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Die drei Angriffe auf das Bargeld

Euro 2 von wfabry via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Neues von der Abschaffung des Bargeldes: Gestern trat in Frankreich die Beschränkung von Bargeldzahlungen in Kraft. Die Financial Times aus London wirbt derweil in einem Editorial dafür, Bargeld auf der Müllhalde der Geschichte abzulegen. Die Gründe sind immer wieder dieselben, werden dadurch aber nicht besser.

Bargeld ist etwas furchtbares. Auf der gar nicht so glatten Oberfläche von Geldscheinen wachsen und gedeihen mehr als 3.000 Bakterienarten, wie das „Dirty Money Project“ herausfand. Geldscheine sind teuer in der Herstellung, umständlich im Transport, sie können durch Feuer, Wasser und Hunde zerstört werden, und sie sind das Öl in den globalen Schwarzmärkten, auf denen von Drogen bis zu menschlichen Organen alles gehandelt wird, was verboten ist.

Für viele ist Bargeld dennoch etwas wunderbares: Es gibt dem Bürger seine Selbständigkeit zurück. Wer Bargeld hat, braucht keinen Mittelsmann: keine Bank, um Geld aufzubewahren, keinen Kreditkartendienstleister, um zu bezahlen. Nur du, dein Bargeld, und der Empfänger. Was du damit machst, ist deine Sache; niemand kann deine Zahlung blockieren oder dokumentieren. Bargeld ist, um Dostojevski in der Abwandlung von Bundesbank-Chef Carl Ludwig Thiele zu zitieren, „geprägte Freiheit.“

Allerdings mehren sich die Angriffe auf das Bargeld.

Der Markt entscheidet sich gegen Bargeld

Auf der einen Seite verdrängen elektronische Zahlungsmittel wie Kreditkarten, PayPal, Smartphones etc. Bargeld vom Markt. Die Händler und Verbraucher entscheiden sich aus freien Stücken, Geld nicht mehr durch Münzen oder Scheinen, sondern durch Plastik zu tauschen. Während Deutschland noch skeptisch auf die neuen Zahlungsmittel reagiert und laut einer Studie der Bundesbank weiterhin Beträge bis 50 Euro zu mehr als zwei Drittel bar bezahlt, hat in Großbritannien 2014 der Anteil nicht-barer Zahlungsarten erstmals den Anteil des Bargeldes am Zahlungsverkehr überholt. Die öffentlichen Verkehrsmittel in London haben vor einiger Zeit sogar aufgehört, Bargeld zu akzeptieren, wodurch sie nach eigenen Angaben im Jahr 24 Millionen Pfund sparen. Im Vorreiter-Land des bargeldlosen Zahlens, in Schweden, ist die Benutzung von Bargeld seit 2007 um mehr als ein Viertel geschrumpft; in Dänemarkt hat die Zentralbank vor einiger Zeit aufgehört, neues Bargeld zu drucken, da es keine Nachfrage danach gibt.

Der Staat limitiert die Verwendung von Bargeld

Zu diesen Angriffen durch den Markt kommen die Angriffe durch den Staat. Der neuste Schritt in Richtung Bargeld-Verbot kommt aus Frankreich. Gestern trat dort ein Gesetz in Kraft, das die Nutzung von Bargeld empfindlich limitiert. Nur noch Transaktionen bis zu 1.000 Euro dürfen in bar beglichen werden, Bar-Abhebungen an Automaten werden strenger überwacht, und Geldwechsler müssen sich ab Summen von 1.000 Euro an strenge AML-Bestimmungen halten. Die französische Regierung hatte das Gesetz Ende März durchgepeitscht, um die Finanzierung des Terrorismus auszutrocknen, nachdem radikale Islamisten ein Blutbad in der Redaktion des Satiremagazins Charli Hebdo angerichtet hatten. Wie so oft werden Katastrophen zum Vorwand, um die Freiheit weiter einzuschränken, und die Einschränkung der Freiheit wird zum beruhigenden Substitut echter Lösungen, mit dem die Politik immerhin den Willen demonstriert, zu handeln.

Technokraten publizieren gegen Bargeld

Der dritte Angriff auf das Bargeld geht von publizistischer bzw. technokratischer Seite aus. Nachdem der US-Ökonom Kenneth Rogoff in einem umstrittenen Vortrag in München eine Lanze für die Bargeldabschaffung gebrochen hat und ihm der Wirtschaftsweise Peter Bofinger in der Idee gefolgt ist, hat die CITI-Bank im April 2015 eine Kurzstudie herausgebracht, in der sie feststellt, dass die Existenz von Bargeld die Zentralbanken daran hindert, Negativzinsen zu verhängen über 5 bis 10 Prozent, wie sie vielleicht möglich wären. Als Lösung schlug die Studie vor, Bargeld ganz abzuschaffen, Gebühren auf Bargeld zu verhängen oder die Wechselkurse zwischen Umlaufgeld und Zentralbankreserven zu lockern. Die Financial Times hat vergangene Woche nun noch einmal nachgelegt. Unter dem Titel „The case for retiring another barbarcous relic“ (etwa: Plädoyer für die Abschaffung eines weiteren barbarischen Relikts) schreibt die Wirtschaftszeitung aus London, dass die Existenz von Bargeld als ein unverzinstes Finanzinstrument die Fähigkeit der Zentralbanken beschränke, die depressive Wirtschaft aufzuwecken. Sobald die Zentralbanken die Zinsen in einen zu negativen Bereich drücken, werden die Leute dazu übergehen, Bargeld zu horten, um eine automatische Reduktion ihres Vermögens auf dem Bankkonto zu verhindern.

Darüber hinaus, so die FT, führe das Horten von Bargeld durch Leute, die eine erneute Wirtschaftskrise befürchteten, zu weiteren Verwerfungen der Wirtschaft. Und da Bargeld nicht nachverfolgt werden könne, so die Zeitung, würde seine Abschaffung es den Regierungen einfacher machen, die informelle Wirtschaft – also den Schwarzmarkt – aus der Welt zu schaffen. Wenn Leute kein Bargeld mehr benutzen, hätten Regierungen zudem ganz andere Möglichkeiten, Steuern direkt einzutreiben, etwa in Echtzeit vom Bankkonto. Wer aus Gründen der Privatsphäre dennoch Bargeld benutzen will, habe das Recht dazu, könnte ja einen Aufschlag bezahlen.

Ein Alptraum für die Demokratie

Damit präsentiert die FT also alles, was den Liebhabern des Bargelds Alpträume bereitet, und nennt es einen Vorteil. Man muss kein Libertärer, Konservativer oder Anarchist sein, um zu sehen, wie gefährlich diese Argumente sind. Bargeld begrenzt die Möglichkeiten der Zentralbanken, Geld zu manipulieren; Bargeld macht es den Staaten schwieriger, Steuern einzutreiben; Bargeld limitiert die Möglichkeiten des Staates, Güter und Marktteilnehmer zu verbieten. Bargeld begrenzt, um es auf den Punkt zu bringen, die Möglichkeiten des Staates, zu herrschen und zu regulieren. Es schützt den Bürger davor, dass „sein Staat“ das Maß verliert. Nicht jeder, der Bargeld abschaffen will, muss ein Diktator sein. Aber jeder Diktator muss die Abschaffung des Bargeldes lieben.

Die Staaten haben seit Mitte des 19. Jahrhunderts zunehmend ihr Potenzial ausgebaut, die Gesellschaften zu kontrollieren und zu steuern. Wenn Bargeld verboten, alle Transaktionen dokumentiert und alle Steuern automatisch abgebucht werden, bekommt der Staat ein Machtvolumen, das es in der Geschichte der Menschheit noch niemals gab. Eine derartige Verzerrung der Balance der Machtverhältnisse ist durch kein ökonomisches Argument zu rechtfertigen.

In Deutschland ist Bargeld das weiterhin bei weitem beliebteste Zahlungsmittel. Eine spontane Abschaffung, meinen die Autoren des Büchleins „Das kommende Bargeldverbot„, wäre nicht durchsetzen. Stattdessen gehen sie davon aus, dass das Bargeld graduell eingeschränkt wird, während die Medien Anti-Bargeld-Kampagnen fahren, bis schließlich die endgültige Abschaffung des Bargeldes niemanden mehr interessiert. So ähnlich wie man bekanntlich einen Frosch kocht. Teilweise gibt die Wirklichkeit den beiden Autoren leider recht.

Über Christoph Bergmann (2802 Artikel)
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10 Kommentare zu Die drei Angriffe auf das Bargeld

  1. Ich denke, das viele dann wieder zum Tauschgeschäft zurückkehren werden. Wir erinnern uns, das war die Zeit, bevor Faulenzer solch komisches Papier und Metall eingeführt haben… Wer bei mir auf dem Hof dann Milch oder Eier haben will, muss halt dann ein Stück Fleisch, Wurst oder so… mitbringen. Oder denken „Die“ der Mensch ist dazu nicht mehr in der Lage? Neue Situationen, haben auch immer neue Lösungen hervorgebracht – auch wenn diese alt bekannt waren….

  2. „… Frankreich. Gestern trat dort ein Gesetz in Kraft, das die Nutzung von Bargeld empfindlich limitiert. Nur noch Transaktionen bis zu 1.000 Euro dürfen in bar beglichen werden …“.
    Gibt es dazu seriöse Quellen.
    Ich bin zu doof, um welche zu finden.
    Danke.

  3. Die Diskussion um Bargeld ist mir zu sehr idealistisch geprägt und nicht selten mit einen gesunden Maß an Polemik bespickt.

    Hierbei genügt ein Blick in die Historie des Geldes, da gab es ähnlich hitzige Diskussionen bei der Einführung des ungedeckten Münzgeldes, des Papiergeldes oder des Buchgeldes.

    Nicht jede scheinbare „Beschränkung“ dient dazu um den Menschen damit zu unterdrücken.
    Wie soll soetwas auch aussehen in einem solch medial offenen Umfeld, bei denen jede begangene Willkür eine potenzielle Bedrohung für die Regierenden darstellt, siehe u.a. die Enthüllungen eines Snowden oder Wikileaks. Keine demokratisch legitimierte Regierung könnte sich soetwas leisten.

    Daher bin ich der Meinung, wird sich Bargeld ganz von selbst abschaffen, weil es keinerlei notwendige Vorteile und Anwendungsfälle in einer globalisierten automatisierten Welt mehr bietet.
    D.h. der Konsument von morgen wird mit Bargeld zunehmend weniger anfangen können, weil er seine Tickets nicht mehr an einem Schalter oder Ticketautomaten, sondern per App kauft, welches dadurch 10% billiger wird. Er kauft seine Lebensmittel auch nicht mehr im Supermarkt, sondern bestellt seine Lebensmittel halbautomatisch im Web, bekommt die Waren per Haus geliefert, spart hierbei jede Woche mehrere Stunden an Freizeit ohne dafür mehr bezahlen zu müssen, weil die Supermärkte dadurch deutliche Kosteneinsparungen erreichen können.
    Selbst Bekleidung wird zukünftig nicht mehr in Einheitsgrößen, sondern individuell je nach Körperprofil halb- oder gar vollautomatisch hergestellt, so dass auch der Gang in die Bekleidungsläden weniger werden wird. Und wieder spart der Konsument Freizeit.
    Der Trend ist bereits jetzt schon in den Innenstädten zu erkennen, immer mehr Geschäfte schließen und die Geschäfte die sich noch halten, die können dies zumeist nur, weil sie auch im Web vertreten sind.
    Bargeld wird daher bedingt der immer weniger werdenden Anwendungsfälle in seiner Bedeutung verdrängt.

    Ferner finde ich gibt es mittels Bitcoin und Paperwallets bereits heute schon Möglichkeiten um Bargeld ersetzen zu können.

    • „Keine demokratisch legitimierte Regierung könnte sich soetwas leisten.“ Das ist so unglaublich naiv, dass es schmerzt. Schau dir an, was sich „demokratisch legitimierte“ Regierungen schon jetzt leisten, ohne das etwas passiert…. und „soetwas“ ist außerdem ein guter Weg für Regierungen, sich „legitimieren“ zu müssen, weil man unliebsamen Personen einfach das Geld abdreht. Das Ziel sind ja schon jetzt nicht nur „Teroristen“, sondern auch Wikileaks oder unliebsame Unternehmen mit dem langen Arm der US-Kreditkartenunternehmen.

      Die Bequemlichkeit, die du beschreibst und als Grund gegen Bargeld aufführst, ist genau die Bequemlichkeit, die gerade die Demokratie vernichtet. Brot und Spiele.

  4. Wohin es führt den Schwarzmarkt aus der Wirtschaft jagen zu wollen, jegliche Geldtransaktion zu beobachten erkennen wir derzeit an Italien, Spanien, Griechenland, Zypern etc. Die absolute Kontrolle tötet. Nicht umsonst hängt an der Bürotür meines Steuerberaters das Schild „ein bisschen Hokuspokus muss immer sein“.
    Durch die Bargeldbegrenzung bzw. -abschaffung soll das gleiche erreicht werden wie in Zypern: Die Abschöpfung privaten Vermögens.

  5. Wenn Bofinger für etwas ist, kann man sich sicher sein, dass es hirnrissig ist. q.e.d.

    Irgendwann wird es in dem Fall trotzdem so weit sein, das wird sich aber noch 10-20 Jahre hinziehen. Dann wird vermutlich eine Kryptowährung seinen Platz einnehmen, oder mehrere.

  6. „, nachdem radikale Islamisten ein Blutbad in der Redaktion des Satiremagazins Charli Hebdo angerichtet hatten.“
    Ist das so?
    http://www.danieleganser.ch/nato_geheimarmeen_in_europa_1352499862.html?lang=en

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