Ein gutes Jahr für die Währung, ein schlechtes für den Wert
Analyse
Heute vor einem Jahr: Der Bitcoin war mehr wert, aber die Bitcoin-Wirtschaft deutlich kleiner. Ist das nicht seltsam? Eine Übersicht, was sich alles getan hat sowie eine Erklärung des scheinbar komischen Zusammenhangs.
Autsch. Die Webseite Oneyearbitcoin.info zeigt, wie sich der Bitcoin-Preis im Verlauf von genau einem Jahr entwickelt hat. Das Ergebnis ist nicht dazu geeignet, Freude zu erwecken: – 45,17 Prozent. Von 640 auf 350 Dollar, also ein Verlust von 290 Dollar. Und falls sich in den kommenden Tagen nichts großes in den Bitcoin Charts ergibt, wird das Ergebnis noch wesentlich schlechter werden. Ein gutes Investment war der Bitcoin im Verlauf der vergangenen 365 Tagen zu so gut wie keinem Zeitpunkt. Weder im Januar, noch im Mai, noch im Juli. Der Trend war überraschend stabil, nur hat er leider stets nach unten gewiesen.

Sieht nicht so toll aus: Die Kursentwicklung des Bitcoin hat in den letzten 365 Tagen konsequent ins Tal geführt.
Wäre der Bitcoin ein Unternehmen, sollte der Kurs darauf hindeuten, dass es kurz vor der Pleite steht. Keine neuen Investitionen, keine neuen Entwicklungen, keine neuen Kunden und wie sich die Situation eines dahindarbenden Unternehmens eben so gestaltet. Beim Bitcoin kann von solchen Pleitesymptomen allerdings keine Rede sein. Im Gegenteil: Er ist vitaler, entwicklungsfreudiger und mehr benutzt als je zuvor. In keiner Stufe seiner Entwicklung ist mehr geschehen als in den vergangenen 12 Monaten, und niemals war der Bitcoin mehr Währung als heute.
Betrachtet man die Liste der Startups auf angellist, findet man 552 Bitcoin Startups, die, so die Webseite, im Durchschnitt mit 3,9 Millionen Dollar eingeschätzt werden. Dies ergäbe einen Gesamtwert von 1,5 Milliarden Dollar, wobei es mir nicht ganz glaubhaft erscheint, dass bereits so viel Investitionskapital in das Bitcoin-System geflossen ist. Sicher ist jedoch, dass mehrere hundert Millionen Dollar bereits investiert worden sind. Ein sehr großer Teil der Startups, mindestens 300, wurde im Lauf des vergangenen Jahres gegründet. Laut Bitcoin Pulse ist die Anzahl von Startups in den letzten 180 Tagen je Monat um 11 Prozent gewachsen.
Die meisten dieser Startups sind Börsen, Wechselstuben, Zahlungsdienstleister, Analysefirmen, Miner-Produzenten oder Hersteller von Geldautomaten. Man findet aber auch viele Ideen, die darüber hinausgehen, von dem Mailservice für die Blockchain und dem Remittance-Service über Smart Contracts zu Bitcoin-Krediten und Mikropayment-Dienstleistern.
Nicht nur bei Unternehmern und Investoren, sondern auch bei Händlern ist der Bitcoin im Verlauf des vergangenen Jahres angekommen. Coinbase wickelt mittlerweile die Zahlungen für 2.000 Shops ab und BitPay prozessiert laut Eigenangabe etwa 1 Million Dollar am Tag. Coinmap und Cointerest zeigen 5.000 bis 6.000 Shops weltweit an, bei denen man mit Bitcoin bezahlen kann, was einem monatlichen Wachstum von 5-6 Prozent entspricht. Die tatsächliche Zahl dürfte bei etwa 60.000 Händlern weltweit und einer noch viel größeren Steigerung liegen. Seinem Ziel, als “Währung” zu funktionieren, war der Bitcoin noch nie so nahe wie zu diesem Zeitpunkt. Man kann mehr und mehr seine alltäglichen Einkäufe mit dem Bitcoin erledigen.
Aber wird das auch gemacht? Die Anzahl täglicher Transaktionen ist mittlerweile bei etwa 80.000 im Durchschnitt, womit in den vergangenen 6 Monaten laut Bitcoin Pulse ein Wachstum von monatlich knapp 8 Prozent vorlag. Auch die Zahl der benutzten Adressen geht erkennbar nach oben. Somit befindet sich auch die Nutzung des Bitcoin im Aufwind.
Dasselbe Wachstum findet man vor, wenn man sich die Anzahl der global aufgestellten Bitcoin-Geldautomaten anschaut, die mittlerweile laut Bitcoin Pulse 300 beträgt. Vermutlich ist aber auch sie höher.
Wir haben also mehr von allem: Mehr Startups, mehr Ideen, mehr Börsen, mehr Wechselstuben, mehr Bitcoin-Automaten, mehr Transaktionen, mehr Händler, mehr Investitionen. Die ganz logische Schlussfolgerung wäre demnach, dass der Bitcoin, wenn er mehr genutzt wird, an Wert gewinnt. Oder?
Nicht ganz. Ich kann an dieser Stelle zwar nur spekulieren, aber ich habe mehrere Erklärungen, weshalb genau das Gegenteil der Fall ist.
- Erstens wäre da ein Investitionskapital, das nicht direkt in den Bitcoin fließt, sondern in die Unternehmen.
- Zweitens arbeiten die Bitcoin-Unternehmen nicht zwingend daran, den Kurs zu steigern, sondern zum Teil sogar am Gegenteil: Coinbase und BitPay, zwei der am besten finanzierten Bitcoin-Unternehmen, verkaufen täglich sehr große Mengen Bitcoin gegen Dollar oder Euro für die Händler, die Bitcoin akzeptieren aber Dollar oder Euro empfangen. So machen Coinbase und BitPay Gewinn, während sie auf den Preis drücken.
- Drittens trifft dasselbe auf die Mining-Firmen zu, die ebenfalls mit Investitionskapital ausgestattet sind und sich einen Kampf darum liefert, wer mit den niedrigen Gewinnmargen am längsten überlebt. Auch sie verkaufen Bitcoins anstatt diese zu halten und drücken so auf den Kurs.
- Viertens wäre es möglich, dass die zunehmende Anzahl von Börsen und Wechselstuben zu einer Steigerung der Effizienz des Marktes geführt hat und dies dem Preis schadet. Wo es vorher äußerst schwierig war, große Summen Bitcoin zu verkaufen und wo vorher eine einzige Börse – MtGox – möglicherweise den Preis (auch nach oben) manipulieren konnte, steht heute ein deutlich liquiderer Markt, der es gestattet, dass sich Angebot und Nachfrage auf einem “echten” Niveau einpendeln.
- Fünftens hat sich auch das Bitcoin-Trading professionalisiert. Heute wird geshortet und margin trading betrieben, was womöglich beim Fehlen einer signifikanten echten Nachfrage dazu führt, dass der Preis heruntergetradet wird.
- Sechstens wird der Einstieg neuer Personen oder Investoren in den Bitcoin durch zwei Ereignisse verzögert: Der noch weiterhin anhaltende Vertrauensverlust durch die Pleite von MtGox sowie die weiterhin wie ein Damoklesschwert über der Szene hängende Versteigerung der Bitcoins von Dread Pirate Roberts, immerhin mehr als 100.000 an der Zahl.
- Siebtens ist es fraglich, ob das Wachstum der Transaktionen mit dem Wachstum des Preises mithält. Der Bitcoin ist zwar heute näher an seinem Ziel, eine benutzte Währung zu sein, aber es könnte sein, dass die Blase im vergangenen November auf der Annahme beruhte, der Bitcoin stehe kurz davor, dieses Ziel zu erreichen. Somit wäre das vergangene Jahr als Annährung von Wirklichkeit und Erwartung zu verstehen.
Vermutlich ließen sich noch weitere Gründe aufzählen, weshalb die gesteigerte Nutzung des Bitcoin nicht zwingend zu einem Steigen des Preises führen muss. Aber wir wollen es mal damit gut sein lassen und uns darüber freuen, dass der Bitcoin als Währung massiv gewonnnen hat. Vielleicht nicht trotz, sondern wegen der fallenden Preise.
” Somit wäre das vergangene Jahr als Annährung von Wirklichkeit und Erwartung zu verstehen.”
^^This …
Es wird aber vermutlich nicht mehr lange dauern, bis der preisliche Trend eindeutiger nach oben weist, und dann wird es wohl auch wieder eine Rallye geben.
Ich sehe da keine großen Unterschiede zum Goldpreis http://www.finanzen.net/rohstoffe/goldpreis/Chart