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SmokeTooMuch, der erste Bitcoiner Deutschlands

Sterling Wood von Mirko Tobias Schäfer via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

SmokeTooMuch hat in der Frühzeit des Bitcoins riesige Summen mit Alltags-Hardware gemined. Er war nie auf einer Bitcoin-Konferenz, wünscht sich, dass der Bitcoin Banken stürzt und ist enttäuscht, dass der Erfolg der Kryptowährung heute daran gemessen wird, wie viele Händler von BitPay Dollar bekommen. Ein Porträt eines Phantoms, für das Bitcoin mehr als Geld ist.

Es gibt die Early Adopter, die Bitcoin ein Gesicht geben. Die Roger Vers und Andreas Antonopolous‘. Sie predigen Bitcoin, zeigen sich auf Bitcoin-Konferenzen, investieren in Bitcoin-Startups und geben Interviews.

Es gibt aber auch die Early Adopter, die kein Gesicht haben. Wie SmokeTooMuch. Er war der erste Bitcoiner Deutschlands, hat tausende Bitcoins geschürft und ist begeistert von der Kryptowährung. Aber er predigt nicht Bitcoin, besucht keine Konferenzen, gründet kein Startup und hat nie ein Interview gegeben.

Auf bitcointalk findet man seine Spuren. Wenn man auf den frühesten Seiten surft, stößt man auf Smokes erstes Post, Anfang Dezember 2009, auf englisch: „Hi, ich bin gestern auf diese großartige Zahlungsoption gestoßen, habe viele Seiten gelesen, aber noch eine Menge Fragen.“ Später postet er immer wieder im deutschen Unterforum. Er meldet sich dort nicht oft, aber wenn, dann umgibt ihn die Autorität des Early Adopters. Als er einmal ankündigte, Bitcoins zu verkaufen, fragte jemand, ob er sich eine Insel zulegen will.

Verschlüsselung, Filesharing und Cannabis

Ich habe Smoke eine Nachricht geschrieben und ihn um ein Interview gebeten. Zu meiner großen Freude hat er geantwortet, woraufhin wir mehrere Monate lang verschlüsselte Nachrichten getauscht haben. Smoke möchte seine Privatsphäre wahren. Kein Ort, kein Alter, kein Beruf, kein Gesicht.

Sein Pseudonym, erzählt er, kommt daher, dass er damals regelmäßig Cannabis konsumiert hat. Das Kiffen – bzw. die soziale Ausgrenzung, die es mit sich bringen kann – hat ihn geprägt, und er ist immer noch wütend auf einen Staat, der ihm verbietet, etwas zu tun, das niemandem schadet. „Durch den Umgang mit Betäubungsmitteln habe ich schon früh gelernt, wie repressiv ‚freie‘ Nationalstaaten tatsächlich sind.“

Smoke ist politisch. Sehr politisch. Ihm geht es beim Bitcoin nicht ums Geld, sondern um Macht, Partizipation und Freiheit. Prägend für seine politische Einstellung war, neben dem Kiffen, wohl das FileSharing. Er hat, wie so viele, über KaZaA und eMule Musik, Filme oder Programme heruntergeladen. Bis sich der Staat auch darin einmischte und die Plattformen schließen mussten. Smoke wurde klar, dass das Internet ein Kriegsgebiet ist, und er beobachtete fasziniert, wie die dezentralen Netze den Kampf gewannen. „Es hat mich schon als Teenager begeistert, wie das Filesharing von zentralen Servern zu verteilten Datenbanken überging und damit resistent gegen Zensur wurde.“

Dann kam der 11. September 2001, der Patriot-Act, Afghanistan, der Irak, Guantanamo, die Hartz-Reformen. Smoke erlebte, „was 9/11 und die Medien mit der Gesellschaft gemacht haben“ und entschied für sich, „dass der politische Fortschritt nicht länger im traditionellen Sinn möglich ist.“ Er begann, sich über Technologien zu informieren, die ihn vor der Überwachung durch Geheimdienste schützen. Virtuelle Private Netzwerke (VPN), TOR, I2P und so weiter. „Ich habe regelmäßig nach Wörtern wie ‚open source‘, ‚dezentral‘, ‚distributiv‘, ‚encrypted‘ und ‚anonymous‘ gegoogelt, in der Hoffnung, ein Stück Software zu finden, dass diese Prinzipien kombiniert und zu einem wundervollen Geschenk für die Menschheit macht.“

Die Möglichkeiten schienen grenzenlos

Und er fand: den Bitcoin. Einige Internetseiten, schließlich Bitcoin-Talk, wo die Szene noch familiär war und Satoshi Nakamoto himself seine Fragen beantwortete. Er spürte, an etwas Großem dranzusein. „Ich war mir sicher, das tool gefunden zu haben, dass es mir, einem Informatiker, der stark politisch ist, erlaubt, wieder am sozialen Fortschritt teilzunehmen.“ Die Möglichkeiten schienen grenzenlos. „Damals galt es noch so etwas wie einen Markt zu initialisieren und herauszufinden, was man mit Bitcoin alles umsetzen kann. An diesem Prozess teilzuhaben hat mich sehr erfüllt.“ Der Bitcoin, ein Geschenk für die Menschheit – und ein Geschenk für SmokeTooMuch.

Frühe Miner hatten einen großen Vorteil: sie waren wenige, und das Mining war einfach. Smoke hat zunächst als Solo-Miner mit einem einzigen Kern eines Core2Quad Q9450 (google-shopping: 69€) tausende Bitcoins geschürft, und später eine ATI Radeon Grafikkarte (nicht mehr im Handel) „hemmungslos übertaktet, bis sie den Geist aufgegeben hat.“ Danach hat er das Mining aufgegeben.

Insgesamt schürfte Smoke mit diesem Equipment „wesentlich mehr als“, wie er vage umschreibt, 10.000 Bitcoin. Zwischenzeitlich hat er ein Prozent aller ausgeschütteten Bitcoin besessen. Smoke hat 2010 versucht, 10.000 Bitcoin für 50 Dollar zu verkaufen. Keiner wollte kaufen, worüber er rückblickend froh ist. „Ich war einer derjenigen, die auch schon zu Zeiten von Wechselkursen unter einem Dollar Bitcoins verkauft, bzw. Waren gekauft haben. Bereuen tue ich das nicht, schließlich musste ja jemand den Stein ins Rollen bringen.“

Wie viel auch immer jetzt er noch haben mag – der Bitcoin hat ihm ein Stück finanzielle Unabhängigkeit verliehen. Er konnte problemlos sein IT-Studium finanzieren und kann besser auswählen, was, wo und wie viel er arbeitet, und so mehr Zeit den Dingen widmen, die wichtiger als Geld oder Karriere sind. Was genau das ist, sagt er nicht. Wenn er sich dafür entschuldigt, dass er so lange braucht, um zu antworten, sagt er „Projekte.“

„Früher oder später entzieht es sich der eigenen Kontrolle“

Smoke hat zwei Jahre gebraucht, „um den Bitcoin RICHTIG zu verstehen.“ Er hat auf bitcointalk das deutsche Unterforum durchgesetzt, Fragen von Newbies beantwortet und seine Bitcoin in Software-Projekte investiert. Unter anderem hat er 292 Bitcoin an das Namecoin-Projekt gespendet, aber nie erfahren, ob die Bitcoin jemals für das Open Source Projekt genutzt worden sind. Auch an den Chaos Computer Club wollte er einmal 500 Bitcoin spenden, doch die E-Mail wurde nie beantwortet.

Anfangs hat er auch im Freundeskreis Bitcoin verschenkt. „Klar habe ich geschwärmt und Coins verschenkt. Allerdings haben sich meine Freunde nie sonderlich interessiert gezeigt, und irgendwann hört man auf, davon zu erzählen.“ Im Nachhinein, meint Smoke, wäre er vorsichtiger gewesen. „Früher oder oder später entzieht es sich nämlich der eigenen Kontrolle, wer davon weiss und wer nicht.“ Vermutlich wurde Smoke zu Zeiten der großen Blase, im Winter 2013, von zu vielen Leuten, die er kaum kannte, gefragt, wie viele Millionen Euro er besitzt und ob er mal „ein paar Bitcoin“ abgeben kann.

No face, No name von Leandro Martinez via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

No face, No name von Leandro Martinez via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Smoke erzählt gerne, dass er Bitcoin-Fan ist, aber er nennt ungern genaue Zahlen. Zum einen wegen der Sicherheit: „Ich glaube zwar nicht, dass ich genug Bitcoins habe, dass man mich deswegen erpressen oder bedrohen könnte, aber es wurden wohl auch schon Menschen wegen weniger getötet, gekidnappt, etc.“. Zum anderen, weil das Wissen über den Besitz einer Person auch schnell das Denken über diese ändert. „Dann heißt es plötzlich: ‚Damals warst du noch in Ordnung, aber seit dem du Geld hast, bist du ein Riesenarsch geworden!’“.

„Nur im Schutz der Anonymität kann in repressiven Systemen wirklich frei gehandelt werden.“

Smoke hat stets seinen echten Namen von der Bitcoin-Identität getrennt. „Am Anfang war ja noch gar nicht klar, welche rechtliche Postition Bitcoin einmal zugesprochen wird. Eine so ‚disruptive‘ Technologie hätte ja durchaus verboten werden können. Deshalb eigentlich die Trennung.“ Er hat sich nie als Bitcoin-Evangelist gegeben, und er hat nie Bitcoin-Konferenzen besucht. „Für mich war Bitcoin immer mehr so ein ‚Underground-Ding‘. Ich bin außerdem keine Person, die gerne im Rampenlicht steht oder überhaupt übermäßig viel mit Leuten zu tun haben will, deswegen kam mir nie die Idee, als Bitcoin-Evangelist durchzustarten.“

Dennoch hat er viel Zeit in der Internet-Community verbracht. Er hat gehofft, dass der Bitcoin etwas verändert: Dass er Partizipation ermöglicht und die Herrschaft des Systems bricht. Zum Teil, meint er, sei das geschehen. „Ein praktisches Beispiel für den gesellschaftlichen Fortschritt sind die Darknet-Markets. Sie tragen zur Entmachtung der Drogenkartelle bei und fördern die Selbstwahrnehmung von Konsumenten, die sich nicht mehr mit zwielichtigen Gestalten treffen müssen, die ihnen Ware von fragwürdiger Qualität zu ungerechten Preisen verkaufen.“

Entscheidend sind dabei Anonymität und Abwesenheit eines Mittelsmanns. „Nur im Schutze der Anonymität kann in repressiven Systemen wirklich frei gehandelt werden. Und nur ohne Mittelsmann kann ich sicher gehen, dass der Empfänger das Geld tatsächlich erhält.“ Der Bitcoin wird, mittelfristig, meint Smoke, den Krieg gegen die Drogen beenden und vielleicht zu einer vollständigen Legalisierung führen.

Bitcoin braucht keine Mainstream-Erfolge

Allerdings ist Smoke mittlerweile etwas ernüchtert. Vielleicht sogar enttäuscht. „Anfangs dachte ich, Bitcoin sei das magische Pflaster, dass man auf eine kaputte Welt klebt und plötzlich wird alles automatisch besser. Das glaube ich mittlerweile nicht mehr.“ Er bringt sich immer weniger in die Community ein, „desto weniger, je mehr ich den Einfluss von negativen Aspekten erkenne: Zum Beispiel die Mining-Zentralisierung, aber auch, dass der Erfolg von Bitcoin auch innerhalb der Community heute scheinbar daran gemessen wird, wie vielen Händlern BitPay Dollar auszahlt, oder wie viele Millionen Dollar an Kapital in irgendwelche Startups geflossen sind. Für mich fühlen sich diese Dinge alle nicht sehr ‚bitcoin‘ an. Wir haben noch immer keine Banker gestürzt oder Staaten das Mittel der Inflation entzogen.“

Smoke hält den Bitcoin für ein Multifunktionswerkzeug, das, wie er etwas zähneknirschend einräumt, von unterschiedlichen Leuten für unterschiedliche Zwecke benutzt wird. „Daher kämpft man anstatt gegen staatliche Repressionen oder das Finanzwesen heute dafür, wie man am besten den Kaffee im Laden um die Ecke kauft.“ Und wenn man dabei zentralen Dienstleistern dieselbe Macht gibt, wie zuvor den Banken, ist das egal, solange es den Bitcoin zum Mainstream bringt.

Smoke meint, dass es der Bitcoin nicht nötig hat, Mainstream-Erfolge zu feiern, um eine beständige Währung zu sein. „Das war er von Anfang an.“ Er wünscht sich mehr Rückbesinnung zur Dezentralität. So sollten etwa Nutzer die Kontrolle über ihre privaten Schlüssel unbedingt behalten, und man sollte Projekte wie OpenBazaar oder DarkWallet mehr unterstützen.

„Weiterhin müssen wir uns von dem Gedanken befreien, dass der Erfolg von Bitpay oder Coinbase den Erfolg von Bitcoin widerspiegeln würden. Die Händler, die diese Dienste zur Zahlungsabwicklung nutzen, haben doch mit Bitcoin an sich überhaupt nichts am Hut.“ Der wichtigste Aspekt der Dezentralisierung ist für ihn, „sich nicht von den „Großen und Mächtigen“ vorschreiben zu lassen, wie Bitcoin zu nutzen sei.“

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4 Kommentare zu SmokeTooMuch, der erste Bitcoiner Deutschlands

  1. mir wurde ganz warm ums herz (eigentlich ja bauch) beim lesen.
    ich finde es aber nicht schlimm das zahlungsdienstleister im system mit drin sind. das wichtige ist, keine marktzugangsbeschränkungen. das ist der schlüssel zur freiheit.
    mainstream finde ich auch gut, denn das bewirkt das endziel: „…Staaten das Mittel der Inflation entzogen“
    das bringt den gegenwärtigen weltsozialismus mit seiner sklaverei schneller zum sturz.

  2. stimmt, ohne den Mainstream wird es schwierig, den Staaten das Mittel der Inflation zu entziehen.

  3. Achherje, und ich hab 120 BTC mit einem Keylogger verloren 🙁 Hätte ich bloß auch 2010 angefangen zu minen 🙂

  4. Sehr erfrischendes Portrait! Gratulation!

1 Trackback / Pingback

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