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Nach dem Roundtable ist vor dem Roundtable

Coinbase-CEO Brian Armstrong auf TechCrunch Disrupt 2014. Bild von TechCrunch via flickr.com, Lizenz: Creative Commons

Eine Woche nach dem Satoshi Roundtable, dem wichtigsten Branchentreffen, gibt es die ersten Berichte. Sie weichen deutlich voneinander ab und geben wenig Anlass zur Hoffnung, dass sich die Parteien im Blocksize-Streit näher gekommen sind. Kernige Worte von Brian Armstrong, Gavin Andresen und Peter Smith, ein besonnener Kommentar von Stephen Pair und ein geistreicher Einwand von LaurentM.

Brian Armstrong (Coinbase)

Am heftigsten reagierte Brian Armstrong. Der CEO von Coinbase ist einer der Wortführer des Teams „Big Blocks“, das seit langem auf größere Blöcke drängt und von den Vorschlägen der Kernentwickler enttäuscht ist. Er ist ziemlich verärgert. Sein Beitrag auf Medium zielt direkt auf Core. Armstrong nennt keine Personen, aber es ist klar, wen er meint.

Die Organisatoren des Roundtable haben gehofft, dass es zu einer Art Konsens (wie in Hong Kong) kommt.

Am Ende wurde aber klar, dass der Graben zu tief ist […] Während die Konversation fortschritt, wurde ich immer weniger besorgt, welche kurzfristige Lösung wir finden werden, denn ich realisierte, dass wir ein viel größeres Problem haben: das systematische Risiko für Bitcoin, wenn Core das einzige Team ist, das daran arbeitet.

Die Core-Entwickler seien „einige Leute mit sehr hohem IQ“, die aber erstens unreif und unkommunikativ seien, zweitens nur handeln, wenn sie die perfekte Lösung haben, und drittens stark überzeugt sind, dass Bitcoin nicht langfristig skalieren kann und deswegen jede Blocksize-Erhöhung Zeitverschwendung ist. Erfolgreiche und reife Führer eines 6-Milliarden-Dollar-Projeks müssen auch wie Unternehmer denken:

Man muss vernünftig abwägen, zusammenarbeiten, kommunizieren, neue Leute willkomen heißen und teamfähig sein. Jedes Team, dem dies fehlt, wird keine Top-Talente anziehen und langfristig scheitern.

Anschließend stapelt Armstrong einige apokalyptische Absätze über das, was passiert, wenn man die Blocksize nicht erhöht, um dann zu sagen, dass es so weitergeht, wie bisher: Coinbase unterstützt Classic und versucht, die chinesischen Miner zu überzeugen. Zudem – und das ist, vielleicht, eine Neuigkeit: Coinbase will helfen, ein zweites Team aufzubauen, das die von ihm geforderten Eigenschaften mitbringt. Dazu mehr in den kommenden Wochen und Monaten.

Damit will Coinbase genau das machen, was das Team „Small Blocks“ seit langem fordert: Entwickler dafür bezahlen, den Bitcoin besser zu machen. Jenseits des rauen Tonfalls kommt Armstrong damit im Grunde den Entwicklern entgegen.

Offener Brief an Armstrong

Kurze Episode: OXT-Entwickler LaurentM antwortet Brian Armstrong mit einem offenen Brief. Er erklärt dem CEO einige Transaktionsmuster in der Blockchain und deutet damit an, dass die Transaktionssysteme von Unternehmen verschwenderisch mit dem Blockchain-Speicher umgehen. Unter anderem auch Coinbase.

Deine eigene Firma, Coinbase, macht zwei Transaktionen für jede Abbuchung. Ich verstehe den Grund für diese Wahl und es gibt offensichtlich Verbesserungsbedarf bei anderen Anbietern hinsichtlich der Rückerstattung von Transaktionen. Aber ist das wirklich das beste, was wir erreichen können?

Scaling erfordert offensichtlich Arbeit am Protokoll und dies ist der Job der Kernentwickler (welcher Implementierung auch immer), aber Fakt ist, dass alle Entwickler und Diestleister dazu beitragen können, die Effizienz des Netzwerkes deutlich zu verbessern.

Auch das wäre ein Entgegenkommen: Wie wäre es, wenn die Bitcoin-Wirtschaft eine Art Best Practice für den nachhaltigen Umgang mit Blockspace aufstellt? Bitcoin.de, um das mal anzumerken, könnte mit seinen gesammelten Transaktionen eine Vorbildfunktion übernehmen. Manche Cloudminer hingegen zahlen täglich aus, was, aufgrund der Struktur von Transaktionen, zwar nicht viel kostet, aber langfristig hohe Kosten verursacht.

Stephen Pair (BitPay)

Deutlich besonnener als Armstrong ist der CEO der zweiten großen amerikanischen Bitcoin-Firma, BitPay. Wer schon einmal mit Bitcoin bezahlt hat, hat gute Chancen, BitPay verwendet zu haben. Die Firma hat quasi im Alleingang ein Modell für das Bezahlen mit Bitcoin entwickelt und tausende von Shops auf der ganzen Welt überzeugt, Bitcoin zu akzeptieren.

Stephen Pair, der vor einiger Zeit den Gründer Tony Gallipi an der Spitze des Unternehmens abgelöst hat, erzählt in einem Post, was er auf dem Roundtable gelernt hat. Er hatte eine Menge guter Unterhaltungen und ging aus keiner Konversation mit dem Gedanken heraus, „dass die Leute irrational sind.“ Insgesamt aber erzählt Stephen Pair nicht wirklich etwas neues.

Stephen Pair ist mehr oder weniger ein Geläuterter. Er hat usprünglich BIP 101 von Gavin Andresen unterstützt, „aber seitdem bin ich dazu gekommen, zu glauben, dass es eine schlechte Idee ist.“ Pair hat gelernt, „dass einige Leute glauben, dass das Netzwerk mit 1 MB bereits Überkapazität hat“, und sollte dies so sein, sei es nicht irrational, dafür zu sein, die Blockgröße zu senken anstatt zu erhöhen.

Besorgt ist Pair auch über die Regierung des Bitcoins. „Was bedeutet es, wenn eine relativ kleine Gruppe von Menschen in der Lage ist, Miner zu beeinflussen, signifikante Protokoll-Änderungen zu übernehmen?“ Einige Leute, mit denen Pair geredet hat, befürchten, dass dies ein sehr schlechter Präzedenzfall sei. Dasselbe gelte allerdings auch für Softforks, bei denen nicht alle Nodes, sondern nur die Miner upgrade müssen.

Und während schließlich eine Erhöhung der Blockgröße den Durchfluss aber nicht die Effizienz erhöhe, bilden Ideen wie SegWit, Schnorr Signaturen und thinblocks „echte Scaling Verbesserungen“.

Gavin Andresen (Classic)

Gavin Andresen auf dem Web Summit 2014. Bild von Web Summit via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Gavin Andresen auf dem Web Summit 2014. Bild von Web Summit via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Der ehemalige Bitcoin-Chefentwickler und heutige Kopf von Classik, Gavin Andresen, plaudert auf seiner .ninja-Seite über den Roundtable. Für ihn gab es einige Schlüsselelemente.

In einem Moment wurden wir alle gefragt, ob wir den Hong Kong Kompromiss unterstützen.

„Jeder, der ihn unterstützt, hebt die Hand“: Ein Dutzend Leute oder so, die meisten Teilnehmer des Hong Kong Meetings, hoben ihre Hände.

„Jeder, der ihn ablehnt, hebt die Hand“: alle anderen, 40 oder 50 Leute, hoben ihre Hände.

Es gab einige Diskussionen darüber, das Datum für eine Hardfork auf eine größere Blocksize, laut Hong Kong Meeting für Juli 2017 geplant, vorzuverlegen, die nötige Hashrate, um zu forken, von 75 auf 95 Prozent zu erhöhen und die „Grace Period“ zur Aktivierung zu verlängern. Das sind an sich Details, aber es sind weitere Details auf einem langen Weg des Kompromisses, den Gavin Andresen – in seinen Augen – bisher alleine gegangen ist, während seine Gegenüber, die Core-Entwickler, immer nur stehen bleiben und nun, wenn Gavin schon beinah komplett bei ihnen ist, weiter an Details mäkeln.

95% Miner Voting ist ein Problem für einige Miner, die keine Veto-Macht über eine so wichtige Entscheidung haben wollen. Die Gefahren, dass sie erpresst („wähle so, wie ich es will, oder ich werde dich aus dem Netz DDoS-en“) werden oder selbst erpressen („Wenn du willst, dass ich so oder so wähle, bezahle mich“) sind einfach zu groß.

Das Problem für Andresen ist grundsätzlicher. Einige Core Entwickler wollen einfach nicht.

Im Lauf des letzten Jahres, beim vergeblichen Versuch, einen vernünftigen Kompromiss zu finden, wurde mir klar, dass eine Entwickler keinerlei onchain-Scaling-Lösung in naher Zukunft wollen. Sie glauben, dass theoretisch elegante (aber technologisch komplizierte) Off-chain Lösungen wie Lightning langfristig bessere Lösungen sind.

Sie liegen, meint Gavin Andresen, daneben. Anstatt dezentraler Lösungen wie Lightning werden wir, wenn das Blocklimit nicht erhöht wid, zentralisierte Lösungen durch zentralisierte Unternehmen sehen.

Peter Smith (Blockchain.info)

Der CEO von blockchain.info, der Firma, die mit mywallet das mit 50.000-100.000 täglichen Transaktionen beliebteste Online-Wallets sowie die besten Bitcoin-Charts liefert, war ebenfalls auf dem Roundtable. Begeistert von dem, was er hörte, was Smith allerdings nicht. In seinem Beitrag übt er heftige Kritik an den Kernentwicklern.

Leider hat mich die Session mit großer Sorge erfüllt. Es wurde klar, dass große Teile der Branche nicht länger dieselbe Vision teilen und es unwahrscheinlich ist, dass sie einen pragmatischen Kompromiss eingehen, um zu vermeiden, was ich für ein ernsthaftes Risiko halte: dass der Raketentreibstoff ausgeht, bevor wir im Weltraum sind.

Den derzeitigen Zustand des Netzwerkes fasst Smith mit der Formel zusammen „Weniger für mehr“: Leute bezahlen mehr für Transaktionen, müssen aber länger auf die Bestätigung warten.

Bei blockchain.info, wo ich CEO bin, hatten wir in der Vergangenheit sehr wenige Support-Tickets bezüglich der Dauer oder Gebühren von Transaktionen. Nun jedoch sehen wir fast täglich neue Rekorde von Tickets dieser Kategorie.

Die kurze Periode des überlasteten Netzwerkes vergangene Woche, so Smith, ist nur ein Vorgeschmack von dem, was passiert, wenn die Entwickler weiter auf diesem Pfad bleiben.

Wir sollten stattdessen für den Erfolg planen. Nicht für das Überleben, nicht für vergangene Wachstumsraten, sondern für ein Ergebnis, in dem Millionen von Menschen unserer Community beitreten.

Wenn einige Entwickler nun entscheiden, dass diese und jene Transaktionen Spam sind, ist dies für Smith gleichbedeutend mit einer Zentralplanung, die für ein offenes Netzwerk nicht akzeptabel ist. Für den Blockchain.info-CEO ist die derzeitige Situation das Resultat einer gewissen Hybris der Kernentwickler. Man weiß seit Jahren, dass man die Kapazität des Netzwerkes erweitern muss. Auch Satoshi war dies bewusst.

Anstatt aber diese Vision zu realisieren, haben einige der Entwickler, die bei Core arbeiten, beschlossen, die Bitcoin Wirtschaft zentralistisch zu planen – sie haben willkürlich und ohne Konsens entschieden, dass verschiedene Arten von Transaktionen zu eliminieren sind und versuchen, der Industrie ein neues Sicherheits-und Business-Modell aufzudrücken und Bitcoin zu einem Settlement-Netzwerk umzubauen.

Peter Smith ist gegen diese Vision. Er ist für Bitcoin als ein P2P Transaktionssystem zwischen Menschen. Diese Vision wird für ihn nicht mehr durch Core, sondern durch Bicoin Classic vertreten. Klare Worte eines CEO, der sich bisher zurückgehalten hat.

Über Christoph Bergmann (2801 Artikel)
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1 Kommentar zu Nach dem Roundtable ist vor dem Roundtable

  1. Täglich grüßt der Kasperle!

    Wenn man nicht bald Lösungen schafft dann werden andere Coins wie Ethereum diese Rolle übernehmen.

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