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Wo sich Widersprüche im Portfolio mit Optimismus für Technologie und Misstrauen gegen den Staat treffen

Die Auswertung unserer Urlaubsumfrage ist da! In vielen Diagrammen und Schaubildern erfahrt ihr mehr über unsere Leser: In welche Kryptowährungen sie investieren wollen, wovor sie sich fürchten, worauf sie hoffen, und wie das alles zusammenpasst – oder auch nicht.

Ich liebe Umfragen und freue mich schon den ganzen Urlaub darauf, sie auszuwerten. Je nach Frage haben diesmal 250 bis 280 Leser mitgemacht. Die Fragen gingen um Kryptowährungen als Investment, um Medien rund um Kryptowährungen sowie um eher generelle Politik. Ich versuche im folgenden, sie möglichst sinnvoll auszuwerten.

Wie immer ist die Methodik wissenschaft nicht felsenfest. Erstens, weil Mehrfachantworten einzelner Personen denkbar sind, und zweitens weil ich nicht das Werkzeug habe, um Kreuzkorrelationen aufzudecken, also in der Art: Wer in Ethereum investiert, hofft stärker auf Elektromobilität, und so weiter. Solche Korrelationen würden mich brennend interessieren, aber leider habe ich keine Möglichkeit, sie herauszufinden. Dennoch denke ich, dass die Ergebnisse dieser Umfrage einmal mehr äußerst spannend sind, weil sie vieles über einen Ausschnitt der deutschen Bitcoin-Szene aussagen.

Wir beginnen mit den Fragen zu Kryptowährungen als Investment. Angesichts der eher unangenehmen Preisbewegungen der letzten Tage dürfte es dazu kaum einen besseren Zeitpunkt gegeben haben.

Kryptowährungen als Investment

Wie so oft sind die interessantesten Teile von Umfragen die, die einen verwirren, und die womöglich auf Widersprüche in euren Antworten hinweisen. Sie zeigen, welche beschränkte Aussagekraft Umfragen haben, und wie wichtig es ist, sich bei den Antworten doppelt abzusichern und der eigenen Methodik zu misstrauen. Gleichzeitig können Inkonsistenzen auf etwas tieferes hindeuten, vielleicht auf einen Trendwandel, vielleicht auf etwas, das nicht in der Frage stand.

Ein Beispiel hierfür finden wir in eurer Einschätzung des künftigen Bitcoin-Kurses. Auf die Frage, ob das Halfing im Mail einen günstigen Einfluss auf den Bitcoin-Kurs haben wird, habt ihr mit großer Übereinstimmung mit einem starken „JA“ geantwortet:

Genauer gesagt nehmen 223 von 270 Umfrageteilnehmer an, dass das Halfing den Preis beflügeln wird. Das sind etwa 82,6 Prozent. Dementsprechend positiv fallen eure Prognosen für den Preis am 1. August 2020 aus:

Die Antworten 1-6 waren von mir vorgegeben, alle weiteren Balken sind eure individuellen Antworten, die unter „sonstiges“ liefen und dementsprechend weniger Stimmen bekamen. Das ist natürlich eine methodische Schwäche, die das Ergebnis verzerrt. Dennoch ist der Optimismus aus diesem Chart nicht zu verkennen: 83 unter euch – oder 30 Prozent – gehen von einem Kurs jenseits der 14.000 Euro aus. Weitere 69 oder 25 Prozent halten 12.000 Euro für realistisch, während 49 unter euch (18%) sogar 14.000 Euro anpeilen, und 42 (16%) auf 10.000 Euro getippt haben. Nur ein kleiner Teil geht davon aus, dass der Bitcoin-Preis am 1. August tiefer sein wird als heute.

Ich habe das in einem halbierten Tortendiagramm dargestellt:

247 von 275 Umfrageteilnehmer erwarten, dass der Kurs am 1. August 2020 höher sein wird als heute. Das sind 89,8 Prozent und damit eine noch höhere Zustimmung als bei der Frage nach dem Halfing. Das könnte daran liegen, dass einige unter euch dem Halfing nicht so viel Bedeutung beimessen, aber dennoch steigende Kurse erwarten. So weit ist noch alles konsistent.

Eure Antworten auf eine andere Frage sind jedoch, um es vorsichtig auszudrücken, verwirrend angesichts dieses überragenden Optimismus:

Lediglich 160 von 280 Teilnehmern planen, im nächsten halben Jahr in Kryptowährungen zu investieren. Das sind etwa 57 Prozent. Wenn 89,8 Prozent unter euch von steigenden Kursen ausgehen, gibt es einen relativ großen Teil – etwa 30 Prozent – der dennoch nicht die Absicht hat, zu investieren.

Woran könnte das liegen? Nehmen Kryptowährungen bereits einen übermäßig großen Teil des Portfolios ein? Reicht euer Einkommen nicht aus, um zu investieren? Oder habt ihr bereits genügend Kryptowährungen, das ihr von einem Kursanstieg sowieso schon so viel profitiert, dass es auf das bißchen nicht mehr ankommt? Oder sind viele von euch schlicht nicht bereits, mit ihrem Geldbeutel ihren Prognosen zu folgen, weil sie sich doch nicht so sicher sind, und es einfacher ist, ein Häkchen in einer Umfrage zu setzen, als handfeste Euro zu zu investieren? Es wäre an der Stelle interessant gewesen, diesen Unklarheiten durch weitere Fragen auf den Grund zu gehen.

Weniger schreiend, aber doch signifikant ist eine Inkonsistenz bei einer anderen Fragegruppe:

Wie zu sehen ist, besitzen 73 der Antwortenden mehr als 10 verschiedene Kryptowährungen, und ein nicht geringer Anteil 7 oder 8. Den größten Teil nehmen aber die gemäßigt diversifizierten Investoren ein, die 2,3, 4 oder 5 verschiedene Währungen halten, während die „Monocoiner“, die nur einen Coin halten, mit 34 unter euch eine zwar signifikante, aber doch eher kleine Partei darstellen.

In einer Torte nach Gruppen aufgeteilt sieht das so aus:


Ein kleines Stückchen der Torte, etwa ein Achtel, geht an die Monocoiner, während der größte Teil mit 134 von 284 Stimmen an die gemäßig Diversifizierten geht, und ein beinah ebenso großer Teil an die weiter Diversifizierten, die mehr als 5 Kryptowährungen halten und 116 Stimmen erhielten. Der Stand ist also, dass Monocoiner in der klaren Minderheit sind, und die Multicoiner mit mehr als 5 Coins rund 40 Prozent unter euch stellen. Behaltet bitte das gelbe Tortenstück im Gedächtnis!

Wenn wir in die Zukunft schauen, scheint dieser Trend auf wackeligen Beinen zu stehen. Für die unter euch, die vorhaben, im Lauf des nächsten halben Jahres in Kryptowährungen zu investieren, stehen nur wenige Coins wirklich zur Debatte.

Der absolute Bärenanteil der künftigen Investments scheint für Bitcoin vorgeplant zu sein. Anschließend folgen Ethereum, IOTA, Monero und Bitcoin SV. Weder die DeFi-Hacks der vergangenen Woche noch das Trinity-Desaster bei IOTA scheinen eure Begeisterung für diese Coins zu mildern. Monero hat wie üblich eine starke Anhängerschaft, und Bitcoin SV hat, trotz des schlechten Rufes, ein starkes Standing, was aber auch an meiner Präferenz liegen könnte, die möglicherweise unverhältnismäßig viele BSV-Anhänger anzieht.

Bitcoin Cash, Cardano und Tezos schneiden noch relativ gut ab, während Ripple, Dash und Litecoin eher keine Rolle in euren künftigen Investments zu spielen scheinen. Gerade bei Ripple und Dash hätte ich persönlich mehr erwartet, da diese Coins in den sozialen Medien eine vitale Anhängerschaft zu haben scheinen. Unter den übrigens Coins erhielten die meisten eine Stimme, viele waren mir gar nicht bekannt, sondern wurden von euch unter der Rubrik „andere Antwort“ eingegeben. Außer LINK scheint aber keiner eine besonders breite Anhängerschaft zu haben.

Erstaunlich ist auch, dass die von mir als Antwortmöglichkeit vorgegebenen Coins BNB (Binance Coin) und XLM (Stellar Lumens) trotz eines einigermaßen hohen Rankings im Coinmarketcap genau Null Stimmen bekommen haben. Sie scheinen als Investment für niemanden unter euch zur Debatte zu stehen.

Das starke Abflachen dieses Diagramms scheint im Widerspruch zu dem großen Tortenstück der Multicoiner zu stehen. Bitcoin allein wird einen sehr großen Teil eures künftigen Investments erhalten:

94 von 220 abgegebenen Stimmen, also 42,7 Prozent, gehen an Bitcoin. Ich weiß, dass es nicht direkt mit den gerade mal 11 Prozent des Monocoiner-Tortenstücks zu vergleichen ist, aber sogar indirekt ist die Differenz zwischen beiden Umfrageergebnissen flappant. Noch deutlicher wird dies, wenn wir von einem gemäßig diversifizierten Portfolio ausgehen:

Wenn wir die fünf am stärksten nachgefragten Coins zusammenzählen, erhalten sie mehr als 75 Prozent eurer Investments in den kommenden sechs Monaten (172 Stimmen oder 78,2 Prozent). Sollte dies so eintreten, dürfte der Anteil der Multicoiner mit mehr als 5 Kryptowährungen im Portfolio in Zukunft schrumpfen oder sich zumindest nicht weiter ausbauen.

Vielleicht wird es sich lohnen, dieselben Fragen im August noch einmal zu stellen. Die Ergebnisse werden dann vermutlich nicht minder interessant und verwirrend sein. An dieser Stelle verlassen wir aber das Investment und widmen uns kurz dem Thema der Krypto-Medien.

Krypto-Medien

Da wir vom Bitcoinblog.de ein Krypto-Medium sind, interessiert uns natürlich, wie und in welcher Weise ihr euch über Kryptowährungen informiert. Daher haben wir das diesmal ebenfalls zum Thema unserer Umfrage gemacht.

Zunächst wollte ich wissen, wie regelmäßig ihr euch über Kryptowährungen informiert:

Wie sich zeigt, nehmen Kryptowährungen einen festen Platz in eurem Info-Programm ein. 89 von 269 Antwortenden (33,1%) informieren sich täglich, 80 (29,7%) sogar mehrmals täglich. Weitere 57 (21,2%) immerhin mehrmals die Woche. Nur ein relativ kleiner Teil von euch informiert sich einmal die Woche oder weniger. Das bestätigt den generellen Eindruck, dass Kryptowährungen nicht einfach ein beliebiges Investment sind, sondern eine Art Lebensgefühl, das von einem hohen Drang nach Information und fortlaufenden Neuigkeiten begleitet wird.

Wie aber informiert ihr euch?

Online-Magazine – zu denen ich auch Blogs zähle – sind für euch die mit Abstand wichtigste Informationsquelle, gefolgt von sozialen Medien. Danach kommt die Information im „echten Leben“ bei Meetups und anderen Veranstaltungen, knapp dahinter sind Chatgruppen wie Telegram oder Signal. Einige von euch haben bei den sonstigen Antworten auch das Internet im Allgemeinen oder Google im Besonderen angebenen.

Soziale Medien nehmen hier wohl nur einen kleinen Teil ein. Aber welche genau konsultiert ihr, um euch zu informieren?

Wie sich hier zeigt, ist Youtube das mittlerweile mit Abstand beliebteste soziale Medium. Vermutlich, weil es mit Videos und Podcasts das am angenehmsten zu konsumierende Medium darstellt. Auf es folgt Twitter, das mit dem beliebt-berüchtigten Crypto-Twitter seine eigene, gerne streitlustige, Szene bildet. Danach sind die Chat-Apps Telegram und Whatsapp sehr beliebt – ich gebe zu, meine Kategorisierung bei den Fragen war nicht ganz stringent – gefolgt von Reddit, und erst dann Facebook. Die Landschaft der sozialen Medien scheint sich in den letzten Jahren etwas verändert zu haben.

Schließlich hat mich noch interessiert, worauf ihr bei Krypto-Magazinen wert legt. Die Frage ist natürlich heikel, weil ihr auf dem Bitcoinblog.de antwortet, und man annehmen darf, dass ihr unser Blog ansurft, weil ihr es zumindest einigermaßen schätzt. Wäre die Frage bei einem anderen Magazin gestellt worden, wären die Antworten womöglich ganz anders ausgefallen. Dennoch dürften sie etwas aussagen, und es freut mich, dass viele von euch unseren Kurs hier bestätigen.

Am wichtigsten ist für euch eine kompetente Recherche. Dass viele von euch auch wert auf tiefgehende und detaillierte Artikel legen, widerspricht der gängigen Idee, dass im Internet vor allem kurze, bruchstückhafte Informationen mit schreienden Titeln gut ankommen. Da wir hier versuchen, sowohl eine gute Recherche als auch tiefgehende Artikel zu liefern, freut uns das natürlich. An dritter Stelle stehen hier die „umfassenden News“, womit gemeint war, dass ihr euch wünscht, dass alle relevanten Neuigkeiten abgedeckt werden. Das ist wichtig, aber viele scheinen es zu bevorzugen, nicht alle Neuigkeiten mitzubekommen, diese aber in aller Tiefe. Ebenfalls relativ wichtig scheint euch zu sein, dass ein Online-Magazin verschiedene Meinungen repräsentiert.

Weniger von Bedeutung ist für euch, dass ein Magazin einen guten Stil hat, was der natürlichen Eitelkeit von Autoren natürlich einen leichten Stich versetzt. Noch unwichtiger sind euch Interviews mit Proganisten der Szene – was ich nicht erwartet hätte – sowie klare Meinungen und die Interaktion mit Lesern. Auch das widerspricht ein wenig meinem Eindruck.

Nachdem wir also in eure Vorlieben für Krypto-Medien hineingelauscht haben, kommen wir zum dritten und letzten Teil der Umfrage: Der Politik. Dieser Teil ist vollständig „offtopic“, da er gar nichts mehr mit Kryptowährungen zu tun hat. Zumindest direkt. Indirekt finde ich es enorm spannend, zu erfahren, wie die Krypto-Szene „politisch gepolt“ ist. Dabei natürlich könnte erneut eine Rolle spielen, dass ihr das Bitcoinblog.de ansurft, und hier vermutlich nicht so auftauchen würdet, wenn ihr mit den politischen Meinungen, die ich selten, aber doch gelegentlich äußere, absolut nicht einverstanden wärt. Dennoch hoffe ich, dass die Ergebnisse aussagekräftig sind.

Politik I: Ängste und Hoffnungen

Zunächst habe ich gefragt, was euch Sorgen bereitet und was euch Hoffnung gibt. Beide Teile sind für sich hochinteressant, werden aber als Kombination noch aussagekräftiger.

Beginnen wir mit den Sorgen:

Ich hoffe, ihr könnt die Schrift lesen. Erneut habe ich einige Antwortoptionen vorgegeben, aber auch erlaubt, frei zu antworten. Einige der freien Antworten habe ich in die von mir vorgegebenen Optionen eingepasst, die meisten anderen haben nur ein oder zwei Stimmen. Vermutlich wären es mehr geworden, wenn ich sie ebenfalls vorgeben hätte. Um euch eine bessere Übersicht zu ermöglichen, habe ich die häufigsten Antworten in einem separaten Diagramm dargestellt:

Relativ wenig überraschend nehmt ihr den Klimawandel als die mit Abstand größte Gefahr der Gegenwart wahr. 87 von 241 Antworten haben ihn angewählt, was gut 36 Prozent ausmacht. Auf den Klimawandel folgt die Inflation, was angesichts eures Investments in Bitcoin naheliegt. 47 Stimmen oder 19,5 Prozent haben dafür gestimmt. Interessanterweise hat ein Leser unter den freien Antworten das Risiko der Deflation angegeben.

Nach der Inflation sind die Migration nach Deutschland, das Insektensterben und die AFD die größten Sorgen. Während das Insektensterben als Teil des Großrisikos Klimawandel gelten könnte, ist die AFD ja eine Antwort auf die gefühlte Wahrnehmung der Bedrohung durch Migration, womit sich eine der derzeit typischen Spaltungen in unserer Gesellschaften offenbart. Wir werden später noch einmal darauf zurückkommen. China und die Internet-Trolle werden von euch als relativ geringe Gefahr wahrgenommen, erreichen aber immer noch mehr Punkte als das derzeit die Medien beherrschende Coronavirus.

Anschließend habe ich versucht, eure Befürchtungen in Kategorien einzuteilen. Diese sind zu einem gewissen Grad willkürlich, weil es schwierig ist, klare Grenzen zu ziehen.

Dennoch fällt auf, dass die Umwelt bzw. Natur mit Klimawandel, Insektensterben und Coronavirus einen großen Teil eurer Sorgen stellt. Sie wird gefolgt von der Sorge um die Wirtschaft (Finanzkrisen, Inflation, Deflation) sowie vor der Politik (Donald Trump, Korruption, AFD etc.). Manche gesellschaftlichen Tendenzen, wie die neue Machtstellung Chinas, die generelle Paranoia, die sich verbreitende Geistlosigkeit oder die Einschränkung von Meinungsfreiheit machen ebenfalls vielen von euch Sorgen. Dagegen scheint sich kaum jemand unter euch von Technologie beunruhigt zu fühlen, was auf einen starken technologischen Optimismus unter euch hindeuten.

Dieser Optimismus wird von den Antworten auf die Frage, was euch Hoffnung macht, bestätigt.

Diesmal habe ich die vielen Antworten, einschließlich der frei gewählten Antworten, in einer bunten Torte dargestellt. Auch hier stelle ich die am häufigsten angewählten Antworten der Übersicht wegen in einem separaten Diagramm dar:

Wenig überraschend setzen viele von euch auf Kryptowährungen und Blockchains – wir sind hier schließlich auf dem bitcoinblog.de – gefolgt vom Fortschritt in Wissenschaft und Medizin. Danach kommt der Nachwuchs, was eventuell daher kommen könnte, dass viele von euch in dem Alter sind, in dem man vor nicht allzu langer Zeit Kinder bekommen hat. Zumindest legen das unsere vergangenen Umfragen wiederholt nahe.

Das Internet und der Abbau der globalen Armut – sorry für den Tipfehler – ist für viele von euch ebenso hoffnungsmachend wie die Versprechen von künstlicher Intelligenz. Auch die Hoffnung, den Klimawandel durch Politik (die Grünen) oder Technologie (Elektromobilität) zu verhindern, scheint relativ präsent zu sein, wenn auch die Grünen mit 23 Stimmen nur ein wenig mehr Hoffnung zu machen scheinen als die AFD (18 Stimmen) – was eventuell wieder einen Rückschluss auf die wahrgenommenen Probleme bieten könnte.

Erneut habe ich versucht, die Hoffnungsträger in Kategorien einzuteilen, und erneut sind diese Kategorien wegen der unklaren Grenzen teilweise willkürlich. Dennoch hoffe ich, dass sie eine gewisse Aussage haben:

Interessant ist hier, dass eure Hoffnungen vor allem in der Technologie liegen: In Kryptowährungen, der Wissenschaft, der künstlichen Intelligenz, der Elektromobilität. Der zweitstärkste Hoffnungsträger bildet die vage Kategorie Gesellschaft (etwa der Nachwuchs und der Abbau der globalen Armut), während nur ein kleiner Teil von euch auf die Politik setzt. Vielleicht zeigt sich hier eine für die Krypto-Szene typische Haltung, was aber mangels vergleichbarer Krypto-externer Umfragen schwer zu validieren ist. Möglich wäre auch, dass die Fragen die Antworten vorgeben, oder dass wir in einer gesellschaftlichen Epoche sind, in der Technologie als dominanter Problemlöser naturgemäß zum dominanten Hoffnungsträger wird.

Etwas genauer sollen die folgenden Fragen greifen, bei denen ich mich an einem in Sozialwissenschaften üblichen Schema orientiert habe, um zu erfahren, wie sehr ihr bestimmten Sätzen zustimmt. Dabei geht es erneut um Politik.

Politik II: Volle und schwache Zustimmung und Ablehnung

In diesem Teil habe ich den Lesern acht Sätze vorgestellt und sie gebeten, anzugeben, wie sehr sie diesen zustimmen: Absolut, tendenziell, eher nicht und gar nicht. Für die, die sich nicht entscheiden konnten, gab es noch die Option, es nicht zu wissen. Besonders interessant wäre dieser Abschnitt natürlich mit Kreuzkorrelationen, die ich hier nicht bilden kann. Aber auch so zeigt gibt er Aufschluss über die politische Einstellung zu verschiedenen Themen und der Entschiedenheit der Haltungen.

Im ersten Satz ging es um eine klassische politische Frage, die darauf abzielt, zu erfahren, wie staatskritisch bzw. liberal oder libertär ihr seid – eine Einstellung, die im Kryptobereich wohl recht weit vertreten ist.

Wir sehen hier einen sehr hohen Grad der Zustimmung, auch wenn sich diese recht gleichmäßig auf volle und tendenzielle Zustimmung verteilt. Die meisten von euch stimmen zwar zu, aber es scheint nur bei einem Teil eine echte Herzensgelegenheit zu sein. Das Gegenstück zu dieser Frage ist die folgende, die auf eine eher sozialistische, Staatseingriffe befürwortende Einstellung abzielt:

Erstaunlicherweise stimmen sehr viele absolut zu, dass die Schere zwischen Arm und Reich ein erhebliches Problem ist. Im klassischen Liberalismus wird diese Schere dagegen nicht nur als kein Problem angesehen, sondern oft auch als wichtigen Mechanismus in einem gesunden Markt. Dies könnte dafür sprechen, dass in der deutschen Kryptoszene weniger ein Liberalismus nach amerikanischer Art verbreitet ist, sondern eher ein typisch europäischer Liberalismus mit starken sozialen Zügen.

Gleichzeitig ist ein starkes Misstrauen gegen den Staat vorhanden. Dies zeigt sich deutlich bei der Frage nach der Sicherheit der Rente:

Ein sehr großer Teil von euch ist sich sehr sicher, dass die staatliche Rente nicht ausreicht, um Altersarmut zu vermeiden. Das könnte daran liegen, dass ihr kein Vertrauen in die Fähigkeit des Staates habt, für euch zu sorgen. Es könnte aber auch ein Ausfluss dessen sein, dass ihr – hoffentlich erfolgreich – mit einem Investment in Kryptowährungen für eure eigene Absicherung sorgt.

Generell findet man unter den Lesern des Bitcoinblogs Befürchtungen vor einer rechten wie einer grünen Politik:

Der Aufstieg der Rechtsparteien wird von sehr vielen mit Sorge beäugt. Viele stimmen zu, dass er eine Gefahr für Demokratie und Freiheit ist. Aber ebenso fürchtet ihr, dass eine Art Ökodiktatur in Zukunft die Demokratie gefährdet, was angesichts mancher radikaler Positionen von Klimaschützern nachvollziehbar ist.

Wie zu sehen ist, seid ihr in dieser Frage aber wesentlich weniger entschieden als bei den Rechtsparteien. Das könnte daran liegen, dass viele von euch die Gefahr durch die Klimawandel sehr ernst nehmen. Die Meinung, jeder müsste Opfer bringen, um die globale Erwärmung zu verhindern, erfreut sich bei euch auch einer sehr großen Zustimmung:

Die übliche Sorge der Rechtsparteien, die Migration sei eine Gefährdung unserer Gesellschaft, teilt ihr dagegen kaum:

Schließlich bestätigt die letzte Frage noch eure generelle technikfreundliche Einstellung. Im Internet seht ihr keine Gefahr für die Menschlichkeit, was vielleicht eine etwas missverständlich formulierte Frage war. Dennoch zeigt sich hier erneut euer Technik-Optimismus. Oder vielleicht einfach nur, dass eine online gestellte Umfrage Leute trifft, die das Internet tendenziell mögen?

Schauen wir uns an der Stelle die vorhergegangenen Ergebnisse noch einmal an. Auf welche Fragen gab es die stärkste Zustimmung, welche erfuhren die heftigste Ablehnung?

In diesem Diagramm sehen wir, welchen Sätzen ihr am häufigsten vollständig zugestimmt habt. Am kräftigsten ist demnach euer Misstrauen gegen die staatliche Rente, gefolgt von der Sorge um die Schere zwischen arm und reich. Auch die Befürchtung, Rechtsparteien gefährden die Demokratie, erfährt eine spontane und starke Zustimmung, wie auch die Forderung, jeder solle bereit sein, Opfer im Kampf gegen den Klimawandel zu bringen. Hingegen habt ihr den Aussagen, das Internet schade der Menschlichkeit, und die Migration schade Deutschland, am seltensten vollständig zugestimmt.

Wie sieht es bei der vollständigen Ablehnung aus?

Hier haben wir ein Gegenbild, das gerade da interessant wird, wo es das vorherige Diagramm nicht vollständig spiegelt. Während etwa die Sorge, das Internet schade der Menschlichkeit, deutlich weniger volle Zustimmung als die Sorge vor der Migration erfuhr, ist die absolute Ablehnung bei beiden Sätzen etwa gleich. Und während die Aussage, der Staat solle sich weniger ins Leben der Einzelnen einmischen, bei der starken Zustimmung eher im Mittelfeld rangiert, ist er bei der starken Ablehnung ganz unten.

Es scheint Sätze zu geben, denen zwar nicht wenige zustimmen, aber noch viel mehr aus vollem Herzen ablehnen, wie es auch Sätze gibt, denen man zwar nicht unbedingt zustimmt, aber die man auch nicht vollständig ablehnen möchte. Dies könnte insoweit interessant sein, als es Aufschluss darüber gibt, welche politischen Maßnahmen von euch mit Missvergnügen hingenommen werden, und gegen welche ihr rebelliert, wie auch, welches Anliegen ihr gerne passiv unterstützt, und für welches ihr auf die Straße gehen würdet. Gesellschaftlicher Wandel findet selten durch eine lauwarme Zustimmung der vielen statt, sondern durch die Leidenschaft der Wenigen.

Mit Sicherheit könnte man aus den Daten noch mehr herauslesen. An dieser Stelle möchte ich aber auf ein Fazit zusteuern.

Staatskritisch, aber eher links als rechts und mit großem Glauben an Technologie

Wenn ich aus der Umfrage etwas über die generelle politische Einstellung meiner Leser erfahren habe, dann, dass hier eine gesunde, wenn auch eventuell etwas inkonsistente Mischung vorliegt. Ihr seid kritisch gegenüber dem Staat und haltet es für notwendig, selbst für eure Rente zu sorgen, aber ihr wollt auch keine zu starke Ungleichheit hinnehmen und empfindet diese, in eigentlich linker Tradition, als ein großes Problem. Hier treffen sowohl liberale bzw. kapitalistsiche und sozialistische Positionen zusammen, und zwar beide nicht nur mit tendenzieller, sondern mit absoluter Zustimmung.

Nicht wenige unter euch kritisieren die Migration und begrüßen die AFD, aber deutlich mehr von euch lehnen Rechtsparteien und die übermäßige Kritik der Migration ab. Vermutlich ist dies der Punkt, bei dem sich die Einstellungen unter euch am stärksten spalten. Die typischen gesellschaftlichen Konflikte sind auch bei euch erkennbar. Beim Thema Klimawandel dominiert sehr deutlich die Furcht und die Förderung, etwas zu tun, auch wenn euer gesunder staatskritischer Impuls davor warnt, in eine Ökodiktatur zu schlittern. Zugleich seht ihr Technologie sehr optimistisch und habt große Hoffnungen, dass die Wissenschaftler und Ingenieure die Welt zu einem besseren Ort machen werden.

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16 Kommentare zu Wo sich Widersprüche im Portfolio mit Optimismus für Technologie und Misstrauen gegen den Staat treffen

  1. Paul Janowitz // 27. Februar 2020 um 12:54 // Antworten

    Danke für die Auswertung, der Preisoptimismus ist ja schon fast beängstigend und ein Indikator für eine Welle nach unten…

    Gerade bei Ripple und Dash hätte ich persönlich mehr erwartet, da diese Coins in den sozialen Medien eine vitale Anhängerschaft zu haben scheinen.

    Scheinen ist das magische Wort. Beide Projekte haben durch ihre fast unerschöpflichen Töpfe auch Brigaden von Paid Shills und Bots im Einsatz.

    • In einem Kryptowährungsblog wird man vermutlich immer Preisoptimismus bzgl. Kryptowährungen finden, das liegt in der Natur der Sache.

    • Jano Witz
      „Danke für die Auswertung, der Preisoptimismus ist ja schon fast beängstigend und ein Indikator für eine Welle nach unten…“ auch für Monero zutreffend?

      BitcoinBlog
      „Der absolute Bärenanteil der künftigen Investments scheint für Bitcoin vorgeplant zu sein. Anschließend folgen Ethereum, IOTA, Monero …… Monero hat wie üblich eine starke Anhängerschaft“

      Jano Witz
      „Scheinen ist das magische Wort. Beide Projekte haben durch ihre fast unerschöpflichen Töpfe auch Brigaden von Paid Shills und Bots im Einsatz.“

      Ich:
      Streiche „Beide Projekte“ setze „Monero“ – Frage: Auch für Monero zutreffend?

      Gruß

      Kein Witz

  2. Hey Christoph, Danke für die Auswertung !

    Ich trau mich fast zu wetten das wenn du heute nochmal fragen würdest 98% als größte Gefahr den Mexikanischen-Bier-Virus angeben würden, Panik in den „Medien“ sei dank

  3. Danke fuer die Umfrage. Ich war wirklich schockiert zu sehen, wie die Abstimmungsergebnisse ausgefallen sind. Das linke, medienmanipulierte Publikum dominiert bei den Kryptos. Die Abkehr vom Goettlichen und das Anbeten des Mamons und der Technologie sind eindeutige Zeichen des Zerfalls.

  4. Christine Kaufmann // 28. Februar 2020 um 9:54 // Antworten

    Danke fuer die Umfrage. Ich war wirklich schockiert zu sehen, wie die Abstimmungsergebnisse ausgefallen sind. Das rechte, medienmanipulierte Publikum dominiert bei den Kryptos. Die Abkehr vom Goettlichen und das Anbeten des Mamons und der Technologie sind eindeutige Zeichen des Zerfalls.

  5. Nicht das Internet schadet der Menschheit, sondern soziale Medien. Diese machen alle nur verrückt, wie man auch aktuell wieder sieht.

    • Das kann man nur unterstreichen. Gerade neulich einen weiteren Artikel von/über reumütige ehemalige Mitarbeiter bzw. Investoren gelesen. Hier wird dezidiert auf die problematischen Algorithmen eingegangen, kann man mal lesen:
      https://www.heise.de/newsticker/meldung/Missing-Link-Nur-ein-Verbot-bestimmter-Algorithmen-kann-die-Demokratie-retten-4651750.html
      Ob ein Verbot ein sinnvoller/gngbarer Weg ist, sei mal dahingestellt. Es sind ja tatsächlich immer weniger Leute bei Facebook und die werden immer älter. Es ist momentan eher noch in der Boomer-Generation ab 40-50 ein Problem.

      Die größte Gefahr stellt mittlerweile vermutlich bereits youtube dar, das Leute teils geradezu in Verschwörungstheorien treibt durch die Video-Auswahl. Videos machen eine kritische Distanzierung vom Inhalt deutlich schwieriger als geschriebener Text, zumindest beobachte ich das auch bei mir so.

  6. Welcher Schwachkopf hat Kiwifarms als größte Gefahr der Gegenwart angegeben? Ist das ernst gemeint?

  7. Durch die Umfrage bestätigt sich, das mittlerweile nur noch die hellsten Leuchten am Kryptohimmel diesem tollen Blog folgen.

  8. Was soll eigentlich eine Ökodiktatur sein? Dieser Begriff wurde hier ziemlich unkritisch genutzt, entstammt imo aber einem rechten Narrativ. Dass uns unsere Umwelt gewisse Rahmen diktiert, sollte ja unbestritten sein. Gibt es irgendeine Partei, die der Diktatur verdächtig ist, ökologische Politik macht und nennenswerte Stimmanteile hat?

    • Naja, das war ja in gewisser Weise das Ziel der Umfrage. Mich hat nur interessiert, ob Leute bestimmten Sätzen zustimmen, egal woher die kommen.

      Nicht wenige Experten sind sich mittlerweile sicher, dass man den Klimawandel ohne drastischere Maßnahmen nicht mehr verhindern kann, und das könnte in eine Diktatur gehen. Dürfte eine der entscheidenden Fragen der nächsten zwanzig Jahre sein, denke ich.

      • Umumba // 2. März 2020 um 18:26 //

        Ok, so kann ich die Intention besser nachvollziehen, danke.

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