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Hash-Demokratie auf Chinesisch

Chinese Miner Statue von Nick Ares via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Doch kein Konsens: Nicht einmal eine Woche nachdem der „Consensus Roundtable“ eine Einigung vorgelegt hat, schert der größte Mining-Pool der Welt aus – und überlässt die Wahl den Minern. Während dieser unerwartete Ansatz von Hash-Demokratie Empörung hervorruft, werden die ersten Classic-Blöcke gefunden. 

Man sollte Chinesen niemals unterschätzen, gerade wenn man mit ihnen einen Handel abschließt. Sah es unmittelbar nach dem Consensus Roundtable noch so aus, als hätten die chinesischen Mining-Pools ihre Marktmacht zu günstig abgegeben, wendet sich nun das Blatt um 180 Grad. Der größte Mining-Pool der Welt, F2Pool, hat den Minern angeboten, über eine spezielle Adresse Classic-Blöcke zu minen – während gleichzeitig, wie am Roundtable vereinbart, Core 0.12 in der Produktion verwendet wird. Die Begründung, die ein Vertreter von F2Pool liefert, ist tricky:

  1. Wir haben in Hong Kong vereinbart, dass wir für die „vorhersehbare“ (foreseeable) Zukunft Classic nicht in der Produktion verwenden werden.
  2. Classic ist kompatibel mit Bitcoin Core bis das 75% Ziel erreicht ist, was nicht „vorhersehbar“ ist.

Um das offenbar wichtige Wörtchen „vorhersehbar“ einzuordnen, kann man sich vorstellen, dass ein Auto im Nebel gegen einen Baum knallt. Der Baum war nicht vorhersehbar, bis es gekracht hat. F2Pool kann die Miner Classic-Blöcke minen lassen (die sich durch eine Versionsnummer auszeichnen), da Classic und Core kompatibel sind. Sobald 75% der Miner sich für Classic entscheiden, ist der Vertrag mit Core hinfällig und F2Pool kann Classic auch in der Produktion verwenden, ohne vertragsbrüchig zu sein.

Mit anderen Worten: Das Abkommen hindert die Pools nicht im geringsten daran, die Abstimmung der Miner über die Blocksize fortzusetzen, während Core weiterhin den Code für eine Hardfork liefern muss, damit das von ihnen gewünschte Segregated Witness von den Minern angenommen wird. Indem F2Pool nun den Minern die Wahl lässt, ob sie Core oder Classic wollen, folgt es dem Beispiel von Slush Pool, in dem jedoch auf Wunsch schon tatsächlich Classic eingesetzt wird. Die Abstimmung durch Hashes stellt im Bitcoin-Universum die höchste denkbare Form von Basisdemokratie dar. Dass die chinesischen Miner den amerikanischen Entwicklern dies aufzwingen müssen, ist nicht frei von Ironie.

Gemeinsam mit KnC, die in ihren Rechenzentren bereits Classic nutzen, haben die Pools so bereis 14 Classic-Blöcke gemined – was aber kaum mehr als 1 Prozent der letzten tausend Blöcke ausmacht. Von einer unmittelbar bevorstehenden Revolution kann daher nicht die Rede sein.

F2Pool droht mit Rücktritt vom Abkommen

Darüber hinaus hat F2Pool mit dem Rücktritt vom Abkommen gedroht, wenn Adam Back, Präsident von Blockstream, nicht schlüssig erklärt, weshalb er das Dokumen nicht, wie erwartet oder vereinbart, als solcher unterzeichnet hat, sondern als „Individual“. Dies stellt für F2Pool einen Vertragsbruch dar, während Adam Back und mit ihm einige bei Blockstream angestellte Entwickler betonen, dass Back dies getan hat, um keinen falschen Eindruck über seinen Einfluss zu erwecken, da er als Präsident von Blockstream nicht entscheiden kann, wie ein Core-Entwickler zur Blocksize steht.

Während Adam Back versucht hat, diese Verwirrung um seine Person sachlich zu klären, haben die Core-Entwickler Matt Corallo, Gregory Maxwell und Luke-JR bereits mit Verärgerung über F2Pools Ausscheren reagiert. Matt Corallo nannte es beispielsweise „eine Schande“, was angesichts der Tatsache, dass F2Pool lediglich den Minern eine Wahl gibt, eine ungeschickte Wortwahl ist. Luke-Jr hingegen kündigte an, dass die Entwickler unter diesen Umständen kaum ihre Zeit für eine Hardfork hergeben werden. Womit wir wieder beim Anfang wären.

Untergegangen ist in der Debatte leider, was Adam Back in seiner Antwort an F2Pool detailliert hat: Segregated Witness kann dem Netzwerk ab April eine voraussichtliche Kapazität von 1,8-2 MB Blöcken liefern und schafft etwa die Basis, um über neue Soft-Fork Erweiterungen etwa Schnorr Multisignaturen einzuführen, die den Speicherbedarf von Signaturen verkleinern und die Fungitibilität des Bitcoins erhöhen. Da Schnorr-Signaturen bisher in der Debatte um die Skalierbarkeit kaum vorgekommen sind, würde mich dieses Thema mehr interessieren. Allerdings geht dies in der Blocksize-Daily-Soap unter, in der es längst nicht mehr nur darum geht, eine längst überfällige technische Lösung zu finden – die Blöcke sind fast voll, das Wachstum beinah ausgebremst – sondern darum, herauszufinden, ob die Bitcoin-Kernentwickler in der Lage sind, einen Kompromiss mit anderen Akteuren einzugehen.

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16 Kommentare zu Hash-Demokratie auf Chinesisch

  1. die Blöcke sind voll, das Wachstum ausgebremst – sondern darum, herauszufinden, ob die Bitcoin-Kernentwickler in der Lage sind, einen Kompromiss mit anderen Akteuren einzugehen.
    ———————————————-
    Darum geht es, einen Kompromiss aus der Position aller Parteien zu finden und es damit Allen zwar nicht recht aber eben auch nicht ganz unrecht macht.
    Wie heißt es so schön, wenn alle Beteiligten ein klein bisschen unzufrieden sind, dann ist der Kompromiss gut.

    Den Weg des Kompromisses geht meiner Meinung nach Classic, denn sie erhöhen die Blockgröße minimal um den Core-Kritikern recht zu werden, übernehmen andererseits weitestgehend die Entwicklungen von Core.

    • Richtig. Gavin Andresen (der ja die Diskussion um größere Blöcke erst so richtig in Fahrt gebracht hat) hat nun schon genug Kompromissbereitschaft gezeigt. Von BIP101 mit am Anfang 20-MB-Blöcken hat er immer wieder den Kompromiss gesucht (über 8-MB- bis nunmehr 2-MB-Blöcken). Core dagegen hat in dieser Diskussion bis jetzt 0 Bereitschaft zu Kompromissen gezeigt und hat damit diese ganze Diskussion erst so richtig ausarten lassen.

      Wenn Core nicht zu Kompromissen fähig ist, dann wird der Markt entweder den Kurs von Core weiterführen (mit meiner Meinung nach unguten Folgen für das System) oder sich von Core abwenden müssen.

  2. Wenn bis Juni von Seiten Core kein Kompromiss zur Erhöhung der Blockgrösse kommt, werden die Miner eh auf Classic umsteigen, weil Classic bis dahin SegWit ebenfalls eingebaut hat 😉 dies auch desshalb weil Juni 2017 für grössere Blöcke eh zu spät ist. Ich glaube kurz nach dem Halving haben wir eine 4-fache Kapazität.

  3. Die Positionen der chinesischen Miner verständlich auszudrücken ist bestimmt schwer. Noch mehr Verwirrung enstehen durch Bandwurmsätze wie dieser:
    „Luke-Jr hingegen kündigte an, dass die Entwickler unter diesen Umständen kaum ihre Zeit für eine Hardfork hergeben werden, was zwar verständlich ist, da F2Pool dem Abkommen tatsächlich nur dem Namen, aber nicht dem Geiste entsprechend folgt, aber zugleich weiterhin der unglücklichen Idee folgt, dass Core seine Position gegen den Willen von Minern und Wirtschaft aufrecht erhalten kann.“
    F2Pool dem Abkommen tatsächlich nur dem Namen (nach)
    Aber wer folgt der unglücklichen Idee?

    • Danke — wird korrigiert (Teile des Satzes sind sowieso etwas zu meinungslastig)

      • Nattydraddy // 25. Februar 2016 um 17:01 //

        Das ist prima. Und das Thema „Schnorr-Signaturen“ ist nicht so bedeutend.
        Pieter Wuille will Bitcoins secp256k1 um diverse neue Algorithmen erweitern. Da ist aber noch nichst in Stein gemeißelt. Siehe z.B. hier:
        Implement Schnorr signatures #212: https://github.com/bitcoin/secp256k1/pull/212

      • Ich habe vorhin grob zu Schnorr-Signaturen gelesen … an sich sind sie wohl etwas schneller und etwa 2-5% kleiner als die bisher verwendeten. Andererseits habe ich auch gelesen, man könnte mit ihnen Multisigs deutlich komprimieren (was irgendwie ein Nebenschauplatz ist) und Input-Signaturen zusammenlegen, d.h., wenn ich das jetzt nicht vollkommen falsch verstehe, wenn meine Tx aus zehn Inputs besteht, könnte sie dann eine anstatt zehn Signaturen haben? Das wäre in der Tat ein großer Gewinn (aber ich glaube, ich liege falsch). Ahnungslosigkeit.

  4. Eigentlich sehr schwer nachvollziehbar, weshalb sich Core das Leben selbst so schwer macht.
    Mit einer Fork auf 2MB könnte Core auf einen Schlag die ganze Bristanz in den Diskussionen sowie spalterischen Tendenzen herausnehmen.
    Im Grunde geht es vielen Bitcoinern einfach nur darum in Bitcoin ein handlungsfähiges System zu haben, welches nicht reagiert, sondern agiert.

    Ich finde es ziemlich gefährlich, wenn man so nahe am Blocksizelimit ist wie wir es momentan sind und man seelenruhig den Wunsch nach einer Erhöhung ignoriert.

    Zwar bin ich kein Freund von Verschwörungstheorien, doch wenn man bedenkt, dass Teile des Core-Teams von Blockstream bezahlt werden, so könnte man annehmen, dass hinter dieser Limitierung Kalkül steckt, u.a. um Sidechains kommerziell besser vermarkten zu können.
    Am Ende laufen wir auf einen Bitcoin hinaus, dessen Kern durch Lightningnetwork oder Sidechains faktisch aufgeweicht wird und am Ende dann doch wieder einige wenige kommerzielle Anbieter a la Blockstream die zentrale Rolle bei der Abwicklung spielen.

    • Natürlich geht’s um die Sidechains!
      Wenn es nur eine sinnvolle Erklärung gibt, dann ist es meist auch so.

    • Es geht nicht um die Erhöhung der Blockgröße und auch nicht um den Hardfork. Es geht um Kontrolle – Kontrolle über den Code und Bitcoin.

      Wer die Richtung steuern kann, in die sich der Bitcoin entwickelt, der hat eine reelle Chance in nicht allzu ferner Zukunft eine Menge Geld zu verdienen.

    • Blockstream ist kommerziell und will mit Sidechains Geld verdienen. Aber Blockstream ist keine Venture Capital Firma („Heuschrecke“), Blockstream besteht mehrheitlich aus Bitcoin-Entwicklern. Wie der im Text erwähnte Adam Back, Präsident von Blockstream.

      • Adam Back ist kein Bitcoin Entwickler. Er hat nicht eine Zeile Code für Core geschrieben. Er war zwar der erste, den Satoshi damals zu seiner Meinung zu Bitcoin gefragt hatte, aber er hat darauf nicht reagiert und hat das ganze Projekt bis ca. 2013 ignoriert.

        Ansonsten stimmt es natürlich, dass der Großteil von Blockstream aus Core-Entwicklern besteht.

      • Blockstream hat bereits 76 Millionen USD Venture Capital eingesammelt: https://www.crunchbase.com/organization/blockstream
        Und Investoren investieren mit der Erwartung, ihr Kapital zu mehren. Von daher kann man sich vorstellen, wie hoch gestrickt die Annahmen von Blockstream sind, mit ihren Sidechains richtig Geld verdienen zu können.
        Mark Friedenbach, ein Co-Founder von Blockstream hat sich klar gegen den Konsens positioniert (maaku7): https://np.reddit.com/r/Bitcoin/comments/46po4l/we_have_consensus_in_april_we_get_sw_3_months/d074dh7
        In diesem Thread spricht er sich gegen eine Erhöhung der Blocksize aus, da es „wichtigere“ Dinge wie chain analytics oder redlisting zu erledigen gebe. Klar, für Blockstream scheinen diese Dinge wichtiger zu sein und daher halte ich die Konstellation, dass sich viele Core Entwickler in einer einzigen Firma mit hohen Erwartungen sammeln, für bedenklich. Zum Thema Redlisting bin ich mir nicht sicher, was seine Haltung ist, aber ich hoffe inständig, dass man nicht mit einer wie auch immer gearteten „Beschlagnahmung“ oder „Zensur“ von bestimmten Coins anfängt, denn dann haben wir wieder eine Grundsatzdebatte und wenn es eine theoretische Möglichkeit gibt, werden mit Sicherheit auch Begehrlichkeiten bei Regierungen geweckt, Macht durchzusetzen.

        Vielleicht wäre Mark Friedenbach zu einem Interview für dieses Blog zu haben? Bei reddit ist er jedenfalls einer der am aktivsten kommentierenden Core Developer.

      • Kommerzielle Sidechains ist so als würde man versuchen Linux teuer zu vermarkten. Mit dem Grundgedanken des Bitcoin hat Blockstream jedenfalls nicht mehr viel am Hut.

  5. Wie immer, vielen Dank Christoph Bergmann.
    Wie immer, vielen Dank an den besten deutschen Bitcoin Blog.

    Würde mir wünschen, dass die Core Entwickler nochmal zu einem Interview mit dir bereit wären.
    Die Erklärung letztes mal hatte mich etwas beruhigt.
    Aber seit ich erfahren habe, dass Satoshi Nakamoto damals im Original über 35 MB hatte.
    Bin ich mehr als ratlos über dieses Verhalten im Core Team.
    Wenn es deiner Politik entspricht, bitte doch noch einmal um ein Interview.

  6. Bin gespannt wann mal jemand über bitclub berichtet slush wird ja schon erwähnt aber es wurde noch nie erwähnt das wir einer der schnellsten wachsenden mining pools der welt sind 🙂

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