Porsche macht Autos zu den Knoten einer Blockchain

Ein “Porsche mit Zugang zur Blockchain”, meint das Werbevideo des Autobauers, sei “der Schlüssel für die digitalen Geschäftsmodelle der Zukunft. Schnell, sicher und mit höchstem Datenschutz.” Wirklich? Wir werfen einen kleinen Blick auf das, was der Stuttgarter Autobauer vorhat.
Ich muss gestehen, ich bin beeindruckt. Während Volkswagen offenbar versucht, auf den IOTA-Zug aufzuspringen, und die Branche der Blockchain-Anwendunger vor allem neue Rekorde im Bullshit-Bingo liefert, hat Porsche mit seinem Partner XAIN still und heimlich an einem beeindruckenden Konzept gearbeitet. Dabei kamen nicht nur einige tatsächlich nützliche Anwendungen für die Blockchain im Automobilbereich heraus – sondern auch eine spannende neue Kernarchitektur für die Blockchain, deren Nutzen weit über die ersten skizzierten Anwendungen hinausgehen kann.
Die Pressemitteilung von Porsche erklärt, wofür der Autobauer gedenkt, die Blockchain zu nutzen. Erstens sollen die Fahrdaten durch eine Blockchain aufgezeichnet und von den anderen Mitgliedern im Netzwerk verifiziert werden. So ist es nicht möglich, ein Fahrtenbuch oder andere Daten zu manipulieren, was nicht nur für das Finanzamt, sondern auch für die Rekonstruktion von Unfällen wichtig sein kann – gerade wenn der Weg hinsichtlich des autonomen Fahren weiter gegangen wird.
Zweitens möchte Porsche die Blockchain für das Ver- und Entriegeln des Fahrzeugs per App nutzen. Dies geht nicht nur schneller, als mit herkömmlichen Apps (die Verbindung geschieht in 1,6 anstatt 10-15 Sekunden), sondern ist auch sicherer, da es auf harter Kryptographie aufbaut, und hat einen höheren Datenschutz, da Blockchain-Accounts weder mit Namen noch IP-Adressen, sondern nur durch öffentlichen Schlüssel repräsentiert werden. Dank Smart Contracts sind auch viele weitere Anwendungen vorstellbar, etwa dass einem Dritten, beispielsweise einem Paketzusteller oder einem Reparaturdienstleister, der temporäre Zugang zum Fahrzeug gewährt wird – während der Besitzer des Wagens jederzeit über die Blockchain erkennt, wer das Auto geöffnet hat. Anders als bei anderen Apps kann dies auch offline geschehen, etwa per Infrarot. Die Signaturen werden je lokal, quasi direkt im Türschloss, geprüft.
Das aufregendste an Porsches Blockchain-Projekt ist aber nicht das, was man konkret damit machen kann – sondern das technische Design. Denn wenn der Automobilbauer sagt, dass er den Porsche Panamera zum Teil der Blockchain macht, meint er das vollkommen ernst. Der Partner der Firma, XAIN, hat einen “Hybrid XAIN Node” entwickelt. Dieser Node ist Teil des Porsches und baut eine “öffentliche erlaubnisbeschränkte” (public permissioned) Blockchain auf. Dies bedeutet, dass die Blockchain zwar öffentlich einsehbar ist, aber nur Knoten, die eine Erlaubnis haben, daran teilnehmen können. Die Fahrdaten werden im Interplanetary File System gespeichert – eine Methode, um Dateien distributiv zu speichern und gleichzeitig gut verfügbar zu halten, die auch von OpenBazaar benutzt wird – und durch Einträge auf der Blockchain verifiziert. Als Grundarchitektur für die Blockchain verwendet XAIN dabei Ethereum.
Die Autos sind nicht nur Nodes, sondern auch Miner. Sie benutzen dafür ein von XAIN und Forschern der Universität von Oxford sowie des Imperial College entwickeltes Mining-Verfahren namens “Practical Proof of Kernel Work”, kurz PPoKW. Dieses versucht, eine energiesparsame Methode des Minings zu entwickeln und beschränkt das Set der Knoten, die minen dürfen, auf bestimmte Teilnehmer. Gleichzeitig integriert die Blockchain noch Methoden des Machine Learnings, um die Parameter der Arbeitsbeweise zu optimieren. Das ausführliche Yellow Paper beschreibt die Methodik im Detail und mit vielen mathematischen Formeln.
Natürlich ist diese Technologie noch experimentell, und natürlich muss sie noch extrem gehärtet werden, wenn Porsche vorhat, sie wirklich einzusetzen, um die sündhaft teuren Autos zu sichern und rechtskräftige Logdaten zu speichern. Nicht auszudenken, welchen Schaden ein Double-Spend anrichten könnte. Allerdings darf man sich hier darauf freuen, welche Kompetenzen der Automobilhersteller mitbringt. Denn Porsche hat reichlich Erfahrung, sichere Computersysteme in Autos zu bringen und die Autos, als physische Datenquelle, durch verschiedene Mechanismen vor Angriffen und Eindringlingen zu schützen. Dies macht die Firma zu einem guten Kandidaten, um das schwierige Problem zu lösen, sichere “Offchain-Daten” als Grundlage für Smart Contracts auf einer Blockchain zu verwenden.
Wenn die Autos auch Miner sind wer bekommt dann die Rendite? Porsche oder die Autobesitzer 😀
Es ist die Frage, ob das Mining überhaupt belohnt wird oder ob die Miner nur die Aufgabe haben, die Transaktionen zu validieren und zu Blöcken zusammenzufassen. Das “Mining” wäre ja vermutlich auch nicht freiwillig, sondern jedes Auto wäre zwangsweise ein “Miner”. Wozu wäre in diesem Szenario dann noch eine Währung nötig, denn ein Anreiz ist ja überhaupt nicht nötig!?
Im Grunde sehe ich hier keinen großen Unterschied zu einer verteilten Datenbank. Denn das ganze erscheint mir weder dezentral, noch offen, noch zensurresistent noch neutral und erfüllt m. E. nicht die Bedingungen für eine Blockchain. Letztendlich könnte Porsche mit Hilfe seine Rechenzentren vermutlich selbst Transaktionen rückgängig machen/verändern.
Aber vielleicht habe ich es auch noch nicht verstanden?
Ich habs noch nicht so ganz verstanden, was ist hier der Vorteil der Blockchain gegenüber einer zentralen Datenbank? Und warum dauert das Öffnen des Wagens 10 Sekunden, das geht doch schon mit einem normalen Funkschlüssel ohne Verzögerung?
Sehr gute Frage.
Bei einem normalem Funkschlüssel muß nicht erst jedes Öffnen oder Schließen von sämtlichen Nodes einer Blockchain bestätigt werden.
乱馬
Das Yellow Paper enthält eine Menge bullshit. Die Beschreiben da Techniken wie Q-Learning ohne zu sagen, wofür sie hier eingesetzt werden. Ich glaube, die wollten einfach noch Neurale Netze irgendwie ins Konzept kriegen. lol
“I suppose it is tempting, if the only tool you have is a hammer, to treat everything as if it were a nail.”
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Abraham Maslow, The Psychology of Science