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Der bessere Stablecoin: BitGo und Partner kündigen für 2019 Bitcoin als ERC20-Token an

New River Gorge Bridge WV 8466. Bild von bobistraveling via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Alle reden von Sidechains, aber BitGo und zwei Partner machen einfach: Mit den Wrapped Bitcoin (WBTC) wollen die Firmen Bitcoins als ERC20-Token auf die Ethereum-Blockchain bringen. Das Projekt ist technisch fantastisch und hat wirtschaftlich ein großes Potential – ist aber auch politisch etwas gruselig.

Was für ein Projekt. Während derzeit eine Firma nach der anderen eine Fiat-Währung als sogenannten „Stablecoin“ auf die Ethereum-Blockchain bringt, besinnt sich BitGo darauf, dass langfristig nicht der Dollar, sondern der Bitcoin die stabile Währung ist. Mit seinen Partnern Kyber.network und Republic Protocol hat die Firma nun angekündigt, Anfang 2019 die WBTC-Token zu launchen.

WBTC steht für „Wrapped Bitcoin“ und meint ein ERC20-Token auf Ethereum, das einen Bitcoin repräsentiert. Das macht es möglich, mit Bitcoin alle Smart Contracts von Ethereum zu benutzen und Bitcoins auf den dezentralen bzw. vertrauenslosen Börsen auf der Ethereum-Blockchain zu handeln. Es ermöglicht es Bitcoins auf einen Schlag, Anteil an der Geschwindigkeit und Flexibilität von Ethereum zu haben. Für Bitcoiner ist das eine prächtige Nachricht.

Die Technologie ist relativ komplex. BitGo und seine Partner nehmen ein Bündel von Innovationen im Kryptoraum – Atomic Swaps, ERC-Token, Dezentrale bzw. vertrauenslose Börsen, Smart Contracts, Multisig, DAO und Sidechains – und bauen daraus ein Produkt, das, je nach Perspektive, wundervoll oder verheerend ist. Auf jeden Fall ist es groß.

Schauen wir uns an, wie es funktioniert.

Wie BTC in WBTC umgewandelt werden

Es wird mehrere „Händler“ geben, bei denen man WBTC gegen BTC tauschen kann. Am Anfang sind Kyper.network und Republic Protocol diese Händler, aber andere Händler können sich registrieren lassen und stehen wohl auch schon in den Startlöchern. Jemand, der Bitcoins gegen WBTC wechseln will, muss zunächst die KYC-Prüfung der Händler durchmachen. Whitepaper und Website erwähnen das immer wieder. Dann schickt er die zu wechselnden Bitcoins an den Händler, der sie nun an den Treuhänder („Custodian“) sendet.

Dieser Treuhänder wird BitGo sein. Die Firma verwahrt die Bitcoins auf Multisig-Wallets, deren Schlüssel offline und an verschiedenen Orten deponiert sind. Es ist für die Zukunuft möglich, weitere Treuhänder hinzuzufügen, aber für den Anfang wird es nur BitGo sein. Ausbezahlt werden können die auf diesen Wallets gelagerten Bitcoins nur gegen die Adressen der Händler, die in einer Whitelist geführt werden. Ich habe keine Ahnung, ob das technisch als Skript in einer Bitcoin-Adresse abbildbar ist. Es wäre auf jeden Fall ziemlich komplex, vor allem, wenn man die Whitelist später ändern möchte. Daher vermute ich, dass dies eher „offchain“ umgesetzt wird.

Nachdem die Bitcoin-Transaktion vom Händler zu BitGo sechs Bestätigungen erreicht hat, initiiert BitGo die Schöpfung einer entsprechenden Menge WBTC. Dies geschieht, indem die Firma eine Transaktion an den Smart Contract von WBTC sendet. Ich vermute, auch diese Transaktionen werden durch eine Whitelist gefiltert, was mit Ethereum anders als Bitcoin relativ einfach umzusetzen sein dürfte.  Über den Händler bekommt der User schließlich seine WBTC.

Bitcoins für dezentrale Börsen

Danach kann man die WBTC wie alle Token auf Ethereum verwenden: Man kann sie in den Wallets für Ethereum speichern und überweisen, etwa im Browser-Plugin Metamask, und etwa auf dezentralen bzw. vertrauenslosen Börsen handeln.

Für die dezentralen Börsen ist dies ein Riesenvorteil, wie das Whitepaper erklärt: „Die Mehrheit des ERC20-Handels auf zentralisierten Börsen geschieht heute gegen BTC und nicht ETH. Die meisten dezentralisierten Börsen bieten aber nur den Handeln gegen ETH und nicht gegen BTC an. Wrapped Token können diese Lücke schließen und den dezentralisierten Börsen mehr Liquidität zufügen“ . Das Projekt hat laut der Pressemitteilung bereits die Unterstützung mehrerer solcher Börsen, unter anderem von MakerDAO, Dharma, Airswap, IDEX, Compound, DDEX, RadarRelay und Gnosis. Es könnte recht schnell gehen, dass Bitcoin Ethereum als Leitwährung der dezentralen Börsen ablöst.

Auch weitere dezentrale Anwendungen, etwa Fonds oder Kredite, können von der größeren Liquidität durch BTC profitieren. Darüber hinaus erschließen die WBTC die Funktionalitäten von Ethereum für Bitcoin, etwa dass man mit einer Bitcoin-Transaktion an einen ICO-Smart-Contract direkt die neuen Token schöpfen kann. Insgesamt kann ein User fast alles, wofür er zuvor Ether, die native Währung von Ethereum, gebraucht hat, auch mit Bitcoins machen. Ether sind nur noch notwendig, um Gebühren für Transaktionen und Gas für Smart Contracts zu bezahlen.

Ökonomisch ist das ganze hochinteressant. Es führt die Funktionen, die Ethereum ermöglicht, der Währung Bitcoin zu, die der Währung Ether damit auf dem eigenen Spielfeld Konkurrenz macht. Man könnte sich vorstellen, wie Bitcoin Ether kannibalisiert, aber auch, wie Bitcoin-User plötzlich Ether kaufen müssen, um die Transaktionsgebühren zu bezahlen.

Wie auch immer: Zurück zur Mechanik der WBTC. Wie bekommt ein User seine WBTC wieder in echte Bitcoin gewechselt?

Von WBTC zurück zu Bitcoin

Dazu muss der Besitzer der WBTC erneut zu einem der Händler gehen. Er weist sich aus – das Whitepaper betont dies nochmal – und sendet die WBTC an den Händler; der verbrennt sie mit einer speziellen Transaktion, und sobald diese genügend Bestätigungen hat, gibt BitGo die entsprechende Menge an Bitcoin frei. Der Händler sendet sie an den User, vor oder nach der Freigabe durch BitGo.

Eine Alternative zu diesem Verfahren werden Atomic Swaps sein. Diese sind eine komplexe kryptographische Prozedur, um einen Interblockchain-Handel vertrauenslos durchzuführen. Dies involviert Hashes, Secrets und HTLC-Transaktionen (Hashed Time Lock Contract), ein wenig wie sie beim Lightning Netzwerk eingesetzt werden. Ein solcher Atomic Swap funktioniert aber nicht direkt zwischen dem User und dem Treuhänder, sondern benötigt ebenfalls die Händler als Mittelsmänner. Der Vorteil ist, dass die User dem Händler nicht vertrauen müssen, der Nachteil, dass es etwas länger dauert.

Eine DAO für die Händler

Als wäre das technische Fest, das BitGo und seine Partner veranstalten, noch nicht rauschend genug, führt das Whitepaper noch eine DAO ein. DAO ist die Abkürzung von Dezentrale Autonome Organisation. Es meint eine rein virtuelle Organisation, die ihre Geschäftsprozesse als Smart Contract formuliert, was gewährleistet, dass jede Aktion, die sie ausführt, in Einklang mit den einmal gesetzten Regeln bleibt, und dass dies auf der Blockchain jederzeit validiert werden kann.

Mit einer solchen DAO sollen Teile des Geschäftsprozesses der WBTC-Token organisiert werden. Die beteiligten Händler und Treuhänder werden automatisch Mitglieder der DAO. Um neue Mitglieder hinzuzufügen oder alte zu entfernen, muss eine bestimmte Anzahl an DAO-Mitgliedern eine Transaktion für einen Multisig-Contract signieren. Auf diese Weise soll eine Art Selbstverwaltung entstehen, die den Zugang zu den Scharnieren zwischen den Blockchains von Bitcoin und Ethereum reguliert.

Wie WBTC die Skalierungsprobleme von Ethereum lösen will

Natürlich ist BitGo und seinen Partnern klar, dass die WBTC ihre eigenen Probleme haben werden. Das Whitepaper preist zwar die schnelle Geschwindigkeit von Ethereum an, wo alle 15 Sekunden ein Block gefunden wird und eine Transaktion bereits nach fünf Minuten als sicher gilt; und es verkauft es auch als Vorteil, dass Börsen und andere Unternehmen dank der „Wrapped Token“ in Zukunft nur noch einen Ethereum-Node brauchen, um beliebige Kryptowährungen zu akzeptieren.

Aber ihnen ist auch klar, dass Ethereum vor massiven Skalierungsproblemen steht. Im Januar 2018 sei Ethereum an ein Gaslimit je Block gestoßen, das sowohl durch Hardware als auch Software verursacht wurde. Es gibt zwar verschiedene Vorschläge für Lösungen, aber keine von ihnen ist marktreif. Daher gibt es immer wieder Perioden der Verstopfung, in der die Gebühren für Ethereum-Transaktionen hochschnellen. Ein bekanntes Beispiel war das Spiel CryptoKitties, das im Alleingang Ethereum beinah an den Rand des Kollaps gebracht hätte.

Unter diesen Umständen nun auch noch Bitcoin-Transaktionen auf die Ethereum-Blockchain zu laden, mit diesen Liquidität und Volumen auf die dezentralen Börsen zu bringen, und sie womöglich noch für Zahlungen zu benutzen, ist Wahnsinn. Der eine große Node für Börsen, der Ethereum-Node, ist schon jetzt eine Monströsität, die endlos synchronisiert, Ressourcen frisst, oft instabil wird, und dessen State immer weiter und weiter wächst. Für die meisten Börsen und Unternehmen mit überschaubaren Ressourcen ist es eher eine abschreckende Aussicht, anstatt der modularen Nodes für je eine Kryptowährung einen Supernode für alle führen zu müssen.

Aber: Das WBTC-Konsortium ist auch darauf vorbereitet. „Die Kollaboration von verschiedenen Institutionen in unserem Framework ermöglicht es uns, eine praktische Lösung umzusetzen, um die Kapazität zu erhöhen,“ schreibt das Whitepaper. Und zwar soll dies eine „pegged Sidechain“ sein, wofür eine bereits existierende Software (parity-bridge) von den DAO-Mitgliedern benutzt wird. Die Chain wird ein eigenes „Proof of Authority“ Netzwerk bilden, das den „Aura Konsens-Algorithmus“ benutzt.

Mit dem Kovan Testnet für Ethereum existiert bereits seit 2017 eine gut erprobte Blaupause für eine solche Chain. Durch Multisig-Verträge wird ein WBTC auf der Ethereum-Mainchain eingefroren und auf der DAO-Sidechain aktiviert. Als Validatoren der Blockchain fungieren die Mitglieder der DAO, die durch Transaktionsgebühren auf der Sidechain belohnt werden. So können die WBTC auf der Sidechain fröhlich hin und her transferiert werden, während sie auf der Mainchain stillzuliegen scheinen.

So grandios wie beunruhigend

Um all das also einmal zusammenzufassen: WBTC verwurstelt Atomic Swaps, Smart Contracts, ERC-Token, Sidechains und eine DAO, um Bitcoins auf die Ethereum-Blockchain zu bringen und dabei nicht nur die Skalierbarkeitsprobleme von Bitcoin, sondern auch von Ethereum selbst zu lösen. Bitcoins werden das können, was Ether können, aber sie skalieren dabei besser. Das ganze ist grandios – aber auch etwas beunruhigend. Man kann es nämlich auch anders formulieren: BitGo und seine Partner wollen, dass ihr eure echten Bitcoins gegen KYC-Token auf der Ethereum-Blockchain tauscht und später einmal auf eine private Sidechain einer DAO übersetzt.

WBTC ist ein interessantes, spanndes Projekt, es könnte die Funktionalität von Bitcoins erweitern, Bitcoin womöglich gar zur Leitwährung von Ethereum machen, und eine Menge Liquidität auf dezentrale Börsen bringen. Aber man sollte im Auge behalten, dass es dafür einige der wichtigsten Eigenschaften von Bitcoin selbst aufgibt.

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4 Kommentare zu Der bessere Stablecoin: BitGo und Partner kündigen für 2019 Bitcoin als ERC20-Token an

  1. Juergen Roeger // 29. Oktober 2018 um 18:19 // Antworten

    Im Moment gibt es zu viele Entwicklungen, wo sich wieder ein Mittelsmann reinschiebt, um zu verdienen (wie auch Circle, Blockstream).

  2. Oooooder man nutzt einfach Bisq.

    Warum fangen alle wieder mit diesem „Anspruch auf einen Anspruch auf..“ Quatsch an.. *rolleyes*

  3. Vor meinem geistigen Auge zieht gerade ein neues Bretton Woods herauf, mit dem BitCoin als Wertanker. Denn auch wenn hier nichts von Teilreseve steht, bei einem „proof of authority“ wird man sich auf die Authritäten verlassen müssen.

    Was es im Moment noch alles so gibt: https://www.finanzen.net/nachricht/devisen/von-dezentral-zu-zentral-mastercard-will-das-prinzip-bitcoin-auf-den-kopf-stellen-6764492

  4. Nennt mich ruhig Crypto-Spießer, aber das letzte was ich will ist, dass die Bitcoins deren Keys ich und nur ich persönlich halte, gegen Schuldscheine, die durch ein privates Unternehmen ausgestellt werden, eintausche und darauf hoffe, dass sie auch irgendwann gedeckt sind, wenn ich deren Gegenwert wieder einfordere.
    Nichts anderes als Gold „Zertifikate“, hinter denen kein Mensch sehen kann, ob da wirklich Gold, „Falschgold“ oder gar nichts steckt.

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