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Die FATF plant weltweite Regulierungsstandards für Kryptowährungen

Kein Witz, so sieht die Startseite von amlbitcoin.com aus.

Die Financial Action Task Force (FATF) arbeitet an einer globalen, einheitlichen Regulierung von Bitcoin und anderen virtuellen Währungen. Das Ziel scheint es dabei zu sein, nicht nur die Standards des traditionellen Finanzwesens zu erhalten – sondern sie zu erhöhen. Die Blockchain-Technologie könnte dabei zum Werkzeug der Regulierung werden.

Wenn sich richtig große Fische nähern, kündigt sich das meistens dadurch an, dass kleinere Fische voranschwimmen. So ähnlich könnte es auch mit den richtig großen Institutionen der Welt wie der G20 und der Financial Action Task Force (FATF) sein.

Eine kürzlich veröffentlichte Pressemitteilung kündigt an, dass auf dem FATF Regtech Forum ein „AML Bitcoin Compliance System“ enthüllt wurde. Die Story geht so: Richard Naimer, der Vorsitzende von DIT Network, hat auf dem Regtech-Forum der FATF, das am 4. und 5. September im chinesischen Hangzhou stattfand, „CrossVerify“ angekündigt, ein „blockchain-basiertes System für das Management digitaler Identitäten“.

Man muss dazu wissen, dass die FATF nicht irgendein Gremium ist. Die Taskforce gegen Geldwäsche und Terrorfinanzierung setzt globale Standards, die von den G20-Staaten in der Regel recht konsequent umgesetzt werden. Was sie beschließt, wird meist zur globalen Wahrheit. Nicht umsonst nennt Norbert Häring sie in seinem Buch „Schönes neues Geld“ eine globale Schattenmacht und meint im Interview, dass die FATF Kryptowährungen verbieten kann, wenn sie es denn will.

Zurück zur Pressemitteilung: In einem relativ frechen Streich erklärt diese, dass die CrossVerify-Technologie die Technologie ist, die der „AML BitCoin“ benutzt – die „erste patentierte AML- und KYC-konforme Kryptowährung“.AML ist die Abkürzung für „Anti-Money-Laundering“ und meint Maßnahmen, um Geldwäsche zu verhindern, während KYC die Abkürzung für „Know Your Customer“ ist und die Vorgabe bedeutet, dass bestimmte Akteure (etwa Banken oder Bitcoin-Börsen) die Identität ihrer Kunden verifizieren müssen. Der „AML BitCoin“ verspricht nun, beides auf Protokoll-Ebene in einer Kryptowährung zu verwirklichen. Es wäre der Horror für Datenschützer und der Traum von Überwachern.

Der AML BitCoin soll eine Pionierrolle dabei spielen, wenn die aufstrebende RegTech digitale Identitäten und Kryptowährungen transformiert. Das von Naimer vorgestellte System „ist die erste patentierte Blockchain-basierte Lösung, die biometrische Daten im Kern als privaten Schlüssel benutzt, wodurch die User sicher ihre KYC-Daten speichern können.“ Die Idee, biometrische Daten als Entropie zu verwenden, um private Schlüssel zu generieren, dürfte technisch möglich sein. Sie wurde bereits von den Vereinten Nationen und Parity in einem Flüchtlingslager in Jordanien getestet. Es ist faszinierend, aber auch mehr als nur ein wenig gruselig.

Die von AML BitCoin herausgegebene Pressemitteilung bleibt dagegen obskur. Sie lässt vollständig im Dunklen, ob Naimer überhaupt über den „AML BitCoin“ geredet hat oder nur über CrossVerify. Noch obskurer wird es, wenn man dem Link zur Webseite von AML BitCoin folgt. Hier begrüßt einen ein Videostandbild, das einen Offizier des chinesischen Militärs an einem Bildschirm zeigt. Dazu folgt die Aufforderung „AML BitCoin Token“ zu kaufen – Token, die man später, wenn die erste Blockchain mit KYC und AML startet, gegen echte AML-BitCoin wechseln kann. Ach was …

Die zwei wahren Kerne der Pressemitteilung

AML BitCoin sieht wie ein schlechter Witz oder eine gelungene Parodie aus. Die interessantere Geschichte finden wir, wenn wir einen Schritt zurückgehen. Denn die beiden Bestandteile der Nachricht – CrossVerify und das FATF-Forum – sind durchaus echt.

CrossVerify entwickelt tatsächlich ein „Digital Identity Trust System“. Die „transnationale Technologiefirma“ hilft laut ihrer Webseite Regierungen, Firmen und Individuen, digitale Identitäten zu verifizieren und Betrug zu verhindern. Ihre Vision ist „eine Welt, in der sichere, von Individuen kontrollierte, validierte, digitale Identitäten Vertrauen zwischen herstellen.“ Über alles andere schweigt sich die Webseite weitgehend aus. Im Team sieht man tatsächlich jenen Richard Naimer, der wohl auf dem FATF-Forum vorgetragen hat. Das Bild von ihm ist recht verpixelt, ich vermute, das ist kein Versehen, sondern Absicht.

Auch das FATF-Forum fand in Hangzhou statt. Es gibt zwar keine Presseberichte darüber, aber auf der Webseite des FATF findet man eine kurze Zusammenfassung, worüber diskutiert wurde. Die Themen waren:

  1. Krypto-Assets: Öffentliche und private Teilnehmer haben die Regulierungsansätze für virtuelle Währungen und andere Krypto-Assets diskutiert. Sie haben darüber hinaus Möglichkeiten erwogen, wie man die FATF-Standards auf Kryptowährungen anlegt.
  2. Digitale Identifizierung: Die Teilnehmer haben Erfahrungen mit verschiedenen digitalen Identifizierungsverfahren und -ansätzen ausgetauscht. Dabei wurde auch darüber nachgedacht, ob man die Empfehlungen der FATF dazu überarbeiten soll.
  3. Distributed Ledger Technology (DLT): DLT ist der Begriff, der verwendet wird, wenn man nicht von Blockchain reden will, aber genau das meint. Auf dem FATF-Forum wurde diskutiert, wie man die Blockchain im Identitätsmanagement nutzen kann.

Wenn man 1., 2. und 3. addiert, klingt es schon sehr so, als würde die FATF darüber nachdenken, eine Blockchain für das globale digitale Identitätsmanagement einzusetzen. Auch ein Coin wie der „AML BitCoin“ wirkt plötzlich gar nicht mehr unrealistisch. Wenn man zudem bedenkt, dass es keinen Pressebericht zu dem Forum gibt, erscheint die Mitteilung von AML BitCoin beinahe zu gut informiert für einen reinen Trittbrettfahrer.

„Standards, die deutlich höher liegen als die, die wir von der traditionellen Wirtschaft kenne“

Eine weitere quelle haben wir mit der Pressemitteilung einer anderen Firma. Und zwar hat Jakub Olek, ein Manager von Coinfirm.io, eine Präsentation vor dem FATF-Forum in Hangzhou gehalten. Coinfirm ist eine polnische Firma, die Blockchain-Analyse-Tools anbietet, was eigentlich mittlerweile ein relativ alter Hut ist.

In der Präsentation hat Olek Werkzeuge vorgestellt, um Kryptowährungs-Aktivitäten zu überwachen, etwa ICOs oder Zahlungen. „Die Technologie, die von Coinfirm präsentiert wird, kann den Regulierern helfen, sichere, automatisierte, datenbasierte Mechanismen einzuführen, um die sichere Anwendung von Kryptowährungen zu forcieren.“

Coinfirm verspricht, dabei zu helfen, die regulatorische Unsicherheit im Blockchain-Bereich abzubauen – und damit die digitale Revolution der Finanzwelt voranzutreiben. „Wir können dies tun, indem wir die Risiken reduzieren, die mit dem Einsatz von Kryptowährungen in der weiteren Wirtschaft verbunden werden. Unsere Plattform macht es möglich, AML/CTF-Standards anzuwenden, die deutlich höher liegen als die, die wir von der traditionellen Wirtschaft kennen,“ kommentiert Pawel Kuskowski, der Geschäftsführer von Coinfirm.

Der Punkt ist extrem interessant: Die Regulierung soll nicht nur dafür sorgen, dass Kryptowährungen ebenso transparent werden wie herkömmliche Zahlungsverfahren – sondern sie soll Standards setzen, die über das bisher bekannte hinausgehen. Mit anderen Worten: Die Blockchain soll nicht zum Werkzeug von Bürgerrechten und Freiheit werden – sondern zum Instrument der Überwachung. Aus der Utopie der Bitcoin-Szene wird die Dystopie der globalen Überwachungsblockchain.

Beschluss über globale Standards für Oktober angekündigt

All dies trifft sich hervorragend mit einem Bericht über Kryptowährungen, den die FATF bereits im Juli herausgegeben hat. Adressiert war er an die Finanzminister und Zentralbankdirektoren der G20.

Die FATF stellt darin fest, dass virtuelle Währungen zunehmend für Geldwäsche und Terrorfinanzierung genutzt werden. Zumindest letzteres steht in Gegensatz zu Erkenntnissen von Europol. Um dem zu begegnen entwickelt die FATF einen ganzheitlichen Ansatz, der sicherstellen soll, „dass alle Ländern ein ausreichendes Niveau der Aufsicht über die Aktivitäten von virtuellen Währungen / Krypto-Assets in ihrer Jurisdiktion gewährleisten“.

Die FATF hat bereits eine Analyse der Ansätze der verschiedenen Länder erstellt. In dem Bericht kündigt sie an, im September ein Treffen zu veranstalten, in dem diskutiert wird, wie die FATF-Standards für virtuelle Währungen anzuwenden sind. Im Oktober 2018 wird die Instition einen detaillierten Vorschlag diskutieren, der diese Anwendung konkretisiert.

Wie es aussieht, ist dies bald soweit. Die Financial Times berichtet, dass die FATF tatsächlich kurz davor steht, weltweite Standards für virtuelle Währungen zu beschließen. Der Präsident der FATF, Marshall Billingslea, sagte der Wirtschaftszeitung, dass er optimistisch sei, dass die FATF sich noch im Oktober auf eine „Serie von Standards einigen wird, die die Lücken in den Maßnahmen gegen Geldwäsche schließen werden, die derzeit noch in allen Ländern bestehen.“ Dabei sollen uniforme Regularien auf der ganzen Welt durchgesetzt werden.

Es braut sich also offenbar etwas zusammen. Ob der „AML BitCoin“ ein gutes Investment ist, darf aber dennoch bezweifelt werden. Wahrscheinlicher ist hingegen, dass wir die Blockchain im Dienste der digitalen Identifizierung sehen werden, und mehr oder weniger sicher ist, dass die FATF und die G20 bald beginnen werden, globale Standards der Regulierung von Kryptowährungen auszurollen.

Über Christoph Bergmann (2802 Artikel)
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5 Kommentare zu Die FATF plant weltweite Regulierungsstandards für Kryptowährungen

  1. Jetzt bekomme ich Angst.
    Wie ist das denn zu bewerten?
    Werde dann alle Besitzer und Nutzer von Cryptowährungen auf dieser neuen AML-Chain quasi registriert, weil Pflicht, wenn man über zentrale Börsen tauschen will?

    Wird das einen Boom von dezentralen Börsen auslösen?
    Wird das anonyme Cryptos (XMR, DASH, ZCASH etc.) aufsteigen lassen oder wird das Gegenteil passieren, weil man geächtet und automatisch kriminalisiert werden wird, wenn man diese benutzt?

    Diese verfluchte Überwachung. Ich habe das Gefühl, das wird immer nur schlimmer und man hat garkeine Chance mehr sich dem zu entziehen. Und zwar nicht, weil man ein böser Mensch ist und böse Dinge tun will, sondern, weil man einfach seine Privatsphäre haben will.

    Was sagt ihr dazu?

  2. Weltweit einheitliche Regulierung egal in welcher Form scheint mir ein großes Risiko. Lieber sollen die Länder mit einander konkurrieren.

    Hat denn die FATF Macht? Eigentlich muss ja jedes Land selber seine Regulierungen im Parlament beschließen.

  3. Wenn FATF könnte, dann würde sie Kryptowährungen verbieten. Können sie aber nicht mehr.
    Dass die Blockchain früher oder später für die Überwachung und Identifizierung der Nutzer benutzt werden wird war mir aber schon seit paar Jahren klar.
    Denn dafür ist sie eigentlich perfekt geeignet. Dazu noch bargeldlos. Ausgerechnet in dem Zeitalter indem mehr und mehr Regierungen die bargeldlose Zahlung propagieren. Nur einige hartnäckige Nationen weigern sich (z.B. Deutsche). Da kommen Kryptowährungen genau zum richtigen Zeitpunkt.

    Finde es ja immer noch lustig wie naiv viele Anhänger von Kryptowährungen und co. sind und denken, dass Überwachung und übertriebene Identifizierungen vorbei wären. Seit ca. einem Jahr führen mehr und mehr Börsen ein, dass man sich persönlich beim Drittanbieter per Cam identifizieren soll.
    Und dann ist alles (Transaktionen) schön zurückverfolgbar dank Blockchain.
    Mixer werden seit einiger Zeit auch verboten und anonyme Kryptowährungen werden irgendwann einfach blockiert bei den zentralen Börsen.

    Tja…

  4. Die Regierung will nur unser bestes.

  5. Ständig werden die Grundrechte und die Privatsphäre der Menschen unter dem Deckmantel der Terror- und der allgemeinen Kriminalitätsbekämpfung weiter beschnitten. Dabei wurde doch gerade erst ein Artikel veröffenlicht, wonach nicht ein Terroranschlag durch Kryptogeld finanziert wurde… !

    Also was soll das? Sind alle erst zufrieden, wenn das Prinzip der Dezentralität der Kryptowährungen wieder abgeschafft wurde und wir doch irgendwann wieder nur ein System haben, wie mit den Banken, die tun und machen können, was sie wollen?

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