Beginn einer Entwicklung zu stehen. Grob über den Daumen gepeilt waren 40 Leute da, alle direkt oder indirekt aus dem Payment- und Banking-Bereich. Bereits ihr Staunen darüber, dass es professionelle digitale Schwarzmärkte gibt, zeigt, wie weit die Welt davon entfernt ist, die laufende Kryptorevolution zu verstehen. Auch der Vortrag von Platzer rief in ihnen wohl das verwirrende Gefühl hervor, mit einer Sache zu tun zu haben, die richtig groß ist, aber die sie kaum verstehen, geschweige denn beurteilen können.

Die anschließende Podiumsdiskussion hat diesen Namen eigentlich nicht verdient. Denn diskutiert wurde nur am Rande, etwa darüber, ob Bitcoin Banken oder ähnliche Dienstleister braucht, um im Mainstream anzukommen. Ansonsten waren sich die Anwesenden weitgehend einig, dass der Bitcoin eine super Sache sei. Klemuch verteidigte ihn nach einer Frage aus dem Publikum geradezu – er sei nicht das einzige anonyme Zahlungsmittel. Münzer meinte, ein Verbot stehe für ihn nicht zur Debatte, da es schwer vermittelbar und außerhalb Nordkoreas auch kaum durchzusetzen sei. Ebenfalls einig war sich das Podium, dass der Bitcoin nicht das Ende, sondern erst der Anfang der Fahnenstange sei: Die Blockchain-Technologie hat noch eine Menge Munition im Lauf. Sie wird nicht nur Geld, sondern vieles mehr verändern.

Das Fazit von der Payment World 2014 kann nur sein: Das Wissen über den Bitcoin ist selbst unter den Experten noch kaum verbreitet. Aber diejenigen unter ihnen, die sich mit ihm beschäftigt haben, sind ausnahmslos fasziniert bis begeistert.

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3 Kommentare zu Alle sind sich einig: Der Bitcoin ist super – aber noch lange nicht das Ende der Fahnenstange

  1. Felix Vögele // 5. November 2014 um 16:27 // Antworten

    Super Artikel, Christoph! Danke 🙂 Schön zu sehen, dass die Polizei den Bitcoin nicht als einziges anonymes Zahlungsmittel sieht und ihn nicht verbieten möchte.

  2. Frankfurter Würstchen // 5. November 2014 um 17:26 // Antworten

    Ach Felix, Herr Klemusch ist nicht DIE Polizei, er ist ein realistischer Polizist. Es gibt sicher einige, nicht nur Polizisten, die Bitcoin gerne sofort verbieten würden, wenn sie könnten.

    Aber ein sehr interessanter Artikel.

  3. Toller Artikel! 😉

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