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Der mutmaßliche 3-Milliarden-Dollar-Betrug

Bild von Vanatu im Südpazifik. Foto von eGuide Travel via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Das chinesische PlusToken ist offenbar eine Betrugmasche, die Anlegern auf der Suche nach dem schnellen Geld rund 3 Milliarden Dollar in Kryptowährungen abgeknöpft hat. Während ein Teil der Mannschaft bereits verhaftet ist, sind die Köpfe weiterhin auf freiem Fuß – und versuchen nun, die Bitcoins auf Börsen einzutauschen, bevor diese die Adressen einfrieren.

Große Dinge sind oft zunächst unscheinbar. Ende Juni berichtete die Presseagentur Reuters davon, dass die Polizei des südpazifischen Inselstaates Vanatu sechs Chinesen verhaftet haben, denen vorgeworfen wird, von dem Südseeparadies aus einen Internetbetrug abzuziehen. Die Meldung ist dünn und nennt wenig Details. Nichts in ihr deutet darauf hin, dass es sich dabei möglicherweise um den bisher größten Betrug im Krypto-Universum handelt.

Erst letzte Woche hat Dovey Wan, eine der interessantesten chinesischen Krypto-Stimmen auf Twitter, den Fall mit vielen Details an die außerchinesische Öffentlichkeit getragen. PlusToken, so Dovey, sei ein „pures Ponzi“ gewesen, das seit 2018 Usern eine Online-Wallet anbot, auf der sie hohe Zinsen für eingezahlte Krypto-Währungen erhielten. Zudem gab es Rabatte und Belohnungen für Mitglieder, die andere Mitglieder werben. Man kennt diese Art von Strukturvertrieb in vielen Bereichen; bei Kryptowährungen sind sie aber sehr oft ein guter Indikator dafür, dass etwas faul ist.

Nach der Verhaftung der sechs „Mitarbeiter“ scheint die Spitze von PlusToken den „Exit Scam“ gemacht zu haben – sie lösten die Plattform auf und verschwanden mitsamt der Kunden-Coins in der Anonymität des Internets. Dovey hat versucht, herauszufinden, wie viele Coins PlusToken erbeutet hat. Laut der Seite gab es etwa 10 Millionen User. Die Wallet-Adressen sind teilweise bekannt. So hat die 1Dd5VTCkRtMG8bpuHZrjkLf1TeZ8cwZGDe etwa rund 74.000 Bitcoin erhalten, und die 14BWH6GmVoL5nTwbVxQJKJDtzv4y5EbTVm sogar 95.000. Das ist schon mal ziemlich viel, aber nur der Anfang.

Nach einigen Recherchen in Chatgruppen fand Dovey noch unter anderem die Adressen 1MMea1NkjidazwNyMvY1xLkYeW5HA5vzeJ (15.000 BTC), 31odn4bxF2TgM4pD7m4hdSr1vGMsjh9ugV (68.000 Bitcoin) und 33FKcwFhFBKWHh46Ksmxs3QBu8HV7h8QdF (38.000 BTC) – womit wir bei beinah 300.000 Bitcoins wären, derzeit rund 3 Milliarden Dollar. Dazu kam noch eine Ethereum-Adresse, 0xF4a2eFf88a408ff4c4550148151c33c93442619e mit fast 790.000 Ether (etwa 160 Millionen Dollar) sowie ein EOS-Account mit gut 26 Millionen EOS (knapp 100 Millionen Dollar).

„Korrektur“, tweetet sie entsetzt, „dieser verfluchte Scam hat Leute um mindestens 200.000 Bitcoin betrogen“ – was immer noch recht tief gestapelt ist. Mit einem Volumen von etwa 3 Milliarden Dollar dürfte PlusToken der bislang heftigste Betrugsfalls in der Krypto-Szene sein. Der eigentliche Skandal ist dabei, dass solche Maschen noch immer in einem solchen Umfang ziehen. Es gab in den letzten Jahren Dutzende davon, darunter auch schon sehr große. Gibt es keine Möglichkeit, durch Aufklärung zu verhindern, dass dies immer wieder in einer solchen Masse passiert? Oder sind gierige Anleger schlicht unbelehrbar?

Nachdem die Polizei also einen Teil der PlusToken-Belegschaft verhaftet und die Plattform offline ging, begann ein Wettlauf gegen die Zeit. Wer ist schneller? Die Schatzmeister von PlusToken, die versuchen, die Coins auf verschiedenen Börsen zu tauschen – oder die Community und Polizei, die die Adressen auffinden und Börsen darüber informiert? Laut Dovey verschieben die Hintermänner von PlusToken die Coins in Portionen von 50-100 Bitcoins auf verschiedenen Börsen. Sie fordert diese auf, gemeinsam mit Blockchain-Analysefirmen wie Chainalyses oder Peckshield Blacklists zu bilden, die verhindern, dass die Betrüger die Coins unbemerkt einzahlen und wechseln.

Ein einfaches Blacklisting der Adressen reicht gewöhnlich nicht aus, da die Bitcoins in vielen Paketen und Schritten auf andere Adressen überwiesen werden. Vielmehr ist es notwendig, bei eingehenden Zahlungen viele Schritte zurückzugehen, um herauszufinden, ob die Coins auf eine bestimmte Adresse zurückgehen. Blacklisting in dieser Form ist aufwändig und vermutlich nur in Akutfällen wie diesem möglich.

In gewisser Weise sind solche Blacklists ein Anlegerschutz für Bitcoin-Investoren. Auch Dovey geht es offenbar weniger darum, gegen die Kriminellen vorzugehen, als sich selbst und andere Bitcoin-Anleger zu schützen. Denn die schiere Menge an Coins, die auf die Märkte fließen könnte, droht, den Bitcoin-Preis einbrechen zu lassen, wenn sie in einem kurzen Zeitraum verkauft werden. Die wenigsten Märkte haben genügend Liquidität und Kaufangebote, um auch nur einen Teil dieser Mengen abzufedern. Wenn die Betrüger dies zudem mit gehebelten Trades auf den Bitcoin-Preis kombinieren, könnten sie für den Einsturz der Preise noch eine zusätzliche Belohnung kassieren – während sie für noch mehr Aufregung auf den Märkten sorgen.

Andererseits haben die Bitcoin-Anleger womöglich auch von PlusToken profitiert. „Scams wie PlusToken versuchen gewöhnlich nicht, die üblichen ‚Krypto-Leute‘ zu betrügen, sondern zielen auf normale Menschen, die noch nie etwas mit Krypto zu tun hatten. Sie haben auch Anleitungen, die erklären, wie man mit Fiatgeld Bitcoin kauft.“ Die massive Nachfrage nach den hochverzinsten Angeboten von PlusToken haben, so Dovey Wan, „zum Teil auch zu der BTC Rally beigetragen.“ Einen ähnlichen Verdacht gab es bereits Ende 2015, als der internationale Arm des russischen Pyramidenspiels MMM begann, in China und anderen Ländern Bitcoins einzusammeln. Aber wie stets lässt sich nicht sagen, wie stark der Einfluss einzelner Faktoren auf den Preis ist.

Die Ermittlungen der chinesischen Polizei laufen noch weiter. Laut einem Bericht seien sie kompliziert, weil sie auch auswärtige Jurisdiktionen berühren, und die Bewegungen der Guthaben von PlusToken schwer nachvollziehbar sind. Ein großer Teil davon ist derzeit noch nicht ausgegeben, aber es gab in den letzten Tagen eine Menge Bewegungen in den und um die bekannten Adressen. Die alles entscheidende Frage wird sein, ob die Coins verkauft oder auf Börsen eingefroren werden.

Das Ende dieser Geschichte ist also noch nicht bekannt. Für Leser sollte an dieser Stelle aber eine Sache bekannt sein: Wenn euch, mit welchem Grund auch immer, angeboten wird, eure Bitcoins zu vermehren, dann sollten alle Alarmglocken anschrillen. Vielleicht habt ihr das Geschäft eures Lebens vor euch – aber viel wahrscheinlicher ist, dass jemand euch abziehen will. Prüft es nicht nur einmal, sondern zweimal und dreimal, und gebt den Namen des verlockenden Angebots nebst dem Wort „Scam“ bei Google ein. Wenn es viele Treffer dazu gibt – lasst besser die Finger weg.

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14 Kommentare zu Der mutmaßliche 3-Milliarden-Dollar-Betrug

  1. Maik Richter // 19. August 2019 um 20:41 // Antworten

    Onecoin reloaded. Und immer nur weil die Leute glauben den nächsten Bitcoin vor sich zu haben. Die Dummen sterben nicht aus.

    • Bitconeeeeeeeeeeeeeeect!

      Die alles entscheidende Frage wird sein, ob die Coins verkauft oder auf Börsen eingefroren werden.

      Eine andere Möglichkeit wäre, die Coins werden erstmal „nur“ gesplittet und dann in diversen Wallets gehalten… Nach und nach dann per Coinjoins wie Wasabi etwas reiner gemacht oder ins LN eingeschleust. Kaum jemand braucht nach seinem Exit Scam gleich eine Fiat-Liquidität von mehreren Milliarden, zum guten Leben reichen deutlich weniger.

  2. Einzahlungen annehmen.. und einfrieren. Dann können sich die Verbrecher ja mit dem Nachweis der Herkunft einklagen. Nach Verjährung dem Rehabilitation Trust übergeben.
    Dann hören diese Unarten auch irgendwann auf… ein paar Jahren Knast für 1 oder 2 erlöste BTC zerstört das Geschäftsmodell

  3. >Gibt es keine Möglichkeit, durch Aufklärung zu verhindern, dass dies immer wieder in einer solchen Masse passiert? Oder sind gierige Anleger schlicht unbelehrbar?

    Oder.

  4. Interessant welche Kursveränderungen solche Scams auf den Bitcoinkurs verursachen. Die Nachfrage nach Bitcoin steigt, um in den Scam per Bitcoin zu investieren. Dann verkauft der Scamer seine Bitcoins und der Bitcoinkurs sinkt. So war es auch bei den ICOs. Auch da ist der Bitcoinnkurs gestiegen und als die ICO Blase geplatzt ist, wurden die Bitcoins schnell verkauft.

    • Scheinbar werden doch signifikante Beträge BTC aktuell liquidiert und der BTCXMR Preisaufschlag gegenüber anderen Exchanges ist aktuell 5-8% bei gleichzeitigem Anstieg des Volumens. Ich würde ja gerne einspringen, aber was soll ich dann mit den (vermutlich) schmutzigen BTC? Jede KYC/AML Exchange wird einen Account damit einfrieren…

      Als Händler muss man mittlerweile wohl mittlerweile auf einen Service wie Elliptic zurückgreifen, wenn man Payments selbst abwickelt statt über Bitpay & Co.

      • Wenn man als Händler nachweisen kann, Geld aus ehrlichen Geschäften erhalten zu haben – also wenn sich jemand zum Beispiel bei mir ein Buch kauft – dürfte es kein Problem sein.

      • Das wäre ja interessant. Welche Börse meinst du denn?

      • Ahm … du meinst auf bisq?

        https://www.reddit.com/r/Monero/comments/csb4y0/bisq_volume_is_growingalso_the_price_is_much/

        Auf bisq.network 0.00824324 (buy), 0.00834315 (sell) gegen Coinmarketcap 0,00818717 (durchschnitt). Sieht eher nach 1-2 Prozent aus. Volumen … seit Ende Juni schon hoch, aber auch nicht extem. Ist aber interessant, weil Dollar, Euro, Litecoin und alle anderen stagnieren. Vermutlich sollte Bisq mal versuchen, Monero als Leitwährung zu nehmen —

        Keine Ahnung, ob das wirklich eine Rolle spielt. An sich … es ist erlaubt, auf Bisq zu handeln, daher hat man die BTC ja ordnentlich erworben. Aber ob es noch erlaubt ist, wissentlich damit regelmäßig Geld zu verdienen?

        Am Ende werden die Betrüger temporär zu guten Hodlern, weil sie das Geld nur langsam waschen können. Wenn nun der Preis steigt, vermehrt sich ihr Reichtum. Wenn die wirklich 200-300.000 Bitcoin haben, und der Preis steigt 2020 auf 100.000 … irre. Und auch gruselig.

        Wenn die Börsen nun Blacklists haben … was passiert mit den Coins? Bleiben auf der Börse, bis das Gerichtsverfahren durch ist, dann nimmt der Staat sie, und beginnt, sie zu verkaufen oder zu versteigern … Die frieren auch für eine Weile ein …

      • Ja, ich meine natürlich Bisq, die praktisch nur noch BTCXMR traden, die anderen Paare sind mittlerweile insgesamt für weniger als 5% des Umsatzes verantwortlich. Das Volumen mag niedrig aussehen, erreicht aber mittlerweile desöfteren über 1M US-Dollar am Tag und im Vergleich zu anderen Exchanges mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Null Fake-Volumen, denn alle Trades laufen ja direkt On-Chain ab.

        Zum Spread zwischen Bisq und anderen Exchanges einfach mal auf https://bisq.network/markets/?currency=xmr_btc gehen und runterscrollen, dort sieht man abgeschlossene Trades. 3-4% Premium sind relativ easy zu spotten, so auch der letzte Trade aktuell, teilweise aber eben 5-7%. Interessant ist auch, dass die Trades fast ausschließlich volle 1 BTC oder sogar 2 BTC sind, die Limits, die eben bestehen.

        Keine Ahnung, ob das wirklich eine Rolle spielt. An sich … es ist erlaubt, auf Bisq zu handeln, daher hat man die BTC ja ordnentlich erworben. Aber ob es noch erlaubt ist, wissentlich damit regelmäßig Geld zu verdienen?

        Das würde der logische Menschenverstand meinen, allerdings frieren Exchanges deinen Account ein und die Coins bekommst Du oft tatsächlich nur per Anwalt heraus (viel Spaß dabei mit Exchanges in den Staaten oder gar Asien): https://bisq.community/t/dirty-btc-coins-on-the-xmr-market/7798

        Die Vorgänge gleichen denen von Banken und als Verkäufer kleiner Mengen Monero über localmonero hätte ich auch nicht gedacht, dass mir das eine Hausdurchsuchung einbring, weil eine Bank mit ihrem ganzen KYC/AML Bullshit zu dumm ist, eine gefälschte Überweisung zu erkennen und mich beschuldigt, wegen 300 Euro die Unterschrift selbst gefälscht und das selbst veranlasst zu haben. Wohlgemerkt handelt es sich um eine lokale Sparkasse 600km von meinem Wohnort entfernt und dort hat jemand den Überweisungsträger in das entsprechende Fach eingeworfen…
        Die Staatsanwalt und der dazugehörige Richter sind dann auch noch so hirnrissig, das abzusegnen und mir alle blauen Kugelschreiber (gewaltsam, denn eine HD ist nichts anderes) entreißen zu müssen, um Schriftproben zu nehmen. Bei mehr als 50 Stück ist sogar die Gefahr einer Korrelation ziemlich groß, dass sich eine ähnliche Farbe in einem meiner Kugelschreiber findet… Deswegen lasse ich das erstmal mit Bisq trotz des aktuell interessanten Spreads.

      • Übrigens interessant noch zur Sache Hausdurchsuchung… Die war Mitte April und ich habe über einen Anwalt (Udo Vetter) sofort Akteneinsicht beantragt. Bezeichnend ist, dass bisher keinerlei Reaktion gekommen ist, was mich jetzt veranlasst hat, dass wir nochmal nachhaken. In meinen Augen war diese völlig unverhältnismäßig (das sahen übrigens selbst die Kripo Beamten so und haben mehr oder weniger gesagt, sie lassen mich in Ruhe, wenn ich ihnen alle Orte zeige, wo eventuell Kugelschreiber sein könnten, sie diese auf blaue Farbe prüfen und diese so aushändige…) und ich will eigentlich so weit möglich dagegen vorgehen, aber ohne Akteneinsicht schlecht machbar.

        Es sieht eher danach aus, dass es um einen (Klein?)krieg gegen Kryptowährungen geht, denn durch die (sehr selektive) Akteneinsicht während der HD hat mir die Kripo gesagt, dass sie bereits wissen, dass dies wohl mit Kryptowährungen zu tun hat, da ich mehrere Transfers von und zu Kraken mit dem betroffenen Fidor Konto hatte.

        Mein persönliches Fazit aus der Geschichte: OTC Trades nur noch gegen Cash, Webmoney oder Western Union / MoneyGram. Bitcoin nehme ich ungern an, wenn dann sogar schon eher über Lightning, da ich die Inbound Liquidity selbst organisieren und mir die entsprechenden Partner aussuchen und überprüfen kann (was aber aufwendig und teuer ist). Bitcoin OnChain wird wenn, dann möglichst sofort via Morphtoken oder TradeOgre zu Monero liquidiert.

  5. So ein Schwachsinn was hier geschrieben wird. Wer recherchiert so etwas?

  6. Die BTC sind am 18.8 über verschiedene Zwischenschritte auf hunderte bech32 Adressen verteilt worden. Alle mit Zielgrößen von 1 bis 10 BTC.

    Wie schützt sich bitcoin.de vor solchen Einzahlungen oder verhindert das diese auf dem Marktplatz landen?

    Hier hat wohl niemand Lust auf Post von der Staatsanwaltschaft nur weil er ein paar Trades gemacht hat und die Herkunft der Coins (Ursprungsadresse) gar nicht prüfen kann

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