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„Diese Ankündigung ist keine Einladung zur Diskussion.“

"Lego Splitting Heachache". Bild von Matt Brown via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

ABC gegen alle anderen: Die Leitimplementierung von Bitcoin Cash (BCH) wird im November eine „Infrastruktur-Abgabe“ einführen, die im Ökosystem hochgradig umstritten ist. Dies wird voraussichtlich zu einer Spaltung der Blockchain führen.

Und es passiert erneut. Mit der Hardfork im November wird sich Bitcoin Cash (BCH) aller Wahrscheinlichkeit nach erneut spalten. Der Grund liegt darin, dass Bitcoin ABC darauf besteht, dass in Zukunft acht Prozent des Blockrewards an die Entwickler hinter der Leitimplementierung gehen – ein Plan, den das Ökosystem mit Empörung aufnimmt.

Im Prinzip ist die Geschichte rasch erzählt: Eine Partei will etwas, die andere Partei will es nicht. Nun können Verhandlungen folgen, eine Seite kann nachgeben, man kann sich auf einen Kompromiss einigen. Wenn das nicht funktioniert und keiner nachgeben will, geht man eben getrennte Wege. Etwa das passiert bei Bitcoin Cash: Bitcoin ABC, die Leitimplementierung von Bitcoin Cash unter Amaury Sechet, hat schon im Frühjahr angekündigt, eine „Miner-Steuer“ einzuführen, durch die ein bestimmter Anteil des Block-Rewards an „Infrastruktur-Entwickler“ wie Bitcoin ABC geht. Die Ankündigung hat damals hohe und wutschäumende Wellen geschlagen, weshalb sie vermeintlich vom Tisch war. Zumindest hat kein Miner die „Abgabe“ nach der Hardfork im Mai aktiviert.

Nun macht ABC es aber wieder. Der in der Community mittlerweile in Ungnade gefallene Amaury Sechet kündigt am sechsten August die Pläne von ABC für die November-Hardfork an. Darin erklärt er, „das System, das die maximale nachhaltige Netzwerksicherheit bietet“, sei das, „in dem die Entwickler der Mining-Node-Implementierung ihr Einkommen direkt durch den Blockreward erhalten.“ Weil ein solches Arrangement den Wert des Netzwerks erhöhe, plant Bitcoin ABC im November eine Regel einzuführen, „die die Anreize für Bitcoin ABC vollständig mit der Nachhaltigkeit und Sicherheit des Netzwerks in Einklang bringt“:  Jeder neu erzeugte Block muss einen Output enthalten, der acht Prozent des Block-Rewards an eine bestimmte Adresse sendet. Diese Adresse gehört vermutlich ABC.

Insgesamt würde ABC so im Jahr 26.280 Bitcoin Cash einnehmen, was bei den derzeitigen Preisen etwa 6,5 Millionen Euro wären.

Le BCH, c’est mois

Amaury weiß, dass „einige“ es bevorzugen würden, dass ABC diese „Verbesserung“ nicht implementiert. Aber „diese Ankündigung ist keine Einladung zur Diskussion. Die Entscheidung wurde gefällt und wird mit dem Upgrade im November aktiviert.“

Damit entblößt Amaury sein Selbstverständnis: Er ist Bitcoin Cash. Wenn er Geld erhält, steigert das den Wert von Bitcoin Cash, und wenn er sich entschieden hat, ist die Diskussion vorüber.

Dabei untertreibt Amaury gewaltig, wenn er meint, dass „einige“ nicht einverstanden wären. Im Grunde ist das gesamte Ökosystem gegen die Abgabe: Von Bitcoin.com bis zu Read.Cash, von Electron Cash zu CashShuffle, von SLP-Token zu Member.Cash, von Bitcoin Unlimited zu BCHN, BCHD und Flowee the Hub und zu Investoren wie Marc de Messel, und so weiter. Auch unter den Minern stimmt bisher niemand für die Abgabe, doch einige klar dagegen. Dies äußern sie, indem sie die relativ neue Implementierung BCHN benutzen, die als Reaktion auf den „Steuer“-Vorschlag im Frühjahr gegründet wurde.

Im Grunde gibt es niemand außer den ABC-Entwicklern, Vin Armani von CoinText (das mittlerweile den Service in den meisten Ländern eingestellt hat) sowie Tobias Ruck von be.cash (das es noch gar nicht gibt), die die Abgabe nicht vehement ablehnen.

Es handelt sich hier nicht um eine Situation wie 2017, als sich Bitcoin Cash von Bitcoin (BTC) abgespalten hat. Damals wollte ein nicht unerheblicher Teil des Ökosystems eine größere Blocksize, während ein noch größerer Teil dies vehement ablehnte. Auch im Herbst 2018, als sich Bitcoin SV (BSV) von Bitcoin Cash (BCH) abspaltete, stand ein nicht unerheblicher Teil des BCH-Ökosystems hinter Bitcoin SV, darunter Wallets, Entwickler, Startups, die Community und mehr. Heute, im Jahr 2020, steht Bitcoin ABC mit der Abgabe weitgehend alleine da, während so gut wie 100 Prozent der Akteure, die Bitcoin Cash lebendig machen, sie unumstößlich ablehnen. Ein Bitcoin Cash ohne diese Community wäre ein toter Coin.

Wenn dem so ist – wenn alle Welt gegen die Abgabe ist und niemand dafür – wie kann es dann sein, dass sie die BCH-Blockchain spalten wird? Wäre es nicht der natürliche Gang der Dinge, dass Amaury nicht bekommt, was er möchte, und das, so schwer es ihm fallen mag, einsehen muss und,  wie gefordert wird, zurücktritt?

So wäre es unter normalen Bedingungen. Bei einer Blockchain greift nun aber ein besonderer Mechanismus, den nicht jeder versteht: Der Unterschied zwischen einer Softfork und einer Hardfork.

Die komplexe Logik von harten und weichen Gabeln

Eine Hardfork bedeutet, dass man eine Regel abschafft oder ändert. Wenn man beispielsweise bestimmt, dass das Limit von 8 Megabyte je Block nicht länger gilt. Oder wenn man sagt, dass ein neuer Op_Code erlaubt sein wird (was im Grunde bedeutet, dass man die Regel, was NICHT erlaubt ist, lockert).

Eine Softfork dagegen fügt dem Protokoll neue Regeln hinzu. Wenn man beispielsweise ein Limit für die Blocksize einführt, einen bestehenden Op_Code verbietet oder eben die Regel verhängt, dass jeder neu erzeugte Block eine Transaktion an eine bestimmte Adresse enthalten muss.

In der Wirklichkeit sind die Unterschiede zwischen Hard- und Softforks oft verwaschen. Die halbjährlichen Protokoll-Upgrades von Bitcoin Cash etwa vermischen in der Regeln Hard- und Softforks, und bei Bitcoin (BTC) gilt die Politik, nur Softforks durchzuführen, auch wenn diese, wie bei SegWit oder Taproot, durch clevere Tricks etwas Neues einführen anstatt etwas Bestehendes strenger zu reglementieren.

Dabei aber darf man einen enorm wichtigen Unterschied nicht aus den Augen verlieren: Eine Hardfork ERLAUBT etwas, während eine Softfork etwas VERBIETET. Damit bleibt eine Hardfork an sich kompatibel mit der Blockchain vor der Hardfork: Wenn es erlaubt ist, 70 Stundenkilometer zu fahren, darf ich weiterhin nur 50 fahren, und wenn es erlaubt ist, im Biergarten zu rauchen, darf ich auch nichtrauchen. Bei Bitcoin gilt nun, dass die Knoten die Blockchain als die „wahre“ anerkennen, welche erstens die Regeln einhält und zweitens die meiste Hashing-Power hinter sich hat. Das führt zu interessanten Folgen:

Eine Hardfork bei Bitcoin (Cash) erzeugt nämlich nur dann eine neue Blockchain, wenn die Mehrheit der Miner sie implementiert. Wenn weniger als 50 Prozent der Miner es akzeptieren, dass Blöcke größer als 8 Megabyte sind, wird die Blockchain, die eine solche Blocksize verbietet, mehr Mining-Power hinter sich haben und „die längere“ Blockchain bleiben – während beide Seiten sie als legitim anerkennen. Es wird niemals zu einer Spaltung der Blockchain kommen.

Eine Softfork dagegen schließt die „alte“ Blockchain sofort aus: Die Clients erkennen einen Block, der gegen die neue Regel verstößt, schlicht nicht an. Daher reicht es aus, wenn ein einzelner Miner die Softfork umsetzt, um eine neue Blockchain zu schaffen. Schließlich wird sie, selbst mit einer Minderheit an Mining-Power, die längste Chain mit den entsprechenden Regeln sein. Eine Softfork hebelt quasi den Konsens durch die Miner aus. Sie ist das perfekte Werkzeug, um eine Blockchain zu spalten.

Drei Szenarien

Die Mechanik der Softforks eröffnet drei Szenarien für Bitcoin Cash: (1) Kein Miner setzt die Abgabe um. In dem Fall bleibt alles beim Alten und es wird keine Abgabe geben. (2) Eine Minderheit der Miner setzt die Abgabe um. Das ist derzeit am wahrscheinlichsten. In dem Fall wird es eine Spaltung der Blockchain geben. (3) Eine Mehrheit der Miner entscheidet sich für die Abgabe an ABC. In dem Fall wird die Blockchain, die diese Abgabe nicht bezahlt, ausgelöscht.

Das dritte Szenario bringt eine perfide Mechanik ins Spiel: Für die Knoten, die die Abgabe nicht mittragen, ist die Blockchain, auf der die Abgabe existiert, weiterhin gültig. Ihr erinnert euch: Wenn ich freiwillig Schrittgeschwindigkeit fahre, obwohl 30 erlaubt ist, mache ich nichts illegales. Da auch die Knoten, die die Abgabe nicht umsetzen, sowohl die Blockchain mit als auch die ohne Abgabe für „legal“ halten, wählen sie die, die mehr Hashing-Power hinter sich hat. Sollte dies die ABC-Chain sein, wird die alte BCH-Chain einfach ausgelöscht. Dies ist die Logik, auf der seinerzeit die „User Activated Soft Fork“ (UASF) baute.

Allerdings ist das dritte Szenario extrem unwahrscheinlich. Schließlich steht hinter der Blockchain ohne Abgabe fast das gesamte Ökosystem, weshalb anzunehmen ist, dass dieser Coin mehr Wert haben wird. Und mehr Wert bedeutet mehr Hashpower.

Über Christoph Bergmann (2796 Artikel)
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10 Kommentare zu „Diese Ankündigung ist keine Einladung zur Diskussion.“

  1. „komplexe Logig“ -> „komplexe Logik“

    Gut zusammengefasst.

    Eine Sache, die zu erwähnen ist, ist dass für Fall 2 die Checkpoint-Regel die chain ohne IFP relativ schnell (ich glaube es war irgendwas zwischen 10-12 blocks) vor der Auslöschung schützt.

  2. Da sieht man wieder, wie wichtig das Thema „Governance“ für Blockchains ist, – wäre auch mal ein Thema für einen Artikel.

  3. Paul Janowitz // 24. August 2020 um 14:08 // Antworten

    Eine pauschale Steuer ist eigentlich gegen alle Blockchain Prinzipien, auch wenn sie in anderen Projekten notgedrungen mitgetragen wurde. Meist führt sie aber zu exzessiven Ausgaben, ohne dass dabei irgendetwas herauskommt, siehe Zcash mit seiner 10% Policy, die aber als 20% innerhalb der ersten vier Jahre eingezogen wurde. Die Entwicklung, die dabei herausgekommen ist, ist relativ überschaubar, die Kohle ist weg und man will die Steuer doch ausweiten.

    Amaury muss sich an seiner Leistung messen lassen und da ist nicht viel erkennbar, außer ein paar Änderungen der Parameter zur Block Größe und das ewige rumdoktern an der Difficulty.

    Beim Hard Fork von Bitcoin hat man es verpasst, einen scammy Zwischenmine durchzuführen wie bei „Bitcoin Gold“ und andererseits will man sich nicht einer Community Governance stellen, die einige Coins wie Decred im Protokoll implementiert haben oder Monero z.B. jeweils durch die Community funden lässt: https://ccs.getmonero.org
    Das klappt auch für kontinuierliche Gehälter von zwei Leuten im Research Lab und dem Hauptprogrammierer mooo, deren Hürde gegenüber der Community nicht mehr ganz so hoch ist, wie bei neuen Vorschlägen, aber immer noch jeweils alle drei Monate verifiziert wird.

    Ich möchte hierbei noch nicht einmal behaupten, dass letzteres optimal wäre, denn tendenziell finanzieren meist wenige Wale einen großen Teil, aber bisher hat es ganz gut geklappt, auch für größere Projekte wie die Audits im mittleren 6-stelligen Bereich.

    Amaury hat es verpasst, ein Governance Modell auf der Blockchain vorzuschlagen, wie viel Funding gewollt ist und in welche Projekte es fließen soll. Eine plumpe Einführung einer Steuer bei etablierten Projekten wie BCH wird höchstwahrscheinlich schief gehen und Amaury wird sein Gesicht verlieren, denn zurückrudern kann er kaum noch.

    • Aber da Cryptocurrency kein Zwangsfiatgeld, sondern eine echte Währung ist, weil akzeptiert oder nicht und Ausweichmöglichkeiten birgt, werden sich möglicherweise jene durchsetzen, die keine Steuern verlangen. Ist ja der Sinn dieser neuen Währungen. Auch Behörden und Politiker werden sich nicht gegen alles Neue stämmen können, weil die Menschen es sich auf Dauer nicht gefallen lassen.

  4. „Mit der Hardfork im November wird sich Bitcoin Cash (BCH) aller Wahrscheinlichkeit nach erneut spalten. “
    „Eine Softfork hebelt quasi den Konsens durch die Miner aus. Sie ist das perfekte Werkzeug, um eine Blockchain zu spalten.“

    Irgendwie finde ich diese Aussagen widersprüchlich und verwirrend. Wird Bitcoin-Cash im November voraussichtlich durch eine Hard- oder durch eine Softfork gespalten?
    Ich dachte immer, Bitcoin wurde durch eine Hardfork in Bitcoin und Bitcoin-Cash gespalten und ebenso wurde Bitcoin-Cash durch eine Hardfork in Bitcoin-Cash und Bitcoin-SV gespalten, oder liege ich da falsch?

    • Ich meine BCH führt in regelmäßigen Abständen eine Hardfork durch (bei der sich die Chain normalerweise nicht splittet weil alle sie mit unterstützen bzw. umsetzen). Diesmal plant ABC aber Änderungen in Form einer Softfork, welche von der Community nicht unterstützt werden, und welche zum gleichen Termin wie die ursprünglich geplante Hardfork (im November) aktiviert werden soll.
      So meine ich es verstanden zu haben.

    • Ja, das ist verwirrend.

      Bitcoin Cash hat sich durch eine Hardfork abgespalten, aber hat gleichzeitig eine Softfork gemacht, um nicht gefressen zu werden. Die Spaltung von BSV war sowohl eine Softfork (CTOR) als auch eine Hardfork (opcodes, blocksize). Die reine Hardfork wäre allerdings erst dann eingetreten, wenn DIE MEHRHEIT der Miner angefangen hätte, größere Blöcke zu bilden oder neue opcodes zu verwenden. Es hätte hier eine Art Nakamoto-Konsens gegeben. Da aber ABC mit CTOR eine neue, verbindliche Ordnung der Blöcke eingeführt hat, hat die Softfork SOFORT eine Spaltung der Chain verursacht, die unabhängig von der Hashrate dahinter war.

  5. Amaury Sechet ist ein kleiner Clown in einer grossen Welt. Man sollte sich die URFRAGE stellen: WAS IST BITCOIN? und WARUM? Was hat Bitcoin der Welt zu bieten? Einen Anhatspuntkt findent man in diesem Blog:
    https://elas.digital/

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