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Bahnbrechend oder dämlich? Krypto-Mining durch Gehirnströme

Koralle in Gehirnform. Bild von Blaue Flosse via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Microsoft hat ein Patent für eine Kryptowährung erhalten, die  „Daten zur körperlichen Aktivität“ benutzt, um neue Währungseinheiten zu generieren. Das könnte in eine Zukunft führen, in der wir für jeden Schritt und jeden Gedanken eine Belohnung in Echtzeit erhalten – während jede Körperregung erfasst und überwacht wird. Oder ist das alles Unsinn, weil die Idee gar nicht funktionieren kann?

Das Mining von Kryptowährungen war und ist Gegenstand zahlreicher Diskusssionen. Während die meisten Bitcoiner das Mining durch einen Hash-basierten Proof of Work für alternativlos halten, um eine Blockchain zu sichern, sehen andere darin eine gewaltige Energieverschwendung. Einige Entwickler haben daher alternative Konsens-Verfahren für Blockchains vorgeschlagen. Die einen entfernen die Miner ganz aus dem System, indem sie den Konsens etwa durch Proof-of-Stake oder Wahlverfahren bestimmen. Die anderen versuchen, die investierte Energie in sinnvolle Bahnen zu lenken.

Beispiele dafür sind Primecoin, bei dem die Miner große Primzahlen finden, oder Gridcoin, bei dem die Miner an wissenschaftlichen Kalkulationen teilnehmen müssen. Allerdings konnten sich diese Coins nicht durchsetzen, und bei Gridcoin hat sich gezeigt, dass das Verfahren allein nicht ausreicht, um eine Blockchain sicher zu halten, sondern bestenfalls als Bonus taugt.

Kryptowährungen mit dem Herzschlag schürfen

Nun schlägt Microsoft eine weitere Alternative vor. Die Idee hört sich zunächst kurios an, und vermutlich ist sie das auch. Laut dem nun gewährten Patent sollen „menschliche Körperaktivitäten, die mit einer bestimmten Aufgabe assoziiert werden, als Mining-Prozess eines Kryptowährungs-System benutzt werden.“

Bei den Beispielen bleibt das Patent vage. Es nennt etwa das Anschauen von Werbung, das Benutzung von Suchmaschinen, das Schreiben von E-Mails, die Teilnahme an sozialen Medien, das Hochladen von Daten und mehr. Während die User – die nun Miner sind – solche Aufgaben erfüllen, messen Sensoren oder Scanner ihre Körperaktivität. Etwa die Funktionelle Magnetresonanztomographie, Elektroenzephalografie (EEG), Infrarot-Sensoren, Herzfrequenz- und Blutdruckmessgeräte, optische, Wärme- oder Ultraschall- und andere Sensoren. Alles, was am menschlichen Körper messbar ist, kann als Futter fürs Mining dienen. Die Daten werden durch Smartphones oder andere tragbare Geräte erhoben, weshalb das Schürfen von Kryptowährungen, so das Patent, auch unbewusst geschehen kann.

Die User erhalten ihre Aufgabe von einem Server, an den sie angeschlossen sind. Die durch die Sensoren gemessene Körperaktivität gilt als potentielle Lösung für die Mining-Aufgabe, beispielsweise eine Gehirnwellenströmung, die zeigt, ob ein User eine Werbung gesehen hat oder sich etwas einprägt. Der Server kann diese Lösung dann validieren, und im Falle eines Erfolgs einen Block bilden und dem User die neu geschöpften Einheiten der Kryptowährung gutschreiben. Das System kann, so das Patent, durch einen zentralen Server betrieben werden, aber auch durch ein dezentrales Netzwerk mehrerer Server.

Die Daten zur körperlichen Aktivität können in symbolischer Form, als Zeichen oder Zeichenkette, aber auch als Rohdaten oder Hash übertragen werden. Der Server kann prüfen, ob sie in einer bestimmten Spanne liegen, beispielsweise beim Blutdruck, oder eine bestimmte Frequenz darstellen, etwa bei Gehirnwellen.

Das Konzept ist so fantasieanregend wie bescheuert. Man kann sich inspirierende und wundervolle, aber auch furchterregende Szenarien vorstellen.

Zukunft der Arbeit – oder Zukunft der Überwachung?

Wenn körperliche Aktivitäten eine Art von Wertschöpfung darstellen – Bluttests oder Fitnessübungen im Gesundheitswesen, die Teilnahme an sozialen Medien bei Internetunternehmen oder Trollfabriken, das Anschauen von Werbung für Publizisten – dann gelingt dem Konzept von Microsoft etwas Einzigartiges: Es bindet die Erzeugung neuer Token an ökonomische Aktivität. Damit würde es eine Kryptowährung schaffen, deren Wert sich so entwickelt, wie es viele Ökonomen fordern: nämlich synchron zu der Wirtschaftsleistung.

Gleichzeitig ist es verlockend, dass Leute für ihre körperlichen Aktivitäten direkt entlohnt werden. Im Prinzip passiert dies bereits, allerdings über eine lange Kette von Mittelsmännern, die den Mehrwert durch Arbeit in Geld umwandeln und diesen dann an die Arbeitenden auszahlen. Viele Kryptowährungsprojekte versuchen etwas ähnliches, etwa indem der Browser Brave User an Einnahmen durch von Brave eingeblendeter Werbung beteiligt. Wenn man die körperliche und mentale Aktivität direkt an die Geldschöpfung koppelt, schafft man hierfür den direktest-möglichen Weg, und wenn dies auch noch unbewusst passiert, reduziert man die Reibungen auf ein absolutes Minimum.

Die Idee ist genial – aber auch gruselig. Sie setzt Anreize für Menschen, die digitale Überwachungsmaschinerie noch weiter in ihr Leben einzuladen, und sie über die digitale Sphäre von Nachrichten und Internetsuchen auf den Körper überspringen zu lassen. Individuelle Wertschöpfung könnte mit der Totalüberwachung des menschlichen Körpers einhergehen, womit sich eine dystopische Zukunft eröffnet, in der Menschen am Tropf von Maschinen hängen, und in der jede Körperregung und jeder Gedanke live übertragen wird.

Vielleicht versteht Microsoft einfach nicht, wie Bitcoin funktioniert …

Allerdings ist diese Diskussion vermutlich sinnlos. Denn es ist äußerst zweifelhaft, ob das Konzept überhaupt funktioniert. Dazu muss man nur ein wenig über das Mining bei Bitcoin wissen.

Die Miner suchen mit ihren Mining-Geräten eine Hash, die bestimmte Bedingungen erfüllt. Eine solche Hash zu finden ist mathematisch schwierig. Sie ist rar. Daher muss niemand kontrollieren, ob die Miner ehrlich sind. Sie dürfen alles menschen- und maschinenmögliche tun, um diese Hash zu finden. Sie dürfen spezielle Maschinen bauen, die Billionen solcher Hashes je Sekunde generieren, sie dürfen die Software optimieren, um mit möglichst wenig Energie möglichst viele Hashes zu finden. Jede Art von Trick ist in Ordnung und sogar erwünscht, da man eine Hash für einen Block nicht fälschen kann.

Wenn man die schwierige Hash durch andere Daten ersetzt, ersetzt man auch diese Rarheit durch Beliebigkeit. Was hindert jemanden daran, das System mit Daten zum Blutdruck, zu Gehirnwellen oder zu Wärme zu fluten? Alle durch Sensoren erhobene Daten sind beliebig. Sie können gefälscht werden. Es dürfte trivial sein, eine App zu bilden, die keine Sensordaten benutzt, sondern einfach nur Daten produziert, die wie Sensordaten aussehen. Dieses Problem ist nur vermeidbar, wenn man eine zentrale Kryptowährung bildet, die nur mit einer bestimmten Software von angemeldeten Usern geschürft werden kann, und wenn man dann fortlaufend dagegen kämpft, die unweigerlich entstehenden Lücken zu schließen.

Selbst wenn es funktioniert – was zweifelhaft ist – ergibt es ein so zentralisiertes und abgeschottetes System, das man sich die Sache mit der Blockchain und Kryptowährung auch sparen könnte. Es wäre nicht anders als die unzähligen Apps, die bereits jetzt die körperlichen Aktivitäten der User messen. Daher könnte man fragen, ob Microsoft oder die Patentinstitution überhaupt verstanden, wie Bitcoin funktioniert.

Über Christoph Bergmann (2802 Artikel)
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5 Kommentare zu Bahnbrechend oder dämlich? Krypto-Mining durch Gehirnströme

  1. Hallo, das Ganze erinnert mich an dem Film „ In Time „ hatte da vor ein paar Tagen was gelesen das Microsoft so weit ist das sie Microsensoren entwickelt haben die mit bloßem Auge kaum bis garnicht sichtbar sind. Wie wir natürlich wissen will Bill Gates mit seiner Stiftung die Impfpflichtig einführen. Durch dieses Verfahren wäre es natürlich möglich jeden zu kontrollieren und alles am und im Körper jedermann zu messen. ( Weltherschaft?) Das alles könnte die Zukunft sein wenn wir nicht aufpassen!

    • Das ist wirklich erschreckend, ich hoffe nur, dass so etwas nie wahr wird :/ Momentan werden ja auch die Menschen/ Freiheitsrechte drastisch übergangen, … zum Wohle der Gemeinschaft….
      schlimm.

  2. Ich frage mich ob die Sensoren auch „geistige Denkarbeit“ erfassen? Ich stelle mir gerade vor, wie die Zukunft aussieht, wenn es nur noch fitte und fleißige Arbeiter gibt, aber keine Lehrer, Autoren, Philosophen, Denkfabriken etc. Zeit für’s „Nichtstun“ wird dann ein Luxusgut. Lieber noch ne Stunde auf dem Bau helfen oder Werbung konsumieren, anstatt auf der Couch über Weltprobleme grübeln 🙂

  3. Ist heute schon der 1. April?

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