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„UNCHAIN ist für uns ein Imperativ: Wir wollen Diskussionen aufmachen und Denkverbote brechen.“

Oskar Giese (ganz rechts) auf der Hafenrundfahrt mit Bier und der Franfkurter Band "Die Schwindler" anlässlich der UNCHAIN Konferenz in Hamburg 2018.

Oskar Giese organisiert mit der UNCHAIN die wichtigste deutsche Bitcoin- und Krypto-Konferenz. Im Interview erzählt der Hamburger mit Wohnsitz im Rheinland, was die UNCHAIN besonders macht, welche Schmerzen es bereitet, sie zu organisieren und wohin sich der Fokus in diesem Jahr gewendet hat.

UNCHAIN heißt ja „ohne Ketten“. Inwieweit ist dieses Motto auf der Konferenz zu spüren?

UNCHAIN ist für uns ein Imperativ: Wir wollen Diskussionen aufmachen und Denkverbote brechen. Was passiert, wenn wir unsere eigenen Banker sind? Brauchen wir so viel Bürokratie und Regulierung?

Das ist eine kämpferische Ansage, und es soll Aufbruchstimmung ausdrücken. Wenn du in Deutschland etwas verändern willst, heißt es immer, du sollst in die (Berufs-)Politik gehen. Meiner Erfahrung nach kann man dort als Einzelner nichts bewegen. In der Blockchain-Bewegung gehen die Leute dagegen ihren eigenen Weg. Es geht nicht ums Lamentieren, sondern ums Machen.

Mit der Konferenz wollen wir helfen, Geschäftsmöglichkeiten zu schaffen. Wir wollen das Framework dieser neuen Economy, mit ihrer ganzen Symbolik, in unseren Kulturkreis übersetzen und mitprägen.

Unser Motto, keine Denkverbote zuzulassen, macht es nicht immer einfach. Jeder spricht von Vielfalt, aber nur, wenn es nicht weh tut. Das haben wir im letzten Jahr mit unserem Lineup schmerzlich erfahren. Wir und unsere Kooperationspartner haben E-Mail-Shitstorms bekommen, sogar aus öffentlichen Institutionen, nachdem bekannt wurde, dass wir Politiker aller Fraktionen eingeladen haben …

Das scheint nicht das einzige zu sein, was schmerzt. Du hast im Vorfeld gemeint, die Organisation einer Konferenz sei eine Art „Kasteiung“. Warum?

Haha, ja. Unser Freund und Partner Rudolfo Andragnes, der seit Jahren die laBITconf organisiert, hat mir mal gesagt, Krypto-Konferenzen werden in „Wellen der Depression“ organisiert. Es ist herausfordernd und oft frustrierend, eine inhaltlich unabhängige und anspruchsvolle, aber kostentechnisch solide Konferenz zu produzieren.

Was ist die größte Quelle der Depression?

Das ist eindeutig die Mittelakquise. Auf der einen Seite wollen alle präsentieren, selbst dann, wenn sie nicht viel zu erzählen haben, aber keiner möchte bezahlen. Und die, die doch bezahlen möchten, beanspruchen nicht selten den inhaltlichen Beifahrersitz. Wir haben etwa mit der Stadt Hamburg über eine Zusammenarbeit gesprochen, aber uns wurde gesagt, wir seien zu systemkritisch. Da haben es andere, weniger Bitcoin-fokussierte Konferenzen einfacher. Je inhaltlich flexibler, je mehr Fokus auf „Enterprise und Private Blockchains“, desto mehr Förderung, u.a. mit öffentlichen Geldern, und da treten dann auch Politiker auf. Den Realitäten hier ins Auge zu schauen, das ist schon hart!

Wir schaffen das die anderen großen Konferenzen? Werden die von den Veranstaltern selbst finanziert?

Ich habe mit vielen geredet, und den Veranstaltern spannender Events geht es oft nicht viel anders. Breaking Bitcoin zum Beispiel hatte in diesem Jahr große Probleme, die Mittel reinzuholen; und selbst für Blockstream war es kein Kinderspaziergang, eine Veranstaltung wie Understanding Bitcoin auf die Beine zu stellen. Das wird schnell existenziell. Wir haben uns auch schon gelegentlich überlegt, es nicht zu machen. Aber das gehört nun mal dazu: Ups and downs ist man als Bitcoiner inzwischen ja gewohnt.

Aber am Ende hat es doch geklappt?

Ja, es klappt, wenn man standhaft bleibt. Wir haben ja viele Kontakte, etwa durch unsere engen Partnerschaften mit der laBITcoinf, der Baltic Honeybadger, und anderen. Das hilft sehr.

Dabei hat sich in diesem Jahr auch ein stärkerer Fokus auf die Core-Community herausgeperlt. Es wird mehr um Privacy oder um Lightning gehen, mit Max Hillebrand, Christian Decker, Adam Back, Jeff Gallas oder Fluffy Pony haben wir dafür exzellente Redner.

Wie kam dieser Fokus zustande?

Ich habe im letzten Jahr viele Veranstaltungen besucht. Dabei waren auch viele, etwa ICO-Roadshows, die ich eigentlich gar nicht besuchen möchte. Mein Anspruch an die UNCHAIN ist es, dass sie mir selbst gefällt. So kam der Wunsch nach mehr Substanz, was uns zurück zu den Roots geführt hat.

Außerdem haben wir geschaut, was aus den vielen Ideen geworden ist, mit denen wir uns im letzten Jahr auseinandergesetzt haben. Also eine Art Realitätscheck. Mein Eindruck ist, dass die ganze Kryptoindustrie vor allem um das Projekt Bitcoin kreist, dass dort die wirtschaftliche Musik spielt und es eine viel größere Zukunft hat als die ganzen Parallel-Industrien.

War es schwierig, gute Redner zu bekommen?

Ich habe auf den Konferenzen, mit denen wir kooperieren, Leute angesprochen, und über Jeff und Aaron haben wir ein großes Netzwerk, aus dem wir schöpfen konnten.

Dazu hatten wir noch mindestens 70 Bewerbungen, von denen wir aber nur einen kleinen Teil angenommen haben. Viele wollten zu Themen wie Rechtsberatung und Regulierung vortragen. Das ist für uns nicht so wichtig, dazu gibt es schon viele erfolgreiche Veranstaltungen.

Ein allgemeines Problem ist, dass man nicht in alle Projekte inhaltlich tief einsteigen kann. Wir werden mit Whitepapers zugeschüttet. Ich kann das nicht alles lesen und verstehen, daher bin ich darauf angewiesen, der Einschätzung von anderen zu vertrauen. Wenn wir eine exponentielle Innovation haben, wird es unmöglich, alles noch selber zu verstehen, selbst für Experten. Auf der einen Seite entkoppeln wir uns im Internet vom Persönlichen, und gerade in unserem Ökosystem heißt es: Don’t trust, verify! Auf der anderen Seite wird es immer unentbehrlicher, dass wir Fachleute in unserem Netzwerk haben, denen wir bei bestimmten (technischen) Fragen vertrauen und die uns leiten können. Das war für mich eine sehr interessante Erfahrung.

Gab es Sprecher, die du gerne gehabt hättest, aber nicht bekommen hast?

Ja, ein paar. Nassim Taleb wäre schön gewesen, aber der konnte nicht. Trace Mayer hätte ich gerne gehabt, weil er brutale Wahrheiten auf eine slapstickartige Weise zum Ausdruck bringen kann, nur an den bin ich nicht rangekommen. Andreas Antonopoulos hätten wir bekommen können, dafür habe ich ein halbes Jahr lang gearbeitet. Aber als er mir dann das Vertragswerk vorgelegt hat … es ist vermutlich einfacher, Metallica auf eine Bühne zu bringen als ihn. Wir haben deshalb dann doch nicht zueinander gefunden. Mit allem Bedauern, denn natürlich ist er ein herausragender Redner und Visionär.

Nachdem wir jetzt so viel gemeckert und geklagt haben … was an der UNCHAIN ist für dich denn ein Quell der Freude?

Das ist die Veranstaltung an sich. Vor allem die Side Events. Es kommen viele Leute aus der ganzen Welt, einige sind schon Freunde, die alle Veränderungen schaffen wollen und die Power und Energie hierfür haben.

Die Vorträge sind natürlich toll, aber Talks kann man sich letzten Endes auch auf Youtube ansehen. Worum es uns geht ist die Atmosphäre; dass die Leute in einer stimulierenden Umgebung zusammenkommen. Wir haben Teilnehmer und Redner auf allen Niveaus, technische Experten, Business-Maker, Investoren und so weiter. Die vielen Gespräche am Rand, auf der Spree-Bootsfahrt und auf den Parties am Abend – das ist das, worauf ich mich am meisten freue.

Wer nun Lust bekommen hat, auch zur UNCHAIN zu gehen, kann sich über die Webseite der Konferenz ein Ticket buchen. Wer mit dem Rabattcode BTCBLOGUC19 bezahlt, bekommt zudem noch einen Nachlass von 20 Prozent auf die Tickets.

Über Christoph Bergmann (2801 Artikel)
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13 Kommentare zu „UNCHAIN ist für uns ein Imperativ: Wir wollen Diskussionen aufmachen und Denkverbote brechen.“

  1. Das Konzept klingt eigentlich spannend, aber der Preis ist Wucher, egal wie man es wenden und deuten will. Selbst mit den 20% Rabatt sind es noch knapp 600 Euro für zwei Tage Konferenz, damit wird sich die Veranstaltung auch wenn angeblich nicht gewollt zum „Business People“ Treff entwickeln, technisch versierte Besucher wird der Preis eher abschrecken. Das ist leider schon eher die Preiskategorie „Consensus“ (die vier Tage dauert und etwa doppelt so teuer ist), eben dadurch auch zur Marketing Veranstaltung mutiert ist.

    Dass es anders geht zeigen alljährlich der CCC Kongress oder das HCPP Event in Prag, beide dürften eher noch schwieriger an Sponsoren kommen.

    • Oskar Giese // 23. Mai 2019 um 11:07 // Antworten

      Sie sind wirklich lustig. Unterhalten Sie sich gern mit Leuten, die hier Praxiserfahrung haben. Oder veranstalten Sie selber. Und schon sieht das alles ganz anders aus. Mit unseren Ticketpreisen lässt sich das Event nicht mal refinanzieren. Das HCPP Event ist mit seiner Teilnehmergröße und dem diesjährigen Ticketpreis übrigens die reinste Cashcow, verglichen mit uns. Da dürfen Sie gern mal nachrechnen, und dabei auch noch die viel günstigeren Produktionsbedigungen gleich miteinfaktorieren. Viel Spass:)

      • Dann stimmt die Kalkulation irgendwo nicht. Tut mir Leid, aber wenn 345 Euro / Teilnehmer pro Tag nicht kostendeckend sein sollen, dann ist die Planung aus dem Ruder gelaufen, egal wie groß / klein die Veranstaltung ist.
        Ich habe schon an deutlich teureren „Konferenzen“ teilgenommen (z.B. Seoktoberfest für 5.000 Euro), allerdings sind die meisten Veranstaltungen deutlich günstiger als die Unchain. Wie gesagt, je teurer das Event, desto wahrscheinlicher ist das Abdriften in eine Marketingveranstaltung und weg von der technischen Sphäre. Nur meine Meinung…

      • Oskar Giese // 23. Mai 2019 um 20:53 //

        Paul: Du sprichst hier von Bruttozahlen (ergo minus 19%), denkst nicht an Rabatte wie z.B. den hier auf Bitcoinblog publiziert (weitere 20% minus) oder für Studenten (weitere minus 50%) – ferner lässt Du ausser Acht, dass unsere Early Bird Tickets (600€ brutto) und vor allem Cryptotickets deutlich preiswerter waren (0.1 BTC, z.T. als BTC auf 300€ stand). Und ordentliche Transaktionsgebühren gehen von unseren Fiatzahlungen via PayPal etc. auch noch ab. Ich kann hier jetzt so weiter machen – nur wozu? Die Tickets sind wie angeboten viel (!) zu preiswert – und das weiss jeder, der etwas von diesem Konferenzgeschäft versteht oder sich die Mühe macht (machen möchte), ernsthaft hinter den Vorhang zu schauen. Klar, man ist Amazon-Preise und Qualitätsjournalismus for free gewohnt inzwischen. Ist verstanden.

      • @Oskar
        Ich möchte hier nicht Eure Veranstaltung irgendwie schlecht reden, den das Konzept ist spannend und alleine für Fluffy’s Talk wahrscheinlich wert, hinzugehen 😉
        Allerdings muss man sich eben vor Augen halten, dass techaffine Menschen von derartigen Preisen abgeschreckt werden und man sich dazu ggf. Gedanken machen sollte. Ich möchte Events ungern vergleichen, aber auch die von Tobias erwähnte „Distribute“ muss Mehrwertsteuer etc. abführen…

        @herzmeister
        Stimmt beim CCC, allerdings wird Infrastruktur wie Backbones etc. durchaus von dem CCC zugeneigten Unternehmen zur Verfügung gestellt. Die Orga beim Kongress ist eh der Hammer, wenn man sich überlegt, wie viele Teilnehmer dort mittlerweile auflaufen und wie reibungsfrei die eigens für den Kongress aufgesetzten Netzwerke funktionieren und skalieren. Interessant beim CCC ist übrigens, dass dieser Kryptowährungen sehr skeptisch gegenüber steht (Hype, Blase und Zockerei) und das RIAT.at / Monero Assembly welches seit zwei Jahren dort aufgebaut wird war ein Kraftakt, um es genehmigt zu bekommen… https://events.ccc.de/congress/2018/wiki/index.php/Assembly:Monero
        Andererseits hält das die ganzen Bullshit Marketing Projekte fern.

        Auf der größten Bühne gab es beim 34C3 2017 übrigens einen (Marketing) Talk zu zCash von Zooko, der (technisch) leider sehr schwach war und die Hemmschwelle für andere Talks zu Kryptowährungen wohl noch weiter hochgesetzt hat. Auf der kleinen Bühne beim Monero Assembly gab es jedoch viele interessante Vorträge, auch zu allgemeinen Blockchain Themen wie der von Peter Todd über sein Open Timestamps Projekt.

        Insgesamt muss man der Organisation des CCC tatsächlich einen riesen Respekt zollen, wenn man bedenkt, dass sie das 4-tägige Event für unter 150 Euro pro Teilnehmer auf die Beine stellen und damit tatsächlich ein Klientel ansprechen, welches kein fancy Buffet benötigt, sondern sich auf die Inhalte konzentriert. Lediglich der Zeitpunkt zwischen Weihnachten und Neujahr ist für Menschen mit Familie leider etwas ungünstig…

    • herzmeister // 24. Mai 2019 um 1:43 // Antworten

      CCC hat keine Sponsoren. Einige (Telekommunikations-) Firmen stellen Infrastruktur, das war’s. Die Miete der Location ist wohl für die fast gesamten Kosten verantwortlich. Keine Speaker Fees, alles selbstgebastelt, alles ehrenamtlich, alle Veranstalter und Helfer zahlen selbst Eintritt. Der Kongress lebt vom mitmachen, und ist so, wie jeder Event sein sollte. Wer aus der Business-Welt kommt, kann das alles nicht so einfach verstehen.

  2. Coil wäre eine großartige Bereicherung. Wurden die eingeladen?

    • Herzlich willkommen! Schön dass du hier aufschlägst!

    • Oskar Giese // 23. Mai 2019 um 21:04 // Antworten

      Nein – wir können leider nicht alle spannenden Projekte initiativ einladen… dafür reichen unsere Ressourcen nicht:) Zeitgleich ist jedes Projekt herzlich eingeladen, auf uns zuzukommen. Angesichts des XRP in Deinem Usernamen: David Schwartz hat sich im letzten Jahr z.B. auch selber vorgeschlagen, wir fanden das spannend, und am Ende war sein Talk mit der Diskussion eine große Bereicherung. Unabhängig davon, wie man zu Ripple steht.

  3. Die DISTRIBUTE Blockchain Conference kostet für Privatbesucher übrigens nur 169 EUR 😉
    http://www.distribute-conference.com

  4. Oskar Giese // 23. Mai 2019 um 21:15 // Antworten

    Fairer Hinweis, Tobias! Ich empfehle jedem, möglichst viele unterschiedliche Konferenzen zu besuchen und sich am Ende selber eine fundierte Meinung zu bilden, welche ihr Geld wert sind, und welche nicht. Von MeetUps mit Preisschild bis hin zur Consensus… Distributed hierzulande z.B. genauso wie Blockchain Hotel, C3 und UNCHAIN. Die Wahrheit liegt auf dem Feld. Nur wer selber investiert (Zeit, Geld etc.) wird klug.

  5. Ich bin noch ganz neu auf dem Gebiet und freue mich, so einen qualitativ hochwertigen Blog gefunden zu haben. Ich bin mir sicher, dass ich hier noch viel lernen kann!

  6. @Oskar:

    Großartig! Herzlichen Dank für dein Feedback!! Ich werde eure Aktivitäten mit größtem Interesse verfolgen! Habt ihr einen Twitter Handle?

    @Christoph:

    Herzlichen Dank auch dir!

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