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Der Bitcoin-Dominanzindex: Der spannendste Faktor im Kryptomarkt

Für diejenigen, die die Kurse von Kryptowährungen beobachten, dürfte der Bitcoin-Dominanzindex der vielleicht spannendste Wert der aktuellen Märkte sein. Denn kein anderer Chart ist ein so guter Indikator für den gesamten Markt.

Leider sieht die Lage auf dem Kryptomarkt auch am Mittwoch nicht besser aus als am Sonntag. Die Kurse purzeln weiter, bei vielen Coins auch über Tage hinweg mit zweistelligen Prozenten. Seit Sonntag hat das Ökosystem der Kryptowährungen insgesamt schreiende 60 Milliarden Dollar oder rund 20 Prozent an Wert verloren. Es gibt hier nicht so viel, dass man schönreden, erklären oder prognostizieren kann. Aber, immerhin, wir können die starke Rolle eines bestimmten Wertes genauer ergründen: des Bitcoin-Dominanz-Indikators.

Um diesen Wert zu erklären, müssen wir ein Stück zurückgreifen. Und zwar zum Wert der “Marktkapitalisierung”. Dieser Wert der Finanzmathematik ist, schreibt die Wikipedia, “der rechnerische Gesamtwert der Anteile eines börsennotierten Unternehmens. Er ist das Produkt aus dem Kurswert, also dem an der Börse gehandelten Börsenkurs, und der Anzahl der im Umlauf befindlichen Anteile des Unternehmens.”

Der Geniestreich der Webseite coinmarketcap.com war es nun, dieses Konzept auf Kryptowährungen umzumünzen. Coinmarketcap errechnet die Marktkapitalisierung aller Kryptowährungen und stellt diese in einer Liste von groß nach klein dar. Mit dieser Übersicht über den gesamten Markt der Kryptowährungen wurde die Seite zur mit Abstand beliebtesten Seite der Szene, und mit einem globalen Alexa-Rang von 244 auch eine der Top-250-Webseiten der Welt.

Die Macher von coinmarketcap haben aber nicht damit aufgehört, die Kryptowährungen nach ihrer Marktkapitalisierung zu ordnen. Stattdessen haben sie die ermittelten Werte kreativ und vielsagend miteinander verbunden. So kalkulieren sie etwa mit der “Gesamten Marktkapitalisierung” den vermutlich ultimativen Wert für das Ökosystem der Kryptowährungen: Die kumulierte Marktkapitalisierung aller Währungen. Das folgende Bild zeigt diese im 1-Jahres-Verlauf. Hier ist deutlich zu sehen, wie der Markt im Januar seine Spitze bei rund 800 Milliarden Dollar erreicht hat und seitdem abwärts sackt.

Der nächste – und vielleicht genialste – Wert, den Coinmarketcap errechnet, ist der “Bitcoin-Dominanz-Indikator”: Der Anteil, den die Marktkapitalisierung von Bitcoin an der Marktkapitalisierung aller Kryptowährungen hat. Er ist der vermutlich beste verfügbare Indikator dafür, wie groß der Anteil von Bitcoin am gesamten Markt ist.

Vermutlich gibt es keinen Chart, der so deutlich zeigt, dass bei Bitcoin etwas schiefgelaufen ist, wie dieser. Der Anteil blieb zwischen Juli 2013 – dem Beginn der Aufzeichnungen von Coinmarketcap – bis Januar 2017 in der Regel zwischen 80 und 95 Prozent, wenn auch mit leichter Abwärtstendenz. Im Frühjahr 2017 rutscht der Anteil aber massiv auf bis zu 40 Prozent ab, wo er sich, nach einer steilen, aber nur kurzlebigen Erholungsphase, auch niederlässt.

Wir wollen hier nicht über die Ursachen dieses Dominanzverlustes von Bitcoin spekulieren (es gibt vermutlich viele). Stattdessen wenden wir uns einer äußerst spannenden Korrelation zu, die im aktuellen Markt einen der interessantesten und vielsagendsten Werte ergibt: Dem Vergleich zwischen gesamter Marktkapitalisierung und Bitcoin-Dominanz-Index. Hier sind die beiden Charts im 1-Monats-Verlauf:

Zunächst die gesamte Marktkapitalisierung:

Und nun der Bitcoin-Dominanz-Indikator:

Fällt Ihnen schon etwas auf? Eventuell wird es in der 3-Monats-Perspektive deutlicher:

Fällt es Ihnen nun auf? Die beiden Charts korrelieren negativ. Fällt der eine, steigt der andere, und umgekehrt. Wenn die gesamte Marktkapitalisierung steigt, fällt der Bitcoin-Dominanz-Faktor, wenn die gesamte Kapitalisierung fällt, steigt der Anteil von Bitcoin. Die Dominanz von Bitcoin wird zum “Bären-Faktor” – sie ist ein sehr guter Indikator dafür, dass der Markt im Allgemeinen fällt. Um das stärker zu verdeutlichen, habe ich die beiden Charts übereinandergelegt.

Zunächst in der 1-Monats-Perspektive:

Dann in der 3-Monats-Sicht:

Seit die Krypto-Märkte Anfang dieses Jahres in den Bärenmodus übergegangen sind, scheint die negative Korrelation zwischen Bitcoin-Dominanz und der gesamten Marktkapitalisierung geradezu ein Gesetz zu sein. In der Regel äußert es sich dadurch, dass alle Preise sinken, aber Bitcoin nicht so stark (so ist Bitcoin heute etwa “nur” 6 Prozent im Minus, während die meisten anderen Coins zweistellige Verluste machen), oder eben umgekehrt, dass Bitcoin auch steigt, aber die anderen Währungen steiler steigen.

Dies hat den teilweise verstörenden Effekt, dass sich viele Anhänger von Bitcoin (Core) wünschen, dass die Preise fallen, damit BTC wieder an seinen alten Glanz im Kryptouniversum zurückfindet. Und wenn dabei auch BTC verliert – egal, solange die anderen Coins noch mehr verlieren.  Schließlich fühlt es sich bekanntlich besser an, als letzter Überlebender der Apokalypse im Elend zu darben, als in der mittelmäßigen Dekadenz der Lebenden zu verwelken.

Über die Gründe für die Korrelation zwischen Bitcoin-Dominanz-Faktor und Marktkapitalisierung kann man nur spekulieren. Eventuell liegt es daran, dass ein Finanzprodukt mit einer geringen Marktkapitalisierung generell volatiler und anfälliger für Manipulationen ist – man braucht ja weniger Kapital, um den Preis zu bewegen. Eventuell auch daran, dass diese negative Korrelation schon länger bekannt ist (“Wenn Bitcoin Schnupfen hat, haben Altcoins Cholera”) und dadurch zur selbsterfüllenden Prophezeiung wird. Vielleicht suchen die Märkte aber auch immer dann, wenn die Preise fallen, ein stabileres Gut wie Bitcoin, und vielleicht ist Bitcoin weiterhin ein wichtiger Kanal, um Kryptowährungen in sichere Dollar zu tauschen.

Es könnte eine Menge Gründe geben, und wir können nicht wissen, welcher davon zutrifft. Was wir aber wissen, ist, dass der Bitcoin-Dominanz-Faktor ein starker Indikator ist, um festzustellen, in welcher Marktphase (aufwärts, abwärts) man derzeit ist. Interessant dürfte auch die Beobachtung sein, dass das konkrete Verhältnis der beiden Werte ändert. Als Anfang April der Markt bei einer gesamten Kapitalisierung von etwa 250 Milliarden Dollar einen ersten Tiefpunkt nach der großen Blase im Januar erreichte, sprang der Bitcoin-Dominanz-Faktor auf gut 45 Prozent. Derzeit nähert sich der Markt diesem Tiefpunkt wieder an – wir sind bei etwa 270 Milliarden Dollar – doch der Bitcoin-Dominanz-Faktor ist lediglich auf 40,5 Prozent gestiegen.

Ob dies nun bedeutet, dass Bitcoin auch im Bärenmarkt tendenziell weiter an Bedeutung verliert – oder ob der derzeitige Crash noch deutlich tiefer gehen kann, muss jeder für sich selbst beantworten.

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11 Kommentare zu Der Bitcoin-Dominanzindex: Der spannendste Faktor im Kryptomarkt

  1. Horst Horst // 13. Juni 2018 um 15:51 // Antworten

    Das ist nichts neues und war schon 2012-13 der Fall, damals bei Bitcoin und Litecoin. Stieg oder fiel BTC um 5-10%, dann konnte man ohne bedenken sofort Litecoins kaufen oder verkaufen, denn dort waren dann 10-20% drin.

  2. Peter Neuer // 13. Juni 2018 um 16:49 // Antworten

    Was sagen denn intelligente Leute zu der ganzen Sache?
    https://medium.com/@jimmysong/why-the-bitcoin-dominance-index-is-deceiving-80ae324ee2ac

    • Habe eben reingelesen, finde keine konsistente / überzeugende Argumente. Wollen Sie mal versuchen, seine Argumente zusammenzufassen? Würde mich interessieren.

    • Vielen Dank für diesen guten alternativen Link, peter.

    • Da schließe ich mich an. Über ein Jahr alt und sicher noch ein paar Jahre lang aktuell.

    • Einige der Gegenargumente in den Kommentaren sind wie so oft überzeugender als die Argumente des Artikels selbst. Und sie wurden auch nicht widerlegt.

      • Ja, sehe ich genauso. Jimmy Song kann gut Technik erklären, aber sobald er auf ökonomisches / philosophisches Gebiet geht, wird es meistens relativ schwach bzw. einseitig “wünschdirwas”.

        Danke für den Hinweis mit den Kommentaren. Da waren tatsächlich einige kluge, unwiderlegte Bemerkungen drin.

      • Der wichtige Punkt im Artikel ist:
        BTC = Store of Value
        Das ist der einzige Grund, warum BTC da oben steht und als First Mover eben auch absehbar weiterhin da stehen wird, mit welchem Dominanz-Wert finde ich eher uninteressant.

        ETH wird mittlerweile sicher öfter als Transfer-Währung benutzt um Altcoins zu handeln, da es billiger ist. ETH kann Smart Contracts, BTC nicht. Es gibt keinen Grund bzgl. Technik oder sinnvoller Adoption, warum ETH hinter BTC stehen sollte, außer dass BTC eben als der alternative Store-of-Value angesehen wird, als die “neue Anlageklasse”. Kann man blöd finden, ist aber so und das ist für mich die Quintessenz des verlinkten Artikels.

  3. Wieso ist das so wichtig? Zunächst war ja bitcoin die einzige Crypto Währung, mit einem Dominanzfaktor von 100 also. Dann kamen andere hinzu, und das ganze Eco System entstand. Da Bitcoin mehr als Geld/Gold Lösung funktioniert, ist es wenig nutzbar für Storage Systeme (SIA oder STORJ), als proof of publishing (FACTOM), oder auch als Spieleplattform (Crypto Kitties – ach, das war doch da, wo man kurz zuvor noch vom Flippening träumte!). Bitcoin wird als Eingang benutzt, um dann über Exchanges zu den nächsten Cryptos zu wechseln. Es wäre m.E. ziemlich doof, wenn Bitcoin seine Marktdominanz von 100 % behalten würde, dann hätten wir ja ein Monopol. Insofern ist es nur gesund, wenn andere Technologien auftauchen, und am Crypto Markt mit futtern. Daraus abzuleiten, dass bei Bitcoin was schief gelaufen ist, halte ich für eine Übertreibung, oder genauer ein konzeptionelles Missverständnis des Systems, denn es soll ja gerade Unabhängigkeit bieten. Wäre ja zu blöd, wenn ein (Bitcoin Core-?) Zentralkommittee der Cryptowelt bestimmt, was gemacht werden darf und was nicht…

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