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„Bitcoin droht, die Anstrengungen Chinas zur Reduktion der CO2-Emissionen zu unterminieren“

Klimaerwärmung kann so ästhetisch sein: Schornstein des Kohlekraftwerks Grevenbroich bei Sonnenaufgang. Bild von Patrick Pekal via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Chinesische Forscher simulieren die künftige CO2-Bilanz von Bitcoin. Dabei berechnen sie auch die Wirkung mehrere politischer Eingriffe der Regierung – und zeigen, dass sich das Problem in einigen Jahren von selbst löst.

Bitcoin und sein Energieverbrauch ist ein altes Thema. Wir hatten das schon so oft, und es ist immer wieder der Tanz derselben Argumente:

Bitcoin verbraucht wegen des Minings irrsinnig viel Strom. Je nach Zeitpunkt und Schätzung ist das so viel wie Kolumbien oder Dänemark. Und das geht im Zeitalter von Klimawandel und Energiewende natürlich gar nicht. Andererseit kann man fragen, aus welchen Quellen der Strom kommt und vermuten, dass die ökonomischen Anreize Miner dazu bringen, saubere Energien zu benutzen. Aber ob das so ist und in welchem Umfang und wie sehr man sich darauf verlassen kann – das ist eine schwierige Frage, die selbst eingefleischten Bitcoinern Sorgenfalten ins Gesicht treibt.

Auf der einen Seite gibt es den Bitcoin Energy Consumption Index, der eher pessimistisch ist. Auf der anderen Seite haben wir Studien, die den Minern bescheinigen, nicht nur zu sehr großen Teilen grüne Energien zu benutzen, sondern sogar der Energiewende selbst zu helfen.

Von Deutschland aus betrachtet ist das Problem natürlich rein theoretisch. Die Strompreise hierzulande sind viel zu hoch, als dass jemand ernsthaft Miner aufstellt. Wir können reden und diskutieren und verhandeln, aber nur wenig ändern.

Bitcoin kann zur Gefahr von Chinas Klimazielen werden

Anders sieht es dagegen in China aus, wo 75 Prozent der Miner beheimatet sind. Dort registriert man das Bitcoin-Mining mit immer mehr Skepsis.

„Als eines der Länder mit dem höchsten Energieverbrauch auf diesem Planeten ist China ein Schlüsselmitglied des Übereinkommens von Paris, die Emission von Treibhausgasen zu reduzieren,“ schreibt ein kürzlich erschienenes Paper chinesischer Wissenschaftler. „Ohne angemessene Eingriffe und eine umsetzbare Politik drohen die intensiven Blockchain-Operationen in China die Anstrengungen zunichte zu machen, die Emissionen zu reduzieren.“

Die Autoren wollen daher herausfinden, wie sich der CO2-Ausstoß der chinesischen Bitcoin-Miner in Zukunft verhält, und wie die Politik ihn durch welche Maßnahmen korrigierend modulieren kann. Zu diesem Zweck haben sie ein „Bitcoin Blockchain Carbon Emission Model“ (BBCE) entwickelt, das es erlaubt, den CO2-Ausstoß von Bitcoin unter verschiedenen Szenarien zu simulieren.

Dieses Modell ist relativ komplex. Es bindet die Mining-Ökonomie und die Stromprofile der chinesischen Regionen in eine Struktur von Feedback-Schleifen und Systemdynamiken ein. Es soll in der Lage sein, „die Interaktionen von Variablen in einem komplexen System zu berücksichtigen und die Simulation und Abschätzung von spezifischen industriellen Operationen erlauben“. So wollen die Autoren aufzeigen, durch welche Politik China dem CO2-Ausstoß der Bitcoin-Miner Herr werden kann.

Ob und wie tragfähig das Modell ist, kann ich nicht sagen. Die Mathematiker und Wissenschaftler unter euch werden vielleicht ihren Spaß damit haben, das Modell zu evaluieren. Die Spezifikationen dazu findet ihr im Anhang des Papers.

Worum es uns hier geht sind die Ergebnisse: Was finden die Wissenschaftler heraus?

Im Grunde löst sich das Problem ab 2024 von selbst

Zunächst einmal wird ihren Angaben zufolge der CO2-Ausstoß durch Bitcoin im Jahr 2024 seine Spitze erreichen, unabhängig von der Politik. Mir ist nicht ganz klar, auf welchen Daten dies beruht. Da der Stromverbrauch von Bitcoinn immer eine Ableitung des Preises und des Blockrewards ist, vermute ich, dass sie von einem weiteren Preisanstieg ausgehen, aber nicht erwarten, dass dieser die Halfings in Zukunft ausgleichen wird. Beide Prognosen scheinen mir eher eine Spekulation als eine anständige Hypothese zu sein.

„Der jährliche Energiekonsum der Bitcoin-Blockchain in China wird gemäß unserer Simulation 2024 sein Maximum mit  296,59 Terawattstunden erreichen. Dies übersteigt den Elektrizitätsverbrauch von Italien und der Niederlande im Jahr 2016.“ Deutschland verbrauchte 2018 übrigens 585 Terawattstunden.

Damit einhergehend wird es einen CO2-Ausstoß von 90.130,5 metrischen Tonnen geben, was mehr als der Ausstoß von Tschechien und Portugal 2016 ist, aber sehr viel weniger als Deutschland im Jahr 2018. Dies entspricht 10,77 Kilogramm je Dollar Wertschöpfung. Ein kleiner Trost dieser deftigen Zahlen könnte sein, dass Bitcoin eine wesentlich „grünere“ Energie verbraucht als die meisten Industrieländer.

Nach 2024 setzen negative Feedback-Schleifen ein, die das Einkommen der Miner und die damit einhergehenden Investment-Strategien negativ beeinflussen: Der Blockreward halbiert sich. „Die Miner werden sukzessive aufhören, in Mining-Hardware zu investieren und diese zu aktualisieren, während die absoluten Kosten die Einnahmen übersteigen.“ Die Grafiken in dem Paper zeigen einen recht rapiden Abfall des Stromverbrauchs von Bitcoin, der schon 2029 wieder dort ankommt, wo er 2018 war. Die stärksten Probleme mit dem Stromverbrauch von Bitcoin werden sich nach einer Spitze von alleine regeln.

An dieser Stelle erkennt man einmal mehr die Genialität von Satoshis Design. Die abnehmende Geldschöpfung wird gemeinhin als Analogie zu einer Goldmine gedacht, und ihr wird der Zweck unterstellt, den Wert von Bitcoins stützen zu sollen. Man könnte aber ebenso annehmen, dass Satoshi verhindern wollte, dass eine gleichbleibende Erzeugungsrate den Energieverbrauch explodieren lässt.

Eine unkonventionelle Technologie braucht eine unkonventionelle Politik

Aber das, was bis dahin passiert, scheint dennoch zu viel zu sein, um nicht zum Hindernis von Chinas Klimaziel zu weden, den CO2-Ausstoß in Relation zum Bruttoinlandsprodukt um 60 Prozent zu senken. Also haben die Forscher verschiedene Szenarien mit unterschiedlichen Interventionen durchgespielt:

  • Das „Benchmark“-Szenario (BM) geht einfach davon aus, dass es so weitergeht wie bisher. In diesem Szenario bleibt Mining weiterhin für alle Miner an allen Orten erlaubt – der Marktzugang ist vollkommen frei. Die Autoren nehmen von rund 40 Prozent der Miner an, dass sie kohleintensiven Strom verwenden.
  • In einem anderen Szenario (MA) werden die Standards für den Marktzugang angehoben: Miner mit schwacher Effizienz werden verboten. „Die Politik sorgt dafür, dass die Bitcoin-Blockchain auf eine energieeffiziente Weise stabil bleibt“. Alte Miner werden schneller verschrottet, und nur noch neue Modelle hashen nach neuen Blöcken.
  • Ein weiteres Szenario ist das der „site regulation“ (SR, „Ortsregulierung“): Die Miner werden mit mehr oder weniger sanftem Druck überredet, in Gegenden umzuziehen, in denen die Energie sauberer ist, etwa durch Wasserenergie. In diesem Szenario verwenden nur noch 20 Prozent der Miner kohleintensiven Strom.
  • Das vierte Szenario schließlich ist das der CO2-Steuer (CT), in welchem diese Steuer für Miner verfünffacht wird, um diese zu einem sparsameren Umgang mit nicht-regenerativen Energien zu zwingen.

Die Forscher simulieren nun ihr Modell mit diesen vier Szenarien für den Zeitraum von 2014 bis 2030 und geben die Ergebnisse als Grafiken wieder.

Während im BM-Szenarie der jährliche Stromverbrauch kontinuerlich wächst, bis er 2024 mit beinahe 300 Terawattstunden seinen Höhepunkt erreicht, sinkt er im Szenario der CO2-Steuer auf eine Spitze von 217,37 Terawattstunden.

Und während im BM-Szenario der CO2-Ausstoß bis 2024 auf 130,5 Millionen metrische Tonnen wächst und „eine steigende Gefahr für Chinas Reduktion der Treibhausgase wird“, wird die Menge durch die Szenarien SR („Ortsregulierung“) und CT (CO2-Steuer) deutlich reduziert. Dagegen wird das MA-Szenario einen starken Anstieg der CO2-Emissionen im Jahr 2025 auf 140,71 Millionen metrische Tonnen sehen.

Kilogramm CO2 je Dollar im Bruttoinlandsprodukt

In dem Benchmark-Szenarie wird Bitcoin je Dollar Wertschöpfung bis zu 10,77 Kilogramm CO2 ausstoßen. Das ist weit höher als die weltweit üblichen Ausstöße, die eher bei 0,4 Kilogramm oder tiefer liegen (was angesichts des Minings weder ein Wunder noch ein Skandal ist). Politische Maßnahmen können diesen Wert allerdings auch für Bitcoin drücken. So sinkt er im SR-Szenario immerhin auf 6 Kilogramm je Dollar.

Die Forscher plädieren daher dafür, für Bitcoin eher ungewöhnliche Maßnahmen zu erwägen. „Die CO2-Steuer ist weithin als die effektivste und gebräuchlichste Politik anerkannt, um den Ausstoß von CO2 zu begrenzen. Unsere Simulationen zeigen jedoch, dass die CO2-Steuer nur einen begrenzten Einfluss auf die Bitcoin-Industrie haben wird.“ Vielversprechender ist das SR-Szenario, das zeige, „dass eine CO2-Politik in der Lage ist, ein negatives Feedback für die CO2-Emission von Bitcoin-Unternehmen auszulösen.“ Im untersuchten Szenario könnte der CO2-Ausstoß halbiert werden.

Ferner denken die Autoren darüber nach, den Konsens-Algorithmus von Bitcoin zu ändern. Damit verhunzen sie ihr Paper ein wenig, da sie sich auf ein Gebiet bewegen, über das sie zuwenig wissen und auf dem sie naturgemäß ins Schlittern geraten. Es gibt bereits hunderte von Kryptowährungen, die es mit einem anderen Algorithmus versuchen; für Bitcoin kommt dies eher nicht in Frage – und vor allem nicht in den nächsten 5 Jahren. Und danach wird sich das Problem mit dem hohen Stromverbrauch ohnehin von selbst gelöst haben, ob mit oder ohne Politik …

Über Christoph Bergmann (2802 Artikel)
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4 Kommentare zu „Bitcoin droht, die Anstrengungen Chinas zur Reduktion der CO2-Emissionen zu unterminieren“

  1. Hmm, aus meinem Verständnis stimmt die Studie nur, wenn der Preis bei den nächsten Halvenings nicht mehr steigt. Aus meiner Sicht entsteht CO2 als Folge des Preises multipliziert mit den jeweiligen Mining-Awards – die Summe nutzen dann die Miner fürs Mining.

  2. Am wahrscheinlichsten erscheint mir, dass Bitcoin bald obsolet wird, da IOTA kurz davor ist, richtig durchzustarten. Neben der Einführung von IOTA-Access und IOTA-Smart-Contracts ist für mich die Veröffentlichung des Mana-Modells und dessen Integration in das erste Coordicide-Testnet „Pollen“ DIE Nachricht der Woche.

    https://blog.iota.org/explaining-mana-in-iota-6f636690b916

    Noch in diesem Jahr sollen mit Chronicle die Mängel vergangener Jahre (ternäres Transaktionslayout, nicht wiederverwendbare Adressen) gefixt werden, bevor Anfang des nächsten Jahres IOTA mit dem Coordicide dezentral wird. Ich muss sagen, dass ich begeistert vom Mana-Konzept bin. Im Grunde wird ein „Proof of Economic Performance“ angestrebt, also je höher die Wirtschaftsleistung eines Knotens, desto vertrauenswürdiger ist er. Zusätzlich darf bei Engpässen auch mehr eingespeist werden. Auch vernetzen sich die stärksten Nodes enger und bilden somit den stabilen „Konsensuskern“. Und das ganze ohne Staking – für mich ein sehr plumper Ansatz, um weitere künstliche Verknappung einzuführen. Zurück zu IOTA. Ich finde diese Mana Überlegungen in sich logisch und freue mich schon gewaltig auf ein funktionierendes IOTA 2.0 – noch spekulativ, aber definitiv auch erreichbar und die IF verfolgt einen tollen Ansatz.
    Der Token wird damit fest an den Tangle gebunden. Wird der Tangle eingesetzt, dann wird der Token eingesetzt. Je mehr der Token genutzt wird, desto sicherer und stabiler der Tangle. Angriffe müssten die vorhandene Wirtschaftsleistung erst übertrumpfen.
    Und die Macht wird anders als bei einer Blockchain in den Händen der Nutzer sein. Sie entscheiden bei jeder Transaktion, welcher Knoten Mana erhält. Während bei Bitcoin die Nutzer die Miner bezahlen müssen, um ihre Transaktionen in die Blockchain zu bekommen, werden bei IOTA die Knoten (Miner) die Nutzer bezahlen, damit die Nutzer den Knoten das Mana zuteilen, das sie brauchen, um Transaktionen in den Tangle zu schicken.

  3. Paul Janowitz // 1. Oktober 2020 um 9:13 // Antworten

    Ich vermute, China wird eines Tages „über Nacht“ eine Regulierung treffen, wie kürzlich Venezuela, wo Mining reguliert wurde und nur über den staatlichen Pool erlaubt ist. Der KP dürften so ziemlich alle größeren Miner bekannt sein, zum einen über den Stromverbrauch, zum anderen dank der Great Firewall.

    Damit würde man mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen:
    1. Man kann über die Vergabe / Nichtvergabe von Shares Miner herunterfahren, alternativ kann man sie zu einem Firmwareupdate mit Remote Steuerung zwingen. Mining Farmen sind exzellent dafür geeignet, Stromüberschuss z.B. aus Windkraft aufzufangen und können bei hohem Grundbedarf auch genauso schnell wieder runtergefahren werden.
    2. Über einen staatlichen Pool kann man per Pool Fee Miner direkt besteuern, bei denjenigen, die gegen Regeln verstoßen wird die Auszahlung gleich ganz einbehalten.
    3. Wenn man schon so weit ist, kann man auch gleich Blacklisting einführen, vor allem gegen freiheitstrebende „Dissidenten“ in HK, TW oder die Uiguren einführen. Ist bei einer transparenten Chain ja kein Problem und anfangs werden entsprechende Transaktionen dadurch zwar nur verlangsamt (weil drei von vier Blöcken betroffen sind), aber wenn es hart auf hart kommt, kann man über den eigenen Pool „externe“ Blöcke, die unerlaubte Transaktionen enthalten, gleich ganz ignorieren und orphanen lassen.

    @Hans Frosch
    IOTA funktioniert derzeit immer noch nur dank dem Coo, immerhin hat man mittlerweile ein Wallet hinbekommen, das recht zuverlässig ist, aber es ist eben weiterhin zentralisiert. Ankündigungen der Dezentralisierung gab es schon so viele, dass ich aufgehört habe, diese zu verfolgen, Mana & Co. hört sich zwar spannend an, aber die sollten langsam mal etwas liefern, als nur ein fancy Wallet nach 4 Jahren, den aus den unzähligen vollmundigen Ankündigungen wurde nichts, was sich auch in der massiven Underperformance im BTC/IOTA Kurs widerspiegelt, viele der frühen Enthusiasten sind bereits abgesprungen. Spieltheoretisch ist ein dezentralisiertes IOTA sehr komplex, denn man muss neuen, schwachen (Hardware und Balance) Nodes Zugang bieten, andererseits kann ein Angreifer dann locker tausende Nodes aufsetzen. Andererseits läuft man Gefahr, dass es sich auf einen großen Node zentralisiert, ähnlich dem Coo, an dem keiner mehr vorbeikommt. Ich schaue es mir an, wenn es released wurde, so wie ich das mit dem Wallet getan habe und das ist mittlerweile tatsächlich brauchbar, nur eigentlich wäre das ein MVP und mit dem Coo eigentlich auch kein Hexenwerk.

    Die haben dazu eine riesige Orga aufgebaut, mit entsprechend hoher Burn-Rate und ihnen könnte binnen der nächsten Monate wohl auch noch das Funding ausgehen, wie kürzlich bei OpenBazaar.

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