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Droht mit Bitcoin Unlimited die völlige Zentralisierung des Bitcoins?

Das Zentrum einer Blume. Bild: "center" von rieo via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Oder spricht aus einem jüngst erschienen Post nur die Furcht vor dem Scheitern des Marktes? Letzten Endes läuft alles auf die wichtige Frage hinaus, wer im Bitcoin-Netzwerk das Sagen hat – und unter welchen Bedingungen sich das System selbst reguliert.

David Vorick, leitender Entwickler des Altcoins Sia, hat vor kurzem ein Blogpost mit dem Titel „Eine von Bitcoin Unlimited geführte Zukunft ist eine zentralisierte Zukunft“ veröffentlicht. In diesem Blog erklärt er, weshalb die Übernahme des Bitcoin-Netzwerkes durch den alternativen Bitcoin-Client Unlimited in einem Desaster enden wird.

Bitcoin Unlimited ist ein Bitcoin-Client, der das Blocksize-Limit für Miner aufhebt und den Knoten die Möglichkeit gibt, selbst zu bestimmen, wie groß die Blöcke sein dürfen. Unlimited hat vor kurzem einen Schub erfahren, als der populäre chinesische Mining-Pool ViaBTC begonnen hat, den alternativen Client fürs Mining zu verwenden. Das erklärte Ziel von Unlimited ist es, dass „der Markt entscheidet, welche Blocksize ideal ist und damit die Blocksize-Debatte endgültig gelöst wird, indem man die Entscheidung den Kräften des freien Marktes überlässt,“ wie Vorick richtig erkärt.

Der Schlitterpfad in die totale Zentralisierung

Dies jedoch, so der Entwickler, mündet in einem Desaster. Vorrick schaut hierfür die Entscheidungsfindung bei Bitcoin Unlimited an: Die Miner können größere Blöcke erzeugen, wenn sie wollen, und die Knoten haben die Wahl, diese abzulehnen oder anzuerkennen. So soll, laut Bitcoin Unlimited, der Markt oder die ökonomische Mehrheit entscheiden, wie groß die Blöcke sein dürfen.

Das Problem ist: die ökonomische Mehrheit ist längst nicht mehr dezentral:  „Wenn man die 2-3 größten Miner zusammenbringt, die 2-3 größten Börsen und die 2-3 größten Payment Provider, dann hat man die Mehrheit der Bitcoin-User im Ökosystem. Wenn man die ökonomische Mehrheit entscheiden lässt, bedeuten Full Nodes nichts mehr.“ Der Einfluss der Nodes auf die Blocksize ist bei Bitcoin-Unlimited eine Illusion.

Damit beginnen der Abstieg in die Zentralisierung. Die zentralen Akteure, die die ökonomische Mehrheit stellen, werden hemmungslos an der Blocksize drehen, bis alle anderen aus dem Ökosystem verdrängt werden. „Anstatt in der Lage zu sein, einen Full Node zu betreiben, der keinerlei ökonomische Macht repräsentiert, wird man dann nicht mehr in der Lage sein, einen Full Node zu betreiben, was bedeutet, dass man diesen zentralen Dienstleistern vertrauen muss.“

Die Spirale der Zentralisierung dreht sich an dieser Stelle immer weiter. Denn die verbleibenden zentralen Akteure erhöhen immer weiter die Blocksize. Und dabei überstimmen die großen und mächtigen die kleinen und schwachen. „Seht ihr, wohin das führt? Nicht nur verlieren die Alltagsuser die komplette Kontrolle über Bitcoin, nicht nur wird Bitcoin durch eine kleine Anzahl von zentralisierten Akteuren kontrolliert, sondern diese Anzahl von zentralisierten Akteuren schrumpft weiter … Bald sind nur noch 2 oder 3 zentrale Akteure übrig, und jeder andere muss ihnen vertrauen.“

Wenn man Dezentralisierung mag, so Vorrick, „dann sollte man Bitcoin Unlimited verabscheuen.“

Wer hat die Kontrolle?

Vorrick verwirft also Bitcoin Unlimited als Start in den unaufhaltsamen Abstieg in die vollkommene Zentralisierung. Sein Horror-Szenario ist schwer zu verwerfen, weil es irgendwie möglich wäre, aber auch unmöglich zu beweisen, weil es noch nicht eingetreten ist. Es gibt keine mathematische Formel, um das Verhalten von Akteuren zu berechnen.

Die Frage, ob Vorrick nun recht hat oder nicht, ist die Frage, wer die Kontrolle im Bitcoin-Ökosystem hat. Die Miner? Die Börsen? Die ökonomische Mehrheit? Oder niemand?

Diese Frage ist spannend. Das Bitcoin-Ökosystem besteht, im großen und ganzen, aus fünf Parteien: Miner, Nodes, Investoren, Börsen, Dienstleister.

  • Miner erzeugen Blöcke und Bitcoins. Sie sind die treibende Kraft der Blockchain-Mechanik.
  • Nodes speichern und validieren die Blockchain und propagieren und validieren Transaktionen.
  • Investoren kaufen und halten Bitcoins und geben diesen damit einen Wert
  • Börsen ermöglichen den Handel von Bitcoins gegen andere Währungen
  • Dienstleister prozessieren Bitcoin-Zahlungen oder akzeptieren diese

Wer ist nun der Boss? Können Miner dem Rest des Ökosystems größere Blöcke aufzwingen?

Nein. Wenn die Knoten diese Blöcke nicht akzeptieren, die Börsen die durch sie erzeugten Bitcoins nicht zum Handel zulassen, die Investoren sie nicht kaufen und die Dienstleister sie nicht prozessieren, dann werden die Miner ihre größeren Blöcke ins Leere minen. Sie werden Geld verschwenden.

Können die Knoten größere Blöcke erzwingen?

Nein. Selbst wenn alle Knoten sagen, sie wollen größere Blöcke – solange die Miner diese Blöcke nicht minen, wird es sie nicht geben. Knoten können auch keine größeren Blöcke verhindern. Wenn die Miner und die Börsen und die Investoren größere Blöcke wollen, müssen die Knoten mitziehen. Ansonsen verlieren sie den Anschluss.

Dasselbe trifft auf alle anderen Gruppen im Ökosystem zu. Keine Gruppe, sondern nur das Ökosystem als Ganzes kann entscheiden.

Vorrick geht daher davon aus, dass die Miner und Unternehmen eine Koalition bilden, um den Usern ihren Willen aufzudrängen. Dabei nimmt er an, dass diese Akteure unbedingt mehr Kontrolle wollen, selbst dann, wenn dies eine wesentliche Kerneigenschaft des Bitcoins – die Dezentralisierung – untergräbt. Er unterstellt der ökonomischem Mehrheit, sich zu verabreden, um sich ins eigene Fleisch zu schneiden, und den Usern, Knoten und Investoren, ihnen wie Schäfchen zu folgen.

Mit anderen Worten: Das, was Vorrick einen „Angriff“ nennt, ist ein Totalversagen des Marktes.

Furcht vor dem Markt

Man könnte so vieles einwenden. Dass die Investoren ihre Bitcoins verkaufen, wenn die von Vorrick prognostizierte Zentralisierung stattfindet. Dass die Betreiber von Full Nodes auf andere Kryptowährungen wechseln, und die Leute, die monetäre Autonomie schäzen, Altcoins benutzen. Dass der Bitcoin-Kurs sinkt, und dass die ökonomische Mehrheit in der Lage sein wird, die Zeichen der Zeit zu erkennen.

Aber lassen wir es dabei, dass Vorrick offenbar nicht verstanden hat, wie Märkte funktionieren. Sein Szenario ist so ähnlich, als würde Ikea beginnen, nur noch unbequeme Stühle zu produzieren, wenn man die Stuhlregulierung lockert, und dass die Menschen dann in Zukunft nur noch auf unbequemen Stühlen sitzen können.

Dabei hätte Vorrick aus der Ethereum-Fork lernen können. Dieses Ereignis hat in aller Deutlichkeit gezeigt, dass kein noch so mächtiges Kartell in der Lage ist, den Usern und Investoren ihren Willen aufzuzwingen. Alle Wallets, alle Börsen und 99 Prozent der Miner haben sich auf die Seite der DAO-Hardfork geschlagen. Doch ein Prozent der Miner, eine Handvoll Knoten und eine einzige Börse waren genug, um die alte Blockchain, die nun Ethereum Classic heißt, am Leben zu erhalten. Auch die stärkste Koalition kann in einem Blockchain-Ökosystem den Markt nicht besiegen, so die große Lehre aus der Ethereum-Hardfork.

Wenn Vorrick nun ein Horrorszenario malt, in dem sich die wichtigsten Akteure und Firmen verschwören, um alle anderen aus dem Netzwerk zu drängen, und damit auch noch durchkommen, dann zeigt das nur eines: Er ist der Meinung, dass man den Markt regulieren muss, um seine Zentralisierung zu verhindern.

Was aber nicht bedeutet …

Vorricks Kritik an Bitcoin Unlimited ist dieselbe, die immer wieder eingebracht wird, um den Markt zu regulieren und zentralistischen Akteuren Macht zu geben. Es erscheint geradezu absurd, dass sie auf eine Marktwährung wie den Bitcoin angebracht wird.

Dies bedeutet aber nicht, dass Vorricks Szenario nicht eintreten kann. Ob man es für möglich hält, liegt daran, wie man persönlich zum Markt steht. Manche meinen, dass der Markt immer das richtige macht, und dass der Fehler bei einem selbst liegt, wenn man das Ergebnis der unsichtbaren Hand des Marktes nicht mag. Andere meinen, dass man den Markt korrigieren darf und muss.

All dies bedeutet ebenfalls nicht, dass in dem alternativen Client keine Gefahr liegt. Denn solange ein Teil der Knoten weiterhin ein Limit von 1 MB hält, und ein Teil der Investoren findet, dass Bitcoin ein solches Limit haben sollte, kann Bitcoin Unlimited eine Spaltung auslösen.

Das Szenario ist, dass die Miner sich gegen den Markt dafür entscheiden, größere Blöcke zu produzieren. vielleicht findet sie damit auch die Unterstützung von Börsen und Payment-Providern. Solange aber ein Teil des Netzwerkes an dem alten Limit festhält, droht eine Spaltung.

Man kann einwenden, dass eine solche Spaltung, wie bei Ethereum, nicht allzu dramatisch ist, da das Leben weitergeht, und dass der Markt über kurz oder lang entscheiden wird, welches der echte Bitcoin ist. Man kann aber auch sagen, dass bei einer viel reiferen Währung, wie Bitcoin sie ist, eine solche Spaltung das Potenzial hat, die Netzwerkeffekte zu zerstören und Bitcoin in zwei radikalisierte Lager aufzuteilen. Wirklich wünschenswert ist das nicht.

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4 Kommentare zu Droht mit Bitcoin Unlimited die völlige Zentralisierung des Bitcoins?

  1. Herr Vorrick hat nie behauptet, dass der Markt reguliert werden muss. Wenn man dieser Logik folgt wären die „Consensus Rules“ auch eine Regulierung!^^ Und ohne die Consensus Rules würde Bitcoin nicht funktionieren, weil dann jeder Client einfach macht was er will, anstatt ein Minimal-Set von „Regeln“ zu befolgen damit das Netzwerk funktioniert und die Knoten miteinander interagieren können! 😉

  2. Wie realistisch ist denn eine Hardfork? Soweit ich informiert bin, brauchen von Unlimited geschürfte Blöcke eine Tiefe von 12 Blöcken, um „finalisiert“ zu werden. Unlimited braucht also eine gewisse Miningpower, wenn eine solche Tiefe erreicht werden soll. Die ca. 10% reichen dafür nicht aus, und wenn Unlimited ständig zurückgewiesene Blöcke mined, verlieren die Miner Geld und werden schnell wieder auf einen Pool umsteigen, der reguläre Blöcke (Core) unterstützt.

  3. Naja indirekt hat er es schon behauptet.
    Gut analysiert von Herr Bergmann.

    Und wenn man wirklich so viel Zweifel hat an einer demokratischen Währung wie Bitcoin, dann sollte man es doch gleich sein lassen.

    Ich bin defintiv dafür, dass die Nodes und wenn möglich sogar die Nutzer mehr Entscheidungskraft über den Verlauf des Bitcoins haben.

    Auch wenn die Mehrheit vielleicht nicht immer die intelligenteste Entscheidung trifft, so trifft sie doch defintiv am ehesten die passendste für die Menschen die es nutzen möchten und somit ist es immer am fairsten.
    Außerdem glaube ich sogar, dass die Mehrheit langfristig am intelligentesten Entscheiden wird. Wobei das natürlich sowieso immer relativ ist und sind wir mal ehrlich, keiner weiß wirklich was richtig oder falsch ist.
    Wichtig ist doch einfach, dass die Akteure und die Menschen die Entscheidungsgewalt haben und nicht 1-2 Miningkartelle oder 1-2 Börsen, sondern jeder der Bitcoin nutzen möchte.

    • dito!

      Zumal es bereits so ist, dass einige wenige große Miningpools sowie ein einziges Entwicklerteam über den Weg des Bitcoin bestimmen. D.h. die Zentralisierung wie oben beschrieben besteht längst und der Bitcoiner selbst kann den Bitcoin nicht ansatzweise mitgestalten sondern hat lediglich ( aber immerhin ) die Möglichkeit zu Altcoins zu wechseln.

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