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Mehr Kontrolle. Vom weltweiten Kampf gegen das Bargeld.

In Venezuela bricht Chaos aus, nachdem die Regierung versucht hat, den wichtigsten Geldschein des Landes abzuschaffen. Auch Australien plant, den 100 Dollar Schein aus dem Verkehr zu ziehen. Ein Buch eines amerikanischen Ökonomen legt derweil die Gründe für den Krieg gegen das Bargeld vor – und zeigt zugleich, weshalb Bargeld ein wichtiges Instrument der Freiheit ist.

Indien ächzt weiterhin an den Folgen der Demonetarisierung. Einen Monat, nachdem die Regierung mehr als 85 Prozent der umlaufenden Banknoten für ungültig erklärt hat, fehlt es weiterhin an Bargeld.

Eigentlich sollten die indischen Geldscheine bis Ende des Jahres zumindest teilweise ersetzt werden, doch da die Gelddruckereien nicht hinterherkommen, müssen Menschen teils tagelang an Geldautomaten warten, um die kleinen täglichen Bargeld-Rationen, die ihnen zustehen, abzuheben. Die großen Gewinner sind Banking-Apps, die eilig herunterprogrammiert wurden und denen Millionen von Indern nun ihr nicht-bares Geld anvertrauen. Viele Experten fürchten, dass das Land auf eine Katastrophe von Systemausfällen, Datenschutzverletzungen und Betrugsausfällen zusteuert, da es noch nicht bereit dafür ist, Geld digital zu handhaben.

Venezuela

Ebenfalls für Unruhen hat eine Maßnahme gegen Bargeld in Venezuela gesorgt. Die Regierung hat am 12. Dezember angekündigt, innerhalb von 3 Tagen sämtliche 100-Bolivar-Scheine aus dem Verkehr zu ziehen. Die sechs Milliarden 100-Bolivar-Scheine machen ungefähr die Hälfte des in Umlauf befindlichen Bargelds des südamerikanischen Landes aus. Ein 100-Bolivar-Schein ist nach den offiziellen, von der Regierung gesetzten Wechselkursen 9 Euro wert, wird aber auf dem Schwarzmarkt für 2 Dollar-Cent gehandelt. Die Scheine sollen gegen Münzen oder höher dotierte Scheine gewechselt werden.

Die Begründung, die Präsident Maduro des von einer extremen Hyperinflation geplagten Landes liefert, ist auf den ersten Blick paradox: Die Maßnahme diene dem Kampf gegen „transnationale Banden,“ die im Zuge eines Wirtschaftskrieges gegen seine Regierung die Scheine horteten. Im den kolumbianischen Städten Cucuta, Cartagena, Maicao und Buaramanga gebe es „ganze Lagerhallen voller 100 Bolivar Scheine“. Man könnte meinen, ein solches Horten würde helfen, den Bolvar zu stabilisieren und sei angesichts des rapiden Wertverfalls der Währung ein Minus-Geschäft. Tatsächlich aber kaufen die Gangster günstig Bolivar auf dem Schwarzmarkt, erwerben damit von der Regierung bezuschusste Güter in Venezuela und verkaufen diese in Kolumbien. Staatlich festgesetzte Wechselkurse funktionieren eben nicht.

Mit der Entwertung der 100-Bolivar-Scheine trifft die Regierung aber nicht nur die Kriminellen. Da die Ersatzscheine nicht rechtzeitig ausgegeben werden, waren viele Venezuelaner nicht länger in der Lage, Lebensmittel und Benzin zu kaufen. Es kam zu Chaos, Unruhen und Berichten zufolge auch zu Plünderungen. Protestierende haben im ganzen Land Geldscheine verbrannt, den Präsidenten verflucht und eine Knappheit an Lebensmitteln beklagt. Die Polizei setzte Tränengas ein und verhaftete mehrere hundert Menschen.

Als Reaktion auf die Proteste hat Maduro den 100-Bolivar-Schein wieder freigegeben und die Gültigkeit der beliebten Banknoten bis zum 2. Januar verlängert. Ob diese kurze Gnadenfrist aber ausreicht, um in der angespannten Situation über die Weihnachts- und Neujahrstage ausreichend neues Geld in Umlauf zu bringen, ist zweifelhaft. Vermutlich wird die venezuelanische Geldkrise auch im nächsten Jahr fortgesetzt werden.

Australien

Auch Australien denkt darüber nach, den am häufigsten benutzten Geldschein loswerden. Die für Steuerangelegenheiten zuständige Ministerin Kelly O’Dwyer hat eine Expertengruppe ins Leben gerufen, die Beschränkungen der Barzahlung ausarbeiten soll. O’Dwyer schließt nicht aus, dass sie auf Anraten der Experten die 100-Dollar-Note aus dem Verkehr ziehen wird.

Diesen Ratschlag hatte zuvor die Investment Bank UBS der Regierung gegeben. Ein Bericht der Bank hatte die Einschränkung des Bargelds in Indien untersucht und lobend bewertet. Auch Australien, so der Bericht, könne dank der rasch voranschreitenden Digitalisierung größere Geldscheine wie die 100-Dollar-Note abschaffen. Im Zahlungsverkehr werde Bargeld ohnehin immer weniger benutzt und durch Karten oder Near-Field-Communication-fähige Smartphones ersetzt. Das Entfernen von größeren Geldscheinen, so die Bank, sei „gut für die Wirtschaft und gut für die Banken.“

Die Vorteile sind laut der Bank eine Reduzierung von Kriminalität, da diese mangels Bargeld schwieriger zu monetarisieren ist, eine Erhöhung des Steueraufkommens, da es weniger „schwarze“ Cash-Transaktionen gibt, und weniger Sozialbetrug, da es schwieriger wird, Bares zu horten, während man mit dem Screenshot vom leerem Bankkonto zum Amt geht.

Für die Banken von Vorteil ist eine neue Welle von Einzahlungen. Die Abschaffung der 100 Dollar Scheine würde die Guthaben der Australier bei Banken auf einen Schlag um 4 Prozent erhöhen. Diese würde die Einlagenquote der Banken verbessern und sie weniger abhängig von ausländischen Guthaben machen.

Perfekt, oder?

Ein Ökonom trommelt für die Bargeldabschaffung

Kein Wirtschaftswissenschaftler wirbt so sehr für den Krieg gegen das Bargeld wie Kenneth S. Rogoff. Der Professor aus Harvard hat in diesem Jahr das Buch „The Curse of Cash“ herausgebracht, in dem er, wie der Titel schon nahelegt, die Regierungen auffordert, Papiergeld zu beseitigen.

Die Buchbeschreibung ist vielsagend und wirkt wie ein Rundlauf durch alle Gründe, Bargeld abzuschaffen:

„Die Welt ertrinkt in Bargeld – und es macht uns ärmer und unsicherer … wofür wird das ganze Bargeld benutzt? Die Antwort ist einfach: zu einem großen Teil für Steuerflucht, Korruption, Terrorismus, Drogenhandel, Menschenhandel und den Rest der globale Underground-Wirtschaft.

Wie Rogoff zeigt, behindert Papiergeld auch die Geldpolitik. Nach der letzten Finanzkrise waren Zentralbanken nicht in der Lage, Wachstum und Inflation zu stimulieren, indem sie die Zinsen deutlich unter Null senkten, da sie fürchteten, dies würde Investoren dazu veranlassen, Staatsanleihen zu verkaufen und stattdessen Bargeld zu horten. Diese Beschränkung hat die monetäre Politik in so gut wie jeder fortgeschrittenen Volkswirtschaft paralysiert, und es ist wahrscheinlich, dass sich dieses Problem in Zukunft wiederholen wird.“

Wie so oft zeigen die Gründe, die für die Abschaffung des Bargelds dargelegt werden, warum ein bares Zahlungsmittel so wichtig ist. Es geht um Kontrolle. Bargeld ist ein Instrument der Bürger, um sich gegen die Geldpolitik von Staat und Bank zu wehren – aber auch, um eine zu extreme Besteuerung sowie zu restriktive Handelsgesetze auflaufen zu lassen. Bargeld ist eine Grundlage jener wichtigen Möglichkeit zur Subordination, die das Entstehen eines exzessiven Kontrollstaates verhindert.

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18 Kommentare zu Mehr Kontrolle. Vom weltweiten Kampf gegen das Bargeld.

  1. Jacques Vrohmann // 21. Dezember 2016 um 10:50 // Antworten

    Danke für den Beitrag! Aber warum in die Ferne schweifen? http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/thema/500-euro-schein

  2. Die Vorfälle in z.B. Venezuela oder auch Indien zeigen letztendlich eine Währungsreform auf Raten, u.a. weil die Regierung nicht in der Lage ist, den Staatshaushalt aufrecht zu erhalten.
    Hier von einer Abschaffung der Freiheit zu sprechen ist sicherlich etwas zu kurz gedacht, denn was nützt die Freiheit wenn die Wirtschaft zusammenbricht.
    Dann wird mit dem Zusammenbruch auch das Bargeld keinen Wert mehr haben.

    Als Bitcoiner halte ich nicht viel von Bargeld und brauche auch kein Bargeld, welches ohnehin zentral geschöpft wird, mich damit nicht wirklich frei macht.

    Wesentlich mehr Freiheit findet man in Bitcoin, den man ggf. auch als Paperwallet ausdrucken und sich somit sein eigens Bargeld schaffen kann.
    Meiner Meinung nach sollte man als Bitcoiner nicht dem zentralen Bargeldmist hinterher trauern, sondern stattdessen nach vorn blicken und Bitcoin zur Alternative machen.

    Anfangen kann man u.a. schonmal damit, dass man statt des Bankkontos einen Dienstleister wie bitwa.la oder coinsbank benutzt und darüber seine SEPA-Transfers, Daueraufträge, Kartenzahlungen realisiert, wohlwissend dass man seine Bitcoins, d.h. sein Gespartes stets außerhalb dieses Einflussbereiches lagern kann.

    • Schon mal drüber nachgedacht was beim Abschaffen des Bargeldes mit den Menschen passiert die darauf angewiesen sind?

      Welcher Obdachlose kauft sich denn sein Essen mit ner Bicoin APP? Ohne Bargeld sind solche Menschen erstmal komplett verloren und es gibt in Deutschland genug davon, auch genug Menschen die kein Bankkonto bekommen.

      Ich verstehe den Punkt dass wenn die Wirtschaft zusammenbricht auch auch Bargeld nicht mehr viel Freiheit ist, aber digitales Geld hin oder her. Das Abschaffen von Bargeld halte ich nicht für allzu schlau, zumindest nicht im derzeitigen Zustand unsere Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.

      Man sollte lieber mal darüber nachdenken Polititk und Wirtschaft endlich zu trennen so wie man in der Vergangenheit die Kirche schon von der Politik getrennt hat und ebenfalls die Monarchie von der Politik trennte. Dann klappt es evtl. auch mir der Bargeldlosen Gesellschaft.

      • Eine unmittelbar bevorstehende Abschaffung des Bargeldes sehe ich momentan nicht, so dass sich die Gesellschaft meiner Meinung nach entsprechend anpassen wird.
        Ich für meinen Teil brauche Bargeld nicht mehr und bin deswegen nicht weniger frei.
        Andere werden dem folgen und sich das Geldwesen weiterentwickeln, so wie es sich über Jahrhunderte hinweg immer wieder weiterentwickelt hat.

  3. Nicht zu verachten, dass Jedem Bundesbürger die Erhaltung der Infrastruktur des Bargeldes im Jahr mehr als 100€ kostet. D.h. für eine vierköpfige Familie sind das im Jahr mehr als 400€. Auch da wäre Bitcoin die günstigere Alternative.

  4. Jeder kann sich wohl denken, dass das Bargeld auch hier in Zukunft Schritt für Schritt abgeschafft wird. Natürlich nur zum Vorteil einiger weniger „Herren“. Deswegen sind ja Cryptowährungen die Revolution schlechthin: Keiner dieser „Herren“ konnte damit rechnen. Ja nicht mal, dass fast die ganze Welt diese Währung akzeptieren würde. UNd auch noch in so kurzer Zeit (8 Jahre). International ist Bitcoin eine Bombe. Und durch solche Maßnahmen wird der Prozess ja noch beschleunigt: Die Menschen werden sich nach Alternativen umsehen. Man wird nie auf Dauer Bevölkerungen unterdrücken können.

    Sie haben es versucht. Oder werkeln noch daran, die Blockchain für sich selber zunutze zu machen. Aber es wird schwierig… Vor allem wenn man schon Cryptowährungen wie Monero hat um seine Transaktionen zu anonymisieren.

    Ach ja, mit den „Herren“ meinte ich die Leute in den Zentralbanken und der IMF (Die ja auch ihre eigene Währung besitzt! Den SDR oder so )

    • Wenn Bargeld abgeschafft wird, dann wird auch Bitcoin kriminalisiert.

      • Name required // 22. Dezember 2016 um 18:11 //

        Na und? Wie wollen die Regierungen die Nutzung denn verbieten? Außerdem muß man das auch erstmal durch die Gerichte kriegen, die bei einer entsprechenden Gesetzgebung im Zweifel immer noch ein Wörtchen mitzureden haben. Und es steht wohl nicht zu befürchten, dass ALLE Staaten weltweit gleichzeitig Bitcoin verbieten werden. Somit würde man sich als restriktiver Staat aus den (wirtschaftlichen) Entwicklungsmöglichkeiten ausbooten, die diese neue Technik bietet (z.B. Entstehung neuer Arbeitsplätze, Synergieeffekte etc.). Bei einer solchen Aktion muß man immer Vor- und Nachteile abwägen. Zigaretten sind auch noch nicht komplett verboten, obwohl man ja meint, sie seien ungesund …

  5. „… gegen seine Regierung die Scehine horteten. …“
    „… ganzen Land Geldscheine verrbannt, den …“
    „… der Titel schon nahegelgt, die …“

  6. Der Bitcoin kollabiert nicht, sondern die Transaktionen werden einfach zu teuer.

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