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ICO: US-Börsenaufsicht warnt, China stellt Regulierung und möglicherweise auch Verbot in Aussicht

"... And Justice for All." Bild von Hans Splinter via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Initial Coin Offerings (ICO) sind das Krypto-Phänomen des Jahres. Nun haben die Aufseher das Thema entdeckt. In den USA warnt die SEC davor, dass Betrüger mittels ICOs Investoren einlullen – und unterbindet den Börsenhandel von Firmen, die mit ICOs zu tun haben. In China denkt man derweil bereits über die Regulierung von ICOs nach – und zieht auch ein Komplettverbot in Betracht.

ICOs sind das, was Crowdfunding gerne geworden wäre: Eine leichte, effiziente, direkte, bankenlose Weise, um Startups und Projekte zu finanzieren. Die DAO gab im Jahr 2016 einen Vorgeschmack auf das, was möglich ist. Im Jahr 2017 entfalten ICOs schließlich ihr Potenzial. Die 30 wichtigsten per ICO verteilten Token sind insgesamt schon mehr als 5 Milliarden Dollar wert; das Geld regnet förmlich auf Startups und Investoren.

Es war nur eine Frage der Zeit, bis die Aufsichtsbehörden beginnen, sich ICOs zuzuwenden. Nun scheint es, sowohl in den USA als auch in China, soweit zu sein.

SEC warnt – und setzt Börsenhandel aus

In den USA hat die Börsenaufsicht SEC eine Warnung herausgegeben. Diese Warnung zielt nicht direkt auf ICOs, sondern auf Betrüger in deren Umfeld. Während die SEC die ICOs eine „faire und gesetzeskonforme“ Investment-Gelegenheit nennt, warnt sie vor „potentiellen Betrugsfällen, in denen Unternehmen vorgeben, etwas mit ICOs zu tun zu haben oder sie herauszugeben.“

Betrüger, erklärt die SEC, benutzen oft den Glanz neuer und aufstrebender Technologien, um potenzielle Opfer dazu zu bringen, ihr Geld als scheinbares Investment herauszurücken. Solche Betrügereien beinhalten „Pump-and-dumps“ sowie Marktmanipulationen.

Die SEC geht jedoch über eine reine Warnung hinaus. Die Aufsichtsbehörde hat das Recht, den Aktienhandel von Unternehmen zu unterbrechen, wenn sie der Ansicht ist, dadurch Investoren und das Allgemeinwohl zu schützen. In den vergangenen Monaten hat die Behörde dieses Recht genutzt, um den Börsenhandel diverser Unternehmen auszusetzen, nachdem diese in ICOs involviert waren. Unter diesen Firmen sind die First Bitcoin Capital Corp., CIAO Group, Strategic Global und Sunshine Capital. Der Aktienhandel mit diesen Unternehmen wurde mit einem recht dünnen Verweis auf unzureichende Information gestoppt.

Es mag sein, dass manche Unternehmen eine ICO nutzen, um ihren Aktienkurs hochzuschaukeln. In diesem Fall tut die SEC gut daran, den Handel auszusetzen, um Investoren zu schützen. Wenn allerdings Unternehmen pauschal fürchten müssen, von den Aktienmärkten ausgesetzt zu werden, wenn sie mit ICOs zu tun haben, könnte dies einen stark abschreckenden Effekt haben. Dieser könnte von der SEC erwünscht sein, um die Kontrolle über die Kapitalbeschaffung zu erhalten, die sie von den Aktienmärkten gewohnt ist.

Die Furcht vor Kontrollverlust

Schon im Juli hat die SEC ihre generelle Haltung zu ICOs in einem Rundbrief für Investoren bekanntgegeben. In diesen erkennt sie die Legalität und Nützlichkeit von ICOs an, warnt jedoch ebenfalls vor Risiken. „In eine ICO zu investieren, kann Ihre Fähigkeit begrenzen, Ihr Investment im Falle eines Betrugs oder Diebstahls zu retten.“ Auch können Wallet-Anbieter, Zahlungsdienstleister und Börsen in Lokalitäten sein, die sich dem Gesetz entziehen. Derlei Warnungen vor dem Verlust von Coins, Token, undsoweiter, sind beinah so alt wie Bitcoins selbst.

Symbolstarke Variation von Justitia, dem Symbol des Gerichtswesens: Auf diesem Bild hat Justitia ihr Tuch vor den Augen abgenommen, um ihre Waage auszubalancieren. Bild von lady_lbrty via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Allerdings hört die SEC nicht an dieser Stelle auf. Dazu ist das Thema zu groß. Als die Aufsichtsbehörden ab 2013 vor Bitcoin gewarnt haben, haben sie auf eine obskure Internetwährung gezielt, die im schlimmsten Fall auf Schwarzmärkten verwendet wird oder spekulativen Investoren schadet. Mit den ICO-Token hat die SEC es hingegen mit einem neuen Modell zu tun, dass Aktien und Anleihen als Instrument zur Kapitalisierung von Unternehmen ersetzen kann.

Der Rundbrief macht relativ unverblümt klar, weshalb die US-Börsenaufsicht das ICO-Modell höchst kritisch sieht. Ein Grund ist, dass ICOs es schwierig machen, dem Fluss des Geldes zu folgen und dieses bei Bedarf einzufrieren oder zu beschlagnahmen. Schließlich sind keine traditionellen Finanzinstitute wie Banken oder andere zentrale Mittelsmänner beteiligt. Das Investment geht direkt vom Investor an die Firma, die die Token herausgibt, und der Investor braucht keine Bank, um die Token aufzubewahren. Sowohl Geld als auch Wertpapier bleibt im vollen, autonomen Besitz der Individuen.

Auch die internationale Reichweite der ICOs ist nicht geeignet, die Sympathie der SEC zu gewinnen. Denn auch diese führt zu einem gewissen Verlust der gewohnten Kontrolle. „Auch wenn die SEC regelmäßig Informationen aus dem Ausland erhält (etwa durch grenzübergreifende Abkommen), kann es Begrenzungen geben, wie die SEC diese Informationen benutzen kann, und es kann Zeit brauchen, bis sie die Informationen bekommt. In manchen Fällen kann die SEC sogar nicht in der Lage sein, Informationen von Personen oder Entitäten im Ausland zu erhalten.“

ICO-Boom in China

Auch in China und Fernost bahnt sich die Regulierung von ICOs an. Als Quelle dienen allerdings lediglich die Google-Übersetzungen mehrere Artikel von Finanzmagazinen. Die Informationen bleiben daher schwammig, unklar und unzuverlässig.

Laut einem Artikel von Finance.Caixin sollen sowohl in Singapur als auch in China die nächsten Regulierungspakete ICOs thematisieren. Die Regierung in China hat bereits ein Auge auf ICOs geworfen. Eines ihrer Organe zur Risikobewertung des Internets schätzt, dass es allein in China 65 ICO-Projekte gab, an denen mehr als 100.000 Personen teilgenommen und insgesamt 2,6 Milliarden Yuan (etwa 330 Millionen Euro) investiert haben.

Tatsächlich scheinen ICOs in China wie an keinem anderen Ort zu boomen. Sowohl die Top-Token auf Ethereum als auch die neuesten Coins / Assets auf coinmarketcap sind zu großen Teilen von chinesischen und anderen Fernost-Entwicklern und richten sich an chinesische Investoren. Die Aufseher treibt daher die Frage zum, ob das „brutale Wachstum der ICO-Plattformen“ zu ähnlichen Risiken führt wie die P2P-Finanzplattformen in China? Ob also ICOs den Anlegern im wilden, schwer zu regulierenden chinesischen Investment-Markt massive Verluste bringt?

„Dragon“ von tuchodi via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Anders als in den USA, wo ICOs bereits teilweise reguliert sind bzw. sich in eigener Initiative an die Vorgaben des Aktienhandels anpassen, bewegen sich ICOs in China in einem absoluten Graumarkt. „Die Herausgeber haben manchmal noch nicht einmal eine registrierte Firma, es gibt keine Prozeduren.“ Die Token werden nicht durch einen Mittelsmann, sondern durch die Blockchain selbst herausgegeben.

Der Artikel berichtet von einem Mythos namens „Li Xiaolai“. Dieser hat EOS, Press.one und andere ICO-Projekte herausgebenen. Einige davon hatten noch nicht mal ein Whitepaper, und einige Insider berichten, dass Li selbst über die Projekte lacht. Aber die Investoren, voll im ICO-Fieber, kaufen die Token.

Für viele ist es unter diesen Umständen ungünstig, dass es keine zentrale Stelle gibt, die ICOs autorisieren muss, wie es bei der Herausgabe von Aktien notwendig ist. Dies sowie die einfache Zugangsschwelle drohen, so der Artikel, dass zu den echten Projekten parasitäre ICOs kommen, die gar nicht ernsthaft versuchen, ein Projekt hochzuziehen, nachdem sie per ICO Geld eingesammelt haben. Zudem gibt es kein Protokoll für den Fall, dass ein Projekt scheitert.

Die Situation ist chaotisch. Dem dürften sowohl Aufseher als auch Kryptowährungs-Fans zustimmen.

Neues Gesetz wird wohl auch ICOs berühren – Zentralbank stellt Verbot in Aussicht

Es ist daher anzunehmen, dass die ICOs auch von einem neuen, noch in Planung befindlichen chinesischen Gesetz betroffen sind. Ein Entwurf mit dem Titel „Die Verhinderung von illegalem Fundraising.“ Wie schon in den USA kann es ein Problem werden, dass ICOs und Kryptowährungen es schwierig machen, die Herkunft von finanziellen Mitteln nachzuverfolgen. Dies kann die Identifizierung von illegalen Investments, wie sie das neue Gesetz verhindern soll, erschweren.

Es scheint klar zu sein, dass die chinesische Finanzaufsicht dem ICO-Trend nicht tatenlos zusehen wird. Die Krypto-Branche reagiert darauf mit präventiven Versuchen der Selbstregulierung. So hat etwa die Börse OKCoin kürzlich einen Workshop zur Regulierung von ICOs veranstaltet, und Anwälte schlagen vor, wie eine effiziente und innovationsfreundliche Regulierung von ICOs aussehen kann.

Wenn China etwas weiß, dann wie Ordnung geht. Eingang zum verbotenen Palast in Beijing. Foto von: Yiannis Theologos Michellis via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Doch all dies hilft offenbar wenig. Einem erst gestern erschienen Artikel in Tencent Finance (hier die google-Übersetzung) zufolge kam es bereits am 18. August zu einem Treffen der chinesischen Zentralbank, der Börsenaufsicht, der Kommission für Bankenregulierung sowie weiteren Regulierern. In diesem Treffen wurden diverse regulatorische Maßnahmen und Ziele diskutiert. Unter anderem soll die Reichweite von ICOs kontrolliert werden, die Pflichten der Offenlegung von Informationen verschärft, die Risikowarnungen verdeutlicht und die Aufsicht gestärkt werden. Sollten die Regulierer erhebliche Risiken vorfinden, könnte es sogar sein, dass sie ein Komplettverbot von ICOs verhängen.

Auch wenn ein solches Totalverbot unwahrscheinlich ist, werden die kommenden Monate für ICOs sicherlich interessant. Die Regulierung wird kommen, das ist wohl unausweichlich. Doch die Regulierer werden sich einige wichtige Fragen stellen müssen. Wird eine Regulierung das Potenzial von ICOs zerquetschen, indem sie ihre größte Stärke ruiniert – nämlich die Freiheit von Regulierung? Und lassen sich ICOs, die vollkommen virtuell auf Blockchains stattfinden, überhaupt regulieren, wenn die Regulierung einen zu hohen Preis verlangt?

Über Christoph Bergmann (2802 Artikel)
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1 Kommentar zu ICO: US-Börsenaufsicht warnt, China stellt Regulierung und möglicherweise auch Verbot in Aussicht

  1. „Die 30 wichtigsten per ICO verteilten Token sind insgesamt schon mehr als 5 Milliarden Dollar wert; das Geld regnet förmlich auf Startups und Investoren.“

    Kürzlich lehrte uns ein anderer Artikel auf diesem Blog, daß sich nichtmal Wallets, also eine sehr Bitcoin-nahe (und Altcoin-nahe) und für Bitcoin (und für Altcoins) notwendige Sache, über ICO finanzieren lassen. Das kann bisher nur so erklärt werden, daß Investoren sehr wohl eine klare Vorstellung davon haben, wie welches Projekt aussieht und in welches Projekt sie investieren wollen und in welches nicht. Jetzt regnet es plötzlich wieder Geld? Seltsamerweise immer nur dann und so lange wie man das als Ausrede braucht, um Möglichkeiten der Unternehmensfinanzierung abzuwürgen.

    Mir stellt sich vor allem die Frage, warum man eigentlich so unbedingt die Entstehung neuer Unternehmen verhindern will. Desweiteren noch die, ob die heute großen Unternehmen in ihrer Anfangszeit staatliche Regulierungen umgehen mußten oder ob sie nur deshalb heute große Unternehmen sind, weil Investitionen früher eher geduldet wurden.
    Ranma

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