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„Eine bewusste Entscheidung unseres Unternehmens, Bitcoin zu unserem Standard zu machen.“

Von der Webseite von MicroStrategy

Das IT-Unternehmen MicroStrategy begann im August, für 250 Millionen Dollar Bitcoins zu kaufen, weil es sich nicht länger wohl damit fühlt, Cashreserven in Dollar zu halten. Nun hat das Unternehmen weitere 175 Millionen Dollar in die Kryptowährung investiert. Das macht die Firma effektiv zu einem Bitcoin-ETF – während sich der CEO Michael Saylor als knallharter Bitcoin-Maximalist entpuppt.

Die Frage, wer eine Wette oder ein Risiko eingeht, ist mittlerweile nicht mehr so leicht zu beantworten. Setzen diejenigen, die in Bitcoins investieren, auf einen Trend, der wieder verpuffen kann? Oder riskieren diejenigen ihr Vermögen, die ihre Werte in Fiatgeld wie Euro oder Dollar halten?

Für Michael Saylor, den CEO von MicroStrategy, ist die Antwort mittlerweile einfach. Der Chef des börsennotierten IT-Unternehmens aus den USA hat seinen Aufsichtsrat überzeugt, den Großteil der Cash-Reserven des Unternehmens in Bitcoin zu übersetzen. Nachdem die Firma im August rund 250 Millionen Dollar investiert hat, legt sie nun nach und wechselt weitere 175 Millionen Dollar. Damit hat das Unternehmen insgesamt 425 Millionen Dollar gegen 38.250 Bitcoins getauscht und wird zum ersten Unternehmen außerhalb der Krypto-Branche, das derartige Mengen an Coins in seiner Bilanz verbucht.

Saylor wird derweil natürlich zum Star in der Bitcoin-Szene. In mehreren Interviews erklärt, welche Motive ihn geleitet haben, mit beinah einer halben Milliarde Dollar auf Bitcoin zu setzen.

„Ein 500-Millionen-Dollar-Eisblock, der vor sich hin schmilzt“

Vor einigen Jahren hat Saylor Bitcoin noch als Zockerei abgetan, die nur schiefgehen kann. Dann kroch er in das Hasenloch von Bitcoin hinein, um genau im richtigen Moment als Maximalist herauszukommen.

Der eigentliche Auslöser, sich noch einmal mit Bitcoin zu beschäftigen, war es, als Block.one, die Firma hinter der Kryptowährung EOS, ihm Mitte 2019 für die Domain Voice.com 30 Millionen Dollar anbot. Saylor hat, wie viele andere IT-Unternehmer, in der Frühzeit des Internets in Domains investiert. Dass eine Kryptofirma bereit war, so viel Geld für eine Domain auszugeben, Jahre, nachdem er Bitcoin für tot erklärt hatte, brachte den CEO ins Nachdenken. Also begann er, sich tiefgehender mit Krypto zu beschäftigen. Er hörte Bitcoin-Podcasts, las Blogs und verschlang die Bücher von Andreas Antonopolous.

Bald darauf florierte seine Firma wie nie zuvor. MicroStrategy wurde zum Corona-Gewinner, und die Firma häufte immer mehr Cash auf den Bankkonten an. Damit setzte sie sich jedoch zunehmend dem Inflationsrisiko aus. Der Dollar ist sowieso schon eine schwache Währung, die gegenüber Aktien, Immobilien oder Hochschulbildung deutlich an Wert verliert. Seit die Notenbank im Kampf gegen die Corona-Rezession noch mehr Geld druckt, werden die Barreserven für Saylor aber zum kaum mehr tragbaren Risiko. „Uns traf die schmerzhafte Erkenntnis, dass wir auf der Spitze eines 500-Millionen-Dollar-Eisblocks stehen, der dabei ist, zu schmelzen.“

Also gab Saylor seinen Managern und Direktoren die „Hausaufgabe“, sich über Bitcoin zu informieren, und begann, die rechtlichen, technischen und finanziellen Schritte einzuleiten, um einen Teil der Barreserven gegen Bitcoin zu tauschen. Im Zuge dieses Prozesses verfestigte sich sein Glaube an Bitcoin immer mehr und wurde zu einer geradezu kultischen Überzeugung, die viele Bitcoiner aus eigener Erfahrung kennen.

Der CEO als Bitcoin-Maxi

In einem Interview mit dem Finanzmagazin Real Vision erklärt Saylor seine Begeisterung für Bitcoin. Wenn man rationalen Menschen genügend Zeit und Resourcen gebe, um Bitcoin zu verstehen, würden sie zum selben Schluss kommen wie er: Falls Bitcoin nicht 100 Mal besser als Gold sei, „dann ist es 1.000.000 Mal besser als Gold“.

Niemand, der Bitcoin wirklich verstanden habe, stecke nur ein Prozent des Vermögens in die Kryptowährung. Stattdessen überkomme ihn unvermeidlich die Furcht, nicht genügend Bitcoins zu besitzen. Daher hatte die Hälfte des Aufsichtsrats bereits persönlich Bitcoins gekauft. Für Saylor war es unbegreiflich, dass es Leute gibt, die ihm tatsächlich mehr als 38.500 Bitcoins verkauft haben. Wer ist bereit, so etwas für kleine Gewinne in einer lachhaften Papierwährung wieder herzugeben?

Der Kauf von Bitcoins war womöglich als Absicherung gegen die Inflation des Dollars gedacht.  Doch mittlerweile ist er mehr, viel mehr: Er ist „eine bewusste Entscheidung unseres Unternehmens, Bitcoin zu unserem Standard zu machen.“ MicroStrategy erkennt den Dollar nicht länger als Leitwährung an, sondern entscheidet sich für Bitcoin.

Im Zuge dieses Bewusstseinswandels hat Saylor auch die Überzeugungen der „Bitcoin-Maximalisten“ übernommen: Zum einen ist Bitcoin für ihn ein Wertspeicher, kein Transaktionsmedium, und also solcher skaliert er prächtig:

„Wir haben 21.454 BTC durch 78.388 Offchain-Transaktionen erworben, und sie dann durch 18 Onchain-Transaktionen in eine Cold Wallet überführt. Bitcoin skaliert perfekt als Wertspeicher.“

Saylor interessiert sich nicht dafür, ob Leute im Internet mit Bitcoin bezahlen. Ihm geht es darum, ein knappes Gut zu haben, eine Währung, die dezentral ist und sich jeder Kontrolle widersetzt, so, als sei es ein Naturgesetz und kein technisches Artefakt. So etwas muss nicht onchain skalieren, und vielleicht darf es das sogar gar nicht.

Der CEO wäre kein Maximalist, wenn er sich nicht zu 100 Prozent auf Bitcoin fokusieren würde. MicroStrategy hat keine Ether gekauft, keine XRP, keine Bitcoin Cash, keine EOS. Nicht einen einzigen Coin einer anderen Währung. Andere Kryptowährungen sind für ihn irrelevant, genauso wie der typische Dominanzindex von Coinmarketcap, laut dem Bitcoin nur noch knapp 60 Prozent des Marktes ausmacht. Denn in Wahrheit hat Bitcoin einen Marktanteil von mehr als 90 Prozent. Das zeigt der „BTC Dominance“ Index, eine Seite, die alle Proof of Stake Coins ausklammert und auf Wunsch auch Smart-Contract-Plattformen wie Ethereum. Unter den verbleibenden Coins hat Bitcoin dann rund 93 Prozent Anteil.

Kann man so sehen, muss man aber nicht. Wenn man wie Saylor erst Mitte 2019 begonnen hat, sich mit dem Thema zu beschäftigen, läuft man natürlich Gefahr, sich mit solchen Aussagen Spott einzuhandeln. Bissig meint etwa jemand auf Twitter, dies sei „die schlimmste Ratio von ‚Wert des Investments‘ und ‚Verständnis des Investments'“, die ihm jemals untergekommen sei.

Aber, wenden Bitcoin Maximalisten treffenderweise ein, wer Saylor kritisiert, soll erst einmal selbst eine halbe Milliarde investieren. Wer das Kapital hat, wird schon wissen, was er tut.

DeFi und Ethereum und Smart Contracts sind natürlich toll und faszinierend und, wie auch Saylor findet, „ein nettes Experiment“. Aber für jemanden, der einfach nur einen Wertspeicher sucht, der für die Ewigkeit gebaut ist, ist das egal, wenn nicht sogar störend. Er will ein Netzwerk, das berechenbar, unmanipulierbar und unzerstörbar ist.

Ist MicroStrategy erst der Anfang?

Für den CEO liegt es auf der Hand, dass er lediglich den Anfang macht. Schließlich ist die Entscheidung, Kapital in Bitcoin umzuschichten, die unvermeidbare Konsequenz daraus, Bitcoin zu verstehen.

Allein in den USA gibt es 35.000 öffentlich gehandelte Unternehmen, und diese Unternehmen sitzen auf Barreserven von fünf Billionen Dollar. Für diese Barreserven bezahlen sie in Form der Inflation negative Zinsen. Sie schmelzen wie ein Eisblock. Die Unternehmen lassen sich das gefallen, weil sie keine Alternative zu Cash kennen. Sollten sie einmal verstehen, dass es mit Bitcoin eine Alternative gibt, werden sie einen Teil wechseln. Es wäre dumm, es nicht zu tun. Geschäftsmänner bleiben eher nicht auf sinkenden Schiffen.

Für Saylor ist es unvermeidbar, dass der Preis steigen wird, wenn nur ein Teil der US-Unternehmen einen Teil ihrer Barreserven in Bitcoin wechseln. Aber er spekuliert nicht auf Kursgewinnen. Seine Firma hat die Bitcoins nicht gekauft, um sie gegen mehr Dollar weiterzuverkaufen. Sie sollen ein Fundament für die Ewigkeit sein. Saylor sagt, er will, dass der CEO, der in 100 Jahren seinen Posten übernimmt, diese Bitcoins als Barreserve besitzt. Sie sind der neue Standard.

Natürlich gleitet der Eifer von Saylor etwas ins Irrationale ab. Er hat sich an Bitcoin infiziert. Aber der Markt gibt ihm recht.

Durch das Bitcoin-Investment wurde MicroStrategy effektiv zu einem Bitcoin-ETF: Wer Aktien des Unternehmens kauft, kauft sich in den Erfolg von Bitcoin ein. Deren Kurs tut es gut: Seit der Ankündigung am 11. August, Bitcoins gekauft zu haben, legte er um 30 Prozent an; allein am vergangenen Dienstag, als Saylor den zweiten Kauf öffentlich machte,sprang er um neun Prozent. Der Markt ist aufmerksam. Sollte das Beispiel Schule machen, könnte die Fiatschmelze beginnen.

Über Christoph Bergmann (2796 Artikel)
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7 Kommentare zu „Eine bewusste Entscheidung unseres Unternehmens, Bitcoin zu unserem Standard zu machen.“

  1. Fiatschmelze ? Wow in cooler Ausdruck.

  2. Also kann man MicroStrategy nun statt im Tech-Sektor im Gambling ansiedeln. Zumal mit dem Zukauf von knapp 40k BTC der Kurs nicht unwesentlich gestützt worden ist und diesem Liquidität entzogen hat.

    Zum einen ist Bitcoin für ihn ein Wertspeicher, kein Transaktionsmedium, und also solcher skaliert er prächtig

    Dieser Logik folgend sind wir tatsächlich bei der Tulpenmanie angekommen um ein Objekt, welches keine reale Verwendung hat und alle trotzdem auf einen steigenden Preis spekulieren. Die meisten Maximalsten behaupten wenigstens noch, dass Bitcoin über Second Layer als Zahlungsmittel skalieren wird und auch bessere Privacy bekommt…

    Saylor sagt, er will, dass der CEO, der in 100 Jahren seinen Posten übernimmt, diese Bitcoins als Barreserve besitzt. Sie sind der neue Standard.

    Zu viel Saifedan gelesen. Denn Andreas Antonopoulos kann es nicht gewesen sein, der wird seit einiger Zeit von den Bitcoin Maxis bepöbelt, angegriffen, beschimpft und Co., weil er es gewagt hat, eine Fragestunde zu ETH 2.0 zu geben. Adam Back wirft ihm sogar vor, dass er sein „Mastering Ethereum“ Buch herausgebracht hat…

    Michael Saylor erinnert hingegen nur an die „Wen Lambo“ Fraktion in den unendlichen Kursdominierten Chats, auch wenn er angeblich nicht auf steigende Preise spekuliert, sondern Werterhalt.

    • Naja, wenn es alle so machen, wird es ebenzur selbsterfüllenden Prophezeiung 😉

      • Paul Janowitz // 22. September 2020 um 14:35 //

        Dann kann man auch die Block Size auf 300kB oder noch weiter runterschrauben, wie von Luke DashJr ständig gepredigt und im Falle eines Erbes bekommt man eben die Keys, da braucht es keine OnChain Transaktionen 😀

  3. Der Dollar ist sowieso schon eine schwache Währung, die gegenüber Aktien, Immobilien oder Hochschulbildung deutlich an Wert verliert.

    Hochschulbildung? So ein quatsch dachte ich zu erst.
    Kurz darüber nachgedacht und realisiert, dass das total richtg ist, vor allem in den USA.
    Wieder toll geschrieben Christoph, danke!

  4. Dafür, dass er sich erst Mitte 2019 mit Bitcoin anfing zu beschäftigen, eine mutige Entscheidung. Womit hat er sich denn 2017/18 beschäftigt als Bitcoin durch die Decke ging? Saylor besitzt auch noch andere sehr wertvolle Firmen und er setzt somit nur einen kleinen Teil seines Vermögens auf BTC. Die Tatsache dass er sein BTC-Investment trotzdem sehr stark vermarktet, wirft die Frage auf, ob er sein Investment tatsächlich als „Selbstläufer“ erachtet.

    • Interessanterweise widerspricht er sich auch, hier hat er ein Interview (oder eher einen Monolog) gegeben:
      https://stephanlivera.com/episode/213/
      Da sagt er, dass er sich erst mit der aktuellen Pandemie und der zu erwartenden Inflation mit Bitcoin beschäftigt hat.
      Er behauptet auch, dass er Andreas Bücher gelesen hat, „Internet of Money“, „Bitcoin Standard“ und andere, die aber alle nicht mehr von Andreas sind.

      Eigenen Angaben zufolge hat er 15 Stunden gebraucht, um einzuschätzen, dass Bitcoin das beste Geld der Welt ist und nur 15 Minuten, um zu sagen, dass Ethereum gebrechlich ist. Schade, dass der Interviewer nicht nachfragt, wie er „Geld“ definiert, laut meinem Verständnis ist Geld ein Transaktions-/Tauschmittel und nicht primär „Store of Value“, wenn auch letzteres einigermaßen stabil sein muss, um ein gutes Tauschmittel zu sein. Er vergleicht Bitcoin mit Immobilien in Bestlage und teurer Kunst, die rar sind. Dabei übersieht er, dass Immobilien eine tatsächliche Nutzung haben und die wenigste Kunst tatsächlich hohe Preise erreicht. Am Ende behauptet er, dass alles bereits viel zu aufgeblasen ist, Aktien, Immobilien und Gold und unterstreicht das damit, dass er Bitcoin 2017 auch für 10.000 USD kaufen konnte und „Gottes Geschenk“ ist, dass er es heute auch noch konnte. Das einzige, was er das gesamte Interview anpreist, ist Bitcoins Knappheit und Begrenzung der Emission.

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