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Die Woche der Lapps: Blockstream präsentiert Infrastruktur für Lightning

Früher hat die Bitcoin-Szene Anwendungen neu erfunden, die es schon für Fiat-Geld gab – aber mit Bitcoin. Nun scheint sie das ganze nochmal neu zu erfinden – aber  mit Lightning.

Es ist kein Geheimnis, dass die Firma Blockstream eine der treibenden Kräfte hinter der Entwicklung des Lightning Netzwerkes ist. Derzeit feiert die Firma die Woche der Lapps, der „Lightning Applications“. Je Tag gibt es eine neue Anwendung für Lightning. Bisher sind dies die folgenden fünf Lapps:

  • FileBazaar: Diese Lapp ist ein E-Kommerz-Werkzeug für alle, die Content wie Fotos, Videos oder Dokumente verkaufen wollen. Ein Pay-per-View-System gibt die hochgeladenen Dateien stückchenweise je Zahlung frei. FileBazaar baut auf LightningCharge auf, einem von Blockstream entwickelten Micropayment-Prozessor für Lightning. Wer die Lapp benutzen will, braucht dementsprechend einen Lightning-Node, einen Lightning-Charge-Server sowie die FileBazaar App.
  • Lightning Publisher für WordPress: Ebenfalls auf LightningCharge baut die Lightning Publisher Lapp auf. Lightning Publisher ist ein Plugin für die beliebte Blog-Software WordPress, mit der man Artikel gegen Lightning-Zahlungen verkaufen kann.
  • Nanotip: Dieses Tool ermöglicht es, Spenden und „Tips“ (Trinkgelder) per Lightning anzunehmen. Dabei schafft Nanotip immer wieder neue, individuelle Zahlungscodes, womit das Problem umgangen wird, dass der Betrag ein Teil eines Zahlungscodes bei Lightning ist. Gegenüber normalen Bitcoin-Spenden besticht Nanotip durch die geringeren Gebühren sowie die höhere Privacy.
  • Paypercall: Von allen vorgestellten Lapps ist Paypercall vielleicht am aufregendsten, schreibt Blockstream auf dem Blog. Denn es macht sehr vieles möglich und kann „der Grundstein einer vollständig neuen Klasse von Dienstleistungen über das Internet“ werden. Und zwar können Entwickler von APIs mit Paypercall bestimmte Aktionen mit Zahlungen verbinden. So könnte man eine kleine Zahlung verlangen, um eine SMS zu versenden, eine Nanozahlung, um ein Bild zu verarbeiten, und so weiter
  • Nanopos: Eine der großen Stärken von Lightning ist, dass unbestätigte Zahlungen sofort sicher sind. Blockstream möchte dies nun für den Einzelhandel nutzen, indem es mit Nanopos eine einfach benutzbare Software für die Ladenkasse veröffentlicht.

Es ist genial, dass Blockstream die verschiedenen Module für ein Lightning-Ökosystem kostenlos und quelloffen zur Verfügung stellt. Das ist genau das, was Lightning braucht, wenn es sich in dem Bereich, für den es ideal geeignet ist, durchsetzen soll – im Mikropayment.

Eigentlich nicht direkt etwas Neues

Das Problem ist jedoch, dass es jeder dieser Anwendungen bereits gibt. Es gibt oder gab zahlreiche Seiten, um Dateien gegen Bitcoin zu verkaufen, um Artikel oder Blogposts hinter einer Bitcoin-Paywall zu verbergen. Es gibt und gab Bots, die Tips über soziale Netzwerke prozessieren, und wenn jemand eine Spende will, muss er lediglich eine Bitcoin-Adresse veröffentlichen. Auch die Idee, für API-Calls und andere Computerleistungen Geld zu verlangen, wurde von 21.com – heute Earn.com – bereits umgesetzt und wird auch von IOTA angegangen. Ebenso gibt es bereits zahlreiche Bitcoin-Tools für den Einzelhandel.

Wenn Blockstream nun etwa schreibt, dass „Lapps wie FileBazaar und Lightning Publisher die Dynamik der Content-Produktion im Internet dramatisch ändern“ und schon verspricht, uns Autoren und Künstler von der Abhängigkeit von Sponsoren oder Werbung zu befreien, oder Paypercall komplett neue Märkte im Internet erschließen soll, klingt dies so, als habe die Firma diese Anwendungen erfunden. Tatsächlich aber hat sie lediglich bereits bestehende, oft visionäre, Anwendungen für Bitcoin auf Lightning übertragen.

Am wichtigsten ist es vielleicht aber, anzumerken, dass all diese Anwendungen bisher nicht wirklich gezündet haben. Manche Plattformen für den Verkauf von Dateien gegen Bitcoins halten sich einigermaßen, doch der Großteil ist eingegangen. In Sachen Micropayment für Content dürften Yours.org und Steemit die einzigen Seiten sein, die einigermaßen Erfolg haben – aber bei weitem nicht genug, um auch nur irgendeinen sichtbaren Einfluss auf die Medienindustrie zu haben – während SatoshiPays Nanopayment-Tools wie auch die API-Märkte von Earn.com mehr oder weniger scheintot sind.

Es scheint äußerst schwer zu sein, den immer wieder beschworenen Bedarf nach Micropayments mit Kryptowährungen zu bedienen. Von einer irgendwie geartetene Revolution von irgendetwas ist man auch mehr als 9 Jahre nach dem Genesis-Block noch meilenweit entfernt.

Ändert Lightning etwas am Kern des Problems?

Warum, so die große Frage, sollte Lightning etwas ändern? Dass Transaktionen sofort bestätigt sind, ist bei Micropayments eigentlich egal, da man hierfür in der Regel ohne alle Bedenken unbestätigte Transktionen akzeptieren kann. Der einzige echte Vorteil ist, dass man mit Lightning die Gebühren noch ein Stück weiter senken und nachhaltig ein riesiges Volumen an Zahlungen prozessieren kann, ohne die Grundlagen der Blockchain anzugreifen. Dies aber war bisher nicht das Problem von Versuchen, Mikropayment mit Bitcoin zu verwirklichen.

Vielmehr waren die Probleme, dass es zu wenig Kunden gibt, die Kryptowährungen benutzen, und dass für diese die Benutzung oft noch zu umständlich ist. Lightning, muss man sagen, ändert an diesen Problemen nichts, sondern macht sie eher noch schlimmer. Lightning reduziert den Netzwerkeffekt, den sich Bitcoin mühsam aufgebaut hat, auf die derzeit existierenden 1.350 Nodes. Die Lapps dürften für den Empfänger der Zahlungen die wohl denkbar komplizierteste und aufwändigste Art sein, die gewünschte Zahlungs-Anwendung umzusetzen, während das Benutzen von Lightning das Zahlen für den User, zumindest derzeit, noch deutlich verkompliziert.

Es deutet nicht viel darauf hin, dass die Bitcoin-Anwendungen, die schon bisher keinen bis kaum einen Erfog am Markt haben, plötzlich das Fliegen lernen, weil sie mit Lightning betrieben werden. Vielmehr darf man annehmen, dass es noch sehr lange dauern wird, bis Lightning-Zahlungen die Netzwerk-Effekte und Nutzerfreundlichkeit erreichen, die sich Bitcoin-Zahlungen im Lauf von neun Jahren aufgebaut haben. Ungeachtet dessen, sind die von Blockstream vorgestellten Lapps definitiv die erste Möglichkeit, solche Zahlungen nachhaltig und langfristig zu Bitcoin zu bringen.

Wenn die Sache mit dem Mikropayment einmal wirklich zündet, wird man Lightning brauchen. Doch es ist fraglich, ob Lightning wirklich dabei hilft, dorthin zu kommen.

Über Christoph Bergmann (2801 Artikel)
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6 Kommentare zu Die Woche der Lapps: Blockstream präsentiert Infrastruktur für Lightning

  1. Komplizierter als eine APP zum senden/empfangen von Zahlungen via QRCode, NFC, Bluetooth oder 1 klick auf nen Hyperlink darf es nicht sein.
    Sonst war’s das mit der Massentauglichkeit. Von channels aufbauen oder schließen und BTC dort einzahlen will der Nutzer nichts wissen.

    Ein ähnliches Problem haben/hatten Massenger mit e2e-Verschlüsselung. Oder auch PGP-Tools. Schlüsselaustausch ist schon zu viel und muss automatisch und unsichtbar erfolgen.

  2. Mein Bankier hätte es nicht besser schreiben können.

  3. Da zieht sich der Olympiasieger gerade die Socken an und alle wissen schon wer die Medaille bekommt? Typisch…

  4. Das Problem von Bitcoin ist aus meiner Sicht, dass gerade als die Marktdurchdringung stattfinden wollte (und damit auch die Akzeptanz der Bitcoin-Anwendungen zugenommen hat), das Skalierungsproblem immer stärker in den Vordergrund trat. Die Hoffnung ist nun, dass mit ausreichender Skalierung durch Lightning nun auch die Akzeptanz für deren Anwendungen wieder zurückkehrt. Wahrscheinlich wird dies nicht mit dem gleichen Elan geschehen wie es 2017 noch den Anschein hatte. Mittel- bis langfristig sehe ich aber recht gute Chancen.

  5. Oder man verwendet gleich eine andere blockchain wie DigiByte (digibyte.io) und hat gar kein Skalierungsproblem bzw. benötigt kein LN und ist weiterhin schön dezentral. Eine Überweisung ist dort innerhalb von 1-2 sekunden möglich und nach 15 Sekunden bestätigt. Damit braucht man keinen komplizierten Überbau wie LN und die Massen könnten es direkt im Alltag verwenden

    • Werbe-Gegner // 29. März 2018 um 8:54 // Antworten

      Man kann natürlich andere Blockchain basierte Währungen nehmen, aber erstens ist da das Risiko höher weil weniger Augen es geprüft haben.
      Zweitens und das ist wesentlich gravierender: Sobald alle Leute auf einen Alt-Coin setzen weil die BitcoinBlockchain zu voll ist, wird auch die AltCoin Blockchain unter Last geraten und hat am Ende das gleiche Problem.
      Insofern ist Lightning (welches mit mehreren Coins existieren kann) durchaus eine gute Sache die man nicht totreden sollte

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