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US-Aufsicht möchte Nutzung eigener Wallets zum Indiz für Geldwäsche erheben

Überwachung. Bild von Tom Page via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Kurz vor Weihnachten hat die US-Finanzaufsicht FinCEN einen Vorschlag für neue Regeln veröffentlicht. Laut diesem sollen Börsen künftig Meldung erstatten, wenn ein User höhere Beträge an eine nicht-treuhänderische Wallet überweist. Die Kryptobranche ist alles andere als erfreut. Beginnt damit der Krieg um die finanzielle Autonomie, den viele für unvermeidbar halten?

Am 23. Dezember hat die US-Finanzaufsicht FinCEN der Kryptobranche ein fauliges Weihnachtsgeschenk gegeben: Die Behörde veröffentlichte einen Vorschlag für „Anforderungen für bestimmte Transaktionen, die konvertierbare virtuelle Währungen und digitale Assets beinhalten.“

Die FinCEN begründet den Vorschlag mit einem Verweis auf „signifikante Belange der nationalen Sicherheit.“ Denn böswillige Akteure nutzten zunehmend Kryptowährungen zur – die FinCEN fährt alle Geschütze auf: „Terrorfinanzierung, Waffenverbreitung, Sanktionsumgehung und internationaler Geldwäsche, wie auch zum Erwerb und Verkauf von kontrollierten Substanzen, gestohlenen und gefälschten Identitätsdokumenten und Zugangsgeräten, gefälschten Gütern, Malware, Hackingtools, Feuerwaffen und giftigen Chemikalien.“ Dazu kämen noch Ransomware-Angriffe, welche die G7 vor dem Hintergrund der Covid-Pandemie besonders besorgt.

Wir kennen das ja bereits. Welche Maßnahme schlägt die FinCEN aber nun vor, um den kriminellen Krypto-Nutzern das Handwerk zu legen?

Unhosted Wallets lösen Verdachtsfall aus

Der Vorschlag der FinCEN geht über alles hinaus, was sich Regulierer bisher gewünscht haben. Er zielt nämlich auf das ab, was die Behörde „unhosted Wallet“ nennt. Ihr ahnt vermutlich, was damit gemeint ist.

„Hosted Wallets“ werden „durch Finanzdienstleister zur Verfügung gestellt, die im Auftrag ihrer Kunden virtuelle Währungen empfangen, speichern und versenden.“ Diese Finanzdienstleister werden in den USA durch die entsprechenden Organen und Gesetze reguliert, was sie unter anderem dazu verpflichtet, ihre Kunden zu identifizieren und verdächtige Aktivitäten zu melden. Hosted Wallets erlauben es, kriminelle Transaktionen zu erkennen und zu verhindern.

Bei „Unhosted Wallets“ dagegen wird keine finanzielle Institution benötigt, um Transaktionen auszuführen. Ihre User „interagieren direkt mit dem System der virtuellen Währung und haben unabhängige Kontrolle über die Überweisung von Werten.“ Diese „unhosted Wallets“ sind das, was gemeinhin empfohlen wird, da sie dem User die größte Sicherheit, den höchsten Datenschutz und die weitreichendste Autonomie gewähren. Sie sind das, worum es bei Kryptowährungen eigentlich geht. Der FinCEN sind sie jedoch ein Dorn im Auge, da die üblichen Maßnahmen gegen Geldwäsche bei ihnen nicht oder nur eingeschränkt greifen.

Mit dem am 23. Dezember veröffentlichten Vorschlag möchte die FinCEN die unhosted Wallets unter Kontrolle bekommen: „Die vorgeschlagene Regel wird von Banken und Finanzdienstleistern verlangen, dass sie einen Bericht an die FinCEN senden, welcher bestimmte Informationen zu der Transaktionen mit virtuellen Währungen oder digitalen Assets sowie dem Empfänger (darunter der Name und die Postanschrift) enthält, wenn die Gegenpartei der Transaktion eine unhosted Wallet verwendet und die Transaktion den Wert von 10.000 Dollar überschreitet.“ Transaktionen zu „unhosted Wallets“, deren Wert mehr als 3.000 Dollar beträgt, müssen nicht gemeldet, aber dokumentiert werden. In beiden Fällen ist der Dienstleister verpflichtet, die Identität des Kunden zu verifizieren.

Um es zu wiederholen: Die FinCEN will, dass Börsen ihr Bericht erstatten, wenn User Beträge über 10.000 Dollar an eine eigene Wallet auszahlen. Wer sich anmaßt, die privaten Schlüssel für solche Summen selbst verwalten zu wollen, soll fortan als verdächtig gelten, Geld zu waschen. Der Ausstieg aus dem System der finanziellen Mittelsmänner und Verwahrer wird zum Indiz für Kriminalität.

Ist das der Moment, den wir seit Jahren befürchten? Beginnt nun der offene Krieg gegen die finanzielle Autonomie, jener Kampf ums Geld, zu dem die Copyright-Kriege gegen das Filesharing nur ein Vorspiel waren?

„Ein entscheidender Moment für Kryptowährungen.“

Die Krypto-Wirtschaft reagiert nicht eben erfreut auf die Wünsche der FinCEN. Die Vorschläge sind so einschneidend, dass sogar Jack Dorsey, der Gründer von Twitter und dem Zahlungsdienstleister Square, einen offenen Brief veröffentlicht.

In diesem Brief erklärt er, dies sei „ein entscheidender Moment in der Entwicklung von Kryptowährungen und der damit verbundenen Regulierung“.

Der Vorschlag der FinCEN würde von Kryptowährungs-Dienstleistern wie Square Dokumentations- und Berichterstattungspflichten einfordern, die „weit über das hinausgehen, was für Cash-Zahlungen verlangt wird.“ Die FinCEN wolle die „Know Your Customer (KYC)“ Regeln, welche Finanzdienstleister verpflichten, die Identität ihrer Kunden zu prüfen, auch auf Parteien ausdehnen, „die nicht unsere Kunden sind … Um es deutlich zu sagen: Wenn der Vorschlag umgesetzt, wird Square verpflichtet sein, unzuverlässige Daten von Personen zu sammen, die sich weder als unsere Kunden angemeldet noch unserem Service zugestimmt haben.“

Dies ist aber nicht nur ein schreiender Verstoß gegen alle Grundsätze des Datenschutzes. Es „schafft auch unnötige Reibung und perverse Anreize für User, regulierte Anbieter für Kryptowährungen zu meiden und stattdessen unhosted Wallets oder Dienstleister außerhalb der USA zu benutzen.“ Die FinCEN wird dadurch nicht mehr, sondern weniger Einsicht in die Natur von Kryptotransaktionen haben als heute.

Der Vorschlag schade, erklärt Dorysey, der finanziellen Unabhängigkeit der Menschen, hemme die Innovationskraft amerikanischer Unternehmen und reduziere die Fähigkeit der FinCEN, das Finanzsystem zu schützen.

„Ein Leak einer solchen Datenbank wäre der Traum eines Hackers“

Jack Dorsey steht mit diesem vernichtenden Urteil nicht allein da. Ihm steht unter anderem ein Unternehmen bei, das an sich klar auf der Seite der Regulierer steht: Der Blockchain-Analyst Chainalysis.

Die Einwände von Chainalysis ähneln denen des Twitter-Gründers: Die Anforderungen führten neue Risiken des Datenschutzes ein, da sie Krypto-Unternehmen verpflichten, Namen und Postanschriften von den Besitzern von unhosted Wallets zu sammeln und an die FinCEN weiterzugeben, welche die Informationen in einer zentralen Datenbank verwaltet. „Ein Leak einer solchen Datenbank wäre der Traum eines Hackers, da er ihm eine Liste mit Zielen geben würden, inklusive der Info, wo sie wohnen und wie viele Kryptowährungen sie besitzen.“

Ferner wird der Vorschlag kriminelle Aktivitäten von den regulierten Teilen des Ökosystems wegstoßen. Chainalysis führt an, dass 62 Prozent der identifizierten illegalen Transaktionen von regulierten Börsen stammen. Zwar müsse man noch Schwächen im System angehen – etwa Mixer und unregulierte Börsen – doch die Strafverfolgung sei bereits gut darin, Kriminelle über Krypto-Transaktoinen aufzuspüren. Die nun vorgeschlagenen Regeln könnten diese Erfolge in der Strafverfolgung zunichte machen.

Schließlich würden die neuen Regeln regulatorische Kosten einführen, welche viele Krypto-Unternehmen nicht oder nur schwer tragen können. Dies werde die Wettbewerbsfähigkeit von US-Unternehmen und -Startups hemmen.

„Kein Grund, diese Regel so rasch durchzuboxen.“

Sowohl Jack Dorsey als auch Chainalysis beklagen entschieden die kurze Zeit, welche die FinCEN der Branche lässt, um den Vorschlag zu kommentieren: Der Vorschlag wurde am 23. Dezember veröffentlicht, Kommentare nimmt die Behörde bis zum 4. Januar entgegen. Es ist schwer, diesem Timing keine Absicht zu unterstellen.

„Wir sind tief besorgt, dass die verkürzte Review-Zeit für diese vorgeschlagene Regel die Fähigkeit der Branche einschränken wird, gründliche und qualitative Kommentare abzugeben,“ schreibt Chainalysis. Gerade angesichts der tiefreichenden Bedeutung dieser Regel sei eine vollwertige Review-Periode enorm wichtig.

Das Analyseunternehmen sieht „keinen dringenden Grund, diese Regel so eilig durchzuboxen.“ Es gebe kein unmittelbares Risiko, dass kriminelle Gelder in das System fließen, welche durch diese Regel aufgehalten werden könnten. Die Strafverfolgung verfüge bereits über die Instrumente, um Transaktionen – auch zu unhosted Wallets – zu verfolgen und ihre Empfänger zu ermitteln.

Die unnötig kurze Frist, die die FinCEN ohne Not zur Kommentierung zugesteht, zeigt, dass es vielleicht gar nicht darum geht, Geldwäsche zu verhindern – sondern darum, Kryptowährungen und die finanzielle Autonomie, für die sie stehen, anzugreifen.

Über Christoph Bergmann (2801 Artikel)
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1 Kommentar zu US-Aufsicht möchte Nutzung eigener Wallets zum Indiz für Geldwäsche erheben

  1. Im Artikel wird vielleicht nicht ganz klar, dass mit der Zuordnung von Bitcoin-Adresse und Identität jeder Wallet-Nutzer vollkommen durchsichtig wird (für den Staat oder für Hacker), weil mit Blockchain-Analyse alle weiteren Transaktionen verfolgt werden können.

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