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Bleierne Gründlichkeit: eine Eingabe der Bundesregierung zur Umsatzsteuer auf Bitcoins

Stellen Sie sich vor, man schnürt einem Holzfäller beide Arme auf den Rücken, aber stellt ihm in Aussicht, dass man die Fesseln vielleicht lösen würde, wenn er sich (mit Fesseln) als guter Holzfäller erweise. Sie können sich auch vorstellen, man habe der Backofenindustrie die Auflage gegeben, die Temperaturen auf 80 Grad Celsius zu begrenzen. Sollte sich erweisen, dass höhere Temperaturen nützlich sind, könne man das Limit ja noch erhöhen … So ähnlich dürfen Sie sich die Haltung der Bundesregierung zum Bitcoin und der Umsatzsteuer vorstellen. Dies zeigt eine Eingabe der Regierung beim Europäischen Gerichtshof.

Die deutsche Regierung hat sich bereits früher in diesem Jahr dafür ausgesprochen, dass der gewerbliche Verkauf von Bitcoins eine Umsatzsteuerpflicht auslösen soll. Die Bitcoin-Branche hat dies mit Entsetzen aufgenommen – schließlich bedeutet diese Regel effektiv die Verhinderung fast aller Bitcoin-Unternehmen in Deutschland. Laut dem SPD-Abgeordneten Jens Zimmermann ist diese Entscheidung nicht endgültig, sondern nur vorläufig, bis der Europäische Gerichtshof geurteilt hat. Dessen Entscheidung zu Bitcoins und der Umsatzsteuer steht nun aus.

Zu verdanken ist dies David Helqvist. Der schwedische Unternehmer möchte auf einer Internetseite Bitcoins verkaufen und hat die schwedische Finanzverwaltung gefragt, ob er auf seinen Umsatz Umsatzsteuern entrichten muss. Da das daraufhin entstandende Verfahren keine grundsätzliche Einigung erbrachte, wandten sich die schwedischen Richter mit dem Thema an den europäischen Gerichtshof. Dieser hat daraufhin die EU-Länder um eine Stellungnahme gebeten.

Die Eingabe des deutschen Ministeriums für Wirtschaft und Energie wurde nun von David Helqvist an den Bundesverband Bitcoin e. V. (BVB) weitergeleitet und auf dessen Webseite veröffentlicht. Der BVB hat bereits einen lesenswerten Kommentar veröffentlicht („Die Bundesregierung auf Abwegen„). Die „Eingabe“ wurde von zwei Mitarbeitern des Ministeriums für Wirtschaft und Energie verfasst und spricht explizit im Namen der Bundesregierung. Sie arbeitet sich mit einer bleiernen Gründlichkeit durch 62 Punkte, um durchgängig eine Befreiung von Bitcoins von der Umsatzsteuer abzuschmettern.

Die rechtliche Lage ist diese: der gewerbliche Verkauf sämtlicher Güter und Dienstleistungen löst eine Umsatzsteuerpflicht aus. Es gibt allerdings eine Menge Ausnahmen von dieser Regeln, etwa für Zahlungsmittel, E-Geld, Wertpapiere, Forderungen, Lotto-Scheine und vieles mehr.

Die Eingabe stellt fest, dass Bitcoins keine „körperlichen Gegenstände“ und daher nicht als „Lieferung von Gegenständen“ umsatzsteuerpflichtig sind. Der Umtausch von Bitcoins sei jedoch eine „Dienstleistung gegen Entgelt“ und damit umsatzsteuerpflichtig. Die offene Frage ist hier, ob lediglich der gewerbsmäßige Verkauf von Bitcoins über eine „Online-Wechselstube“ eine solche Dienstleistung darstellt, oder ob der getauschte Bitcoins selbst eine Dienstleistung darstellt. Der Unterschied ist enorm wichtig. Die erste Variante würde zwar Bitcoin-Unternehmen wie dem von Helqvist einen handfesten Wettbewerbsnachteil einbrocken (und sie wohl in andere Länder drängen), aber den Bitcoin-Markt nicht vernichten. Die zweite Variante würde dagegen bedeuten, dass Helqvist beim Verkauf eines Bitcoins zu 270 Euro nicht nur auf die Gebühren von vielleicht 2,70 Euro die Umsatzsteuer abführen müssten, sondern für die vollen 270 Euro – wie auch ein Händler, der Bitcoins eingenommen hat und diese auf einer Börse verkauft auf den vollen Bitcoin-Wert Umsatzsteuern abführen müsste. Dies wäre vernichtend für den Bitcoin in Europa.

Folgt man der Eingabe, dürfte diese Frage entscheidend sein. Denn die Autoren wenden sich anschließend der möglichen Befreiung zu. Hier kommt nun die bleierne Gründlichkeit zum Tragen: Sie arbeiten sich systematisch durch alle möglichen Befreiungen, um festzustellen: der Bitcoin fällt nicht hinein. Er ist kein gesetzliches Zahlungsmittel, keine Forderung, wie sie im Zahlungsverkehr prozessiert wird, kein „sonstiges Wertpapier“. Usw. Die Eingabe schreibt sogar, Bitcoins seien nicht als Kapitalanlage „gedacht“ und verweist auf einen Bericht der Europäischen Zentralbank zu virtuellen Währungen von 2012, dessen Autoren wohl Satoshi Nakamoto gefragt haben, was er sich dabei gedacht hat, diesen Bitcoin zu erfinden.

Immerhin kann sich die Eingabe an dieser Stelle zu einer Art Definition von Bitcoins durchringen: Sie sind „eine virtuelle Tauscheinheit, die es einer Person ermöglicht, Gegenstände oder Dienstleistungen, die in Bitcoins angeboten werden, zu erwerben.“ Dies spricht eigentlich dafür, dass Bitcoins selbst nicht unter die Umsatzsteuer fallen. Denn diese gilt nur für Gegenstände und Dienstleistungen. Ein Gegenstand ist der Bitcoin laut der Eingabe nicht, und eine Tauscheinheit wird kaum eine Dienstleistung sein. So gesehen dürften nur die Gebühren aus dem Handel mit Bitcoins umsatzsteuerpflichtig sein.

Eine Befreiung kommt für den Bitcoin jedoch nicht in Betracht – und das dürfte sowohl für Gebühren als auch den Bitcoin selbst gelten. Im engeren Sinne ist dies korrekt: Der Bitcoin fällt in keine der bekannten Kategorien, logischerweise, da er eine völlig neue Sache ist, für die es noch keine Kategorie gibt. Anstatt eine solche Sache jedoch erst zu besteuern und dann zu schauen, was sie, so versteuert, der Welt schenken kann – womit wir bei dem Holzfäller mit den gefesselten Armen wären – wäre es auch möglich gewesen, so wie Großbritannien zu sagen: der Bitcoin erfüllt dieselbe Funktion wie ein Zahlungsmittel oder wie ein Wertpapier, weshalb wir zunächst keine Umsatzsteuer erheben, um der Sache die Gelegenheit zu geben, sich zu entwickeln.

Allerdings erwähnt die Eingabe auch, dass es sich bei virtuellen Währungen um „Neuerscheinungen“ handelt. Daher sei zu erwarten, dass sie „nach dem Willen der EU-Gesetzgebungsorgane nicht in den Anwendungsbereich der Steuerbefreiungen in Art. 135 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie einbezogen werden sollten.“ Eine Steuerbefreiung von Umsätzen mit Bitcoins müsse, so die Eingabe, erst noch von den EU-Gesetzgebungsorganen neu und ausdrücklich geschaffen werden. Eventuell wird sich der Gerichtshof hierfür entscheiden? Schließlich sprechen sich die meisten EU-Staaten, von Frankreich über die Niederlande bis Spanien und Großbritannien, gegen eine Umsatzsteuer auf Bitcoin aus.

 

 

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8 Kommentare zu Bleierne Gründlichkeit: eine Eingabe der Bundesregierung zur Umsatzsteuer auf Bitcoins

  1. Al Capone wurde auch nur vom Finanzamt wegen Steuerhinterziehung geschnappt.
    Über seine kriminellen Handlungen war er nie zu fassen.

    Hier wird anscheinend gleiches versucht.

  2. Die typisch deutsche Haltung derzeit: Wir verbieten es nicht, wir drücken uns nicht klar aus. Denn air haben ja noch die Autoindustrie, die uns Steuereinnahmen beschert. Deshalb warten wir erstmal ab.
    Ich bin ziemlich sicher, dass, wenn irgendein deutsches Finanzamt auf der Umsatzsteuerpflicht für den reinen Bitcoin-Wert (also nicht die USt. auf zusätzliche Wertschöpfung, die durch das in-Rechnung-stellen von Exchange-Gebühren entstehen) bestehen würde und es zum Verfahren kommt, die Behörde vor Gericht verliert, denn Richter würden es sicherlich genauso sehen, dass Bitcoin nur eine weitere Währung darstellt. Eine neue zwar, aber eben eine Währung. Und wenn man hier zum Beispiel Dollar gegen Euro erwirbt oder Dollar für Euro verkauft, fallen dafür auch keine Umsatzsteuern an. bitcoin nun genauso zu behandeln, ist also einfach nur logisch.

  3. Heinz Schumacher // 23. Dezember 2014 um 11:40 // Antworten

    Da scheint mal einer wieder das Wesen der Mehrwertsteuer/Umsatzsteuer nicht zu verstehen.
    Für den Händler ist es Umsatzsteuer und für den Endkunden ist es Mehrwertsteuer. Das bedeutet das der Endkunde nur Steuer auf das zahlt was die Wahre durch die Summe aller Dienstleistungen mehr wert geworden ist. Im Klartext heißt das das wenn eine Händler eine Wahre für 270€ kauft und sie für 271€ wieder verkauft dann ist die Wahre um 1€ mehr wert geworden. Für diesen 1€ zahlt der Kunde effektiv den mehrwertsteuersatz – also 0,19€.

    Erreicht wird das ganze dadurch das der Händler beim Kauf der Wahre die bezahle Mehrwertsteuer vom Finanzamt zurückerstattet bekommt. Das heißt das der Händler für den Bitcoin effektiv nicht 270€ bezahlt sondern den um 19% reduzierten Betrag.

    Das eigentliche Problem ist das niemand beim Verkauf seiner Bitcoin die 19% Mehrwertsteuer ausweist. Und weil das so ist ist die Anwendung von Mehrwertsteuer auf Bitcoin völliger Quatsch. Aber das werden die gierigen Dorftrottel von Politiker auch noch raus bekommen. Spätestens dann wenn sich mit dem Thema ein Jurist ernsthaft auseinander setzt.

    • Sie zäumen leider das Pferd von hinten auf. Das Problem ist nicht, dass die USt. nicht ausgewiesen wird (das ist ja nur die Folge der Verpflichtung zur Vereinnahmung der Umsatzsteuer gegenüber dem Kunden). Das Problem ist, dass bitcoin in diesem Fall die gleiche Funktion wie der Euro oder der Dollar inne hat, dies jedoch vom Wirtschaftsministerium negiert wird, womit effektiv eine Doppelbesteuerung für deutsche Unternehmen entstünde (nämlich einmal für die mittels bitcoin bezahlte Leistung bzw. die Wertschöpfung daran (Ware, Diensterbringung) und dann nochmal für einen möglichen Kursgewinn (andersrum dürfte der Unternehmer aber auch anteilig einen Kursverlust als Vorsteuer dem Finanzamt in Rechnung stellen). Da bitcoins lediglich den Wertspeicher darstellen, aus dem die eigentliche Leistung bezahlt wird, kann hierauf auch keine Umsatzsteuer berechnet werden. Die Mehrwertsteuer wird übrigens nur so genannt, weil es für den Endkunden nicht verständlich ist, zwischen Umsatzsteuer (das was man als Unternehmer weiterberechnet) und Vorsteuer (das was man als Unternehmer an Mehrwertsteuer für Leistungen anderer Unternehmer zahlen muß) zu unterscheiden. MwSt. stellt somit eine Art Sammelbegriff dar. Recht haben Sie, das nur die zusätzliche Wertschöpfung der Umsatzbesteuerung unterfällt und damit am Ende die gezahle Vorsteuer mit der vereinnahmten Umsatzsteuer verrechnet wird, woraus sich zu zahlende Steuerbetrag bzw. die Rückerstattung durch das Finanzamt ergibt. Aber es findet bei einem Kursgewinn ja keine Wertschöpfung im Sinne des USt.-Gesetzes statt. Und wenn man auf diesen MwSt. zahlen müßte, dann müßte man folglich auch Vorsteuer aus dem Kauf abführen dürfen. Da der bitcoin allerdings weltweit gehandelt wird, müßte erstmal weltweit festgelegt werden, dass JEDER der bitcoin verkauft auch Vorsteuer ausweisen muß. Ansonsten wären deutsche Händler deutlich benachteiligt, dergestalt dass sie isoliert nur die Umsatzsteuer abführen müßten, nicht jedoch die Vorsteuer. Und das kann die deutsche Politik keinesfalls wollen, mithin kein denkender Mensch. Insofern ist es einfach das sinnvollste, bitcoin als Währung anzusehen und damit erst gar keine Umsatzsteuerpflicht anzunehmen. Das würde nur Probleme verursachen, die nicht nötig sind.
      Literatur zur Umsatzsteuer: https://de.wikipedia.org/wiki/Umsatzsteuergesetz_%28Deutschland%29

  4. Punkte 20 und 21 in D – rechtliche Würdigung sind die Knackpunkte.
    Es wird geschrieben, dass ein gewerblicher Verkauf von bitcoins eine Dienstleistung darstellt. Ja, aber nur die wirkliche Leistung ,die damit zusammenhängt, nicht der verkaufte bitcoin selbst, der ja an sich keine Leistung ist.

    Insofern ist eine USt.Pflicht auf Gebühren, die im Zusammenhang mit einem Transfer gegenüber dem Empfänger erhoben werden, womöglich steuerbar, weil diese Gebühr ja eine ja das Erbringen der Leistung darstellt. Der verschobene vom Verkäufer zum Käufer verschobene bitcoin allerdings nicht, genauso wie der verschobene Euro beim Kauf eines Fernsehers ja ebenfalls keine Lesitung nsich darstelltm sondern lediglich die erbrachte Leistung bezahlt. Hier irrt das Wirtschaftsministerium also – und damit die Bundesregierung. Eine derartige Einschätzung ist rechtlich nicht haltbar und das wissen die auch ganz genau – daher auch die sehr verklausierte Fomrulierung in Absatz C. – Sachverhalt und Vorlagefrage Punkt 10 und 11. So versucht man halt, alles im Unklaren zu belassen, obwahl man weiß, dass die abgegebene Position nicht haltbar ist.

    Nun, Europa hat sich in der Vergangenheit in solchen übergreifenden Fragen ja meist als kompetenter als die Bundesregierung erwiesen und wird sicherlich auch zugunsten neuer Arbeitsplätze entscheiden. Denn der Rest Europas hat diese nämlich dringend nötig.

  5. Als Optimist versuche ich in jeder Sache die positive Seite zu sehen und erkenne hierbei durchaus etwas sehr positives, denn durch die Anfrage an den EU Gerichtshof besteht erstmals eine große Chance, dass die steuerliche und gesetzliche Handhabung des Bitcoin auf EU-Ebene harmonisiert wird und man sorgenfrei den Bitcoin in Europa verwenden kann.
    U.a. sei zu bedenken, dass viele Unternehmen und Investoren den Bitcoin bislang scheuen, weil sie keine oder nur unzureichende gesetzliche Rahmen vorfinden und das Risiko vor einschneidenden Regelungen zu hoch erscheint.
    Eine Entscheidung auf EU-Ebene würde zudem eine gewisse Signalwirkung auf den Rest der Welt haben und vermutlich dazu führen, dass man es in weiten Teilen der Welt ähnlich handhaben könnte.

    Also ich bin optimistisch, dass eine weitestgehend ansprechende Lösung gefunden wird und der reine Umtausch von Bitcoin von der Mehrwertsteuer befreit wird und lediglich der aus einer Schöpfung hervorgehende Tausch eine Mehrwertsteuer erforderlich macht.
    D.h. wer Bitcoins schöpft und diese dann verkauft, der schafft Mehrwert, demzufolge ist hierbei auch eine Mehrwertsteuer gerechtfertigt.
    Wer mit Bitcoins spekuliert und Gewinne erwirtschaftet, so wird der Gewinn wie andere Veräußerungsgewinne versteuert.

    schauen wir mal

  6. Wir müssen hier deutlich trennen; 1. Bitcoin als Tauschmittel um Ware / Dienstleistung zu vergüten. 2. Bitcoin selbst als Handelsgegenstand gegen FIAT-Geld.

    zu 1.) Bitcoin ist BISHER kein gesetzliches Zahlungsmittel, muss er aber auch gar nicht zwingend bleiben, oder? Wenn z.B. Kunde A von Anbieter B gegen einen Betrag C in Bitcoin eine Ware / Dienstleistung erwirbt und beide in Konditionen vertraglich eingewilligt haben, besteht dann überhaupt noch weiterer Regelungsbedarf (Stichwort: Vertragsfreiheit)? Hier könnte doch der Kurswert des Bitcoin in FIAT-Währung zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses (Datum / Uhrzeit: Kurswert in Euro) als Referenz für die Berechnung der Umsatzsteuer des Deals dienen, oder?

    zu 2.) Kann der An- und Verkauf von Bitcoin selbst gerechterweise überhaupt Gegenstand einer Umsatzsteuer sein, wenn der Gesetzgeber z.B. An- und Verkauf von einigen Anlagemünzen in Gold gegen FIAT-Geld bereits großzügig mehrwertsteuerfrei gestellt hat?

  7. Ich glaube, dass Bitcoins so beliebt sind weil Sie nicht zurückverfolgt werden können. Das
    Einführen einer Umsatzsteuer würde das hingegen überflüssig machen. Ich bin gespannt in wie
    weit die Gesetzgebung akzeptiert wird.

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