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Zwei unerwartete Monster-ICOs

"Genossen, unsere ICO war ein rauschender Erfolg!" - Venezuelas Präsident Nicolás Maduro. Bild von Agencia de Noticias ANDES via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Der ICO-Hype flaut schon wieder ab? Von wegen. Es geht erst los. Kürzlich haben der Messenger-Service Telegram sowie die Regierung von Venezuela Kapital per ICO eingesammelt. Mit Einnahmen von jeweils mehr als 700 Millionen Dollar konkurrieren die beiden nun um den Rekord.

Telegram: Rekord noch vor der echten ICO

In der Krypto-Szene dürfte Telegram nicht unbekannt sein. Die von zwei russischen Brüdern entwickelte App für den Austausch verschlüsselter Nachricht wurde zum bevorzugten Messenger von auf ihre Privatsphäre bedachten Nutzern. Mittlerweile hat Telegram 180 Millionen Usern und ist in der Krypto-Szene eines der beliebtesten Medien.

Da liegt es nahe, dass das Unternehmen nun auch per ICO Geld einsammelt. Telegram kündigt an, das „Telegram Open Network (TON)“ zu bilden, in dem die GRAM-Token gültig sind. TON soll ein Blockchain-Projekt werden, das im für ICOs üblichen Whitepaper genauer beschrieben wird. Es wird Millionen von Transaktionen je Sekunde prozessieren können, dabei aber nutzerfreundlich und sicher sein, Turing-vollständige Smart-Contracts sowie Mikropayment-Channels unterstützen, einen dezentralen Datenspeicher anbieten, die Knoten über einen Proxy anonymisieren und einen „selbstheilenden vertikalen Blockchain Mechanismus“ sowie „Instant Hypercube Routing“ integrieren, was auch immer das sein soll. Kurzum: TON wird alles verwirklichen, was sich jemals jemand von einer Blockchain gewünscht hat.

Das Whitepaper selbst ist dünn und dürfte eigentlich eine schlechte Grundlage sein, um das hohe Ziel von einer Milliarde Dollar, das Telegram für die ICO gesetzt hat, zu rechtfertigen. Aber da die Kryptoszene eben begeistert Telegram nutzt, und die Russen anders als viele Blockchain-Gründer schon bewiesen haben, dass sie in der Lage sind, gute, nutzerfreundliche Software zu entwickeln und auch auf mehr als hundert Millionne User zu skalieren, genießen sie einen immensen Vertrauensvorschuss.

Der ist in diesem Fall gleich einige Tonnen Gold wert. Bereits im Vorverkauf der ICO, in dem ausgewählte Investoren in Paketen ab 20 Millionen Dollar die GRAM-Token kaufen konnten, fanden sich 81 Multimillionäre, die insgesamt 850 Millionen US-Dollar auf den Tisch gelegt haben. Damit wurde die Telegram-ICO, noch bevor sie öffentlich live ging, zur mit Abstand größten ICO aller Zeiten. Bisher hielt Filecoin diesen Rekord mit gut 250 Millionen Dollar.

Weil es so gut läuft, hat Telegram kurzerhand das Ziel der ICO noch mal raufgesetzt. Anstatt einer möchte die Firma nun zwei Milliarden Dollar einholen. Da die amerikanische Börsenaufsicht SEC angekündigt hat, ICOs als Aktienverkäufe zu betrachten, ist es wahrscheinlich, dass US-Amerikaner nicht an einer öffentlichen Telegram-ICO teilnehmen dürfen. Daher sucht Telegram, hat die Verge erfahren, bereits nach Investoren für eine zweite Vorrunde, die, unbestätigten Quellen des Magazins zufolge, ähnlich hoch ausfallen wird wie die erste.

Ein Blogger auf der Forbes nennt die Telegram-ICO daher auch unverblümt Betrug. Telegram habe, scheibt Jason Bloomberg, kein funktionierendes Geschäftsmodell mit der Messanger-App und suche nun nach Geldmitteln, um die in der Vergangenheit aufgenommenen Unkosten zu decken.

Venezuela: Die erste ICO für die Staatskasse

Dass ein sozialistisches Land als erstes Land überhaupt eine ICO benutzt, um die Staatskasse aufzufüllen, kommt unerwartet. Doch Not macht bekanntlich erfinderisch. Venezuela, das durch sozialistische Misswirtschaft und fallende Ölpreise zerrütete südamerikanische Land, hat kürzlich begonnen, den „Petro“ per ICO zu verkaufen.

Ein Petro wird laut der Regierung durch ein Barrel Rohöl, was etwa 159 Liter sind und derzeit auf den Weltmärkten etwa 60 Dollar kostet, gedeckt. Die Regierung von Venezuela verkauft nun 100 Millionen Petros zu je 60 Dollar. Später sollen die Petro-Token zu einem regulären Zahlungsmittel werden, mit dem man in Venezuela Steuern, Gebühren und andere öffentliche Dienstleistungen bezahlen kann. Wie bei allen ICOs gibt es ein (spanisches) Whitepaper, das beschreibt, wie der Petro funktionieren soll. Diesem zufolge wird er als ERC20-Token auf der Ethereum-Blockchain prozessiert.

Zunächst aber nimmt das Land durch den Verkauf der Petro ein. Laut Präsident Nicolás Maduro haben Investoren bereits Petro im Wert von 735 Millionen Dollar gekauft. Einen Beweis dafür gibt es aber nicht, wie auch nicht bekannt ist, ob die Petro durch echte Dollar oder durch Kryptowährungen erworben. Es wäre natürlich eine nette Wendung, wenn die Regierung von Venezuela, nachdem sie gegen Bitcoin vorging, nun mehr als 700 Millionen Dollar in Kryptowährungen hätte.

Manche Senatoren in den USA sind von all dem wenig entzückt. Für sie stellt der Verkauf von Petro lediglich eine Methode dar, durch die Venezuela die Sanktionen der internationalen Gemeinschaft umgeht, um sich Geld auf den ihnen ansonsten nicht oder nur eingeschränkt zugänglichen internationalen Märkten einzusammeln. Herzlich willkommen im 21. Jahrhundert.

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17 Kommentare zu Zwei unerwartete Monster-ICOs

  1. Nach dem „Petro“ (angeblich durch Ölreserven gedeckt) bringt Venezuela nun mit dem „Petro Gold“ (angeblich mit Gold besichert) noch eine zweite Digitalwährung auf den Markt.

  2. Das sozialistische Venezuela ist pleite und braucht dringend Plata weil die Revolution vor der Tür steht.

  3. “ Zwei unerwartete Monster-ICOs “

    …ich bin eher überrascht zwei unerwartet alte Nachrichten zu lesen, die scheinbar eher als Lückenfüller dienen…

  4. Michael Schulze // 22. Februar 2018 um 19:06 // Antworten

    So ein bullshit. Dieser Petro ist noch auf keinem changer handelbar.

  5. Michael Schulze // 22. Februar 2018 um 19:09 // Antworten

    Alle beide völlig wertlos.

  6. „Petro“ wird ein Mega-Flop. Es kann eigentlich gar nicht anderes werden, wenn man sich das sog. White-Paper durchliest (bzw. all das durchdenkt, was dort NICHT drinsteht) und die Art und Weise anguckt, wie die Währung eingeführt wird. Die angeblichen Sicherheiten durch das Öl sind im Grunde de-facto gar nicht gegeben, die geplanten ICO Phasen sind abwicklungstechnisch eine Katastrophe.
    Schade eigentlich, denn das Scheitern des „Petro“ könnte andere Länder (Schweden u.a.) davon abhalten, ähnliche Projekte zu verfolgen.
    Außerdem könnte die „Petro“ Einführung zu keinem schlechteren Zeitpunkt kommen – der Bitcoin stürzt gerade voll ab -> https://ibb.co/ioK8hc (der GD38 wurde gerade durchbrochen, GD200 folgt vermutlich bald) und wird vermutlich diesmal ganz-ganz tief fallen, manche Analysten reden schon von 4000 bis 2000 USD als Bodenbildung. Dafür kann der „Petro“ zwar nichts aber der Zeitpunkt ist extrem schlecht und wird ihm zweifelsohne zusätzlich schaden.

  7. Zum Petro gibt es auch ein englischsprachiges Whitepaper : http://www.elpetro.gob.ve/Whitepaper_Petro_en.pdf

    Der Petro basiert nicht auf Ethereum/ERC20, sondern auf der NEM Blockchain.

  8. Man kann getrost beides als Scam bezeichnen.

    Warum braucht Telegram 1 Milliarde USD, jetzt doch 2 Milliarden für die Entwicklung einer Blockchain? Die besten mir bekannten Kryptographen nehmen bis zu $1k / Arbeitstag als Freelancer, bei einer Festanstellung dürfte das deutlich weniger sein. Seis drum, das sind $240k Jahresgehalt. Ein Top Entwickler dürfte sicher nicht mehr kosten. Das sind also 8000 Mannjahre und es bleiben noch $80M für die Portokasse… Großartige Infrastruktur müssen sie ja nicht aufbauen, denn die Blocks werden von Validatoren per PoS erstellt.
    Das Problem, eine gute Blockchain aufzubauen ist nicht das Geld, wie man bei Monero sieht und alle FFS Requests finanziert wurden, auch zwei PhD Researcher die seit über einem Jahr mit einem Monatsgehalt von über $10k nur für das Projekt arbeiten und neue Kryptographie evaluieren, testen etc. Es gibt etliche Dinge, die bereits implementiert werden könnten, aber es fehlt an fähigen Leuten… Und Monero hat für viele Krypto-Experten noch einen Prestige Vorteil, weil es komplett Open Source und dezentralisiert ist und keine Firma oder Foundation dahinter steckt. Leider gibt es aber nur sehr wenige Experten, die die Kryptographischen Funktionen so weit verstehen, dass sie sich zutrauen, eine Währung darauf aufzubauen.
    Das Whitepaper sieht eher danach aus, als ob es aus allen möglichen Whitepapers, die sie finden konnten, zusammengeschustert ist.
    Fazit: Das Geld wird für den Betrieb von Telegram verwendet, inklusive schöner Boni und alles was dazugehört. Eine Blockchain wie sie im Whitepaper beschrieben wird, wird es jedoch zumindest binnen 5 Jahren nicht geben.

    Venezuela ist komplett heruntergewirtschaftet worden, obwohl es aufgrund seiner Bodenschätze mal ein sehr reiches Land war. Es mangelt massiv an Nahrung, was zu solchen Absurditäten kommt, dass verzweifelte Menschen selbst Zootiere schlachten. Es gibt keine Arbeit, und wenn, dann zu solch absurden Konditionen: https://twitter.com/kejalvyas/status/964541829327794178
    8$ pro Monat und eine Packung Eier pro Woche als Security…
    Die Landgrenzen sind seit einigen Tagen dicht, man kommt nur noch auf dem Luftweg aus dem Land heraus.
    Das Geld aus dem ICO wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu einem Großteil dazu verwendet werden, um die Eliten bei Laune zu halten. Zum Umsturz kommt es früher oder später so oder so und eine neue Regierung oder das Militär werden sich ganz sicher nicht um die „versprochene“ Deckung mit Öl für die ausländischen Spekulanten scheren.
    Statt sein Geld in einen korrupten ICO zu stecken, sollte man lieber die wenigen noch dort anwesenden Hilfsorganisationen unterstützen.

    • Warum braucht irgendein ICO dreistellige Millionenbeträge?
      Das ist doch nicht die Frage, die sich stellt. Selbstverständlich nimmt jedes Team gerne so viel wie sie bekommen können, Kapitalismus halt, sollte keinen verwundern. Dass das Geld zum Betrieb und zur Weiterentwicklung von Telegram einerseits und zur Entwicklung von TON verwendet werden soll, wurde von Anfang an so kommuniziert bzw. zum Jahreswechsel geleakt…

      Zu Beginn hatte ich auch überlegt, beim ICO teilzunehmen, aber nach dann 2 Runden institutioneller Investoren, die sicher mit signifikantem Discount gekauft haben, ist das vermutlich recht riskant.
      Wenn bzgl. der Modalitäten der pre-ICOs komplette Transparenz geschaffen wird vor dem öffentlichen ICO, werde ich evtl. nochmal drüber nachdenken. Dass dadurch der Betrieb von Telegram langfristig gesichert ist, finde ich übrigens sehr gut 🙂

  9. Mit dem ICO setzt Venezuela ein klares Zeichen gegen den Dollar. Sollte dieser gelingen könnten noch andere Staaten dem Vorbild folgen. Jedoch ist es bedenklich wenn bereits ganze Staaten auf Kryptowährungen setzen. Thema Bargeldabschaffung!

    • Außer Venezuela sollen es auch schon der Iran und die Türkei sein. Nachdem es ausgerechnet diese Staaten sind, die momentan keinen guten Ruf haben, sieht das für mich doch eher nach einem Versuch der Diskreditierung der Kryptowährungen aus.
      らんま

  10. Am 5. Januar 2018 kündigte Präsident Maduro an, dass Venezuela 100 Millionen Petro-Tokens ausgeben würde, was einem Gesamtemissionsvolumen von knapp über 6 Milliarden Dollar entsprechen würde. Dazu wurde auch eine Regierungsberatungsgruppe mit dem Namen VIBE gegründet, um als „eine institutionelle, politische und rechtliche Basis“ zu fungieren, von der aus man das Petro starten kann. Carlos Vargas ist der staatliche „Superintendent der Kryptowährungen“.

    In einem durchgesickerten Dokument (https://www.reuters.com/article/us-venezuela-economy-cryptocurrency/u-s-warns-investors-over-venezuelas-petro-cryptocurrency-idUSKBN1F52AB), das von Reuters überprüft wurde, empfahl VIBE, dass die Regierung Petro-Tokens im Wert von 2,3 Milliarden US-Dollar im Rahmen eines Privatangebots (ICO) mit einem Rabatt von bis zu 60% verkaufen sollte, was darauf hindeutet, dass „Maduros Bewertung des aufkeimenden Petro mit einer erheblichen Marktskepsis konfrontiert ist“, gefolgt von 2,7 Millionen Dollar Petros, die einen Monat später der Öffentlichkeit angeboten wurden, wobei der Rest „zwischen der Regierung und VIBE aufgeteilt“ wurde. Es schlug auch vor, dass die Regierung Steuerzahlungen in Petros akzeptiert und PDVSA, die staatliche Ölgesellschaft des Landes, erlaubt, Kryptowährungen in ihre Geschäfte mit ausländischen Unternehmen zu integrieren.

  11. Also man kann über Maduro sagen und denken was man will, aber eines ist sicher: Wenn das ein Erfolg wird (und die Wahrscheinlichkeit ist sehr hoch) dann ist ihm ein Platz in den Geschichtsbüchern sicher. Der Petro ist der Anfang vom Ende aller Fiat-Währungen auf diesem Planeten. Ich bin verdammt froh dass die das machen und es wird uns die Möglichkeit geben, nicht nur Cryptowährungen frei (ohne KYC-Quatsch und sonstigen Regulierungen) zu handeln, sondern auch Fiat (ich setze mal Petro=Fiat). Vielen, vielen Dank, Senor Maduro!

  12. Charles Ponzi // 24. Februar 2018 um 8:44 // Antworten

    Wie kann man denn so naiv sein und glauben, Petro KÖNNTE ein Erfolg werden?
    Eine kurze Petro-Quiz-Checkliste:

    Der Gründer interagiert mit allen Neuinvestoren? – JA, check!
    Der Teilnehmer muss nur investieren, aber sonst nicht tätig werden. Die Quelle der Gewinnausschüttungen wird verschleiert.? – JA, check!
    Hohe Gewinne mit keinem oder nur kleinem Risiko. Man muss nur Geld überweisen und sonst nicht selbst tätig sein. – JA, check!

    Auflösung : Alle Symptome eines klassischen PONZI-BETRUGSSYSTEMs sind erfüllt
    (https://de.wikipedia.org/wiki/Schneeballsystem)

    Funktionsweise: Mit den Einzahlungen von Neukunden werden die Gewinnausschüttungen jetziger Kunden finanziert.
    Kollaps: Relativ langsam, insbesondere wenn zufriedene Kunden die Gewinnausschüttungen reinvestieren.

    Es funktioniert einfach immer wieder, es werden wohl auch diesmal ganz viele drauf reinfallen. Wer’s braucht und nicht lernfähig ist… Die begeisterten „Vielen, vielen Dank, Senor Maduro!“ Rufe sind mir persönlich unbegreiflich. Vielen Dank WOFÜR?

    • Petro ist eine Währung, keine Aktie, es geht also nicht um irgendwelche Gewinnausschüttungen. Ich brauche auch keine Gewinnausschüttungen. Alles was ich brauche ist eine Währung, die möglichst überall akzeptiert wird und wenn ich damit sogar meine Steuern bezahlen kann… wunderbar. Ein weiterer wichtiger Aspekt bei einer Währung ist Wertstabilität und genau darum geht es u.a. beim Petro, er ist (im Gegensatz zu allen normalen Fiat-Währungen) durch irgendwas gedeckt, in diesem Falle durch Öl. Mir ist natürlich klar, dass es schwierig sein wird diese Deckung zu „überprüfen“, aber immerhin, die Absicht ist da. Ich weiss gar nicht woher der Gedanke kommt von „Gewinne“ und „Gewinnausschüttungen“, darum geht es gar nicht, ich will damit nichts „gewinnen“, wie gesagt, es ist eine Währung, keine Aktie und Dividende gibt es auch keine…

      • Charles Ponzi // 24. Februar 2018 um 23:27 //

        Wenn das nur eine Währung ist, warum will die Regierung Geld dafür haben?
        Warum muss man für Petros US Dollar zahlen?
        Es ist unlogisch.

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