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Medien sind blöd, aber die Leser sind oft noch blöder

Leserkritik

Liebe Leser, ich muss mit euch schimpfen. Letztens habe ich einen Artikel aus dem Handelsblatt über einen Bitcoin-Hype in China rezensiert bzw. zerrissen. In der Folge hat sich der Autor, Finn Mayer-Kuckuk, sehr ausführlich in den Kommentaren zu Wort gemeldet und sich bereit erlärt, eine Diskussion zu führen und von euch, den Lesern, zu lernen. Die Diskussion kam nicht zustande. Stattdessen haben viele von euch dem Autor wütende, pampige und in der Rechtschreibung schlampige E-Mails geschickt.

Was die Medienkritik angeht, stehe ich zwischen den Fronten. Ich erlebe ungefähr einmal die Woche, wie jene Medien, die sich selbst Qualitätsmedien nennen, beim Thema Bitcoin großzügig patzen. Ich erlebe auch, dass die Wikipedia Artikel meines Blogs, der sich seit bald zwei Jahren mit dem Bitcoin beschäftigt, als Quelle zu diesem Thema nicht zulässt, während ein Nachdruck einer Agentur im Musterhausener Tagblat ok ist. Auf der anderen Seite erlebe ich, welcher Druck herrscht, bei einem Ereignis schnell zu reagieren, weil keiner mehr deinen Text liest, wenn es die Headline schon an anderer Stelle gab.

Derzeit haben wir ja eine Medienkritik-Debatte (auch wenn die Medien darüber nicht so gerne reden). Meinem Gefühl nach kreist diese vor allem um eine gewisse Selbstherrlichkeit der “Leitmedien”, die es versäumten, über Themen zu schreiben, die den Lesern unter den Nägeln brennen, aber gerne die Leser selbst als Nazis beschimpfen, wenn sie friedlich durch Dresden marschieren oder sie als “Putin-Trolle” abtun, wenn sie meinen, dass man Russland nicht dämonisieren, sondern verstehen sollte. Ein Großteil der Medienkritik richtet sich, wenn ich es richtig interpretiere, darauf, dass die Medien meinen, ihre Sicht der Welt sei über Kritik erhaben, und dass sie das Wörtchen “Lügenpresse” einfach zum Unwort des Jahres erklären lassen, anstatt sich damit zu beschäftigen, warum es denn kursiert.

Finn Mayer-Kuckuck, der für das Handelsblatt durch China reist, hat nach meiner Kritik an seinem Artikel gezeigt, dass das nicht immer zutrifft. Nachdem ich auf eine polemische, stellenweise vielleicht sogar unverschämte Art seinen Artikel über einen angeblichen Bitcoin-Hype in China kritisiert hatte, hat er sich in den Kommentaren gemeldet. Er hat seine Position erklärt, Hintergründe erzählt, Fehler eingestanden und Fragen gestellt. Er hat sich dafür interessiert, was ihr, liebe Leser, denkt. Man sollte meinen, ein so souveräner Umgang mit Kritik ist ein Schritt in die richtige Richtung.

Ihr, liebe Leser, habt daraus aber nicht wirklich etwas gemacht. Ihr habt stattdessen etwas bewiesen, was man als Journalist über kurz oder lang lernt: der Leser ist dein Feind. Machst du etwas richtig, nimmt er es als selbstverständlich hin, aber machst du mal einen Fehler, gibt es ein Geschrei. Gibt es eine Gelegenheit, dich falsch zu verstehen, und sei sie noch so weit hergeholt, wird es dein Leser machen, und er wird dir dafür eine wütende E-Mail schreiben.

Wenn man als Journalist patzt, macht man das öffentlich. Ich bin so was von froh, dass ich hier kein so großes Publikum habe wie Herr Mayer-Kuckuk im Handelsblatt. Er hat es richtig gemacht, als er auf dem Blog geantwortet hat. Dafür gab es von eurer Seite aus kein Danke oder kein Lob. Es gab auch keine Diskussion mit dem Autor in den Kommentaren, was ich schade fand. Was es aber gab und was ich be$%&!en finde, ist, dass ihr danach Herrn Mayer-Kuckuk mit E-Mails überschüttet habt, die pampig, beleidigend, kurz und lieblos waren.

Herr Mayer-Kuckuk hat als Journalist gegenüber solchen E-Mails eine dicke Haut, da seine Arbeit ohnehin niemals jedem passt. Was ihr aber mit solchen E-Mails anrichtet, ist: ihr entzieht der Kritik an den Medien (die durchaus berechtigt ist) ihre Grundlage; ihr bringt Journalisten wie Herrn Mayer-Kuckuk dazu, sich künftig weniger genau mit Kritik an seiner Arbeit zu beschäftigen; ihr gebt ihm einen (guten) Anlass, schlecht über die Bitcoin-Szene zu denken; und ihr demotiviert ihn, sich künftig erneut auf eine offene Weise der Kritik an dem, was er geschrieben hat, zu stellen. Und zuletzt: ihr hindert mich daran, künftig auf diesem Blog die Arbeit der Medien zu kritisieren. Wenn das Ergebnis selbst in einem Fall wie diesem, in dem sich der Autor der Kritik stellt und zur Diskussion auffordert – wenn die Medienkritik also eines ihrer Ziele erreicht hat – wenn selbst dann noch eine Flut von E-Mails auf den Autor niederprasselt, während er ein chinesisches Bergwerk besichtigt, um deutsche Leser darüber zu informieren, wie es dort wirklich zugeht – dann überlege ich es mir zweimal, ob ich hier die Ursache dafür sein möchte. Kurz: solche E-Mails schaden einem Diskurs, den die Medien und ihre Leser unbedingt führen sollten. Bitte atmet in Zukunft drei Mal ein und aus, bevor ihr eine E-Mail an einen Journalisten abschickt.

P.S.: ich habe leider zugelassen, dass ein Leser die E-Mail-Adresse von Herrn M-K. in den Kommentaren posten konnte nebst dem Aufruf, ihm böse E-Mails zu schreiben. Die E-Mail-Adresse habe ich gelöscht, nachdem Herr M-K mir von euren E-Mails erzählt hat. In Zukunft werde ich so etwas nicht mehr freigeben.

 

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16 Kommentare zu Medien sind blöd, aber die Leser sind oft noch blöder

  1. rofl…. hätte nicht gedacht, das soviele ihm schreiben ^^…. ich meine auf bitcointalk hat dazu irgendwo jemand “aufgerufen”…..

    hatte garnicht gesehen, das er im blog geantwortet hat -> feiner schachzug von ihm….

    ps.
    wird man nicht via mail über neue beträge informiert ?

    • Hmm, eigentlich schon, aber die meisten Kommentatore hier geben Email-Adressen wie “not@required.de” an 🙂

      Der Aufruf war in einem Kommentar zum Beitrag, ich habe, nachdem mir Herr Mayer-Kuckuk von den E-Mails erzählt hat, die E-Mail-Adresse nebst Aufruf gelöscht —

      • Da scheint was nicht zu gehen, echte mail aber keine Info 🙁

  2. Ich möchte mir ein Bild vom anderen Artikel machen.
    Wo findet sich der Artikel von Herrn Mayer-Kuckuk?
    Vielen Dank im voraus.

  3. Der Herr braucht dringend einen “nom de plume” – mit dem jetzigen ist er schwer ernst zu nehmen, wo er ja definitiv nichts für kann, man sollte troztdem dagegen arbeiten – ich hab ihn bislang einfach aufgrund des Namens für einen Troll oder zumindest Satiriker gehalten

    • Vielleicht braucht der Herr Kuckuk nicht seinen Namen ändern.
      Vielleicht öffnen Sie ihre Schubladen für ein vorurteilsfreies Denken.

  4. “Ein Großteil der Medienkritik richtet sich, wenn ich es richtig interpretiere, darauf, dass die Medien sich über Kritik erhaben fühlen und das Wörtchen “Lügenpresse” zum Unwort des Jahres erklären, anstatt sich damit zu beschäftigen, warum es denn kursiert.”

    Das ist meiner Einschätzung nach der kleinste Anteil derer, die “Lügenpresse” schreien. Ein weitaus größerer Anteil besteht aus Spinnern (oder Verschwörungstheoretikern, selektiven Skeptikern, je nachdem, wie freundlich man es ausdrücken möchte), die sich darüber beschweren, dass Verschwörungstheorien, an die sie glauben, (natürlich völlig zu Recht) nicht von den “Systemmedien” verbreitet werden.

    • Darf ich Sie fragen, wie Sie zur ihrer Einschätzung gekommen sind?
      Und hätten Sie Bespiele für Theorien dieser von ihnen benannten “selektiven Skeptiker”?

      • PR-2036 // 9. April 2015 um 10:27 //

        Natürlich. Meine Einschätzung kommt hauptsächlich durche Beobachtungen in sozialen Netzwerken zustande, mittlerweile wird über viele der Themen aufgrund der relativ großen Zahl der Anhänger aber auch in den Qualitätsmedien berichtet. Sehr viele dieser Anhänger haben sich 2014 regelmäßig auf den sogenannten Montagsmahnwachen (MontagsWahnMachen trifft es eher, in Anlehnung an die Bezeichnung “Wahnwichtel” für Verschwörungstheoretiker) versammelt. Die prominentesten Beispiele für Verschwörungstheorien sind wohl Chemtrails, die BRD GmbH, einiges zum Thema 9/11, Impf”kritik” usw..

  5. Der Fehler des Herrn Finn Mayer-Kuckuk bestand darin, über den Bitcoin informieren zu wollen, ohne sich selbst über diesen zu informieren.
    Die Veröffentlichung der E-Mail-Adresse des Journalisten war ein weiterer Fehler.
    Ein Shitstorm ist in der heutigen Internetwelt leider Normalität.
    Vielleicht haben wir Alle daraus gelernt, auch wenn die vorangehenden Kommentare nicht gerade darauf deuten…..

  6. Wenn ich mir diverse Blogbeiträge u.a. vor allem auch bei dem vorangegangenen Blog anschaue, so arten diese mittlerweile in ein fragwürdiges Niveau aus. Meiner Meinung nach haben unsachliche Beiträge in einem Blog absolut KEINEN Platz.
    Wenn ein Beitrag lediglich darauf abzielt, den Anderen als Deppen hinzustellen und ihn zu diffamieren, zu beleidigen, usw., so hat das hier absolut nichts zu suchen. Kritik kann man meiner Meinung auch sachlich vortragen.
    Meiner Meinung nach täte es gut daran, jene Beiträge konsequent zu entfernen und den Verfassern ggf. per Mail seinen Beitrag zur Überarbeitung zu geben. Wer dann wirklich ernsthaft an einer sachlichen Diskussion interessiert ist, der wird seinen Beitrag überarbeiten und die Unsachlichkeiten entfernen. Alle Anderen werden sich vermutlich nicht wieder melden und vielleicht irgendwann die Lust verlieren oder sie werden anfangen den Blog zu trollen, dann weiß man aber, woran man ist und kann gezielt dagegen vorgehen.

    • Hmm, ja, an sich habe ich hier die Politik, dass ich nur in sehr extremen Fällen zensiere bzw. Kommentare unterdrücke. Ich finde, Zensur passt nicht so zum Geist des Bitcoin. Dabei würde ich auch gerne bleiben. Allgemein finde ich, dass das Niveau und der Ton hier, auf diesem Blog, erheblich angenehmer ist als auf anderen Seiten und Foren und Blogs. Daher war ich auch etwas entsetzt über die Emails.

      • Generell stimme ich dem zu, doch Pöbeleien und Beleidigungen haben mit Meinungsfreiheit nix zu tun und derartige Beiträge nicht zuzulassen kann man daher auch nicht als Zensur betiteln.

  7. Hui, in diesem Beitrag geht aber einiges durcheinander. Kleiner Tipp: Auch ein Nazi kann sich demokratischer Mittel bedienen. Bleiben Sie lieber beim Thema Bitcoin da höre ich Ihnen gerne zu. 😉

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