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Bitcoin ist hochpolitisch!

Nachdem der angekündigte, aber nun abgesagte Vortrag der AFD-Politikerin Alice Weidel auf der UNCHAIN-Konferenz für Aufregung gesorgt hat, erklärt Mitorganisator Aaron Koenig, warum die Veranstaltung Bitcoin als hochpolitisches Geld versteht – aber dies nichts mit rechts zu tun hat.

Text von Aaron Koenig

In letzter Zeit gab es einige Diskussionen darüber, welche politische Rolle Kryptowährungen spielen. Einige Medien behaupten sogar, “rechtskonservative” oder gar “rechtsextreme” Kräfte würden das Thema für sich besetzen. Das ist allerdings völliger Unsinn.

Bitcoin und seine Nachfolger sind nicht angetreten, um das bestehende Geldsystem zu konservieren, sondern um es zu revolutionieren. Es geht darum, die Macht der Banken und der Regierungen zu brechen. Ich wüsste nicht, was daran “konservativ” sein sollte.

Unter “rechtsextrem” wird im deutschen Sprachraum vor allem der Nationalsozialismus verstanden, also eine Ideologie, die den “Staat” und das “Volk” über alles stellt, die Rechte des Individuums hingegen missachtet.

Die politische Grundlage Bitcoins ist hingegen der Libertarismus, bei dem es darum geht, die Macht von Regierungen streng zu limitieren. Die Freiheitsrechte des Einzelnen werden von Libertären als höchstes Gut angesehen, und finden Ihre Grenzen erst dort, wo die Freiheitsrechte anderer eingeschränkt werden. Diese politische Denkschule steht dem Nationalsozialismus und anderen totalitären Ideologien also diametral gegenüber.

Einige Bitcoin-Anhänger gehen sogar soweit, jede Form von Regierung in Frage zu stellen. Sie wollen eine Gesellschaft, die ganz ohne Zwang auskommt und ausschließlich auf freiwilligen Vereinbarungen beruht. Libertäre Vordenker wie Murray Rothbard, David Friedman oder Hans-Hermann Hoppe haben sich mit solchen neuartigen Gesellschaftsmodellen beschäftigt.

Susanne Tarkowski Tempelhof

Wir werden uns auf unserer Konferenz UNCHAIN, die Ende Mai / Anfang Juni in Hamburg stattfindet, eingehend mit dieser spannenden Thematik befassen. Dort wird unter anderem Susanne Tarkowski Tempelhof auftreten, die mit ihrem Projekt Bitnation Dienstleistungen anbietet, für die man bisher glaubte, eine Regierung zu benötigen. Grundbücher, Pässe, Eheschließungen und viele andere Dinge, die bisher unter dem Monopol zentraler Autoritäten standen, können heutzutage durch Blockchain-Technologie realisiert werden. Dieser radikale Ansatz soll die Gründung neuer “Nationen” ermöglichen, die nicht auf Geographie beruhen, sondern auf dem freiwilligen Zusammenschluss Gleichgesinnter.

Titus Gebel

Nicht weniger radikal, wenn auch nicht ganz so utopisch, ist die Idee von Titus Gebel, der mit seinen Free Private Cities eine bessere Alternative zum Auslaufmodell Staat schaffen möchte. Die Bürger einer privaten Stadt beziehen und bezahlen als freiwillige Vertragspartner Dienstleistungen von einem Unternehmen, das die Stadt verwaltet. Das können zum Beispiel Sicherheitsdienste zum Schutz von Leben und Eigentum der Bürger sein. Wenn ein Stadtmanagement seinen vertraglichen Verpflichtungen nicht nachkommt, kann man es verklagen, die Zahlung der Gebühr verweigern oder den Vertrag kündigen und in eine andere Privatstadt ziehen, deren Management besser arbeitet.

Sterlin Luxan

Unser Referent Sterlin Luxan von Bitcoin.com geht sogar soweit, sich als Anarchist zu bezeichnen. Ich finde diesen Begriff eher unglücklich gewählt, weil die meisten Menschen unter Anarchie Chaos und die Abwesenheit von Regeln verstehen. Die eigentliche Definition von Anarchie ist jedoch lediglich, dass es keine Herrschaft gibt. Regeln für das menschliche Zusammenleben bestehen sehr wohl, doch sie beruhen auf freiwilliger Übereinkunft, nicht auf Zwang. Ich bin sehr gespannt auf Sterlins Vortrag über den Zusammenhang zwischen Kryptowährungen, Blockchain-Technologie und einer herrschaftsfreien Gesellschaft.

Wir hatten ursprünglich überlegt, auch deutschen Parteipolitikern die Gelegenheit zu geben, zur politischen und gesellschaftlichen Bedeutung von Kryptowährungen Stellung zu nehmen. Wir haben Politiker verschiedener Parteien angefragt, auch wenn mir nur sehr wenige bekannt sind, die von diesem Thema Ahnung haben. Nachdem Frank Schäffler von der FDP und Alice Weidel vom liberalen Flügel der AfD nach anfänglichen Zusagen leider aus terminlichen Gründen wieder absagen mussten, haben wir uns entschieden, ganz auf Parteipolitiker zu verzichten.

Der Schwerpunkt der UNCHAIN liegt auf praktischen Anwendungen von Kryptowährungen und der Blockchain. Unsere Kernzielgruppe sind Entscheider in Unternehmen, die mehr über diese Technologie erfahren wollen, weil sie spüren, dass hier eine Revolution im Gang ist, die Wirtschaft und Gesellschaft massiv verändern wird.

Insofern ist unsere Veranstaltung natürlich hochpolitisch, und das muss sie sein. Es gibt wohl kein politisch brisanteres Thema als die Revolution des Geldsystems und die Abschaffung von Herrschaft. Schon unser Name UNCHAIN drückt aus, dass es beim Thema Bitcoin in erster Linie um die Freiheit des Einzelnen geht.

Wir freuen uns sehr auf kontroverse Diskussionen mit unseren Sprechern und Gästen!

Über Christoph Bergmann (2796 Artikel)
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30 Kommentare zu Bitcoin ist hochpolitisch!

  1. Selbst übertroffen, sehr guter Artikel!

  2. Fabian Suhr // 3. März 2018 um 8:36 // Antworten

    TL;DR

    Meine 0.00000002 BTC Meinung dazu: Als Nutzer möchte nicht, dass irgendeine Kryptowährung nur annähernd politisch instrumentalisiert wird, schon gar nicht Bitcoin, egal von welcher Seite oder Partei oder was auch immer.

    Diese Pseudo-Diskussionen, wie welche Partei zur Bitcoin-Frage steht, langweilen mich persönlich nur. YMMV

    • Da verstehe ich dich gut, aber auch nicht-Politik ist Politik nur die andere Seite der Medaille. Man kommt da nicht raus, schon garnicht solange es noch Politiker gibt.

      • Fabian Suhr // 3. März 2018 um 9:12 //

        Ja, richtig. Das ist mir schon klar. Was ich mir dennoch wünsche, ist dass Kryptowährungen möglichst wenig auf die Politik-Seite der Medaille „gezogen“ werden, das bleibt dieses Thema weitgehend neutral. Manche Themen muss man meiner Meinung nach nicht zwangsläufig politisch besetzen. Die Politiker wird es sicher noch lange geben. Sie sollen sich mit den wichtigeren klassischen Themen der Politik befassen. Bitcoin ist kein klassisches Politik-Thema und das soll auch so bleiben. Das wünsche ich mir.

  3. Fabian Suhr // 3. März 2018 um 10:28 // Antworten

    Übrigens, das Satoshi-Zitat, das in weißen Lettern über dem brennenden Bitcoin auf dem Blog-Meme schwebt und sowas wie eine Antwort auf die Glaubensfrage darstellen soll, war ursprünglich auch kein politisches.

    Das war nur eine Äußerung zur Frage, ob ein Snack-Automat bei Bezahlung mit Bitcoins es tatsächlich unter 10 Sekunden pro verkauftem Schoko-Riegel schafft, mehr nicht -> https://bitcointalk.org/index.php?topic=532.msg6306#msg6306

    Aber im Nachhinein wird aber alles hochpolitisch, jede beiläufige Äußerung zu einem ganz anderen Thema, egal… Hauptsache es macht eine gute Meme-Schlagzeile her. so scheint es 😉

  4. Schade, ich hatte eigentlich vor, aufzutauchen und sich die Weidel durch gezielte Fragen selbst demontieren zu lassen. Ihre Kompetenz stelle ich jedenfalls ausdrücklich in Frage…

    • Fridolin Frei // 4. März 2018 um 0:32 // Antworten

      Es gibt keinen Grund Rechte auftreten zu lassen – als ob es an normalen Meinungen fehlen würde. Für mich ist es keine Frage ob Expertise vorhanden ist oder nicht. Wer die Freiheit der Menschen beschränken will sollte nicht die Bühne der Freiheit nutzen wie der Wolf im Schafspelz. Wir als freiheitsliebende Bitcoiner sollten uns gegen diesen Stumpfsinn entschiedener aussprechen.

  5. Es gibt keinen Grund weshalb Bitcoin nicht politisch sein soll. Das sieht man schon aus dem Umstand weshalb Bitcoins gegründet wurden. Und der Artikel macht es ebenfalls mehr als deutlich. Ich kann ebenfalls alle verstehen, welche wollen, dass sich die Politik raushält. Das wird jedoch definitiv nicht geschehen. Sobald etwas an zu viel Macht bekommt wird es zwangsläufig politisch, egal was. Der Umstand weshalb es der Bitcoin nun auf die Traktandenliste der G20 geschafft hat, ist dass er „zu gross / mächtig“ geworden ist. Wäre der Wert von Bitcoin nicht über 1000 USD gekommen. Hätte diese Ehre/Katastrophe, je nach Sichtweise, auch in 10 Jahren nicht passieren können.

    Ich finde auf lange Frist (5-20 Jahren) gibt es zwei Möglichkeiten. Die erste wäre, der Bitcoin wird politisch akzeptiert und reguliert. Dies hat zur Folge, dass der Bitcoin einige Eigenschaften von Heute verlieren wird. Dafür wird er langfristig stabiler und es wäre sogar möglich, dass Notenbanken ihn ins Depot aufnehmen. Als Beispiel für eine mögliche Regulierung: Zahlungen dürfen nur noch von „registrierten Adressen“ akzeptiert werden. Die Registrierungspflicht könnte zum Beispiel auf Grund von Terrorismusfinanzierung oder möglicher Steuerhinterziehung eingeführt werden.

    Die zweite Möglichkeit wäre eine Ächtung des Bitcoins durch die Politik. Falls dies geschehen wird, wird es nicht mehr möglich sein bei grossen Firmen mit Bitcoin zu bezahlen. Dadurch würde der Wert nicht mehr steigen, jedoch würde der Grundgedanke gewahrt bleiben. Die „anarchistische“ Währung welche sich gegen das etablierte System auflehnt.

    Aktuell denke ich eher, es wird auf eine Regulierung als auf ein Verbot hinauslaufen. Aber egal was auch immer passieren wird… Ich finde es toll diesen Krimi weiter zu beobachten. Es bleibt weiterhin sehr spannend… 

  6. Ist mir schon klar, daas das Satoshi-Zitat aus einem anderen Kontext stammt. Ich finde trotzdem, dass es super passt.

  7. Name required // 3. März 2018 um 14:57 // Antworten

    Geld sollte niemals politisch sein. Ob Notenbankgeld oder Krypto.

    Und was die aufgeführten Utopien angeht: Völliger Quatsch.

    Geht doch bitte ‚mal nach Syrien und versucht, Assad eine Staatsform ohne Zwang schmackhaft zu machen, oder Putin, oder Trump. Oder Merkel. Wird nicht funktionieren. Wie sollte man Mörder ohne Zwang bestrafen, oder sonstige Straftaten?

  8. Lies mal etwas von Rothbard, Friedman oder Hoppe zu dem Thema. Klar muss man echte Straftaten auch mit Gewalt verhindern. Das muss aber nicht unbedingt Staatsgewalt sein. Klar gibt es bei einer Privatrechtsgesellschaft noch viele unbekannte Faktoren und perfekt funktionieren wird sie auch nicht. Aber schlechter als das bisherige auf Zwang und Hierarchien basierende System wird sie nicht sein.

  9. herzmeister // 3. März 2018 um 21:44 // Antworten

    kind is schon in den brunnen gefallen, zu spät, und aaron koenig ist selber eine unglückliche figur mit belasteter vergangenheit, die oft von den medien aufgegriffen wird.

    leider sind die meisten simplizistisch-libertären figuren auch sehr rechtslastig, siehe die wandlung von leuten wie stefan molyneux.

    von typen wie hans-hermann hoppe ganz zu schweigen. nur weil „freiheitlich“ draufsteht, ist es noch lange nicht drin, wenn man mal sich die mühe machen und ein wenig tiefer bohren würde. hoppe will unangepasste „unpersonen“ (z.b. „hippies“, „schwule“), die also nicht auf die genau gleiche „freiheitliche“ weise denken wie er, *gewaltsam* aus „der gesellschaft“ entfernen lassen… ich glaub, ich muss das nicht weiter ausführen.

    ein ganz ganz schmaler grad das alles also.

    aaron koenig sollte nicht als sprachrohr für die bitcoin-community gesehen werden.

    shitcoins wie dash kann er gerne weiter pumpen, da wächst dann eh zusammen, was zusammen gehört.

    • Great minds discuss ideas; average minds discuss events; small minds discuss people.
      (Eleanor Roosevelt)

      Und offenbaren nicht Beschimpfungen noch Kleineres?

      • herzmeister // 4. März 2018 um 18:47 //

        1. ich hab hier nicht angefangen, mich auf bestimmte „people“ zu berufen

        2. bestimmte „people“ stehen ziemlich repräsentativ für bestimmte ideen

        3. wo ist das argument?

        4. um weiterführunge ideen zu erörtern jenseis des vulgärlibertarismus ist dies hier wohl nicht der richtige rahmen.

      • Sagen Sie mal herzmeister, Sie wollen zum Thema „Bitcoin ist hochpolitisch!“ den Rahmen abstecken? Was maßen Sie sich eigentlich an?
        Vulgär ist im Übrigen einzig Ihr – in der Tat inhaltlich argumentfreier – Beitrag (vom 3.3.2018 21:44).

      • herzmeister // 9. März 2018 um 21:12 //

        das argument ist da. arbeite an deinem textverständnis. muss ich das wirkllich ausbuchstabieren? freiheitsverständnis ist subjektiv. unter dem deckmantel „libertarismus“ werden eher gar oft grausige ideen verbreitet, beispiel wurde genannt. der diskurs von leuten wie aaron könig ist (at best) oberflächlich.

  10. Oskar Giese // 4. März 2018 um 0:30 // Antworten

    da hier von einem “kleinen skandal“ die rede ist, wüsste ich gern ganz genau, worin dieser begründet sein soll. mit skandal kann doch nur gemeint sein, dass sich selbsternannte gesinnungspolizisten und medien in diesem land aufschwingen, wie selbstverständlich (?!) zensur und repression gegenüber anders denkenden einzufordern. unabhängig davon, ob man frau weidel gut findet oder nicht, muss auf einer veranstaltung wie dieser konferenz und in einer freien gesellschaft jeder selbstverständlich sprechen dürfen, solang es sich dabei nicht um rechtswidrige inhalte handelt. aktuell hat eher die regierung ein erkennbares problem mit schwerwiegender rechtswidrigkeit, siehe z.b. jüngst der fall johanna wanka. dass frau weidel hingegen ermahnungen vom bundesverfassungsgericht empfängt, ist mir nicht bekannt. frau weidel zur veranstaltung zu laden, und dort zu sachthemen sprechen zu lassen, muss daher genauso legitim sein, wie z.b. eine angela merkel, einen sigmar gabriel oder eine sarah wagenknecht der sed-nachfolgepartei die linke (o-ton oskar lafontaine) einzuladen. was genau ist also damit gemeint, wenn hier einleitend von einem skandal gesprochen wird?

    PS: im von steuergeldern fürstlich bezahlten staatsfernsehen zur besten sendezeit treten laufend personen in talkshows auf, von rechtsradikalen bis hin zu landesbekannten salafisten (pierre vogel & co.), die eindeutig unter beobachtung des verfassungsschutzes stehen, um auf diesem kanal reichweitenstark über ihre wirren ideologien zu schwadronieren. wie gesagt: vom steuerzahler finanziert und zur besten sendezeit vom staatsfernsehen kuratiert sowie übermittelt. hier dagegen soll die fraktionsvorsitzende der drittgrößten partei im deutschen bundestag nicht sachlich zum thema auf einer kleinen, privatwirtschaftlich organisierten veranstaltung sprechen dürfen, ggf. sogar noch neben politikern anderer fraktionen? vor einem erwachsenen publikum, das sich freiweillig karten hierfür kauft? wo lebe ich inzwischen eigentlich? über was diskutieren wir? wo ist hier welcher skandal?

    • Hallo Oskar, „Skandal“ ist vermutlich Definitionssache, und wenn ich schreibe, „kleiner Skandal“, meine ich eher „Sturm im Wasserglas“. Aber da man das missverstehen kann, habe ich den Vorspann geändert.

      Ich hätte übrigens gerne gehört, was Frau Weidel gesagt hat, und ich bin sicher, sie wäre auch eine gute Rednerin gewesen.

  11. Oskar Giese // 4. März 2018 um 0:55 // Antworten

    @herzmeister: zum verständnis… sie sagen „shitcoins wie dash kann er gerne weiter pumpen, da wächst dann eh zusammen, was zusammen gehört.“ shitcoins sind wertlose assets nach herrschender community-definition, konstatiere ich. demnach setzen sie hier aaron koenig als menschen mit einem wertlosen coin gleich. das ist doch korrekt bzw. ihre intention, oder?

    • herzmeister // 9. März 2018 um 21:14 // Antworten

      kann man meinetwegen so stehen lassen. ihr könnt euch auch gern die deutsche-emark.de pumpen. passt imho noch viel besser.

  12. Fabian Suhr // 4. März 2018 um 12:05 // Antworten

    Die aus meiner Sicht zwei besten Aussagen zu dem Thema kommen in dem o.g. „Declaration …“ Video vor (https://youtu.be/XQqZ9b0S0BY?t=126). Mehr als diese zwei Sätze muss man aus meiner Sicht zu diesem ganzen Thema gar nicht sagen:

    „Bitcoin needs not entities of authority to acknowledge it, regulate it, tax it or incorporate it.“
    „Crypto currencies do not pander to the power structures, they undermine them.“

    Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.
    Alles andere was hier so heiß diskuttiert wird, wie welche Partei oder Regierung etwas dazu sagen muss oder nicht ist völliger Bullshit.

  13. Was in der gesamten Diskussion ausgeblendet wird, insbesondere auch von den Anarcho-Kapitalisten/Libertaristen wie König, ist, was Herrschaft eigentlich bedeutet.

    Von ihnen wird sie einfach mit staatlicher Herrschaft gleichgesetzt, nach dem Motto: Kein Staat = keine Herrschaft, weniger Staat = weniger Herrschaft.

    Hier ist aber zu hinterfragen, inwiefern der Staat durch den Kapitalismus bestehende Herrschaftsverhältnisse (etwa durch Eigentum an den Produktionsmitteln) kompensiert, etwa durch Steuern, indem er denen, die kein solches Eigentum haben, zumindest ein Leben in Würde garaniert. Welche Herrschaftverhältnisse des Kapitalismus? Diese erkennt man z.B. daran, dass Kreditkartenunternehmen entscheiden können, dass Cryptowährungen nicht mehr mit dem Alltagszahlungsmittel in den USA, der Kreditkarte, gekauft werden können. Sie legen somit die Rahmenbedingungen für das Leben und Handeln der Menschen fest.

    Die Idee, allen ein Leben in Würde zu garantieren, war die Idee des Sozialstaates, der sich bereits seit den Krisen Ende der 70er im Abbau befindet. Im Kern geht es dabei um die Frage, wem das gesellschaftlich erarbeitete Reichtum zukommen soll: Allen (Sozialstaat), oder denen, die bereits Reichtum angehäuft haben (Kapitalakkumulation->Kapitalismus).

    Was schaffen Cryptowährungen nun in dieser Konstellation? Das ist in der Tat eine spannende und politische Frage.
    Zunächst tragen sie weiter zum Abbau des Einfluss des Staates bei – ein Prozess, der von manchen Wissenschaftlern als Angleichung an Verhältnisse der Dritten Welt beschrieben wird (siehe auch nächster Abschnitt). Zweitens sind sie insofern revolutionär, weil sie eine neue Gruppe an Kapitalbesitzern hervorbringen, die Informatiker sind. Drittens gibt eine Tendenz der Ablösung von Juristen durch Wirtschaftswissenschaftler in der Elite (1). Bedingen Cryptocurrencys einen weitergehenden gesellschaftlichen Wandel, steht uns ggf. ihre Ablösung durch Informatiker bevor. Soweit ein kurzes Brainstorming auf die Schnelle.

    Ich behaupte, es ist kein Zufall, dass gerade die reichen Early Adopter libetaristische Positionen vertreten – sie vermögen es mit dem Rückzug des Staates, ihre eigene Macht zu mehren und ihre Herrschaftsposition zu festigen. Ein gutes Beispiel dafür ist Puertopia (2), eine Stadt, die von wenigen entwickelt wird, die das Leben aller Menschen bestimmen können – etwa über die Architektur, die Lebensbedingungen, die Auswahl der Bewohner. Wenn das mal keine totale Herrschaft ist. So vertragen sich Libertarismus und Kapitalismus ganz gut – und führen zur Herrschaft Einzelner (Familiendynastien), die weder legitimiert (wie Politiker) noch ablösbar sind. Ein Beispiel für eine derartige Gesellschaft findet sich in der Popkultur mit Altered Carbon – hier dient der Staat den in der Utopie eigentlich Herrschenden: Den Besitzenden.

    (1) die gesellschaftlich einflussreichesten Positionen in Wirtschaft, Politik, Gewerkschaften, Kirchen etc., nicht Kapitalbesitzer
    (2) https://bitcoinblog.de/2018/02/05/puertopia-wohin-die-ico-milliardaere-fluechten/

  14. Sehr guter Kommentar, Alex!
    Parteien, die eine libertäre Politik vertreten, sind in vielen Ländern eher rechts einzuordnen. Meist nicht rechtsextrem (gibt’s aber auch, FPÖ), aber doch immer rechts als Gegensatz zum linken Ideal des sorgenden Staates. Dieser Gegensatz wird in den USA ja besonders deutlich, wo die Republikaner sich zu einem großen Teil über Staatsferne definieren. Was dann aber eben solche Auswüchse annimmt wie gegen Krankenversicherungen zu sein, weil das ja in die persönliche Freiheit einschneide. Keine gesetzliche Krankenversicherung zu haben, schränkt aber die Freiheit ärmerer Menschen stark ein. Überhaupt wird das im Text genannte Argument „alles erlaubt, bis die Freiheit anderer eingeschränkt wird“ m.E. von Libertären nicht wirklich angewandt, weil sehr viel dieser freien Entscheidungen eben doch die Freiheit anderer einschränken, die sich aber nicht wehren können. Wer sich frei seinen Parkplatz aussucht, blockiert vielleicht einen für Rollstuhlfahrer wichtigen Weg. Wer frei jeden Tag Fleisch isst, trägt zur Verseuchung des Grundwassers aller anderen durch Nitrat bei, wer frei durch die Welt jettet, macht durch den Klimawandel die Lebensgrundlage von Millionen mit kaputt und wer frei keine Steuern zahlt, verunmöglicht die Ausbildung ärmerer Kinder und den Bau von Infrastruktur für die Allgemeinheit. Diese Liste ließe sich beinah endlos fortsetzen. Wenig Staat führt sehr leicht zu einer Herrschaft des Stärkeren, wie man schon in den Städten beobachten kann, in denen der Verkehr mangels Personal kaum noch kontrolliert wird…

  15. Zu behaupten Alice Weidel sei vom liberalen Flügel der AFD, ist schon hanebüchener Mist. Man möge doch bitte einmal Weidels Twitter Account durchschauen: Bitte gebt mir doch Bescheid, wenn jemand einen liberalen Tweet findet, ich suche schon verzweifelt danach.

    • Punkt für Sie. Ich habe eben gestöbert, habe wirklich nichts gefunden. Bäh, Muslime, Bäh, Umwelthilfe, bäh CDU, juhu deutsche Sprache, juhu (deutscher) Diesel. Danke für den Hinweis.

  16. Übrigens hat der ganze Artikel einen „Wolf im Schafspelz“ Charakter. Die eigentliche Gesinnung des Texters wird deutlich. Obwohl hier in der Einleitung lange darauf behaart wird, sich als libertärer von rechts abgrenzen zu wollen, verfällt der Plan, nachdem die Absagen der FDP und AFD Politiker und deren Absagen „bedauerlich“ genannt werden. Schließlich hält man es für richtig, die Politik dann ganz auszuladen. Aha. Verstehe.
    Insgesamt passt es aber zum immer wiederkehrenden historischen Kontext: Libertäre preschen mit Innovationen – unter der Gewissheit des immensen Eigenvorteils – vor, und verkaufen das als Ideologie, die für jedermann kopierbar sei. Anschließend rutscht die ausgenommene Mehrheit nach rechts. Die Katastrophe nimmt ihren Lauf.

    Ich bin eigentlich gerne Teilnehmer der Krypto-Community. Allerdings schrecken mich zunehmend wirre Geister in der Szene ab.
    Ich habe sowieso nie wirklich verstanden, wieso Libertäre die Blockchaintechnologie für sich beanspruchen. Im Gegenteil: Es ist doch ein einziger Push fürs Gemeinwesen.

    Das ein Christoph Bergmann, dessen Feingeist ich eigentlich immer zu schätzen wusste, so einen Text hier zulässt, verunsichert mich.

    Von diesem Blog nehme ich erst einmal Abstand.

    • Oh, schade, verflucht, so ein nettes Kompliment, und gleichzeitig ein Abschied … ich wollte Aaron einfach Gelegenheit geben, sich zu der Debatte zu äußern. Soweit ich es verstanden habe, hat auch niemand von anderen Parteien zugesagt, weshalb man den Plan aufgegeben hat. Ich hätte all das anders gesagt, möchte aber auch nicht in die Texte anderer Leute intervenieren.

      Ein anderer der Veranstalter hat mir erzählt, dass es für ihn recht frustrierend war, zu sehen, welche Reaktionen die Einladung von Frau Weidel hervorgerufen hat. Ich selbst hätte, trotz eines sehr distanzierten Verhältnisses zur AFD, sie sehr gerne auf der Veranstaltung gesehen, und denke auch nicht, dass es fair ist, die Veranstalter deswegen als rechts zu disqualifizieren. Ich glaube, Gregg, ein anderer Leser, der die AFD mehr mag, hat es so gesagt, dass er jede offene Teilnahme von Politikern begrüßt.

      Was ich damit meine — ich kann es ehrlich gesagt nur schwer auf den Punkt bringen. Es waren zwar laut Alice Weidel terminliche Gründe, aber ich habe meine Zweifel, ob nicht auch ein Protest oder ein Druck auf andere Referenten eine Rolle gespielt haben. Und ich kann es sehr gut nachvollziehen, sogar unterstützen, dass man, wenn ein ausgeübter Druck es verhindert, dass eine Seite eine Stimme bekommt, man alle Stimmen verstummen lässt. Ich habe etwa eine Zeitlang darauf verzichtet, über SegWit und Lightning zu schreiben, weil es „nicht erlaubt“ war, kritisches zu schreiben, und bevor ich nur positives schreibe, also nur für eine Seite spreche, lasse ich es lieber sein. Aber das weicht wohl zu weit ab …

    • aus ihrem beitrag liest sich einmal mehr ein wunsch nach denk- und diskussionsverbot. den boykottaufruf denen gegenüber, die dies so nicht mitgehen möchten, gibt es gratis mit dazu. besten dank für diese einblicke.

  17. Es waren ausschließlich terminliche Gründe. Wir würden irgendwelchen Denk- und Diskussionsverboten niemals nachgeben.

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