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Versicherungen ohne Versicherung

Why does it always rain on my? Bild von Susana Fernandez via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Drei russische Entwickler haben mit Teambrella vor kurzem ein Modell einer P2P-Versicherung vorgestellt – eine Versicherung ohne Versicherungsunternehmen. Das Modell hat seinen Charme und könnte, falls es funktioniert, eine riesige Branche umwälzen – und den bisher Unversicherten eine Versicherung ermöglichen.

Versicherungen mögen vieles haben, aber einen guter Ruf nur in Ausnahmefällen. Meistens verstecken sich die Details zur Schadensregulierung in gut verborgenen Klauseln im Vertrag, die Berechnung des individuellen Risikos ist intransparent und der Anteil, den sich die Versicherung aus den Geldtöpfen abgreift, bleibt den Versicherten meist unbekannt. Im Endeffekt ist eine Versicherung immer ein Konflikt zwischen den Kunden und dem Unternehmen. Es geht eben ums Geld. Drei Entwickler aus Russland wollen Abhilfe gegen diesen Zustand schaffen – indem sie kurzerhand das Unternehmen aus der Versicherung entfernen.

„Sowohl unfaire Preise als auch Interessenskonflikte können deutlich reduziert werden, wenn wir eine P2P-Untenehmung bilden,“ schreiben die Gründer von Teambrella in ihem Whitepaper. Indem die peers Gruppen mit eigenen Regeln bilden, über die Regeln und die Auszahlung im Schadensfall abstimmen und das Geld auf Multi-Sig-Bitcoin-Adressen speichern, können Versicherungen fairer, günstiger und transparenter werden. Zudem können es solche „Versicherungen ohne Versicherung“ in Ländern der dritten Welt mit schwacher Versicherungsabdeckung den Leuten ermöglichen, sich ohne Aufwand und Risiko selbst zu einer Versicherung zu verbünden.

Das Whitepaper skizziert ein Modell, das tatsächlich eine p2p-Versicherung ermöglichen kann. Dabei bilden die Peers Teams, etwa um Autos zu versichern, und stellen Regeln auf, etwa wann bezahlt wird, welche Dokumente einzureichen sind, woher die Mitglieder sind etc. Mehrere Formeln aus der Versicherungsmathematik verbinden Werte wie das Risiko, den durchschnittlichen Schadensfall und den Wert des versicherten Autos. Die Teammitglieder können individuell festlegen, wie viel sie maximal bezahlen, was auch der Wert ist, den andere maximal bezahlen, wenn sie einen Schaden melden. Jedes Teammitglied kann in Relation zu den von ihm bisher ausbezahlten Beträgen über den Umgang mit Schadensfällen wählen. Um in größeren Gruppen den Aufwand für den Einzelnen gering zu halten, kann die Stimme an ein anderes Teammitglied abgegeben werden, das, je nach Teamregeln, einen festgelegten Anteil an den ausgezahlten Beträgen oder Prämien erhält. Solche „pro-voter“ können auch freiberufliche Mitarbeiter von Versicherungen sein, die dieselbe Aufgabe übernehmen wie dort in der Schadensregulierung. Sprich: Ein Mitarbeiter einer Versicherung könnte beispielsweise freiberuflich eine Autoversicherung für Menschen in Liberia starten.

Die Prämien werden über Multi-Sig-Wallets und mit Bitcoins einbezahlt. Bei einer „N von M Multi-Sig-Adresse“ gibt es M Signaturen (zum Beispiel 9) und man benötigt von diesen N (zum Beispiel 4), um eine Transaktion zu signieren. Die genaue Funktionsweise von Multisignaturen ist komplex, doch offensichtlich funktioniert es, auch wenn die Integration in Wallets noch wenig nutzerfreundlich ist. Damit also im Schadensfall gezahlt wird, muss eine bestimmte Anzahl von Mitgliedern einer Gruppe zustimmen, dass dieser Schadensfall reguliert wird.

Noch ist Teambrella nicht live. Dementsprechend ist es schwer zu sagen, wie die doch relativ komplexe Verwaltung einer Gruppe geregelt wird, wie die Nutzeroberfläche ist und ob die Software-Architektur dem Projekt Risiken aufsetzt. Der Grundgedanke scheint jedoch plausibel zu sein – und hat das Potenzial, die Individualisierbarkeit, Transparenz und Verfügbarkeit von Versicherungen gewaltig zu erhöhen.

Über Christoph Bergmann (2801 Artikel)
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6 Kommentare zu Versicherungen ohne Versicherung

  1. interessierter // 17. März 2016 um 8:23 // Antworten

    Mal offtopic :
    Sie, Herr Bergmann, haben ja Kontakte zu den Machern von Bitcoin.de… Wollen Sie nicht mal rausfinden ob sich seit dem Aufkommen von Locky und Teslacrypt die Anzahl der einmaligen Kunden, die 0,5 oder 1 BTC kaufen signifikant erhöht hat und daraus exklusive Abschätzungen ableiten, wie schlimm die Cryptotrojaner-Epidemie wirklich ist?

    Natürlich ist das für das Image von Bitcoin nicht 100% vorteilhaft mal wieder in eine Ecke mit Online-Ganoven gestellt zu werden aber Bitcoin.de als die große deutsche Bezugsquelle ist ja wohl der einzige Punkt wo man verlässliche Daten dazu anfallen.

    Das wäre mal ein Thema, wo Sie auf wirklich exklusiven und noch dazu sehr relevanten Informationen sitzen

    • Hallo Herr Nauwies,

      Ihre Fragestellung ist ohne Zweifel spannend. Aber ich denke nicht, dass bitcoin.de sich dazu äußern möchte / darf.

      Meine Datenlage dazu ist das coinforum oder das feedback auf diesem Blog. Wenn User zum ersten Mal Bitcoin verwenden, gibt es naturgemäß eine relativ hohe Quote an Nachfragen. Im Coinforum hatten wir in dieser Beziehung bisher nur zwei Anfragen, im Blog gar nicht.

      Ich denke, es kommt vor, aber hier in Deutschland relativ selten, da der Makt der deutschsprachigen E-Mail-Empfänger eben relativ klein ist.

      Was ich aber aus einem persönlichen Kontakt weiß, ist, dass die krankenhäuser hier nach einigen Ransomware-Vorfällen ihre E-Sicherheitsmaßnahmen erheblich verschärft haben, so dass alle ans System angeschlossenen Computer quasi kein Internet mehr benutzen können (nur noch ausgewählte Webseiten besuchen, bei E-Mails keine Anhänge)

      Aber danke für den Hinweis. Ich werde mich dem Thema mal wieder zuwenden. Gab hier in den letzten Wochen ein paar spannende Nachrichten (auch wenn es insgesamt eher ein betrübendes Thema ist)

      • interessierter // 17. März 2016 um 15:50 //

        Meine Vermutung ist ja, dass bspw seit Ende Januar die Zahl der sonst nicht gerade bitcoininteressierten älteren oder weiblichen Kunden genau aus diesem Grund stark zugenommen hat. Das wären ja nicht mal ansatzweise personenbezogene Daten.

  2. Klingt nach einer super Anwendung für Ethereum.

    • Habe meine zweifel. Wie soll ein Algorithmus auf einer Blockchain entscheiden, ob ein Schadensfall reguliert wird? Soll er Dokumente einlesen und darauf aufbauen eine Entscheidung treffen? Solange man die Bedingung für die Vertragsausführung nicht auf eine Blockchain packen kann, sind Smart Contracts a la Ethereum quasi wertlos (was auch der Grund ist, weshalb ich Smart Contracts für deutlich überschätzt halte). Möglich wäre es bestenfalls, Voting und Auszahlung in einen Smart Contract zu packen und damit zu verhindern, dass trotz eindeutiger Wahl keine Auszahlung stattfindet. Aber das finde ich jetzt ein höchstens marginaler Vorteil.

  3. Hallo Herr Bergmann,

    Danke für den interresanten Artikel. Es war spannend was neues zu lesen.

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