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Die Spaltung der Bitcoin-Community

Der Bitcoin-Bürgerkrieg

Ein Riss geht durch die Bitcoin-Community. Bild von rgieseking via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Die Bitcoin-Szene ist auf dem Weg, sich zu spalten. Anlass war die Debatte um die Erhöhung der Blockgröße. Mittlerweile diskutiert die Szene bereits in verschiedenen Foren mit eigenen Regeln. Für den letzten Skandal sorgt die Ablehnung eines Papers von Peter_R durch den Scaling-Bitcoin-Workshop.

Lange war die Bitcoin-Welt übersichtlich und klein. Diskutiert wurde international auf bitcointalk und reddit, das Block-Limit war noch längst nicht ausgereizt und die Fortentwicklung des Bitcoin-Clienten geschah in schöner Einigkeit.

Diese Zeiten sind, so traurig es sein mag, vorbei. Die Bitcoin-Community ist mittlerweile dabei, sich zu spalten.

Auf der einen Seite stehen als prominenteste Figuren die Entwickler Mike Hearn und Gavin Andresen sowie der Investor Roger Ver und die Unternehmen Coinbase und BitPay. Sie drängen darauf, die Größe der Blöcke zu erhöhen, damit das Bitcoin-Netzwerk mehr Transaktionen prozessieren kann.

Auf der anderen Seite stehen die Kernentwickler um Gregory Maxwell, Adam Back, Pieter Wuille, die in der Firma Blockstream zusammenkommen, sowie unter anderem der Entwickler Peter Todd und der Theoretiker Nick Szabo. Sie haben Bedenken gegen eine Erhöhung der Blockgröße und wollen mehr Zeit und Tests, um einen Konsens zu finden.

Der Vorstoß von Mike Hearn und Gavin Andresen, BIP 101 in Bitcoin XT aufzunehmen und damit eine Fork zu riskieren, war zwar ein erster Höhepunkt, aber nicht der Beginn der Spaltung. Bereits zuvor hatten Hearn und Andresen ihre Frustration mit den Core-Entwicklern zum Ausdruck gebracht, weil diese keine Lösung für das Scalability-Problem akzeptierten und anboten. Die Position von Hearn und Andresen fand laut Umfragen rund 80 Prozent Zustimmung in der Community. Die Core-Entwickler haben dies ignoriert und scheinen es weiterhin zu ignorieren.

Danach wurde alles recht wild

Die Frage „Core“ oder „XT“ bedeutet so viel. Ob man die Blockgröße jetzt auf 8 MB erhöht oder auf 2 MB oder gar nicht, ist eigentlich nur ein Randaspekt. Die Fragen sind vielmehr:

  • Sollen Bitcoin-Transaktionen eine „knappe Ressource“ und daher teuer sein – oder sollen sie für so viele Menschen wie möglich frei sein?
  • Soll Bitcoin ein Zahlungssystem für alle sein – oder ein Settlement-Netzwerk für spezielle Zwecke?
  • Ist es wichtiger, dass die Nutzung dezentral bleibt – oder ist die Gefahr vielmehr, dass sich die Sicherung des Systems durch die Miner und Clients zentralisiert?
  • Soll eine Entscheidung durch die Fork und den freien Markt stattfinden – oder durch den Konsens aller Beteiligten?

Solche Fragen bilden eine weltanschauliche Trennlinie zwischen den beiden Lagern, die in den letzten Monaten immer weiter auseinandergedriftet sind. Begünstigt wurde diese Spaltung durch ein fragwürdiges Verhalten und Diskutieren von beiden Seiten. Auf der einen Seite hat das „Small Block“ Lager Andresen und Hearn der technischen Imkompetenz, des Egoismus, des Spaltertums und des Diktatortums beschuldigt. Auf der anderen Seite erhebt das „Big Block“-Lager den Vorwurf, die Core-Entwickler seien durch ihre Anstellung bei Blockstream befangen und würden den Bitcoin klein halten wollen, damit ihr künftiges Baby, die Sidechains, überhaupt nützlich sind.

Diese Diskussionen haben recht schnell das Klima vergiftet. Anstelle einer sachlichen, technischen Diskussion wurde die Debatte persönlich und die Argumente flacher. Vertreter jeder Meinung mussten sich anhören, sie seien imkompetent oder korrupt.

Zensur führt zur Spaltung

Im Zuge der Diskussion hat Theymos, der Administrator von sowohl Bitcointalk.org als auch r/bitcoin, einen großen Fehler gemacht: Er erklärte jede Diskussion von Bitcoin XT zu „offtopic“, da XT nicht mehr Bitcoin, sondern ein Altcoin sei. Auf bitcointalk.org wanderten daher Diskussionen zu XT in die Altcoin-Threads, auf r/bitcoin wurden sie gelöscht.

Ein Fehler war dies, weil Theymos die eigene Macht überschätzt und die Abneigung der Community gegen Zensur unterschätzt hat. Wenn es irgendetwas gibt, das die Bitcoin-Szene verabscheut, dann ist es Zensur und Beschränkung der Meinungsfreiheit. Und ein großer Teil der Community meint, dass die Diskussion von XT nicht nur wichtig für die Zukunft des Bitcoins ist, sondern auch, dass die eigenständige Weiterentwicklung der Software ein elementarer Bestandteil der Open-Source-Kultur ist.

Mittlerweile haben sich daher Alternativen zu den Foren von Theymos gebildet: /r/btc und forum.bitcoin.com, beide von Roger Ver gegründet und administriert. Die beiden alternativen Foren sind bereits ähnlich gut besucht wie die klassischen Bitcoin-Foren und scheinen daher nicht nur ein kurzer Ausscherer, sondern eine bleibende Alternative zu sein. Damit diskutiert die Community mittlerweile nicht nur in zwei Lagern, sondern auch in zwei bzw. vier Foren. Der Aufenthalt in solchen gated communities macht es einfach, die Argumente der Gegner zu ignorieren und sich einzubilden, dass die eigene Meinung mehrheitsfähig ist.

Weitere Zerwürfnisse zwischen den Entwicklern

Zugleich kam es zu mehreren DdoS-Angriffen auf XT-Knoten, was vom Big-Block-Lager als eine Art Kriegserklärung der Core-Entwickler gewertet wird (obwohl es natürlich keinerlei Beweise oder auch nur Hinweise gibt, dass diese etwas mit den Angriffen zu tun haben). Es zeigt aber, mit wie harten Bandagen mittlerweile gekämpft wird.

Auch in den Entwickler-Chats kam es derweil zu Zerwürfnissen. Ein Moderator hatte Kommentare von Mike Hearn und Gavin Andresen gelöscht. Erst vor wenigen Tagen eskalierte ein Streit zwischen Peter_R – einem Verfechter von gar keinem Block-Limit – und Gregory Maxwell – einem der konservativsten Core-Entwickler und CTO von Blockstream – im Zuge dessen Maxwell sich dauerhaft von dem Chat zurückzog. Pikanterweise hatte Peter_R zu diesem Zeitpunkt bereits ein Paper für Scaling Bitcoin eingereicht, das laut seiner Aussage auch schon bestätigt war. Kurz darauf wurde es abgelehnt. Seitdem tobt die Community vor allem auf r/btc und forum.bitcoin.com dagegen, dass der Workshop unter Einfluss von Blockstream Paper ablehnt, die der Firma nicht genehm sind.

So schwindet der Dialog zwischen den Entwicklern mit verschiedenen Ansichten. Während Hearn kürzlich sagte, er besuche nicht einmal die Scaling-Bitcoin-Workshops, da er sich nichts mehr von der anderen Seite erhoffe, meinte Andresen, er hoffe weiterhin auf eine Einigung, auch wenn die andere Seite sich weigere, mit ihm zu reden. Hearn ist mittlerweile den konsequenten Weg gegangen und hat sich von R3CV einstellen lassen, einer Firma, die den größten Banken der Welt dabei hilft, eine Blockchain ohne Bitcoins zu bauen.

Je weiter diese Spaltung rückt, je mehr zensiert wird, je mehr persönliche Beleidigungen und Verschwörungstheorien im Spiel sind, je mehr Leute sich aus dem Dialog zurückziehen oder sich in ihre eigene Meinung hineinsteigern – desto geringer wird die Chance, dass es noch einen Konsens gibt, der diesen Namen verdient.

Zur Diskussion steht mittlerweile nicht nur die Blockchain, sondern die gesamte „Governance“ des Bitcoin-Projektes: Wie werden Vorschläge für den Code eingereicht und bewertet? Wer entscheidet, was ins Protokoll eingeht? Soll es, wie Andresen kürzlich am MIT sagte, in Zukunft nicht mehr nur einen Referenz-Client geben, sondern wie bei den Browsern viele verschiedene Clienten, durch die die User abstimmen, was gültig werden soll?

Zwei entscheidende Termine

Es ist möglich, dass die Bitcoin-Szene aus diesem Konflikt gestärkt herausgeht: Einig in der Toleranz für andere Meinungen und Foren, mit einem Konsens, der beide Lager verbindet, mit einem neuen Governance-Modell, das die Szene besser auf künftige Herausforderungen vorbereitet, und mit einer dezentraleren Entwicklung von Clients. Es ist aber, zumindest kurzfristig, unter den genannten Bedingungen nicht sehr wahrscheinlich. Stattdessen greift die Spaltung mehr und mehr auch auf die Bitcoin-Wirtschaft über, die bisher neutral geblieben ist.

Kürzlich haben sich die beiden größten US-Bitcoin-Firmen auf die Seite des „Big Block Lagers“ geschlagen: Coinbase und BitPay haben ihre Unterstützung für BIP 101 angekündigt. Allerdings vertreten sie damit bislang noch eine riskante Minderheitenmeinung. Die Community setzt weiterhin auf einen Konsens durch die Kern-Entwickler. Bislang benutzen nicht einmal 10 Prozent der Nutzer Bitcoin XT und gerade mal 1 Promille der Miner.

Ein erster entscheidender Termin wird der zweite Teil des Scaling Bitcoin-Workshops sein. Sollte bei diesem kein greifbares Ergebnis in die Nähe rücken – wie von vielen erwartet wird – ist anzunehmen, dass sich Firmen wie Coinbase und BitPay (und wohl auch einige andere) entschiedener für BIP 101 einsetzen werden. Denn für diese Unternehmen ist es schlicht existenziell, dass eine Lösung für das Blocksize-Dilemma gefunden wird. Solange das Bitcoin-Netzwerk nicht mehr als 2-3 Transaktionen je Sekunde prozessieren kann, ist es für diese Firmen schlicht unmöglich, jemals profitabel zu sein.

Der nächste kritische Punkt wird erreicht sein, wenn das Transaktionsvolumen tatsächlich an seine Grenze stößt. Dies wird, wenn es so weiterwächst, im Lauf des nächsten halben Jahres so weit sein. Bereits zuvor wird sich aber eine Erhöhung der Gebühren und eine Verzögerung von Bestätigungen bemerkbar machen. Wenn jedoch tatsächlich dauerhaft mehr Transaktionen eingespeist werden, als bestätigt weden können, wird es für alle Beteiligten schmerzhaft werden: Der Zahlungsverkehr wird jeden Tag ein Stückchen langsamer, der MemPool ein Stückchen größer. Sollten die Core-Entwickler bis dahin keine Einigung erzielt haben, dürfte die Akzeptanz von Bitcoin XT rapide ansteigen.

Selbst wenn so gut wie alle Mitglieder des Netzwerkes auf XT umgestiegen sind, wird es noch 1.000 Blöcke dauern, bis BIP101 in Kraft tritt und sich die Blöcke auf 8 MB vergrößern. Das entspricht etwa einer Woche. Sollte es soweit kommen, dann werden die Kernentwickler noch diese Woche Zeit haben, die Hard Fork abzuwenden, indem sie eine schnelle und funktionierende Lösung aktivieren, die sofort greif.

Es wäre eine späte und schmerzhafte Lösung. Aber möglicherweise wird dies der einzige Weg sein, wie die Spaltung der Szene zu beenden ist. Man darf jedoch hoffen, dass es gar nicht so weit kommt.

Über Christoph Bergmann (2796 Artikel)
Das Bitcoinblog wird von Bitcoin.de gesponsort, ist inhaltlich aber unabhängig und gibt die Meinung des Redakteurs Christoph Bergmann wieder ---

10 Kommentare zu Die Spaltung der Bitcoin-Community

  1. Puh, das ist ja spannend.
    Bestimmt habe ich es überlesen, aber was macht Bitcoin.de wenn es soweit kommt?
    Hinter was stehen sie jetzt? Wollen sie sich für die Schlichtung einsetzten?

    • das wäre wirklich interessant, welche Pläne bitcoin.de in dieser Hinsicht verfolgt…

      • Guten Morgen Herr Ziegler,

        Sie werden verstehen, dass ich dazu nur sehr begrenzt etwas sagen kann. Bitcoin.de ist für größere Blöcke und mehr Transaktionen, hat aber auch Verständnis für die Argumente der „Gegenseite“ (wenn man es so nennen mag) und ist vor allem daran interessiert, in einer sicheren und kontinuierlichen Umgebung operieren zu können.

  2. 1000 Blöcke = 3 Monate? Da haben sie sich wohl verrechnet. Bei einem Block ca. alle 10 min macht das 144 Blöcke pro Tag. 1000 Blöcke sind also eher nach einer Woche erreicht.

  3. Welchem Bitcoin-Protokoll entspricht eigentlich eine Lösung der progressiven Erhöhung der Blockgröße, gemessen am bspw. Monatsdurchschnitt? Weil so könnte man verhindern, dass jemand das Netzwerk mit XXL-Blöcken flutet und gleichzeitig die Blockgröße graduell anheben.
    Würde das funktionieren?

    MfG., BIOS

  4. Wenn dem so kommt, dann wird wohl das ganze Krypto erstmal hart crashen.
    Wie sagt Adrian immer so schön „2$“ 😉

    Bitcoin für tot erklärt, und eventuell tritt Litecoin dann seine Nachfolge an.

    Braucht ja dann nur noch umbenannt zu werden.

    mfg

  5. An mehreren Stellen las ich „imkompetent“ / „Imkompetenz“ statt „inkompetent“ – es sähe wohl besser aus, das zu korrigieren …

  6. Wenn es wirklich zu einer Spaltung der Community kommt, sprich nachdem das Limit der Blockgröße erreicht ist, werden zwar de facto mindestens zwei Bitcoins co-existieren, jedoch am Ende sich nur einer durchsetzen. Das werden aber am Ende des Tages weder die User noch die Miner entscheiden, sondern die Börsenbetreiber.

    Das liegt daran, dass der Bitcoin sich noch nicht so weit entwickelt hat, dass eine monotone Nutzung außerhalb der monetären Fiat-Währungen praktisch angewandt wird. Weshalb die Börsenbetreiber eine zentrale Rolle hierbei einnehmen, da mehrheitsfähig nur hier eine Schnittstelle zwischen Crypto- u. Fiat-Währungen vorhanden ist.

    Sollte es zu keiner Einigung unter den Entwicklern kommen, werden die Börsenbetreiber entscheiden, welches Protokoll akzeptiert wird. Auch wenn es unter den Martplätzen keine Einigung geben sollte, werden sich binnen Tagen die kleineren Handelsplätze nach denjenigen Richten, welche die größte Kundenkartei hinter sich haben. Was wiederum im Umkehrschluss bedeutet, dass die Bitcoin-Nutzer durch die Wahl der Börse indirekt die Zukunft des Bitcoins bestimmen werden!

    MfG., BIOS

  7. Name (required) // 23. November 2015 um 10:52 // Antworten

    Ich bin großer Verfechter und Unterstützer von FOSS. Bin jedoch immer wieder enttäuscht wie unfähig Entwickler sind:
    a) vernünftig zu kommunizieren,
    b) sich zu einigen.

    Bei der entscheidung in Linux Distributionen zu SystemD zu wechseln waren Denunzierungen und harsche Töne an der Tagesordnung, die Entscheidung hat ewig gedauert und viele fähige Entwickler haben sich aus Frust zurück gezogen.

    In der Linux Kernelentwicklung sind in den Mailinglisten auch deutliche Beleidigungen an der Tagesordnung. Dort herrscht nur eine klare Linie weil Linus Torvalds regelmäßig diktatorisch entscheidet.

    Ich finde es sehr schade, dass auch in der Bitcoin Core Entwicklung diese Umgangsgepflogenheiten weitergeführt werden.

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  1. Endgültiger Durchbruch für den Bitcoin | Der Altcoinspekulant

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