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Einmal Unlimited, nie wieder Blocksize-Streit: Das wichtigste, was ihr über Bitcoin Unlimited wissen müsst

iPod Infinty. Bild von włodi via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Der alternative Client Bitcoin Unlimited positioniert sich derzeit als Graswurzel-Alternative zu Bitcoin Core. Unlimited möchte die Blocksize-Debatte beenden, indem einfach den Markt über die richtige Blocksize entscheiden darf. Kann das gutgehen? Oder spielt Unlimited leichtfertig mit dem Risiko, Bitcoin kaputt zu machen? Und wer steckt hinter dem Client? Wir versuchen, die wichtigsten Fragen zu beantworten.

Ich nehme an, ihr habt genug von dem ganzen Blocksize-Streit. Ich auch. Aber das ändert leider nichts daran, dass die Bitcoin-Community in dieser Debatte feststeckt und sie das Geschehen dominiert. Da derzeit meist um die 10.000 Transaktionen im Mempool feststecken und die Grenzen des Wachstums ausgereizt sind, kann man auch sagen, dass ohne eine Lösung des Scalability-Problems nichts wirklich vorwärts gehen wird.

Derzeit stehen drei Optionen zur Auswahl, wie es weitergeht:

  • SegWit als Softfork für eine kurzfristige Erhöhung der Kapazität auf 1,5-2,0 MB (je nach Berechnungsweise).
  • Bitcoin Unlimited, um die Größe der Blöcke durch die Miner bestimmen zu lassen.
  • Nichts von beidem, sondern ein Bleiben beim Status Quo.

Keine der drei Möglichkeiten schließt eine langfristige Lösung der Scalability-Probleme durch offchain-Lösungen wie Lightning, TumbleBit oder Sidechains aus. SegWit erleichert etwa die Einrichtung von Lightning, ist aber keine Bedingung dafür. Da aber gut benutzbare, die Privatsphäre wahrende Implementierungen dieser Offchain-Lösungen noch in relativ weiter Ferne sind, müssen wir für schätzungsweise die nächsten ein bis zwei Jahre mit den drei Optionen leben.

Ich werde hier diese drei Möglichkeiten beschreiben. Da über SegWit schon sehr viel gesagt wurde, möchte ich heute auf Unlimited eingehen. Die dritte Möglichkeit – gar nichts zu machen – hat, wie wir in einem anderen Artikel sehen werden, auch ihren überraschenden Reiz. Aber heute geht es um Unlimited. Ich mag diesen Ansatz, weil er das Potenzial hat, diese Debatte endgültig zu lösen. Einmal Unlimited, nie wieder Blocksize-Blablabla.

Aber ich versuche dennoch, so neutral wie möglich zu bleiben. Wer steckt dahinter, wer unterstützt es, was ist der Ansatz, welche offenen Fragen und Kritikpunkte gibt es?

Wer ist Unlimited?

Bitcoin Unlimited ist das Kind eines berühmten Threads, der lange auf Bitcointalk war, dort dann im Zuge der Zensur-Offensive auf dem Höhepunkt der Blocksize-Kriege in den Altcoin-Bereich geschoben wurde und dann auf bitco.in ausgewandert ist. Im Thread „Gold collapsing Bitcoin up“ diskutierte eine kleine Gemeinschaft von Bitcoinern den Kurs und das allgemeine Geschehen.

Irgendwann setzte sich die Idee fest, dass man überhaupt kein Blocksize-Limit braucht. Eine wichtige Grundlagenarbeit hierfür stammt von Peter Rizun, einem Physiker aus Kanada. Er dachte über das Argument nach, dass man eine begrenzte Blocksize braucht, um einen Gebührenmarkt zu etablieren, der langfristig die Miner finanziert, auch wenn es keinen Block-Reward mehr gibt. Rizun sagte nun, dass die Rate der verwaisten Blöcke natürliche Kosten dafür darstellen, die Größe der Blöcke zu erhöhen: Je größer ein Block ist, desto länger braucht er, um im Netzwerk die anderen Miner zu erreichen. Das Risiko, dass der Block von einem anderen, leichteren Block, überholt wird, steigt. Es gibt also einen natürlichen Gebührenmarkt, auch ohne Blocksize-Limit.

Daraufhin entwickelte diese Gruppe ein Konzept, um das Blocksize-Limit komplett aufzuheben. Der marktliberalen Haltung der Gruppe zufolge sollten nicht Entwickler, sondern die Akteure des Marktes – Miner, Nodes, Börsen, Investoren – über die richtige Blocksize entscheiden. Mit dem US-Amerikaner Andrew Stone fand Unlimited einen Entwickler, der die Codebase von Core forkte und die geplanten Änderungen einbaute. Stone ist auch heute noch der leitende Entwickler von Unlimited.

Unlimited begriff sich vom ersten Tag an als Gegenmodell zu Bitcoin Core. Während bei Core ein BIP (Bitcoin Inprovement Proposal) nur eingepflegt wird, wenn ein Konsens der Entwickler besteht, dürfen bei Unlimited die Mitglieder über die BUIP (Bitcoin Unlimited Improvement Proposal) abstimmen. Dies soll es auch Nicht-Entwicklern ermöglichen, eine Stimme zu haben.

Neben Andrew Stone arbeitet bei Bitcoin Unlimited eine Handvoll Entwickler ehrenamtlich mit. Dies sind unter anderem Peter Tschipper, Andrea Suisani, Trevin Hoffman, Andrew Clifford und einige weitere Personen. Seitdem Classic und XT an Wind verloren haben, wurde Bitcoin Unlimited zur alternativen Anlaufstelle für Bitcoin-Entwicklern. So wurde etwa Ex-XT-Entwickler Tom Harding kürzlich Bitcoin Unlimited Mitglied.

Kritiker werfen Bitcoin Unlimited vor, weder hinsichtlich der Quantität noch der Qualität der Entwickler mit Core mithalten zu können. Nicht zu unrecht: Die Core Entwickler haben alle wesentlich mehr Erfahrung in der Entwicklung von Bitcoin. Core ist die offizielle Implementierung von Bitcoin, die Entwickler beschäftigen sich zum Teil schon seit 5-6 Jahren mit Bitcoin. Die Unlimited-Entwickler hingegen können nur 1-3 Jahre vorweisen. Wenn wir uns den Zeitraum 1. Mai 2016 bis heute anschauen, haben 7 Bitcoin Unlimited Entwickler am Code mitgearbeitet, während es bei Core 39 sind.

Aus diesem Grund kommt es für viele Akteure im Bitcoin-Ökosystem gar nicht in Frage, auf Unlimited zu setzen. Die Entwickler genießen einfach (noch) nicht das Vetrauen, in der Lage zu sein, den Bitcoin-Code kompetent zu verwalten.

Was ist das Konzept von Unlimited?

Grundsätzlich meint Bitcoin Unlimited, dass die Größe der Blöcke nicht konsensrelevant sein sollte. Die Geldmenge, die Transaktionshistorie sowie die Unfälschbarkeit von Münzen sind relevante Eigenschaften für ein gutes Geld, über das alle Knoten übereinstimmen sollten. Die Blocksize, so das Team Unlimited, ist es nicht.

Es wäre ein bißchen zu einfach, nur das Limit für die Blocksize zu entfernen. Bitcoin Unlimited geht von der Theorie aus, dass der Markt sogenannte fokale oder Schelling-Punkte findet. Dies sind Gleichgewichtszustände, die, sobald sie einmal etabliert sind, für alle Akteure zur einzigen richtigen Wahl werden. Um den Markt-Akteuren zu helfen, diese Gleichgewichtszustände zu finden, hat Bitcoin Unlimited der Bitcoin Software mehrere Optionen hinzugefügt:

  • Die Miner können die Blocksize frei wählen
  • Jeder Knoten (Miner und Nicht-Miner) kann eine „Excessive Blocksize“ (EB) bestimmen. Wenn ein eingehender Block diese Größe überschreitet, ignoriert der Knoten ihn. Diese Einstellung soll dabei helfen, dass Knoten Miner bestrafen, wenn diese zu große Blöcke erzeugen. Denn je weniger Knoten im Nettzwerk einen Block akzeptieren, desto länger braucht er, um sich im Netzwerk auszubreiten.
  • Jeder Knoten kann zudem eine „Accepted Depth“ (AD) bestimmen. Sobald ein Block, der die exzessive Größe überschreitet, eine bestimmte, durch die Accepted Depth Einstellung bestimmte, „Tiefe“ erreicht hat – also von mehreren aufeinanderfolgenden Blöcken bestätigt wurde – folgt der Knoten dieser Kette. Damit soll verhindert werden, dass das Netzwerk zersplittert, wenn die Blocksize erhöht wird.

Die beiden Einstellungen EB und AD kann man im Client mit einem graphischen Interface einfach bedienen. Die Clients senden ihre Werte im Netzwerk mit der Versionsnachricht aus, so dass man das Bitcoin-Netzwerk crawlen kann, um zu sehen, welche Blöckgrößen unterstützt werden.

Diese Änderungen sollen dem Netzwerk helfen, die Blocksize automatisch an die Bedürfnisse des Marktes anzupassen. Es gibt keine Hardfork mehr, da die Hardfork zu einer Art Dauerzustand wird und die Knoten die Instrumente haben, um gut mit Hardforks umzugehen. So soll der Markt selbst permenant darüber abstimmen, was die perfekte Blocksize ist.

Abgsehen von diesen Änderungen entspricht Bitcoin Unlimited weitgehend Bitcoin Core. Die Entwickler sichten die neuen Updates von Core, stimmen teilweise (wie bei RBF oder SegWit) darüber ab, ob sie übernommen werden oder nicht, und planen eigene Veränderungen des Codes und Updates. Der Fokus liegt dabei meist auf der Verbesserung der Sklalierbarkeit.

Kritik an Unlimited

Es gibt eine Fülle an offenen Fragen und skeptischen Einwänden zu Unlimited. Wie schon erwähnt, gibt es Zweifel daran, dass das Team von Unlimited in der Lage ist, jene Sicherheit zu garantieren, die Core bietet.

Daneben spricht eine gewisse Skepsis gegen Marktentscheidungen gegen den alternativen Client.

Core hat den Ansatz, die Blocksize auf eine bestimmte Größe (1 MB derzeit, 1,5-2,1 MB mit SegWit) zu begrenzen, um negative Effekte durch zu große Blöcke zu verhindern, die Anforderungen an den Betrieb eines Nodes zu beschränken und ein gewisses Maß an Dezentralität zu wahren. Man kann es damit vergleichen, dass es in Deutschland Hygienevorschriften zum Betrieb eines Restaurants gibt oder dass die EU Anti-Kartell-Gesetze durchsetzt. Nicht jeder mag es und vielleicht schießt die Regulierung übers Ziel hinaus, aber die meisten Leute sind der Ansicht, dass sie notwendig ist.

Unlimited hingegen überlässt womöglich systemkritische Fragen dem Markt und geht davon aus, dass es im Interesse der Miner ist, Bitcoin „gesund zu halten.“ Nicht ein Team von Entwicklern, sondern Miner und Knoten sollen entscheiden, was die optimale Blocksize ist.

Ein immer wieder vorgebrachter Kritikpunkt an Unlimited ist daher, dass der Markt scheitert. Es gibt das Szenario, dass sich eine Koalition aus Minern und Börsen gegen die Minderheit verschwört, die Blocksize immer weiter hochtreibt und damit kleine Akteure aus dem Netzwer drängt. Es mag kurzfristige ökonomische Anreize für die Akteure geben, so zu handeln (mehr Marktanteile, User werden abhängiger von Mittelsmännern), während langfristig eher gegenteilige Anreize bestehen.

David Jerry von Unlimited meint: „Um zu glauben, dass Unlimited stabil ist, muss man fundamental an den 51 Prozent Konsens von Nakamoto glauben: Das nicht mehr als 50 Prozent der Hashpower gegen das System arbeitet. Wie es Satoshi glaubte.“

Mit einer flexiblen Blocksize und den manigfaltigen Einstellungen der Knoten macht Unlimited die Geschichte in jedem Fall komplizierter. Während man mit Core genau weiß, woran man ist, werden mit Unlimited eine große Menge an bekannten und noch nicht bekannten Szenarien denkbar.

Ein Beispiel: Die Miner haben auseinandergehende mögliche maximale Blockgrößen. Sagen wir, der Einfachkeit halber, 30 Prozent akzeptieren 1 MB, 20 Prozent 2 MB und 50 Prozent 3 MB. Ein feindlicher Miner erzeugt nun einen Block mit 2,1 MB. 50 Prozent der Miner ignorieren ihn und arbeiten weiter auf der alten Chain, während die anderen 50 Prozent der Miner diesen Block annehmen und weiterbewirtschaften. Selbst wenn die Trennung der beiden Chains nicht dauerhaft ist, sondern nach 5-6 Blöcken aufgehoben wird – kann ein Miner auf diese Weise einen Double Spend ausführen?

Oder: Muss ein Miner immer anwesend sein, um nicht auf der falschen Chain zu sein, wenn eine Koalition der anderen Miner  beschließt, die Blocksize zu erhöhen? Ist es möglich, dass ein Miner dadurch für einige Blöcke ins Leere hashed? Und gerät eine Börse, die nicht aufmerksam ist, in Gefahr, auf der falschen Chain zu landen?

Neben diesen Fragen gibt es noch weitere Szenarien. Unlimited eröffnet den Akteuren eben neue Handlungsspielräume und schafft damit auch weitere Risiko-Szenarien – und gibt den Akteuren auch mehr Möglichkeiten, sich selbst zu schaden. Es verlangt mehr von den Beteiligten, und es führt kein Weg daran vorbei, gründlich über die jeweiligen Szenarien nachzudenken.

Wenn man die Unlimited-Entwickler auf solche Risiken anspricht, wird man meist mehrere Antworten erhalten: Zum einen gibt es Anreize für die Akteure, um richtig zu handeln – so wie eben die Rate der verwaisten Blöcke. Zum anderen ändert Unlimited Bitcoin nicht wirklich etwa. Unlimited beseitigt lediglich die soziale Konvention, die Blöcke klein zu halten, und gibt den Aktueren einfache Instrumente, um die Blocksize zu ändern. Wenn die Miner heute beschließen, dass sie 5 MB Blöcke haben wollen, können sie dies durchsetzen. Wenn sich eine Koalition von Minern und Börsen heute entscheidet, die schwächeren Akteure aus dem Ökosystem zu drängen, können sie das bereits tun. Viele der Risiken, die gegen Unlimited hervorgebracht werden, sind Risiken, die Bitcoin ganz allgemein in sich trägt – und bewältigt.

Aber jeder muss dies, wie gesagt, selbst durchdenken. Fakt ist, dass Unlimited eine Idee präsentiert, um die Blocksize-Debatte ein für allemal zu lösen – aber Fakt ist auch, dass dieses Konzept noch gründlicher erforscht werden muss.

Über Christoph Bergmann (2796 Artikel)
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8 Kommentare zu Einmal Unlimited, nie wieder Blocksize-Streit: Das wichtigste, was ihr über Bitcoin Unlimited wissen müsst

  1. „Nicht ein Team von Entwicklern, sondern Miner und Knoten sollen entscheiden, was die optimale Blocksize ist.“ 😀

    • Knoten Knoten Knoten — hätte nicht gedacht, dass ich mal eine solche Beziehung zu diesem Wort aufbaue …:)

    • Paul Janowitz // 5. Dezember 2016 um 15:07 // Antworten

      Durch Miner steht oder fällt der Bitcoin auch heute, da wäre es nur konsequent, dass diese auch Entscheidungshoheit über die Blocksize haben.

      Ob das Unlimited System optimal ist, oder besser ein ähnliches System wie bei Monero eingeführt werden sollte, kann und sollte diskutiert und simuliert werden.

      • Durch Miner steht oder fällt der Bitcoin auch heute, da wäre es nur konsequent, dass diese auch Entscheidungshoheit über den Block Reward haben…

      • Paul Janowitz // 5. Dezember 2016 um 20:36 //

        @Tommy
        Guter Einwand! Aber alles ist irgendwie miteinander verknüpft… Block reward, fees und block size. Hast Du Dir mal Monero angeschaut? Dort können Miner die Block size gegen „Strafzölle“ erhöhen… Dafür bekommen sie aber auch mehr fees aus Transaktionen. Wenn man dabei ein gesundes Gleichgewicht findet, imho nicht schlecht.

      • Die Idee („Wenn man dabei ein gesundes Gleichgewicht findet“) hat was, weil sie den Fokus von der von der Angebots- auf die Nachfrageseite verlegt. Lieber User statt Mining-Kartell. Lieber Code statt Vertrauen.

        https://bitcoinmagazine.com/articles/can-flexcaps-settle-bitcoin-s-block-size-dispute-1446747479

  2. ..Core ist mittlerweile bereit einen 2mb Hardfork plus segwit zu machen.

    https://www.reddit.com/r/Bitcoin/comments/5gcg98/will_there_be_no_capacity_improvements_for_the/darfdyg/

  3. Ich finde die Idee gut. Vielleicht nicht ausgereift aber einfacher als den Vorschlag den ich mal hier anmerkte (dynamische Blocksize wie es bei der Schwierigkeit der Fall ist.)

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