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Virtuelle Währungen sollen EU-weit reguliert werden. Weil es alle Arten von Wallets treffen kann, droht die EU zur No-Go-Area für Bitcoin-Startups zu werden

Was kann schon schiefgehen? Mit der richtigen Regulierung kann die Bitcoin-Branche in er EU abheben.

Nach Paris, Brüssel, Istanbul verschärft die EU-Kommission die Vorschriften gegen Geldwäsche und Terrorfinanzierung. In diesem Zuge verkündet sie auch die lange erwartete EU-weite Regulierung von virtuellen Währungen. Dass neben Bitcoin-Handelsplätze auch Online-Wallets den Geldwäsche-Regularien unterstehen sollen, könnte  jedoch zu einem EU-weiten Kahlschlag der Bitcoin-Branche führen.

Nun kommt sie also, die EU-weite Regulierung von virtuellen Währungen. Sie kommt unauffällig und eher nebensächlich in einer Pressemitteilung der EU-Kommission und als Teil des EU-Action-Plans gegen die Terrorfinanzierung daher, kann aber einschneidende Folgen für die gesamte Bitcoin-Branche der EU haben.

Der Krieg gegen Steuervermeidung, Geldwäsche und Terrorfinanzierung, beginnt die Pressemitteilung der Kommission, sei eine der Prioritäten der Kommission Junker. Nachdem die Terroranschläge dieses und des vergangenen Jahres in Europa Schrecken verbreitet haben, möchte die Kommission nun die Anti-Geldwäsche-Gesetze erweitern, um die Finanzierung des Terrors – und mit ihr auch die Steuervermeidung – weiter einzudämmen. Während die Kommission noch im Januar verlauten ließ, dass sie keine strengere Regulierung von Kryptowährungen anstrebt, weil es keine Hinweise darauf gibt, dass diese in derTerrorfinanzierung eingesetzt werden, plant sie nun, auch virtuelle Währungen zu regulieren:

Um den Missbrauch virtueller Währungen für Geldwäsche und Terrorfinanzierung zu verhindern, schlägt die Kommission vor, Plattformen für den Handel mit virtuellen Währungen sowie die Anbieter von Treuhand-Konten der Anti-Geldwäsche-Direktive zu unterstellen. Diese Entitäten müssen ihre Kunden sorgfältig kontrollieren, wenn diese virtuelle Währungen tauschen, um damit die Anonymität zu beenden, die mit solchen Plattformen verbunden wird.

Die Vierte Direktive: Der Rahmen der Anti-Geldwäsche-Regeln der EU

La balance de la justice

La balance de la justice

Technisch gesehen sollen Bitcoin-Firmen dem Willen der EU-Kommission nach künftig der Vierten EU-Direktive zur Bekämpfung der Geldwäsche unterliegen. Ich versuche zu erklären, was das bedeutet: Die Vierte Direktive ist so etwas wie ein Bündel von Hausaufgaben, die die EU-Staaten zwischen Juni 2015 und Juni 2017 umzusetzen haben. Sie erweitert die Dritte Direktive, die den Kern der EU-Regularien gegen die Geldwäsche darstellt und schon längers in Kraft ist. Diese schreibt unter anderem vor, dass

  • Bargeldzahlungen nur bis 15.000 Euro erlaubt sind,
  • Eine Reihe von Unternehmen – etwa Finanzdienstleister, Anwälte, Notare, Makler und Kasinos – als „verpflichtete Entitäten“ gelten
  • und als solche die folgenden Pflichten zu erfüllen haben:
    • Die Kunden identifizieren und die Identifizierung verifizieren
    • Die finanziellen Transaktion der Kunden beobachten
    • Bei den Behörden Meldung erstatten, wenn es einen Verdacht auf Geldwäsche oder Terrorfinanzierung gibt.

Die Vierte Direktive verschärft dieses Rahmenwerk: Sie senkt die Schwelle erlaubter Bargeldzahlungen auf 7.500 Euro, erhebt auch Steuervermeidung zum meldepflichtigen Verdachtsfall und erweitert die „verpflichteten Entitäten“ um die gesamte Glücksspielbranche – und, geht es nach dem neusten Update der EU-Kommission: um Bitcoin-Unternehmen.

Damit wären Kryptowährungen offiziell EU-weit reguliert. Für die meisten Plattformen, auf denen Bitcoins gegen Euro gehandelt werden, bleibt der Unterschied überschaubar. Sie halten sich bereits seit Jahren an die gängigen Anti-Geldwäsche-Vorschriften. Altcoin-Börsen oder P2P-Plattformen wie localbitcoins aus Finnland hingegen operieren gewöhnlich ohne derlei Anti-Geldwäsche-Maßnahmen und werden künftig in dieser Form in der EU nicht mehr erlaubt sein. Gerade mit localbitcoins – in Deutschland schon lange verboten – wird ein weltweit erfolgreiches Unternehmen entweder schließen oder die EU verlassen müssen.

Geeignet, den Exodus der Bitcoin-Branche aus der EU auszulösen

Am einschneidendsten trifft der Vorschlag der Kommission jedoch die Vertreter jener Gruppe, die als „Betreiber von virtuellen Treuhand-Wallets“ (virtual currency custodian wallet providers) definiert wird. Diese, so eine FAQ zur Pressemitteilung, …

… halten Konten mit virtuellen Währungen im Auftrag ihrer Kunden … In der Welt der ‚virtuellen Währungen‘ entsprechen sie einer Bank oder einem anderen Zahlungsinstitut, das Zahlungskonten anbietet.

Oder, sagen wir es so: Fast alle. Es fällt mir schwer, ein relevantes Bitcoin-Unternehmen zu finden, dass nicht in diese Gruppe gehört. Wenn Bitcoin-Startups nicht gerade Bitcoins gegen Euro wechseln, verwahren sie Bitcoins für Kunden und machen damit etwas. Sie arbeiten eben mit Kryptogeld, per Definition.

Eine Pressereferentin der Kommission beteuert zwar per E-Mail, dass die EU-Kommission mit diesen Plänen „die richtige Balance“ gefunden habe und es „vermeidet, den sich entwickelnden Markt zu stören“. Tatsächlich ist die Unterstellung von Wallets unter die Anti-Geldwäsche-Direktive jedoch geeignet, die Bitcoin-Wirtschaft nahezu vollständig aus der EU zu vertreiben.

Kein Mensch weltweit wird bereit sein, sich für eine Altcoin-Börse, eine Online-Wallet oder einen anderen Service, der Bitcoins treuhänderisch verwahrt, vollständig zu verifizieren und auch noch hinzunehmen, dass das Unternehmen einem hinterherspioniert. Alleine aus Gründen des Datenschutzes. Sollte der Vorschlag der Kommission vom Europäischen Parlament und dem Rat der Minister durchgewunken werden – was recht wahrscheinlich ist – steht die EU vor einem der weltweit strengsten flächendeckenden Regulierungswerke für virtuelle Währungen, das in manchen Teilen noch über die umstrittene New Yorker BitLizenz hinausgeht.

Die Anwendung der Vierten Direktive auf sowohl Bitoin-Handelsplätze als auch Wallet-Betreiber droht, den Exodus der Bitcoin-Branche aus der EU-Zone auszulösen. Länder wie die Schweiz, Großbritannien, Panama, Kanada, Hongkong oder Singapur werden die Startups mit offenen Armen empfangen. Für Kunden aus dem EU-Raum bedeutet dies nicht mehr, sondern weniger Sicherheit, für die Finanzämter nicht mehr, sondern weniger Einnahmen, und für die Aufseher nicht mehr, sondern weniger Informationen.

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17 Kommentare zu Virtuelle Währungen sollen EU-weit reguliert werden. Weil es alle Arten von Wallets treffen kann, droht die EU zur No-Go-Area für Bitcoin-Startups zu werden

  1. naja. online-wallets sollte man eh nich nutzen, da unsicher. bitcoin.de als börse meines vertrauens hält sich sowieso an die regularien, also ist doch eigentlich alle safe.

    oder versucht da etwa jemand, vor dem halving nochmal mit nem panik-artikel den kurs zu drücken, um vorher noch schnell shoppen zu gehen? 😉

  2. Dies zeigt sehr schön, das unsere EU-Dilettanten das System nicht verstanden haben und wieder einmal nur mit sinnlosen Gesetzen um sich werfen wollen.

  3. @uwe / genau, wie kann bitcoin.de den nachvollziehen wo der Transfer hingeht oder kommt – ist ja nur eine anonyme adresse

  4. Nattydraddy // 6. Juli 2016 um 14:59 // Antworten

    „Während die Kommission noch im Januar verlauten ließ, dass sie keine strengere Regulierung von Kryptowährungen anstrebt…“

    Wo lies sie es verlauten?
    http://www.reuters.com/article/us-eu-bitcoin-regulations-idUSKCN0V32A3:
    „From the European Commission’s perspective, we are more on the monitoring side,“ Salles told a hearing on virtual currencies in the European Parliament.“
    Olivier Salles von der EU.-Kommission schrieb nicht lang darauf (07.03.2016) u.a. folgendes:
    Virtual currencies are anonymous by design, with wallet addresses replacing bank account details. The number of users or miners, as well as their geographical locations, means that any regulation imposed on them will likely be ineffective. Other market actors, on the other hand, can be more easily identified and offer easier targets. Exchange platforms are a major gateway between the real and virtual economies. Ensuring that these platforms are part of the AML framework and act as gatekeepers is already a step forward in combatting full anonymity. Not all transactions, however, go through these platforms and, with a growing network of merchants and consumers who accept virtual currencies as a means of payment, they do not always need to be cashed out for traditional currencies. Virtual currency wallet providers could fill this gap as they can, after all, be seen as the bank accounts of the virtual world.

    Also genau das, was die EU-Kommission gerade beschlossen hat.

    Ansonsten haben sich Parlamentarier wie Jakob von Weizsäcker oder Martin Sonneborn gegen Regulierung ausgesprochen. Man sollte aber wissen, dass die EU nicht wie ein Nationalstaat von einem Parlament regiert wird, sondern von der Kommssion. Dementsprechend ist das Parlament nur die Opposition zur EU-Regierung.

    Dass Olivier Salles sich vor dem EU-Parlament liberaler ausdrückte, liegt also an der Funktion des Parlaments als demokratischem Forum.

  5. unter dem deckmantel des terrors will man alles ausschalten was ihre macht bedroht.
    zum teufel mit der EU und alle anderen die gegen bitcoin sind.

    • Tja, ich wünschte, es gäbe keinen Terrorismus, dann könnten wir die Hypothese überprüfen, ob es tatsächlich nur daran liegt, dass wir so reglementiert und kontrolliert werden. Es wird doch auch immer behauptet, wir dürften unseren Lebensstil und unser System nicht durch den Terrorismus einschüchtern lassen. Nun hätten ja damit die Terroristen ihr Ziel erreicht und wir schneiden uns ins eigene Fleisch vor Angst.

  6. Name required // 6. Juli 2016 um 15:55 // Antworten

    Um den Unsinn des „Geldwäscheregulierungswahns“ zu erläutern, eignet sich dieser sehr gute und unterhaltsame Beitrag von Verfassungsrichter Thomas Fischer:
    http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-10/geldwaesche-fischer-im-recht

  7. Du schreibst:
    „[…] steht die EU vor einem der weltweit strengsten flächendeckenden Regulierungswerke für virtuelle Währungen, das noch über die umstrittensten Paragrafen der New Yorker BitLizenz hinausgeht.“

    Soweit ich oberflächlich informiert bin, ist die BitLizenz doch viel mehr als lediglich KYC + Meldungen bei Verdacht, oder?
    Die New Yorker Bitlizenz hat fast kein Exchange erfüllen können (ich kenn zumindest keinen der seinen Dienst in New York anbietet, glaube nur Gemini und solche kleinen ausnahmen), während wie du schon richtig schreibst die allermeisten Exchanges sich ohnehin an die Geldwäschebestimmungen halten, wodurch es kaum spürbare Folgen für Exchanges geben wird.

    So gesehen wüsste ich nicht, warum das in der EU gleich oder gar schlimmer als die BitLizenz aus New York sein sollte.

    • Stimmt – da ging mein Hang zum Drama mit mir durch. Ich meinte eher, die Auferlegung von Regulationsvorschriften an Nich-Exchanges, was damals als der Start-Up Killer diskutiert wurde.

      Wird geändert.

  8. Benutzt einfach bitsquare.io

  9. Bleibt nur zu hoffen, dass die Politik nicht über das Ziel hinaus schießt und die Innovation Kryptowährung insgesamt verunmöglicht. Bei der Mehrheit der Nutzer von Kryptowährungen handelt es sich eh um harmlose Nerds, die ihre 12,50 Euro mal hin- und herwechseln und ganz bestimmt nicht um Kriminelle.

    • es geht nicht um 12,50 und Kriminalität. Christoph hat doch unlängst den sehr schönen Artikel zwischen Überwachung und Observierung (Observation?) geschrieben: https://bitcoinblog.de/2016/06/10/vom-unterschied-zwischen-observation-und-ueberwachung/
      Wir sind alle potentielle Kriminelle in dieser EU Welt! Alle verdächtig… Nachdem diese paranoiden Schwachmaten ja den Lügendetektor aus der Hand genommen gekriegt haben, denken die doch jetzt schon an Gehirnscanner, dann kann man das Kriminelle in der Person anhand der Schattireungen im Scanbild bestimmt auch beweisen.
      Ok, zurück ohne Drama. Dafür dann aber mit Ironie. Es ist verwunderlich, dass der Staatsapparat so „Gutmensch“ Charakteristik annimmt. Ich bin eigentlich ok mit der Idee, Steuerschlupflöcher zu verhindern. Aber was steckt denn dahinter? Der Staat kann doch mit dem Geld eh nicht so effizient umgehen, was ihm da an 0.5% durch die Lappen geht. Oder sind es 1%? Er könnte mit dem Geld nur noch einen weiteren Beamtenarbeitsplatz erstellen, der sich einen neuen Prozess ausdenkt, und damit alle anderen Prozesse auf dem Amt noch weiter verlangsamt? Ein „Reicher“ (hallo, Neiddebatte *smile*) kauft sich jetzt aber ne teure Uhr, oder ne teure Yacht, oder einen teuren Porsche. Was hat er dadurch bewirkt: er hat Arbeitsplätze in der Industrie gesichert. Wahrscheinlich auch noch direkt von jenen, die diese Neiddebatte befeuern. Wie verhält sich das eigentlich gegen das Quantitative Easing? 80 Milliarden pro Monat? Wie hoch sind diese zu beklagenden Steuerausfälle noch? Irgendwie werde ich den verdacht nicht los, dass das System aus den Fugen gerät, und der Teufel (der Steuerhinterziehung) mit dem Belzebub ausgetrieben wird…

      • wow … du hast eine halbe Stunde an diesem Kommentar geschrieben? Vielen Dank! Ich habe wirklich Glück mit meinen Lesern 🙂

        Ich verstehe die Argumentation, bin mir aber nicht sicher, ob man das nicht ewig so weiterführen kann, bis es überhaupt keine Steuern mehr gibt … ist schwer, sich hier auf eine „vernünftige“ Grenze zu einigen … was ich aber fast erschreckender finde, ist, dass „Steuervermeidung“ mit „Terrorfinanzierung“ in einen Topf geworfen wird, was die Überwachung angeht.

  10. Schaut mal auf den YouTube Kanal
    SteuerXL
    der beschäftigt sich sehr viel mit solchen Themen und mit Freiheit allgemein..

  11. Die Zukunft meine Damen und Herren:

    Dezentrale Opensource Handelsplattformen die über Tor/I2p laufen. Das Argument der Eu ist so lächerlich, das einzige was ich da raus lese ist der Neid und die Gier.

    Aber egal Mathematik wirkt zuverlässiger als die Sesselpupser in der Eu Regierung 😀

  12. sehr spannendes Thema.

  13. top

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  1. Update zur kommenden EU-Regulierung: Welche Wallet-Provider betroffen sein werden – BitcoinBlog.de – das Blog für Bitcoin und andere virtuelle Währungen

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