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„Ein raffiniertes Komplott, um Investoren zu betrügen, Märkte zu manipulieren und illegale Einnahmen zu verschleiern“

Dieselben Anwälte, die vor Gericht gegen Craig Wright gefochten haben, stürzen sich nun auf Tether und Bitfinex. Die beiden Firmen hätten mit ungedeckten Dollar-Token die Krypto-Märkte manipuliert und seien verantwortlich für die große Blase Ende 2017. Die Klagesumme schätzen die Anwälte auf stolze 1,4 Billionen Dollar.

Für Anwälte muss der Krypto-Markt ein Quell der Freude sein. Ein Anwalt, der besonders viel Spaß zu haben scheint, ist Kyle Roche von der Kanzlei Freedman aus New York. Roche hat in den vergangenen Monaten vor einem Gericht in Miami recht erfolgreich gegen Craig Wright gestritten. Nachdem der Prozhess mit einem Vergleich beendet wurde, nimmt sich Roche nun die nächste Partei zur Brust: Die Börse Bitfinex, und, mit ihr personell eng verflochten, Tether, die Herausgeberin des gleichnamigen Dollartokens.

Gestern lief die Klageschrift beim amerikanischen Gerichtsportal CourtListener auf. Die Klanzlei Freedman vertritt fünf Kläger, von denen vier den Nachnamen „Leibowitz“ tragen, und sieht sich potentiell im Mandat, für „alle anderen in einer ähnlichen Situation“ eine Sammelklage zu verfechten. Die Angeklagten sind das Firmengeflecht „iFinex Inc., BFXNA Inc., BFXWW Inc., Tether Holdings Limited, Tether Operations Limited, Tether Limited, Tether International Limited, DigFinex Inc.“, die Individuen „Philip G. Potter, Giancarlo Devasini, Ludovicus Janvan der Velde und Reginald Fowler“ sowie die Firmen „Crypto Capital Corp. und Global Trade Solutions AG“.

Interessanterweise haben Tether und Bitfinex den Braten bereits gerochen. Erst vorgestern hat Tether auf dem Firmenblog angekündigt, von einem „unveröffentlichten und nicht peer-geprüften Paper“ zu wissen, das „fälschlicherweise behauptet, dass die Schöpfung von Tether-Dollar für die Manipulation des Kryptowährungs-Marktes verantwortlich ist.“ Die Firma bestreitet dies entschieden, erwartet aber, dass „käufliche Anwälte dieses zutiefst fehlerhafte Paper benutzen, um Kläger für einen opportunistischen Gerichtsprozess anzuwerben.“ Tatsächlich wäre man nicht überrascht, wenn ein solcher Prozess sofort beantragt werde. Daher erklärt Tether schon im Vorfeld, „dass jegliche Ansprüche auf Basis dieser Unterstellungen wertlose, verantwortungslose und schamlose Versuche sind, sich zu bereichern.“ Mehr noch, die Beschuldigungen seien ein Versuch, „das Wachstum und den Erfolg der gesamten Community digitaler Token zu unterminieren.“

Die Prognose von Tether hat sich zwei Tage später also bewahrheitet. Dem Firmengeflecht wird vorgeworfen, „ein raffiniertes Komplott“ betrieben zu haben, das „eine disruptive Innovation – Kryptowährungen – kooptiert hat und genutzt wurde, um Investoren zu betrügen, Märkte zu manipulieren und illegale Einnahmen zu verschleiern.“ Das Komplott, zum Teil Betrug, zum Teil ein „Pump-and-Dump“ und zum Teil Geldwäsche, wurde vor allem von den beiden Firmen Bitfinex und Tether aufgeführt, die „ihre Firmen-Identitäten und Kundenguthaben gemischt haben, während sie diese weitreichende Kooperation in einer Weise verschleiert haben, die es ihnen erlaubte, die Kryptomärkte mit einer beispiellosen Effektivität zu manipulieren.“

Im Kern der Klage steht die Behauptung von Tether, dass sämtliche Tether-Dollar durch echte Dollar in einem Bankkonto gedeckt werden. Dadurch konnten Bitfinex und Tether „dem Markt signalisieren, dass es eine rapide wachsende Nachfrage nach Kryptowährungen gibt, weil jeder Tether-Dollar (USDT) einen US-Dollar repräsentiert, der in den Markt investiert wird. Diese Behauptung war eine Lüge.“ Tether habe „außergewöhnliche Mengen an ungedeckten USDT herausgegeben, um die Kryptowährungs-Preise zu manipulieren.“ In den Jahren 2017 und 2018 habe Tether 2,8 Milliarden USDT gedruckt und dafür genutzt, „um die Börse Bitfinex zu fluten und andere Kryptowährungen zu kaufen.“ Dies habe die Märkte in einen „Fieberwahn“ versetzt und „die größte Blase der menschlichen Geschichte erzeugt“. Als sie platzte, wurden mehr als 450 Milliarden Dollar in weniger als einem Monat zerstört. Zwar sei es noch zu früh, um den Schaden zu kalkulieren, aber die Schrift schätzt die Klagesumme gegenüber den Beschädigten auf mehr als 1,4 Billionen Dollar.

Das insgesamt 100-seitige Papier geht dann ins Detail. Es stellt zunächst die Kläger vor: Diese sind Einwohner von Florida und New York, die in der relevanten Zeit in verschiedene Kryptowährungen investiert haben, zum Teil nur in Bitcoin, zum Teil in ganze Körbe voller Coins. Unter den Angeklagten ist neben dem Firmengeflecht um Bitfinex auch die Bank Crypto Capital, die der Schrift zufolge als „illegale Schattenbank“ fungiert habe. Die Vorwürfe, die dann detailliert aufgezählt werden, sind eine gute Quelle, um die Geschichte von Bitfinex und Tether zu erfahren, enthalten im Kern aber nicht viel, was nicht schon hier und dort bekannt wurde: Bitfinex und Tether seien eng verschwestert, was erst durch die Leaks der Panama Papers herauskam; die Tether-Dollar laufen nach der Prägung stets auf der Börse Bitfinex auf; laut dem Whitepaper und unzähligen Statements von Tether seien sie zu 100 Prozent durch Dollar gedeckt, was sich schließlich als unwahr herausstellte; es gibt mehrere Studien, die aufzeigen, wie die Prägung neuer Tether mit einem Fall des Bitcoin-Preises einher- und einem Anstieg vorausgingen; je nach Schätzungen basierten rund 50 Prozent des Kursanstiegs Ende 2017 auf der Marktmanipulation durch Tether; Tether habe in einer Zeit, in der die beiden Firmen Bitfinex und Tether offenbar kein Bankkonto gehabt haben, hunderte Millionen von Tether-Dollar geschaffen.

All das ist nicht unbedingt neu. Es ist in vielerlei Hinsicht verdächtig und zweifelhaft, aber kein Beweis für den hohen Vorwurf der Kläger: dass Tether die Dollar-Token un- oder teilgedeckt erzeugt und damit Kryptowährungen gekauft habe, was zur alleinigen – oder zumindest primären – Ursache der großen Blase Ende 2017 wurde. Die Hürde, dies vor Gericht zu beweisen, dürfte ebenso astronomisch hoch sein wie der angepeilte Klagewert.

Man könnte annehmen, dass es den Anwälten von Freedman gar nicht darum geht, den angeklagten Sachverhalt zu beweisen. Stattdessen könnten sie eine ähnliche Strategie wie im Prozess gegen Craig Wright verfolgen: Sie setzen eine unrealistische oder absurde Klage auf, die den Angeklagten jedoch dazu zwingt, bereits im Vorfeld des Prozesses Unterlagen einzureichen und Transparenz zu schaffen. Unter der Voraussetzung, dass die Verteidigung Leichen im Keller hat – und sie weiterhin dort anstatt im Erdgeschoss haben will – kann dies dazu führen, dass es zu einem Vergleich kommt, der es den Beklagten erspart, die Hosen herunterzulassen, und vielleicht für die Kläger, mit Sicherheit aber für die Anwälte lukrativ ist.

Für Bitfinex und Tether kann der Prozess eine Chance sein. Sollte die Firma und die Tether-Dollar tatsächlich so sauber sein, wie von ihnen behauptet wird, können sie auf US-Boden beweisen, dass sie legitim sind. Dies könnte den Prozess zu einem Meilenstein in der Geschichte der Tether-Dollar machen. Andererseits könnte das, was dabei ans Licht kommt, das Vertrauen in Tether unterminieren; doch die beiden Firmen dürften genügend Kapital haben, um einen Vergleich zu erwirken, der ihnen dies erspart. Es gibt also nicht so viel für Tether zu verlieren – was vielleicht erklärt, weshalb sich das Unternehmen auf dem Blog so angriffslustig auf den Prozess einstimmt.

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9 Kommentare zu „Ein raffiniertes Komplott, um Investoren zu betrügen, Märkte zu manipulieren und illegale Einnahmen zu verschleiern“

  1. Maik Richter // 8. Oktober 2019 um 11:52 // Antworten

    1.4 Billionen. Klar das sich die Anwälte auf diese fette Beute stürzen. Die verdienen Millionen daran, auch wenn die Klage nicht durchgeht. Die Kläger sind offenbar Trader die offenbar ihre Kröten bei der letzten 17er Blase verloren haben. Dabei wusste wirklich jeder der sich mit Bitcoin auskennt das nach einer Ver20fachung des Kurses auch mal eine saftige Korrektur ins Haus steht. Immer dasselbe dämliche Theater. Die Gewinne nehmen sie immer gern mit und klopfen sich auf die Schulter, aber bei Verlusten wird „Manipulation! Verrat!!“ gekreischt. Wie im Kindergarten.

    • Meinst du, die verdienen etwas, wenn die Klage nicht durchgeht? Ich denke, die machen das pro bono und spekulieren auf einen Vergleich.

      Ich nehme mal an, die potentiellen Sammelkläger sind Leute, die sich im 2017er Hype eingekauft haben und dann bei der Korrektur verloren haben. Dass sie jetzt Tether die Schuld daran geben, so blöd zu sein, auf der Spitze der Blase einzukaufen, ist schon absurd. Da würde es mehr Sinn machen, die Massenmedien zu verklagen, die wenn der Preis tief ist, nicht über Bitcoin schreiben, und dann, wenn der Preis auf der Spitze ist, plötzlich ihr Interesse entdecken. Oder Influencer, die mit absurden Prognosen hausieren.

      Ich habe übrigens im Dezember 2013 bei 800 Euro gekauft … im damaligen Kontext schön blöd :/

  2. Maik Richter // 8. Oktober 2019 um 12:55 // Antworten

    Hallo Christoph

    Es wird üblicherweise eine Gebühr bezahlt deren Höhe abhängig ist vom Klagewert, sowie – in den USA – zusätzlich eine prozentuale Erfolgsprämie die direkt abgezogen wird. Manchmal wird auch nur auf diese spekuliert. Bei 1.4 Billionen wird wohl jedenfalls keine Kanzlei ablehnen..

    Ich habe im Oktober 13 das erste Mal gekauft. Dezember ging doch aber auch. Du musstest dann halt nur bis mindestens Ende 17 halten 🙂

  3. 1.4 Billionen scheint mir etwas hoch, sind es US Billionen?

    • 1.000.000.000.000 $ („Zahldeutsch“) – mir auch 😉

    • Seite 5 der Klageschrift unten:

      14. Calculating damages at this stage is premature, but there is little doubt
      that the scale of harm wrought by the Defendants is unprecedented. Their liability to
      the putative class likely surpasses $1.4 trillion U.S. dollars.

      Es sind US Trillionen, für uns also Billionen und mit Sicherheit nicht wirklich ernst zu nehmen, es ist eher eine Maximalforderung, bei der man genüüüüüüüüüügend Spielraum für einen eventuellen Vergleich hat.

      Nichtsdestotrotz war mir Tether nie geheuer und ich würde sogar eine Wette eingehen, dass sie nicht komplett gedeckt sind.

  4. Maik Richter // 9. Oktober 2019 um 15:12 // Antworten

    Vermutlich nicht vollständig. Tether entstand ja ursprünglich als zugegeben ziemlich clevere Umgehungslösung nachdem die US-Bank Wells Fargo die Kooperation mit Bitfinex und die Versorgung mit USD einstellte. Damit wurde im Prinzip der erste Stablecoin geschaffen. Eine erfolgreiche Abwehr gegen das Bankenkartell.

    • Das Problem solcher Konstrukte ist die Gier der Menschen / Macher. Wenn sie merken, dass 10% Ungedecktheit passt, dann werden es bald 15% oder 30% und irgendwann landen wir bei einer Deckung unter der Bankenwelt. Es ist eigentlich nichts anderes und eigentlich das war der „Auslöser“ für Bitcoin, wie man im Genesis Block nachlesen kann…

  5. Maik Richter // 9. Oktober 2019 um 20:59 // Antworten

    Die „Gier der Menschen“ ist kein Problem, sondern ein sozialistisches Konstrukt. „Gier“ ist eine menschliche Eigenschaft, die systemunabhängig existiert seit und solange es Menschen gibt.
    Was es gibt sind Interessen und wenn die Mehrheit der Menschen in einem System leben muss, in dem sie ihre Interessen nicht vertreten können, weil ständig der Staat oder andere Machtgruppen sie insoweit bevormunden. Sozialismus eben.

    Wenn Tether ungedeckt ist und Finex scheisse baut, dann geht der Tether eben auf Null. Na und? Wo ist das Problem. Ein Unternehmen das Mist baut muss Pleite gehen dürfen, damit seine Ressourcen neu und sinnvoller reallokiert werden können. Das ist in Ordnung in einer Marktwirtschaft. Ein Problem ist vielmehr der Geldsozialismus der Zentralbanken, der die Pleite der Fiatwährungen immer weiter hinauszögert und so riesige Blasen und Ungleichewichte aufbaut.

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