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„Ich finde, man sollte diese Art Stützräder wieder Schritt für Schritt abbauen“

Christoph Jentzsch ist einer der führenden Ethereum-Entwickler Deutschlands. Der Sachse war offizieller Test-Manager in den frühen Tagen von Ethereum und Mitgründer des Startups Slock.it, das durch Smart Contracts auf Ethereum ein Universal Sharing Network aufbauen möchte. Im Interview erzählt Jentzsch über Lehren aus dem DAO-Hack, den ICO-Wahnsinn und die Skalierbarkeit von Ethereum.

Slock.it ist ein Startup aus dem sächsischen Mittweida, das angetreten ist, um ein universelles Sharing Network aufzubauen, das fast vollständig auf Ethereums Smart Contracts läuft. Nachdem die Firma vor einem Jahr in der DAO involviert war, die so sensationell gescheitert ist, wurde es etwas ruhiger um Christoph Jentzsch, den Mitgründer von Slock.it. Derzeit jedoch verfolgt die Firma, die einmal das Muster-Startup für Ethereum war, wieder energischer ihre Ziele.

Nach einem Investment expandiert Slock.it nun. Das Unternehmen sucht daher händeringend nach Front- und Backend-Entwickler. Wer talentiert ist und ein Abenteuer in Mittweida oder Berlin sucht, sollte sich einfach mal bewerben. Aber nun zum Interview!

I. DAO: „Es war eine intensive Erfahrung für die ganze Community, die viel über die Sicherheit von Smart Contracts gelernt hat.“

Heute ist es beinah ein Jahr her, seitdem die DAO gehackt wurde. Da ihr von Slock.it ja schon irgendwie involviert wart, war das ein heftiger Rückschlag. Wie siehst du den Vorfall, nun, ein Jahr später?

Die Verbindung zwischen der DAO und Slock.it bestand im wesentlichen darin, dass wir das Whitepaper geschrieben und den Code auf GitHub veröffentlicht hatten. Wir hatten geplant, unser Universal Sharing Network durch die DAO zu finanzieren, weshalb der Hack schon ein Rückschlag für uns war.

Gelernt haben wir dabei eine Menge. Ich denke, es war eine intensive Erfahrung für die ganze Community, die viel über die Sicherheit von Smart Contracts gelernt hat. Was das angeht, sind wir heute ein gutes Stück weiter. Was mir aber nicht gefällt, ist, dass viele Smart Contract Applikationen heute nicht mehr dezentral sind, sondern aus Sicherheitsgründen zentral aufgezogen werden. Die vielen ICOs, die wir derzeit sehen, haben meistens gar nicht mal mehr das Ziel, ein dezentrales Geschäft zu bilden.

Vor der DAO wollte so gut wie jeder, der Smart Contracts entwickelt hat, etwas dezentrales aufzubauen, etwas, das für immer steht, sobald es veröffentlicht wird. Das war ja auch der Anspruch der DAO. Heute wird das aus Sicherheitsgründen oft fallen gelassen. Ich finde aber, man sollte dieses Ziel nicht aus den Augen verlieren und die Stützräder Schritt für Schritt abbauen.

Die DAO war ein Projekt, um Unternehmen und Organisationen zu dezentralisieren. Wart ihr damit zu früh?

Ja, vermutlich schon. Wir machen jetzt einen zweiten Anlauf, mit der Charity DAO, die bilde ich mit einem anderen Partner, abseits von Slock.it. Auch Nick Dodsen von Consensys aus New York arbeitet derzeit an einer DAO, die wird ähnlich, wie die Original-DAO. Als ich mich zum letzten Mal damit beschäftigt habe, hat sie meiner Meinung nach noch nicht funktioniert. Aber da sie weiterentwickelt wird, kann ich das nicht beurteilen.

Meinst du damit, dass es derzeit gar keine echte DAO gibt, wenn man sie als „Dezentrale Autonomen Organisation“ versteht?

Ich definiere DAO so, dass es keine Person oder Entität gibt, die entscheidend für das Fortbestehen der Organisation ist. Wenn man eine Person wegnehmen kann, und dann alles zusammenfällt, dann ist es keine DAO. Man könnte Bitcoin oder Ethereum als DAO bezeichnen, aber so, wie wir es verstehen, als Organisation mit Zwecken und Zielen, gibt es derzeit keine DAO.

Die meisten ICOs heute sind Appcoins: Du brauchst die Token, um daran teilzunehmen, aber gibst den Token-Holdern nicht die volle Kontrolle über das Projekt, sondern nur einen Ausschnitt.

II. ICO und klassische Investments: „Die Bewertung ist viel zu hoch.“

Ist der ICO Markt, auf dem es derzeit fast wöchentlich neue Rekorde gibt, in einer Blase?

Das ist schwer zu beantworten. Ob etwas eine Blase ist oder nicht, weiß man meist erst im Nachhinein. Aber ich denke, man kann sagen, dass viele ICOs derzeit überbewertet sind. Schau‘ dir Gnosis an. Die haben ein super Team und auch eine super Idee. Aber wenn man es nachrechnet, sieht man, dass sie eine Extrembewertung haben, die viel zu hoch sein muss. Die haben weniger als 5 Prozent ihrer Token für 12 Millionen Dollar verkauft. Auf dem freien Markt ist der Preis für die Token nochmal hochgegangen, und wenn man jetzt den Wert aller Token berechnet, landet man bei über 2 Milliarden Dollar. Ich will nicht die Entwickler oder das Konzept kritisieren. Gnosis hat ein großes Potenzial. Aber die Bewertung ist viel zu hoch.

Lass‘ uns zu euch kommen, zu Slock.it. Ihr habt ja keine ICO gemacht, sondern euch traditionelle Kapitalgeber gesucht. Warum?

Das hat mehrere Gründe. Zum einen bin ich, wie du vielleicht schon herausgehört hast, kein Freund von ICOs. Bei manchen macht es Sinn, bei vielen nicht. Ein klassisches Seed Investment hat für uns neben dem Kapital den Vorteil, uns Türen zu öffnen. Es ist natürlich nicht ausgeschlossen, dass wir einmal eine ICO oder ein DAO ähnliches Projekt machen. Aber es muss nicht sein, und es ist derzeit nicht unser Plan.

Ihr habt ein Investment von 2 Millionen Dollar bekommen. Was macht ihr damit?

Wir haben derzeit einige Projekte, aber über die darf ich nichts sagen. Nur soviel: Das sind Projekte für Top-Firmen, die mit Ethereum arbeiten werden.

Die 2 Millionen Dollar haben wir vor allem für unser Universal Sharing Network bekommen. Die Idee ist, alle möglichen Dinge, vor allem Smart Locks, mit der Blockchain zu verbinden. Mit Smart Locks meine ich digitale Schlösser, die man über das Internet öffnen kann. Man kann dann etwa ein solches Schloss um ein Gerät hängen, und wer das Gerät benutzen will, hinterlegt eine Kaution und zahlt einen Preis je Stunde. Das kann man alles durch den Smart Contract abwickeln. So wollen wir es Privatleuten ermöglichen, ihre Dinge effektiver zu teilen.

Amazon ist der Platz, auf dem man alles kauft und verkauft. Wir wollen dasselbe werden, aber eben fürs Leihen und Mieten. Anders als Amazon haben wir aber keine echte Stellung als Mittelsmann. Der Vertrag und die Bezahlung laufen ja auf der Blockchain ab. Was wir machen, ist das Drumherum zu bilden, etwa das User Interface.

III. Skalierbarkeit: „Je größer Ethereum wird, umso schwieriger ist es, solche Änderungen am System vorzunehmen.“

Wenn ihr eure Ziele verwirklicht, wird ziemlich viel auf der Ethereum Blockchain los sein. Nachdem in den letzten Wochen immer wieder einzelne ICOs die Kapazität des Systems ausgereizt haben, stellt sich die Frage, wie Ethereum skalieren kann …

Es wird nicht alles onchain passieren. Wir bauen derzeit auf State-Channels auf, das ist wie das Lightning Netzwerk bei Bitcoin. Natürlich wird Ethereum mit Proof of Stake und Sharding besser skalieren können. Aber mal ehrlich – wenn ich ein Getränk kaufe, lasse ich das auch nicht vom Notar beglaubigen. Ethereum ist die höchste Instanz, und um sie nicht für alles zu verwenden, brauchen wir State Channels, oder, noch besser, ein Netzwerk von State Channels. Das ist das Raiden Network, das gerade von Brainbot technologies entwickelt wird.

Wir bei Slock.it arbeiten und experimentieren bereits mit solchen State Channels für unsere Apps. Man kann damit sowohl Ether als auch ERC20 Token transportieren. Generelle States, für andere Verträge, kann man hingegen noch nicht mit solchen Channels ändern.

Die große Vision für das Onchain-Scaling von Ethereum liegt in Proof of Stake und Sharding. Wie weit seid ihr damit?

In Metropolis, dem nächsten großen Release, wird Proof of Stake noch nicht enthalten sein. Meine Einschätzung ist, dass wir das bis zum Sommer 2018 schaffen. Sharding braucht, um realistisch zu sein, nochmal 2-3 Jahre. Je größer Ethereum wird, umso schwieriger ist es, solche Änderungen am System vorzunehmen. Wenn mehr Geld auf dem Spiel steht, wird man konservativer. Die Änderungen werden kommen, aber langsamer.

Wie viele Transaktionen je Sekunde schafft Ethereum derzeit?

Wir können derzeit etwa das doppelte von Bitcoin verarbeiten, etwa 14 Transaktionen je Sekunde (wenn man von den absoluten Minimal-Transaktionen bei Bitcoin ausgeht). Das, was bei Bitcoin die Blocksize ist, ist bei uns das Blockgas-Limit. Die Miner haben einen Zielwert, dass jeder Block etwa 4,7 Millionen Gas beinhaltet, womit wir auf die besagten 14 Transaktionen je Sekunde kommen.

Anders als bei Bitcoin können die Miner das Limit jederzeit hochsetzen, immer etwa ein Promille je Block. Auf diese Weise können wir uns dem echten Limit annähern, das dann eintritt, wenn die Miner zu lange brauchen, um einen Block zu verarbeiten. Ab daran verlieren sie Geld, wenn sie den Block größer machen, und es wird ein Markt für Gebühren entstehen, da die Miner nur noch zusätzliche Transaktionen aufnehmen werden, wenn deren Gebühren das Risiko überwiegt, Geld zu verlieren.

Wenn es keine große ICO gibt, fahren wir mit dem derzeitigen Zielbereich ja noch recht gut. Bis wir irgendwann an die harte Grenze stoßen, haben wir noch etwas Zeit und werden das System auch technisch verbessern. Daher möchte ich mich jetzt noch nicht auf einen Spielraum festlegen.

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7 Kommentare zu „Ich finde, man sollte diese Art Stützräder wieder Schritt für Schritt abbauen“

  1. Dankeschön an beide Christophs, ich drück Slock.it die Daumen!
    Gute Einschätzung der Lage und Herausforderungen. 🙂

  2. Gibt es auch kleine ICO? Wahrscheinlich ist es keineswegs sicher, daß man ein Projekt über ICO finanzieren kann. Klappt vielleicht nur falls ein in der Kryptowährungswelt großer Name dabei ist. Dazu kommt noch das Risiko, daß es wegen des Skalierungsproblems vielleicht bald keine ICO mehr geben wird. Es lohnt sich also vielleicht nicht mehr das Erstellen von Token zu lernen. Da kommen mir gleich wieder ein paar Fragen.

    Wieso gibt es ICO nur auf ETH? Wieso nicht auf ETC? Wieso nicht auf Counterpart auf der Bitcoin-Blockchain? Vielleicht gibt es solche Versuche, aber Investoren springen nicht darauf an? Wieso dann auf ETH? Zwar wird für ein ICO offenbar viel bezahlt, aber davon sind ein großer Teil Transaktionsgebühren und ein anderer Teil nur rechnerische Kursgewinne. Welcher Teil dessen, was für ein ICO bezahlt wird, steht tatsächlich zur Projektfinanzierung zur Verfügung? Geht es wirklich nur mit digitalen Projekten? Gibt es nicht ein Beispiel für etwas phyisch Greifbares? Schon weil Ether zu volatil sind, um Einnahmen als Ether zu behalten?
    Ranma

    • ETC ist eines reines Spekulationsobjekt bzw. ein Hedge gegen den Ausfall von ETH bzw. die Miner setzen darauf, wenn ETH mit PoS ihre Grafikkarten überflüssig macht. Daher keine ICO, weil alle Entwickler auf ETH sind.

      Bilde / benutzen mal ein Token mit Ethereum, und dann mache es mit Bitcoin (Counterparty, Colored Coins, Omni, etc). Dann beantwortet sich deine Frage vermutlich von selbst.

      • littleskunk // 27. Juni 2017 um 11:41 //

        Was hat der Token mit der Bezahlung zu tun? Bei Storj waren BTC erlaubt. Es muss kein reiner ETH ICO sein selbst wenn der zum Verkauf stehende Token ein ERC-20 Token ist.

        Gründe für ETH und gegen BTC sind:
        1.) Transaktionsgebühren (vor ein paar Wochen waren für ICO Teilnahme 300sat/Byte notwendig)
        2.) Kursgewinne von ETH höher als bei BTC
        3.) ICO sind innerhalb kurzer Zeit komplett ausverkauft. Weitere Zahlungsmethoden sind da nicht notwendig.

        Viele Menschen sind bereits mit den BTC Grundlagen überfordert und haben von ETH noch weniger Ahnung. Sie würden auch ihr komplettes Investment in Litecoin umtauschen wenn das für ein ICO notwendig wäre. Der Vor und Nachteile und Risiken der einzelnen Währungen sind sie sich nicht bewusst.

      • Klar kann man mit allem bezahlen. Bei ETH gibt es halt ein Standard-Token, das automatisch geschaffen werden kann, wenn man ETH an eine bestimmte Adresse schickt. Ethereum ist einfach strukturell besser geeignet für Token als Bitcoin. Während Bitcoin strukturell besser geeignet ist, digitales Bargeld zu sein.

  3. Token auf ETC und Counterparty werden wie bei ETH in Solidity programmiert, bei Colored Coins und Omni muß ich erst noch herausfinden wie. Vielleicht weiß es hier jemand? Möglicherweise liege ich auch damit falsch, daß man einen Token für ETH einfach auch parallel auf ETC und Counterparty anbieten könnte, indem man einfach den Code dorthin kopiert?

    Natürlich würde ich gerne mal ein paar Token bilden. Dafür brauche ich erst neue Hardware (brauche ich sowieso). Das wird schon einige Zeit dauern, weil ich weder viel Zeit noch viel Geld erübrigen kann. Dann neue Software, darunter dann Blockchain-Clients. Danach muß ich dann versuchen, mir genügend Solidity draufzuschaffen. Bis dahin sollte ich besser wissen, wie ein idealer Token aussieht, denn dann dürfte es nicht mehr einfach sein Token zu verkaufen. Falls es überhaupt noch geht. Daß zur Zeit jeder Token verkauft wird, das kann ich mir irgendwie nicht vorstellen. Kann man sich davon irgendwo überzeugen?
    Ranma

    • Auf Ethereum gibt es einen Standard, den alle Wallets kennen. Bei Bitcoin gibt es 3 bis 4 Standard, die kein Wallet kennt. Außerdem sind in Bitcoin gehackte Token viel umständlicher zu überweisen. Das kannst du damit vergleichen, dass man mit HTML anstatt CSS verwendet, um eine Webseite zu gestalten, oder CSS, um Effekte zu bilden, die man normalerweise mit JavaScript macht.

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