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„Für uns ist die Fork ein ertragsneutraler Vorgang, so wie ein Aktiensplit oder ein steuerneutraler Spin Off.“

Klaus Himmer und Magnus Berchtold von Cryptotax.io

Wie versteuert man die Coins aus einer Fork? Über diese Frage haben wir mit Klaus Himmer und Magnus Berchtold von CryptoTax, einem Münchner Startup zur Versteuerung von Kryptowährungen, gesprochen. In den Antworten liegen einige nette, aber auch einige etwas bissige Überraschungen.

Hallo Klaus, Hallo Magnus. Auf dem Blog von CryptoTax schreibt, dass Einnahmen durch Hardforks auch steuerlich irrelevant sein könnten. Richtig?

Klaus: Ja. Es gibt zu der Thematik mehrere Sichtweisen in der Fachliteratur. Eine wäre, dass man die Hardfork als nicht-steuerbares Ereignis behandelt, weil der Zufluss der neuen Coins einem Zufallsereignis gleich kommt, so, wie eine Münze, die ich auf der Straße finde. Wenn man einer Einnahme keine Einkunftsart zuweisen kann, kann man sie auch nicht versteuern. Das wäre der aggressive Ansatz, aber das ist nicht das, was wir vertreten.

Was ist eure Sichtweise auf die Forkcoins?

Klaus: Wir denken, der Vergleich mit einem Aktiensplit trifft am besten zu. Unternehmen können sich entschließen, Aktien aufzuspalten. Aus der einen Aktie A werden die beiden Aktien A und B. Weiter passiert nichts, und die Aktionäre erwirtschaften dadurch – kurzfristig – auch keine Einnahmen. Es wurde lediglich der Wert der einen Aktie in zwei gespalten. Das kennen wir im Steuerrecht auch von steuerneutralen Spin-Offs, also etwa die Abspaltungen von Unternehmensteilen nach dem Umwandlungsgesetz.

Das führt uns zu dem, was mir wie der Kern eurer Argumentation vorkommt. Ihr sagt, dass eine Hardfork keine neuen Werte schafft, sondern Werte von der ursprünglichen Chain wegnimmt. Könnt ihr das erklären?

Klaus: Wir haben uns zunächst gefragt, was dem Coin einen Wert verleiht. Das dürfte die Technologie sein, aber auch die Community, die Miner und die Entwickler, also alle Faktoren, die das Zukunftspotential des Projekts beeinflussen. Wenn sich eine Blockchain nun aufspaltet, wechseln Entwickler und Teile der Community zum neuen Projekt. Wenn ein Entwickler etwa an beiden Coins arbeitet, etwa bei Ethereum und Ethereum Classic, kann er seine Zeit nicht mehr vollständig dafür investieren, den einen Coin wertvoller zu machen. Wie bei einem Aktiensplit verteilen sich die Netzwerkeffekte durch eine Hardfork auf zwei Coins.

Aber sprechen die Börsenkurse da nicht dagegen? Der Kurs von Bitcoin (BTC) hätte sich ja am 1. August reduzieren müssen, wenn es so wäre, wie ihr sagt. Tatsächlich ist er sogar gestiegen, wenn ich mich nicht täusche.

Magnus: Ja, in einem vollkommenen Markt hätte er sinken müssen. Wir haben uns das näher angeschaut und die Kursverläufe von Forks wie Bitcoin Cash, Bitcoin Gold und Ethereum Classic analysiert, um diese mit denen bei Aktiensplits zu vergleichen. Wir wollten herausfinden, ob und wenn ja in welcher Höhe es wirtschaftlichen Auswirkungen auf ein Investment im Spaltungszeitpunkt gab. Am Tag des Splits waren Bitcoin und Bitcoin Cash tatsächlich zusammen mehr wert als Bitcoin zuvor. Aber das führen wir darauf zurück, dass im Wert von Kryptowährungen ein großes Stück Spekulation steckt, das über intrinsische Werte wie die Community und Technologie hinausgeht. Daher widerspricht der Kurs hier nicht unserer Argumentation.

Klaus: Man sieht das auch bei Aktien, dass es bei Splits zu Kursverwerfungen kommt – natürlich in viel geringerem Ausmaß. Trotzdem wollten wir untersuchen, ob Hardforks nachweisbar signifikanten Einfluss auf den Kursverlauf haben und daher Tradingstrategien um den Forktag sinnvoll sein können. Dabei kamen wir zum Ergebnis, dass die Volatilität zu hoch ist, um das nachweisen zu können.

Magnus: Ja, man kann diese Effekte weder optisch noch statistisch signifikant nachweisen. Wenn man den Wert der Coins der alten und neuen Blockchain zusammenrechnen, und ein Investment am Fork-Tag so um beispielsweise sieben Prozent zulegt, dann ist das viel, aber für Bitcoin nicht so ungewöhnlich.

Was folgt daraus für die Steuer?

Klaus: Wenn man fragt, was es für Steuern bedeutet, sind immer zwei Dinge wichtig. Erstens, ob der Zufluss neuer Coins einen steuerpflichtigen Ertrag darstellt und zweitens, welche Anschaffungsdaten – also Anschaffungskosten und -datum – für die neuen Coins anzusetzen sind.Wenn das, was mir zufließt, steuerpflichtig ist, dann wäre grundsätzlich der Marktwert des neuen Coins der Ertrag, den ich versteuern muss. Gleichzeitig stellt dieser die Anschaffungskosten des neuen Assets dar und der Tag der Fork das Anschaffungsdatum. Wenn ich ihn innerhalb eines Jahres nach der Fork verkaufe und dabei einen höheren Preis erziele als zum Zeitpunkt der Fork, müsste ich die Differenz versteuern. Die 1-Jahres-Frist beginnt also von vorne.

Aber wir sehen das anders. Für uns ist die Fork ein ertragsneutraler Vorgang, so wie ein Aktiensplit oder eine steuerneutrale Abspaltung. Also schauen wir, was man ursprünglich für den Bitcoin, aus dem etwa der Bitcoin Cash geforkt wurde, bezahlt hat. Die historischen Anschaffungskosten des Bitcoins wären dann auf den Bitcoin und Bitcoin Cash aufzuteilen. Unseres Erachtens stellt das Verhältnis der Marktpreise beider Assets im Forkzeitpunkt das wirtschaftlich sinnvollsten Aufteilungsverhältnis dar. Also, wenn ein Bitcoin 1.000 EUR und ein Bitcoin Cash 100 EUR kostet, würden etwa 9 Prozent der ursprünglichen Anschaffungskosten des Bitcoins auf den Bitcoin Cash übergehen. Die Anschaffungskosten können dann später einen potentiell steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn mindern.

Das Anschaffungsdatum des Forkcoins ist so gesehen dasselbe wie des ursprünglichen Bitcoins. Wenn wir den ein Jahr lang gehalten haben, haben wir auch etwa Bitcoin Cash ein Jahr gehalten, und müssen Kursgewinne nicht mehr versteuern. Dieses Vorgehen wird im Steuerecht als sog. „Fußstapfentheorie“ bezeichnet.

Das Grundprinzip ist, dass man keine Steuern bezahlen muss, wenn es keinen Ertrag gibt, richtig?

Magnus: Ja, insofern kein Ertrag vorliegt, kann keine Einkommensteuer erhoben werden. Grundsätzlich gibt es bei Forks und anderen neuartigen Steuersachverhalten mehrere Möglichkeiten, wie man die Anwendung der bestehenden Gesetze und Gesetzesmaterialien auslegen kann. So gibt es die zumeist von der Finanzverwaltung vertretene profiskalische Auffassung, die bestehende Regelungen zugunsten des Staates auslegt. Das wäre in unserem Fall, die Fork-Coins als Ertrag zu werten, auf welchen Steuern zu zahlen sind. Im Gegensatz dazu steht der eingangs erwähnte Vergleich mit einem Münzfund, welcher sowohl bei Zufluss als auch bei Abfluss, also Veräußerung, keine Steuer auslöst, da nicht nur kein Ertrag, sondern auch kein entgeltlicher Anschaffungsvorgang vorliegt. Man kann diese Variante vertreten, es ist auch legal, solange alle Transaktionen offengelegt werden. Aber in der Regel ist mit Widerstand vom Finanzamt zu rechnen.

Klaus: Im Steuertool, das wir mit CryptoTax entwickeln, wenden wir eine vereinfachte Fußstapfentheorie an. So bekommt der Forkcoin etwa das ursprüngliche Anschaffungsdatum, hat aber keine Anschaffungskosten. Die verbleiben vollständig bei Bitcoin. Dies erhöht die Steuerlast, wenn man den Forkcoin vor der 1-Jahres-Frist verkauft, geringfügig, während die beim Verkauf von Bitcoin leicht sinkt. Aber am Ende kommt es auf dasselbe raus. Es wäre natürlich sauberer gewesen, die historischen Anschaffungskosten über die Marktwerte aufzuteilen, aber wir müssen für die Praxis im Massenverfahren Kompromisse eingehen.

Magnus: Zudem ist der Marktpreis, der für die Aufteilung notwendig wäre, also der zum Zeitpunkt der Fork, sehr unzuverlässig. Die meisten Börsen führen den Coin nicht unmittelbar zur Fork, und weil das Handelsvolumen gering ist, können die Preise zu diesem Zeitpunkt sehr leicht manipuliert werden, sind also nicht repräsentativ . Daher vereinfachen wir hier.

Wisst ihr, ob es schon gelungen ist, Forkcoins so anzumelden, wie ihr es vorschlagt?

Klaus: Wir wissen aus der Praxis, dass Hardforks von bayerischen Finanzämtern nach der Analogie eines Aktiensplits behandelt wurden. Bayern scheint hier recht innovativ zu sein.

Muss ich die Forkcoins anmelden, auch wenn ich nicht verkaufe? Es sollte steuerlich doch weitgehend irrelevant sein, oder?

Klaus: Ja, man sollte den Zufluss offenlegen. Schließlich ist es nur unsere Auffassung, dass es keinen Ertrag gibt. Das Finanzamt kann es auch anders sehen und die profiskalische Version einfordern. Dagegen kann man natürlich Einspruch einlegen. Aber wenn man es verschweigt, dass es diesen Zufluss gab, könnte einem das als Steuerhinterziehung ausgelegt werden. Daher wird unser Tool auch alle Zuflüsse erfassen, selbst dann, wenn sie nicht in die Steuer eingehen.

Warte. Eine Hardfork an sich schafft also auch für stille Coins, die seit Jahren auf einer Wallet ruhen, einen meldepflichtigen Tatbestand? Sie ist dann so etwas wie eine Bitcoin-Zählung?

Magnus: Es gibt grundsätzlich eine Offenlegungspflicht, ja. Aus steuerstrafrechtlichen Risikogesichtspunkten sollte der Zufluss jedenfalls gemeldet werden, wenn auch mit dem Hinweis, dass er nicht als steuerrelevant erachtet wird. Wenn dagegen klar ist, dass das Finanzamt nicht profiskalisch vorgehen wird, am besten aufgrund eines BMF-Schreibens, das für alle Finanzämter verbindlich ist, kann auf eine Offenlegung verzichtet werden. Ein Restrisiko bleibt natürlich vor allem hinsichtlich der technischen und rechtlichen Komplexität des Sachverhalts immer.

Was wäre denn, wenn ich Coins auf einer Wallet oder Börse habe, die die Fork nicht ausschüttet? Bei den meisten Wallets muss man ja umständlich den privaten Schlüssel oder den Seed herauspfriemeln und im schlimmsten Fall noch mit einer anderen Ableitung woanders einspielen. Viele normale User können das nicht …

Klaus: Am Ende ist es natürlich eine Einzelfallentscheidung. Sollte es im schlimmsten Fall zu einer Strafverfolgung kommen, müssen derartige qualitative Gesichtspunkte ebenso berücksichtigt werden. Es ist also unwahrscheinlich, dass arglose User flächendeckend wegen Steuerhinterziehung verurteilt werden.

Dann bin ich erleichternd, auch wenn es weiter etwas beunruhigend ist. Vielen Dank für das Interview!

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9 Kommentare zu „Für uns ist die Fork ein ertragsneutraler Vorgang, so wie ein Aktiensplit oder ein steuerneutraler Spin Off.“

  1. Eine Offenlegungspflicht? Davon höre ich zum ersten Mal. Kann das jemand erläutern?

  2. Aber wenn man es verschweigt, dass es diesen Zufluss gab, könnte einem das als Steuerhinterziehung ausgelegt werden. Daher wird unser Tool auch alle Zuflüsse erfassen, selbst dann, wenn sie nicht in die Steuer eingehen.

    – Quatsch; Solange man diese nicht in eine steuerrechtlich verbindliche WÄHRUNG tauscht, gibt es keine Steuerpflicht.

    Aus der einen Aktie A werden die beiden Aktien A und B.

    – Auch Quatsch.. Bei einem Aktiensplit werden aus Aktie A die Aktien A1, A2, …, An
    Ein Aktiensplit wäre, wenn Bitcoin die 21 Millionen Einheiten per Hardfork auf 210 Millionen erhöhen würde und derzeitige Besitzer der UTXO für jeden BTC vor der Fork 10 BTC nach der Fork hätten.

    BTC -> BTC + BCH war aber nicht A1 + A2, sondern A + B; Die entstandenen Einheiten sind zueinander inkompatibel und nicht austauschbar.

  3. otomakan ihsotas // 20. April 2018 um 2:48 // Antworten

    „– Quatsch; Solange man diese nicht in eine steuerrechtlich verbindliche WÄHRUNG tauscht, gibt es keine Steuerpflicht.“

    Das sehe ich genauso. Solange kein Mehrwert in der Realen Welt geschaffen wurde kann das Finanzamt theoretisch eh nichts machen.
    Ich weiß aber leider nicht ob diese Aussage wirklich 100% richtig ist. DENN in der EU ist BTC soweit ich weiß eine WÄHRUNG.
    Deshalb muss man BTC bei Kauf auch nicht versteuern (keine Mwst.)

    Genau hier beißt sich die Katze in den Schwanz!

    Jetzt mal ein Praxisbeispiel. Ich tausche 1000euro in eine Fremdwährung weil ich dort Urlaub mache. Jetzt komme ich zurück und habe noch 500euro in Fremdwährung zuhause liegen.
    Im nächten Urlaub tausche ich die Währung wieder in euro um sie dann erneut in eine andere Fremdwährung zu tauschen wo ich Urlaub machen möchte. Ich bekomme nun aber einen Gegenwert von 600 Euro statt 500 euro. Muss ich dann die 100euro versteuern, auch wenn ich mich nicht mehr an die Kurse erinnere und eigentlich nur Urlaub machen wollte???

    Falls ja, erstattet mir das Finanzamt also auch die 100 euro wenn ich statt meiner ursprünglichen 500 Euro nur noch 400 bekomme???

    Alles völliger Blödsinn meiner Meinung nach, aber wir leben in einem Land in dem Pfandsammlern Hartz 4 gekürtzt wird von daher wundert mich an Deutschland nichts mehr.

    Die Ämter sollen mal auf dem Boden bleiben und sich nur um signifikante Mehrwerte kümmern die in der realen Welt geschaffen werden, alles andere können sie eh nicht kontrollieren/besteuern.

    Mache Gesetze einfach und jeder kann sie befolgen oder mache Gesetze so kompliziert das sie niemand mehr befolgen kann.
    Entweder die Mehrheit ist Gesetzestreu oder die Mehrheit verstößt gegen Gesetze.
    Alles meiner Meinung nach auslegung des Gesetzes und weniger die Handlung des Individuums.

  4. Ich halte große Teile des Interview für unsinnig.
    Es gibt mittlerweile unzählige Forks von Bitcoin. Die Mehrheit verschwindet sicher auch schnell und andere sind nicht mal auf den meisten Börsen gelistet. Eine steurrelevante Aktion würde nur vorliegen, wenn tatsächlich ein Tausch irgendwelcher Forkcoins in eine eine Währung oder anderen Kryptocoin stattfindet.
    In diesem Zusammenhang möchte ich an Clams erinnern. Bitcoin.de hat nie die Möglichkeit gegeben Clams zu erhalten. Ich will nicht wissen wie viele Mio und aber Mio da noch gehoben werden könnten mit den privaten Schlüsseln der Kundeneinlagen. Was ist also mit Clams?

  5. Ihr könnt ja denken was ihr wollt. Aber Steuer ist eben kein Wunschkonzert.
    Wenn bisher keine Verwendung der geforkten Coins stattfand, muss man das nicht deklarieren. Aber falls man es später tut, wird eine Nacherklärung fällig. Und den Aufwand kann man sich ersparen. Zumal nach einer solchen die Beamten viel genauer hinsehen werden.

  6. Wenn es eine Offenlegungspflicht für Hardforks gäbe, dann müsste man konsequenterweise alle Hardforks melden, davon gibt es über 100 die auf Börsen gehandelt wurden. Auch wenn viele die nicht kennen. Eine vollständige Liste aller Hardforks zu erstellen ist ausserdem sowieso nicht möglich, da man nicht wissen kann wer alles einen Hardfork gemacht hat.

    Ich bin mir sicher dass es keinen einzigen Fall gab, in dem jemand alle Hardforks die es gibt gemeldet hat. So eine Meldepflicht müsste aber entweder für alle oder für gar keine Hardforks gelten. Daher ist das ziemlich unplausibel.

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