Newsticker

Nach dem Halving: Die Blockproduktion von Bitcoin Cash und Bitcoin SV wird willkürlicher

Einige Tage nach dem Halving von Bitcoin Cash (BCH) und Bitcoin SV (BSV) zeigen sich die ersten unangenehmen Folgen: Die Blockproduktion der beiden Kryptowährungen schwankt verstärkt. Wir schauen uns die Daten genauer an, versuchen zu ergründen, weshalb der Effekt bei BCH so viel stärker ausfällt als bei BSV, und erklären, welche Folgen das für die beiden Währungen hat.

Das Halving von Bitcoin ist eines der wichtigsten Ereignisse im Rhythmus der Kryptowährung. Bei Bitcoin wird sich die Produktionsrate neuer Bitcoins zwar erst im Mai halbieren. Doch bei den beiden Bitcoin-Forks Bitcoin Cash (BCH) und Bitcoin SV (BSV) fand bereits in der letzten Woche das dritte Halving statt. Hier entstehen je neuen Blocks jeweils nur noch 6,25 BCH bzw. BSV.

Das Halving zeigt nun ein interessantes Wechselspiel der „Bitcoin-Miner“, was hier die Gesamtheit aller Miner meint, die mit dem SHA-256-Algorithmus hashen. Dieser Algorithmus unterliegt sowohl Bitcoin als auch den beiden Forkcoins. Das Mining hat hier eine bereits bestehende Dynamik noch verschärft.

Zunächst ist festzustellen, dass das Halving wie erwartet weder bei BCH noch bei BSV etwas am Preis geändert hat. Damit konkurrieren die Miner um einen in Dollar-Preisen halbierten Ertrag. Dementsprechend verlassen viele Miner die beiden Coins, um wieder BTC zu minen. Der Anteil der SHA-256-Hashrate von BCH und BSV sinkt. Während die beiden Coins vor dem Halving noch 2-5 Prozent der globalen SHA-256-Hashpower vereinnahmt haben, sind dies nun weniger als 2 Prozent (jeweils 0,8-0,9 Prozent). Damit werden die beiden Coins weniger sicher gegen 51-Prozent-Angriffe. Bisher geschahen noch keine, was vermutlich daran liegt, dass die Miner die juristischen Konsequenzen fürchten. Wie bereits erklärt, wird die Gefahr aber steigen, wenn es auch bei BTC zum Halving kommt.

An dieser Stelle schauen wir uns eine andere Metrik an: Die Oszillation der Block-Intervalle.

Die Daten

Eigentlich sollte es im Durchschnitt sechs Blöcke je Stunde geben, mit nur leichten Abweichungen. Die Webseite Fork.lok zeigt nun aber, dass diese Schwingungen bei Bitcoin Cash sehr viel stärker sind als bei Bitcoin selbst, und dass ihre Intensität nach dem Halving deutlich zugenommen hat:

Die blaue Kurve stellt die Anzahl der Blöcke je Stunde bei Bitcoin Cash dar, die gelbe die bei Bitcoin. Wie zu sehen ist, sind die Schwingungen bei Bitcoin Cash schon seit langem intensiver. Nach dem Halving sind sie aber regelrecht explodiert. Mich hat interessiert, ob es sich bei BSV genauso verhält: dass die Blockintervalle nach dem Halving noch unregelmäßiger wurden. Da es dafür aber keine Daten gab, musste ich die API von Blockexplorern abfragen, um mir die Daten selbst zu bereiten. Dabei habe ich auch die Daten für BCH und BTC abgeholt.

Mein Schaubild für Bitcoin sieht so aus:

Jeder Balken zeigt die Anzahl von Blöcken je Stunde. Die Reihe beginnt links mit dem aktuellsten Block und endet nach maximal 10.000 Blöcken. Wenn der Balken grün ist, bedeutet es, dass es genau sechs Blöcke je Stunde gab. Ist er blau, ist die Abweichung moderat: es gab 4, 5, 7 oder 8 Blöcke je Stunde. Ein roter Balken dagegen signalisiert, dass es eine darüber hinausgehende Abweichung gab. Bei BTC fällt nun auf, dass die Blöcke relativ regelmäßig erscheinen, es gibt viel blau und grün, und selbst wenn die Balken rot sind, ist die Abweichung von der Norm nicht extrem. Die heftigsten Ausschläge in dieser Zeitreihe waren 16 oder 2 Blöcke je Stunde.

Wenn wir dagegen Bitcoin Cash anschauen, sieht das Diagramm ganz anders aus:

 

Der schwarze Balken kurz nach der Hälfte stellt das Halving dar. Der Teil links davon ist die Zeit nach dem Halving. Es fällt auf, dass die Anzahl der Blöcke je Stunde schon vor dem Halving stärker geschwankt hat als bei Bitcoin, aber nach dem Halving erst richtig aufdreht. Wir haben Intervalle von fünf bis sechs Stunden, in denen fast ständig mehr als 10 Blöcke je Stunden gefunden werden – die Spitze liegt hier bei etwa 30 Blöcken je Stunde – unterbrochen von etwas längeren Zeitabschnitten, in denen oft nur 1 bis 3 Blöcke auftauchen. Als Übergang zwischen diesen beiden Episoden finden wir ein kurzes Zeitfenster von etwa 3 Stunden, in denen es eine relativ reguläre Blockproduktion gibt. Immerhin scheint in den letzten 15 Stunden eine Art von Beruhigung stattgefunden zu haben. Diese Periode hat stabilere Blockintervalle als jede andere nach dem Halving.

Wie sieht es dagegen bei Bitcoin SV aus?

Auch hier erkennen wir deutlich stärkere Abweichungen nach dem Halving (schwarzer Balken ziemlich genau in der Mitte), die besonders von sechs- bis siebenstündigen Zeitabschnitten geprägt werden, in denen es deutlich mehr Blöcke je Stunde gibt. Anders als bei Bitcoin Cash fallen die Spitzen aber nicht so extrem aus – es bleibt in der Regel bei weniger als 20 Blöcken die Stunde – und die Phasen der langsameren Blockproduktion sind deutlich weniger intensiv, sondern oft sogar relativ normal. Gleichzeitig fällt auf, dass Bitcoin SV schon vor dem Halving stabiler erscheint als Bitcoin Cash: Die Schwankungen der Blockintervalle sind weniger ausgeprägt und beinah ebenso stabil wie bei Bitcoin.

Nach der Erhebung der Daten kommen wir zur Frage, wie man sie begründen kann.

Die Erklärung

Dass die Intervalle zwischen den Blöcken schwanken, ist normal. Mining ist ein Glücksspiel. Bei großen Zahlen stellt sich ein stabiler Durchschnitt ein, so, wie wenn man tausend Mal würfelt, man im Durchschnitt eine 3,5 würfelt. Je kleiner die Zahlenreihen sind, desto willkürlicher werden jedoch die Ergebnisse. Wenn man einmal würfelt, bekommt man jedes Ergebnis zwischen 1 und 6. Daher ist es vollkommen normal, dass die Intervalle zwischen den Blöcken nur selten genau 10 Minuten betragen.

Auch der Grund dafür, dass sowohl Bitcoin Cash als auch Bitcoin SV stärkere Ausschläge in der Anzahl Blöcke je Stunde aufweisen, ist nachvollziehbar. Die beiden Coins benutzen denselben alternativen Algorithmus zur Anpassung der Schwierigkeit. Die Schwierigkeit des Minings wird in deutlich kürzeren Zeitabschnitten als bei Bitcoin angepasst. Dies soll eigentlich dazu dienen, die Blockproduktion zu stabilisieren. Ohne einen solchen Algorithmus wäre sie aufgrund des viel geringeren Preises deutlich extremer. Allerdings ist der Algorithmus nicht perfekt. Die Miner können ihre Erträge steigern, indem sie zwischen den Coins wechseln: Wenn die Schwierigkeit fällt, minen sie Bitcoin Cash, wenn sie steigt, minen sie Bitcoin. Dies pendelt sich zwar ein, aber bis dies geschieht, verlangsamt oder beschleunigt sich die Blockproduktion.

Dabei gibt es einen Zusammenhang zu den Erträgen: Je geringer die Erträge des Minings einer Blockchain sind, desto größer sind die Anreize der Miner, sie durch das Wechseln der Blockchain zu erhöhen, und desto gravierender fallen die Wirkungen dieser Wechsel aus. Es ist möglich, dass sich dies wieder einpendelt, dass die hohen Ausbrüche nach dem Halving eine spontane Reaktion auf den Verlust an Hashrate waren, und dass der Algorithmus etwa eine knappe Woche gebraucht hat, um sich selbst zu regulieren. Wenn dem so wäre, würde Bitcoin Cash wieder zur selben Dynamik wie vor dem Halving zurückkehren, und der Effekt wäre temporär gewesen.

Für Bitcoin selbst besteht hier keine Gefahr: Wenn es überhaupt solche Effekte geben wird, werden sie im kaum spürbaren Bereich liegen. Die Kryptowährung mit dem höchsten Preis ist in diesem Spiel auch die stabilste Kryptowährung.

Am schwierigsten zu beantworten ist die Frage, warum die Dynamik bei Bitcoin SV weniger stark ist als bei Bitcoin Cash. Beide Coins haben eine ähnliche Hashrate – bei Bitcoin SV ist sogar noch geringer – und denselben Algorithmus. Wir haben also dieselbe Struktur und dieselben Umstände. Warum kommt dabei aber ein anderes Ergebnis heraus? Die Erklärung kann nur in externen Gründen liegen – also in Gründen, die weder direkt mit der Hashrate noch mit dem Algorithmus zu tun haben.

Eine Möglichkeit wäre, dass Bitcoin SV höhere Gebühren erwirtschaftet. Während bei Bitcoin Cash die Transaktionsgebühren auch nach dem Halving nur 0,04 Prozent der Belohnung der Miner ausmacht, kommen sie bei Bitcoin SV auf 0,11 Prozent. Allerdings ist auch dieser Anteil noch viel zu gering, um mehr als ein winziger, kaum spürbarer Puffer zu sein. Daher müssen wir nach weiteren Gründen suchen.

Einer davon könnte sein, dass Bitcoin SV „treuere“ Miner hat: Die wichtigen Miner für Bitcoin Cash sind AntPool, ViaBTC, BTC.com, Huobi und BTC.top. Alle diese Pools minen auch und vor allem BTC, worauf sie den Großteil ihrer Hashrate richten. Es dürfte zu ihrer Kernstrategie gehören, den Mining-Profit ihrer Kunden zu maximieren, indem sie jede Schwäche des Algorithmus ausnutzen. Sie maximieren also die Erträge durch das Wechseln der Blockchains, und damit auch die Effekte. Da diese Pools an sich Bitcoin Cash mit Sympathie gegenüberstehen, ist von ihnen kein Angriff zu erwarten, und es ist auch denkbar, dass sie mittlerweile beschlossen haben, die Schwächen des Algorithmus zur Anpassung der Schwierigkeit weniger aggressiv auszunutzen, um Bitcoin Cash nicht (zu sehr) zu schaden.

Bitcoin SV hat dagegen mit TAAL und MemPool zwei Pools, die sehr treu sind, die ihre Infrastruktur für BSV optimiert haben, für das Wohl der Blockchain auch geringere Erträge hinnehmen und weniger aggressiv die Blockchain wechseln. Diese beiden Pools machen derzeit zwar nicht die Mehrheit der BSV-Miner aus, stellen aber einen gewissen Anteil. Es wäre also denkbar, dass sie die Effekte der Wechsel-Miner abmildern.

Die Folgen

Was bedeutet das für BCH und BSV? Beide Blockchains schreiben sich auf die Fahnen, ein besserer, da günstigerer und schnellerer Bitcoin zu sein, der mit der Aufhebung des Blocksize-Limits jede Transaktion zu günstigen Gebühren in den nächsten Block bringt und gut genug skaliert, um Bitcoin zum Zahlungsmittel für die Masse zu machen.

Die heftigen Schwankungen der Block-Intervalle sind hier in jedem Fall kontraproduktiv. Sie machen es schwer kalkulierbar, wann eine Transaktion bestätigt wird. Es kann zwei bis drei Minuten dauern, aber auch bis zu einer Stunde. Börsen erwarten sechs, zum Teil auch zehn Bestätigungen, bis sie Bitcoin Cash oder Bitcoin SV akzeptieren. Diese sind bei Bitcoin Cash mal in zwanzig Minuten erreicht, mal in fünf bis sechs Stunden. Bei Bitcoin SV ist die Lage ähnlich, wenn auch nicht so dramatisch.

Diese Unberechenbarkeit, wie lange eine Bestätigung braucht, erschwert die Nützlichkeit der beiden Coins. Sie hebt in gewisser Weise die Vorteile, die sie durch die Anhebung des Limits der Blockgröße gewonnen haben, wieder auf. Ob es wie bei Bitcoin zu einem plötzlichen Stau im MemPool kommt, weil der Platz auf der Blockchain zu gering ist, und man deswegen mehrere Stunden warten muss, bis es eine Bestätigung gibt, oder ob die Miner spontan alle auf die BTC-Blockchain migriert sind, und es deswegen lange dauert, bis eine Transaktion bestätigt wird, kommt im Grunde auf dasselbe raus.

Wichtiger werden an dieser Stelle die unbestätigten Transaktionen: Transaktionen, die zwar im Netzwerk bekannt sind, aber es noch nicht in einen Block geschafft haben. Solche Transaktionen sind in den meisten Fällen „sicher genug“. Sowohl Bitcoin Cash als auch Bitcoin SV setzen verstärkt auf unbestätigte Transaktionen, und versuchen diese einerseits sicherer zu machen, und andererseits in den Wallets komfortabler anzuzeigen. Bei Bitcoin dagegen führen unbestätigte Transaktionen eher ein Daseins als Bürger zweiter Klasse, werden durch Replace-by-Fee und anderen Änderungen wie das geplante Erlay noch weniger nützlich. An ihrer Stelle sollen Lightning-Transaktionen für Echtzeit-Zahlungen verwendet werden.

Unbestätigte Transaktionen sind zwar in vielen Fällen durchaus akzeptabel. Problematisch wird es aber, wenn ein Händler vorhat, sie so schnell wie möglich gegen Währungen wie Euro oder Dollar zu wechseln. Dies ist in dem Fall nicht möglich. Wenn die Dauer bis zur Bestätigung weniger berechenbar wird, wird auch der Einfluss der Volatilität weniger berechenbar. Daher schadet die stark oszillierende Hashrate der Nützlichkeit von Bitcoin Cash und Bitcoin SV selbst dann, wenn die Nutzer unbestätigte Transaktionen akzeptieren.

Über Christoph Bergmann (2801 Artikel)
Das Bitcoinblog wird von Bitcoin.de gesponsort, ist inhaltlich aber unabhängig und gibt die Meinung des Redakteurs Christoph Bergmann wieder ---

1 Kommentar zu Nach dem Halving: Die Blockproduktion von Bitcoin Cash und Bitcoin SV wird willkürlicher

  1. Der Preis bestimmt die Miner ?! Wäre doch die logische Schlussfogerung … Ausser jemand möchte investieren in den Coin, mit einer Miningfarm, die aber momentan Verluste hinnehmen müsste auf ungewissen Zeit ?

Schreibe eine Antwort zu SpecTAntwort abbrechen

Entdecke mehr von BitcoinBlog.de - das Blog für Bitcoin und andere virtuelle Währungen

Jetzt abonnieren, um weiterzulesen und auf das gesamte Archiv zuzugreifen.

Weiterlesen