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Ist nicht Griechenland, sondern China die Ursache für den steigenden Bitcoin-Preis?

Es kriselt nicht nur in der Eurozone, sondern auch in China. Die chinesischen Aktienkurse befinden sich im freien Fall und vernichten 3,5 Billionen Dollar. Sind nicht Europäer, die das Exempel der griechischen Kapitalkontrollen aufgeschreckt hat, der Grund für den Aufwind des Bitcoins, sondern chinesische Anleger, die aus den Aktienmärkten flüchten?

Sehen Sie den Chart oben? Er zeigt die Preisentwicklung des Shanghai Stock Exchange Composite Index, der als wichtigster Index für den chinesischen Aktienmarkt gilt. Schauen Sie sich mal zum Vergleich diesen Chart an:

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Es gibt Ähnlichkeiten, auch wenn der zweite Chart, der den Bitcoin-Kurs im Jahr 2013 zeigt, etwas schärfer ausschlägt. Dennoch sind die Preise chinesischer Aktien fast ebenso rasant angestiegen wie der des Bitcoins und fast ebenso heftig gefallen. Innerhalb weniger Wochen gab der Shanghai Stock Exchange Composite um satte 30 Prozent nach. Eine Blase baut sich auf und fällt, ein Muster, welches sich auf allen Märkten immer wieder wiederholt.

Während der Crash beim Bitcoin “nur” Werte im niedrigen einstelligen Milliarden-Dollar-Bereich zerstörte, verloren Anleger in China laut den Deutschen Wirtschafts Nachrichten insgesammt 3,5 Billionen Dollar. Nur vier Staaten dieser Erde haben überhaupt ein Bruttoinlandsprodukt, das diesen Wert übersteigt: die USA, China, Japan und Deutschland. Griechenlands Staatsschulden passen in diesen Betrag mehr als zehn Mal rein.

Während die Welt also darauf schaut, wie sich die Eurozone in Parteikämpfen und neuen Nationalismen zerlegt, hat China einen Börsen-Crash hingelegt, der viel weiter reichende globale Wellen schlagen könnte. Die chinesische Regierung ist alarmiert und versucht, die Aktienkurse mit mehreren Maßnahmen zu stabilisieren: sie legt ein mehr als 36 Milliarden Dollar schweres Kojunkturprogramm auf (das geplante, an harte Bedingungen geknüpfte Investitionsprogramm für Griechenland liegt etwa im selben Bereich), und befiehlt den Anlegern, Wertpapiere mindestens ein halbes Jahr zu halten, wenn sie einen bestimmten Anteil an allen Aktien einer Firma ausmachen. Zudem wurde der Handel von Papieren von mindestens 1.331 Unternehmen ausgesetzt, womit 72 Prozent des Marktes eingefroren sind. (sagt Bloomberg und bestätigt auch die Schätzung von 3,5 Billionen verbrannten Dollar). Man hätte sich ein ähnliches Vorgehen auch beim Platzen der Bitcoin-Blase gewünscht.

Wie beim Bitcoin und anders als bei der Griechenlandkrise findet der Crash jedoch auf hohem Niveau statt. Die Marktkapitalisierung chinesischer Unternehmen ist nach wie vor mehr als doppelt so hoch wie vor 7-8 Monaten. Wäre es nun eine Möglichkeit, dass die chinesischen Trader ihr Geld aus dem Börsenhandel abgezogen haben und (wieder) in den Bitcoin-Markt eingestiegen sind?

Ja, es wäre eine Möglichkeit, und es gibt Hinweise darauf. Das Handelsvolumen auf chinesischen Börsen wie OKCoin oder Huobi ist am 16. Juni deutsch angestiegen. Der 16. Juni ist zudem ein Wendepunkt im Kursverlauf des Bitcoins: seitdem weist der Trend entschieden aufwärts. Gleichzeitig war der 16. Juni der Tag, an dem die Talfahrt auf den chinesischen Aktienbörsen rasant an Fahrt aufgenommen hat.

Chart der chinesischen Börse Huobi. Man beachte die Verdopplung des Volumens am 16. Juni. Quelle: Bitcoinity.org

Chart der chinesischen Börse Huobi. Man beachte die Verdopplung des Volumens am 16. Juni. Quelle: Bitcoinity.org

Auch auf den Euro- und Dollarbörsen hat sich das Volumen an diesem Tag erhöht. Allerdings bei weitem nicht so kräftig wie auf den chinesischen Börsen.

Es gibt also Anzeichen dafür, dass Chinas Trader teilweise den Aktienhandel verlassen und sich wieder den virtuellen Währungen zuwenden. Der Bitcoin ist dabei nur eine von vielen virtuellen Währungen, die die chinesische Lust an der Spekulation reizen. So ist etwa der Preis und auch das Handelsvolumen des Litecoin am 16. Juni abrupt angestiegen. Dazu trägt sicherlich auch bei, dass der Litecoin dank kürzerer Block-Interwalle besser skalierbar erscheint als der Bitcoin.

Litecoin-30-Tages-Kurs. Man beachte die Volumenbalken unten. Quelle: Coinmarketcap.com

Litecoin-30-Tages-Kurs. Man beachte die Volumenbalken unten. Quelle: Coinmarketcap.com

Man muss aber – speziell was den Bitcoin angeht – einräumen, dass das Handelsvolumen der chinesischen Bitcoin-Börsen historisch gesehen weiterhin niedrig ist. Nur an Ausnahmetagen werden Handelsvolumen wie im April 2015 erreicht und Werte wie im Januar sind sogar vollkommen unerreicht. Es sieht eher so aus, als sei lediglcih ein Teil der chinesischen Bitcoin-Trader, der in den letzten Monaten in die Aktienblase eingestiegen ist, wieder zum Bitcoin zurückgekehrt.

Zhang Weiwu schreibt in seinem Artikel über China’s Lust auf Knoblauch-, Eisen- und Adlerholzblasen:

Das Schwarmbewusstsein ist flüchtig, und die „knappe Ressource“ wird oft zufällig gewählt. Irgendeine Ressource wird gehorted, und wenn der tipping point erreicht ist, gewöhnlich begleitet von einem Signalereignis, wird die Ressource populär. Das vielleicht beste Beispiel ist die Knoblauch-Blase von 2010. Es begann ganz klein, aber als die Leute begriffen, dass die anderen Knoblauch horten wollen, begann jeder damit. Der Preis erreichte seine Spitze beim 30-fachen Niveau des Vorblasenpreises. Ähnlich war es mit Mung-Bohnen.

Die Chinesen haben den Bitcoin-Preis auf das Fünffache hochgekauft. [… ] Während die Chinesen immer mehr Bitcoins gekauft und Dutzende neuer Börsen gegründet haben, haben die wenigen Idealisten, die etwa Bitcoin-Zahlungsanbieter betreiben, nicht mal eine Erwähnung in den News bekommen. Die Leute kaufen und verkaufen Bitcoins, aber keiner möchte sie benutzen.

Es wäre, angesichts des chinesischen Einfallsreichtums beim Blasenbilden, doch sehr phantasielos, wenn die Masse, die erst von der Bitcoinblase beglückt bzw. verbrannt und dann von der Aktienblase beglückt bzw. verbrannt wurde, sich jetzt erneut der Bitcoin-Spekulation zuwendet. Dazu gibt es einfach zu viele andere mögliche Spekulationsobjekte. Die Antwort auf die Frage, ob Chinas Börsencrash etwas mit dem aktuellen Bitcoin-Aufwind zu tun hat, dürfte daher “Nein!” sein. Der “griechische Effekt” dagegen beruht darauf, dass Bitcoins in der aktuellen Lage viel nützlicher sind, als Euro auf griechischen Bankkonten, da man mit Bitcoins Bestellungen und Rechnungen im Ausland bezahlen kann. Und solche Nützlichkeitserwägungen sind die Grundlage für einen tatsächlichen Aufwind.

Über Markus Städler (23 Artikel)
Ist freier Journalist und Autor. Er beschäftigt sich überwiegend mit technologischen und wirtschaftlichen Themen. Seit er Ende 2013 den Bitcoin kennengelernt hat, ist die Kryptowährung sein absolutes Lieblingsthema geworden.

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