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„100% ETH“ – Entwickler-Community stellt sich hinter Ethereum (ohne Classic)

Die Ethereum-Hardfork wird zur Zerreissprobe. Nachdem Ethereum Classic auf der alten Chain geblieben ist, hat sich Ethereum in zwei Teile gespaltet: ETC (Classic) und ETH (geforkt). Während ETC zum Liebling der Trader wird, stellt sich die Entwickler-Community in großer Einigkeit hinter ETH.

Wenn man sich vorstellt, wie ein Weihnachtsmann mit einem Taifun über Hongkong rast, ist man recht nahe bei dem, was derzeit mit Ethereum passiert.

Erst der DAO-Höhenrausch, dann der DAO-Hack. Erst die Hardfork, die euphorisch gut lief, dann Ethereum Classic, jener böse Brudercoin, der aus der alten, abgelegten Chain aufsteigt und diese auf Teufel komm‘ raus weiterschreiben will. Schließlich Barry Silbert, der Spekulant, der sich in Classic (ETC) einkauft, das daraufhin in die Höhe schießt und 1/3 des Marktwertes von Ethereum (ETH) frisst.

Ein Coup d’Etat? Nimmt der Markt der Entwickler-Clique um Vitalik Buterin herum ihr Spielzeug weg? Fast sah es so aus.

Vitalik Buterin, der Gründer und Chefentwickler von Ethereum, wurde per twitter gefragt, ob es wahr sei, dass er ETH verlasse und nun für ETC arbeite. Der 22-Jährige, vermutlich einer der am höchsten bewerteten Köpfe seines Alters, antwortete selbst für twitter-Verhältnisse knapp: „Ich arbeite 100% an ETH“.

Das ist eine Ansage. Etwas später fragt jemand, ob dies auch noch gilt, wenn der ETC-Preis ETH überhole. Antwort Vitalik: Ich werde ETC noch immer nicht unterstützen.

Dieser kleine Dialog hat ein „100% ETH“ Meme ausgelöst. Ungefähr 20 Ethereum-Entwickler und Firmen haben die Parole wiederholt. „100% ETH“. Unter diesem wie ein Reinheitsgebot klingenden Motto versammelten sich die Ethereum-Entwickler; in den sozialen Medien fand eine kleine Parade des Ökosystems statt.

Was dies für einen Effekt hat, lässt sich derzeit noch nicht sagen. Was ist eine Kryptowährung ohne die Entwickler? Spielt es überhaupt eine Rolle? Kann die andere Chain einfach die Arbeit der Entwickler kopieren, wie es Ethereum Classic behauptet? Man kann Code kopieren, aber man muss die Contracts auf die eigene Chain bringen; man muss sie dort bedienen, und sie müssen dort wirtschaftlich aktiv sein, also Geld bzw. Ether anhäufen. Der Wert der Ethereum-Blockchain liegt nicht nur im Code, sondern in den Verträgen, die auf ihr liegen.

Daher dürfte das starke Commitment der Ethereum-Entwickler schon einen Einfluss haben. Aber hier geht es nicht darum, sondern um den Überblick, den die kleine Parade darstellt. Hier sind die Firmen, die „100% ETH“ gehen. Die Reihenfolge hat dabei keine Bedeutung, und ich finde auch nicht, dass jede dieser Firmen ein sinnvolles Produkt anbietet. Also:

  • EthSlurp: Ist ein Programm, mit dem man die Ethereum-Blockchain „schlürfen“ kann. Man kann eine Adresse eingeben und Transaktions- sowie Vertragsdaten als .csv oder .txt herunterladen. Könnte sinnvoll sein.
  • ICONOMI: Ist eine Börse, auf der man Ether gegen Euro tauschen kann.
  • Decibel.LIVE: Über Sinn, Zweck und Funktionsweise dieses Tools bin ich mir noch nicht ganz klar. Die noch nicht veröffentlichte Software soll die Lärmbelästigung live messen und den User finanziell entschädigen, wenn Limits verletzt werden.
  • Sphere 10 Software: Ist eine Software-Firma, die Dapps entwickelt und bereits einen Blockexplorer für Bitcoin gebaut hat.
  • Colony: Colony ist eine Dapp, die helfen soll, dezentrale Unternehmen aufzubauen, die Aufgaben ohne zentrale Hierarchie erfüllt und ihre Mitarbeiter auszahlt. Auf der Consensus 2016 Konferenz hat Colony den ersten Preis bei einem Wettbewerb geholt. Colony will die Zukunft der digitalen Arbeit gestalten.
  • MakerDAO: Maker ist, so die Webseite, „eine Dezentrale Autonome Organisation“ die auf der Ethereum Blockchain den Dai Stablecoin erschafft und absichert. Der Stablecoin soll, wie der Name schon andeutet, wertstabil sein. Dafür sorgen die Mitglieder der DAO, die dafür durch MKR-Token entlohnt werden.
  • REX: Die Immobilien-Plattform auf Blockchain-Basis erlaubt, auf eine dezentrale Weise Immobilien anzubieten und zu finden. Klingt gut, ist aber noch nicht eröffnet.
  • FreeMyVunk: Was dies ist, ist schwer zu verstehen. Laut eigener Angabe ist FreeMyVunk eine Revolution. Die „Vunks“ sind Token für virtuellen Besitz, wie etwa die Items, die man in Spielen verdient. Mit denen soll man handeln. Verstehe ich nicht.
  • Consensys: Ist die vielleicht wichtigste Firma in der Ethereum-Landschaft. Das New Yorker Unternehmen gilt als Hub in der DAPP-Entwickung. Auf sein Konto geht etwa BTCRelay, eine Schnittstelle zwischen Bitcoin- und Ethereum-Blockchain, eine Light-Wallet, mehrere Entwicklertools und eine Vielzahl von Dapps.
  • Smartcontract.com: Ist eine Plattform, die Smart Contracts auf der Ethereum-Blockchain mit externen Daten füttert. Wenn das wirklich und sicher klappt, ist das großartig!
  • vdice.io: Wie der Name sagt – Gambling, Dice, nur eben dezentral, auf der Ethereum-Blockchain.
  • Ownage: Ein wenig wie FreeMyVunk, aber weniger im Revolutionslook. Ene Plattform für „digital game content“.
  • King of the Ether: Ein Spiel auf der Ethereum-Blockchain, hat auf den ersten Blick etwas von einem Pyramidenspiel, könnte mich aber auch irren.
  • WhySoS3rious: Produziert Spiele, etwa Roulette, als Dapp auf der Blockchain.
  • DinarDirham: eine dezentrale Plattform für den Goldhandel

Dazu kommen noch zahlreiche Entwickler, die auch gesagt haben: „100%“ ETH. Damit hätten wir ihn, den Ausschnitt aus dem Ethereum-Ökosystem, das derzeit auf gut eine Milliarde Dollar beziffert wird (1,1 Mrd). Rund 900 Mio für Eth und 200 Mio für ETC.

Wie die Entwickler nun zu dem Drama zu der Fork stehen, hat Mist-Entwickler und Ethereum-Foundation Mitglied Alex Van de Sande treffend beschrieben: Er selbst sei vehement gegen die DAO-Fork gewesen. Doch sobald er überzeugt war, dass eine überwältigende Mehrheit für die Fork ist, hat er diese Entscheidung akzeptiert und mitgetragen. Alleine schon dieser Satz zeigt die weite Welt, die zwischen Ideologie und Pragmatismus steht. Denn die klassische liberale Lehre wendet sich voll Abscheu ab, wenn das Kollektiv über das Individuum siegt und verteidigt das Recht des Individuums, bei seiner Ansicht – seiner Blockchain – zu bleiben mit Zähnen und Klauen. Eine Hardfork ist daher für den Liberalen immer die Tyrannei der Mehrheit über die Freiheit des Einzelnen. De Sande gibt das Recht, auf seiner Chain zu bleiben, für die Mehrheit gerne auf.

Dass es im Anschluss zur Bildung zweier Blockchains kam, über die der Markt entscheiden kann, findet er eigentlich wunderschön. „Allerdings bin ich ein großer Verfechter der Wahrheit.“ Und die Wahrheit sei es, die im Fork-Drama zu kurz komme:

Es gibt einen typischen Narrativ in einigen Communities, die Ethereum Classic unterstützen. Ein Narrativ, dem zufolge die Ethereum Foundation ein Haufen korrupter Kerle ist, die die Fork aus finanziellen Gründen vorangetrieben haben, während der DAO Hacker ein Held der Freiheit ist. Ein Narrativ, in dem der DAO Code schlampig und es für jeden offensichtlich war, dass er abstürzen und verbrennen würde. Eine Story, in der jeder, der beteiligt war, entweder inkompetent war oder nicht helfen wollte.

Diese Narrative sind nicht nur falsch. Sie sind nachweisbar falsch, öffentlich nachweisbar falsch, und sie existieren dennoch weiter, weil sie Stories sind, die man leicht wiederholen kann, oder weil einige sie wiederholen, weil sie schlecht informiert sind oder schlechte Absichten haben.

De Sande beschreibt ausführlich, weshalb diese Narrative falsch sind. Warum der DAO-Hack nicht so offensichtlich war, wie es gesagt wird, warum die Ethereum-Foundation nicht aus finanziellen Motiven gehandelt hat, wie der Fork eine lange und ausführliche Debatte vorhergegangen war. Am Ende seines Posts erklärt er, was er für den Unterschied zwischen Bitcoin und Ethereum hält und weshalb die Fork diesen Unterschied stärker verdeutlich als alles, was zuvor geschah. Der folgende Absatz beschreibt einmal mehr, was die beiden Coins voneinander trennt – und warum es so wundervoll ist, dass es beide gibt:

Anders als Bitcoin, wurde Ethereum nicht von einer mystischen Kreatur erschaffen, die uns mit der magischen Blockchain beschenkt hat und dann in die Geschichte verschwunden ist. Ich glaube nicht an Die Eine Unveränderbare Blockchain, sondern an blockchains, an eine Technologie, die uns helfen kann, Korruption zu bekämpfen, öffentliche Güter zu verwalten, Müll zu reduzieren und die Transparenz in Märkten zu verbessern. Ethereum wurde von einer Gruppe von „Schweiß- und Tränen-Entwicklern“ gebildet, die zu manchen Zeiten vollständig in ein kleines Büro in Berlin gepasst hätte. Man kann sagen, dass dies unsere Schwäche sei, dass wir zu zentralisiert, zu kabalistisch sind; ich denke, genau das ist unsere größte Stärke: dass wir füreinander sorgen und uns gegenseitig helfen, dass wir bereit sind, unorthodoxe Maßnahmen zu ergreifen und Dinge tun, wie vor uns noch niemand gewagt hat, zu tun, selbst dann, wenn es manchmal die ungeschriebenen religiösen Dogmen, was eine Blockchain sein soll, verletzt. Denn wir haben eine andere Version davon, was sie sein kann.

Und damit beendet De Sande seinen Beitrag. Wir sind hier wieder bei einem Moment, in dem alles zwei Seiten hat. Es ist gut – mehr als das, nämlich herrlich – dass Satoshi in den Tiefen der Geschichte versunken ist. Aber es ist auch gut, dass die Entwickler von Ethereum noch da sind. Es ist gut, dass die Bitcoin-Blockchain so unveränderlich ist, dass sie wie ein Fels in dem wilden Meer des Beliebigen steht. Aber es ist auch gut, dass Ethereum diesem Prinzip nicht blindlings folgt. Und so weiter: Ethereum ist kein Klon von Bitcoin, und ganz genau das ist es, was Ethereum stark macht – ohne dass Bitcoin dadurch schwächer wird.

Ein anderer Ethereum-Entwickler hat im Lauf dieser turbulenten vergangenen Woche einen Satz geschrieben, der die Differenz zwischen den beiden Blockchains nahezu perfekt zum Ausdruck gebracht hat. Leider habe ich den Namen vergessen und auch keinen Link gespeichert. Daher, ohne Gewähr und Anspruch auf Korrektheit, aus dem Kopf: „Wenn die ETC-Communities sagen, eine Blockchain müsse um jeden Preis unveränderbar sein, und wenn sie finden, dass die ETH-Fork alles kaputt macht, was eine Blockchain ausmacht, weil sie ein einziges Mal die Guthaben ändert, dann ist das Politik. Wir sind Nerds. Uns ist Politik egal. Wir machen die Dinge nicht wegen der Politik, sondern weil wir sie können. Wir haben uns zusammengesetzt, haben diskutiert und abgestimmt, uns entschieden, zu forken, und daher machen wir es.“ Etwa so.

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4 Kommentare zu „100% ETH“ – Entwickler-Community stellt sich hinter Ethereum (ohne Classic)

  1. Technik, Politik und Ökonomie sind hier nicht trennbar. „haben diskutiert und abgestimmt“ war z.B. ein politischer Prozess. Alle diese technischen Entscheidungen haben diverse nicht-technische Konsequenzen. Um diese Verantwortung kommt man nicht herum. Wenn man das ignoriert und sagt man wolle nicht politisch und ökonomisch entscheiden, dann trifft man trotzdem eine Entscheidung. Aber irgendeine, nicht etwa eine geplante. Es wird in jedem Fall politisch und ökonomisch entschieden.

    Insofern ist das letzte Zitat inhaltlich falsch und es kommt mir wie Polemik vor. Es appelliert an Emotionen (Nerd-Ehre). So wollen wir eigentlich keinen Diskurs führen!

    (gespaltet => gespalten)

  2. Ich bedanke mich für den Artikel. Ich stimme mit Alex Van de Sande voll und ganz überein, ein echter Demokrat welcher die Meinung der Mehrheit respektiert und seine eigenen Wünsche hintenanstellt. Die frühen Anhänger von ETC haben Ethereum in den Rücken geschossen und viele sind der Kohle wegen mitgezogen. Barry Silbert übrigens war wenn ich mich recht erinnere der jüngste Spekulant der je bei der Wallstreet als Trader zugelassen wurde, sein Hirn wurde schon mit 16 von der Gier zerfressen und sollte nicht unbedingt als Vorbild dienen. Die ETH-Miner hätten (meiner bescheidenen Meinung nach) die alte Chain unmittelbar nach der Fork in Stücke reissen sollen, also mit Gewalt der Wille der Mehrheit durchsetzen. Falls es bei Bitcoin einmal zu einer Hardfork kommt, wünschte ich mir jedenfalls dass die Miner dies vorzeitig kommunizieren und auch durchziehen. Lieber ein Bitcoin welcher anders ist als ich ihn gerne hätte, als mehrere davon.

  3. Gut möglich, dass sich beide Blockchain parallel etablieren, aber auch gut möglich, dass ETC an Ende doch wieder verschwindet, weil es nicht mehrheitlich getragen wird.

    Ferner nennt man eine Entscheidung gegen die Individidualität für eine Gemeinschaft Pragmatismus.

    Das Problem bei solchen Entscheidungen ist, dass es sehr leicht ist, sich ideologisch für oder gegen ETH zu entscheiden, aber schon wesentlich schwerer fällt, einen möglichen Totalverlust akzeptieren zu müssen. Also muss man abwägen, wie viel einem der eigene Idealismus wert ist bzw. ob man bereit ist, sich für seinen Idealismus aufzuopfern.

  4. Die mehrheit hat nicht gewalt

    Wenn Vitalk und co forken kann wenn die wollen – Das ist faktish und praktish so – Fork 4 incoming

    Wenn Vitalk meine proekt nich mag , fork
    Wenn das FBI meint – „vitalk fork it , ISIS is using ETH, we need their funds“
    FORK IT

    warum braucht man ETH überhaupt?
    Leber amazon server

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