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Tether-Verfahren: Stablecoin zwischen 2016 und 2019 nur an 26,7 Prozent aller Tage vollständig gedeckt

Eine verankerte (tethered) Boje. Bild von Joshua Zader via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Es gibt eine Einigung im Verfahren zwischen der Stablecoin-Herausgeberin Tether und der Commodity Futures Trading Commission (CFTC): Tether wird eine Strafe von 41 Millionen Dollar bezahlen. Der Abschluss des Verfahrens bringt auch einige Erkenntnisse ans Licht, die für Tether alles andere als vertrauensbildend sind.

Die Commodity Futures Trading Commission (CFTC) und Tether einigen sich auf eine Strafe von 41 Millionen Dollar. Die Herausgeberin des gleichnamigen Stablecons habe, gibt die CFTC bekannt, fälschlicherweise behauptet, die Tether-Dollar seien vollständig durch US-Dollar gedeckt. Im gleichen Zug stimmt die Börse Bitfinex, unternehmerisch mit Tether verschwestert, einer Strafe von 1,5 Millionen Dollar wegen „illegaler Transaktionen“ zu.

Im Grunde geht es bei der Einigung um zwei parallele, aber eng verwobene Fälle: Um Untersuchungen gegen die Börse Bitfinex und gegen die Stablecoin-Herausgeberin Tether. Die CFTC treibt diese Untersuchungen schon seit einigen Jahren voran. Mit der nun erreichten Einigung und Strafe kommen sie zu einem (vorläufigen) Abschluss.

Von enormer Bedeutung ist vor allem das Verfahren gegen Tether. Das Unternehmen gibt den Tether-Dollar heraus (USDT), einen Stablecoin, der mit einem Umfang von 68 Milliarden Dollar eine tragende Säule des gesamten Ökosystems wurde. Er steht seit Jahren unter dem Verdacht, nicht vollständig oder gar nicht gedeckt zu sein und durch „Clown-Dollar“ den Bitcoin-Preis nach oben zu manipulieren. Dieser Vorwurf ist so weitreihend, dass er die Community in zwei Teile spaltet. Die einen wollen, übertrieben dargestellt, davon nichts hören, weil Bitcoin toll ist und der hohe Preis Spaß macht – und die anderen verlieren, ebenso übertrieben gesagt, wegen des Tether-Verdachts den Glauben an Krypto und Bitcoin insgesamt.

„Falsche oder irreführende Behauptungen und Unterschlagungen von materiellen Fakten …“

Die abschließende Verfügung der CFTC bringt nun ein Stückchen mehr Gewissheit, wie es hinter den Kulissen von Tether aussieht. Und während die 41-Millionen-Dollar-Strafe für Tether kein Problem sein dürfte – auch wenn die CFTC voraussichtlich keine USDT akzeptiert – könnte das, was in dem Dokument steht, das Vertrauen in Tether nachhaltig erschüttern. Und das kann nicht nur für die Firma selbst, sondern für das gesamte Ökosystem ernsthafte Folgen nach sich ziehen.

Die Kommission verurteilt Tether wegen „falscher oder irreführender Behauptungen und Unterschlagungen von materiellen Fakten in Verbindung mit dem US-Dollar-Tether-Token-Stablecoin (USDT)“. Tether habe seit dem Start des Stablecoins 2014 behauptet, dass die Token zu 100 Prozent durch Fiatwährungen wie Dollar oder Euro gedeckt seien. Nun zeigt sich aber, „dass Tether von spätestens dem 1. Juni 2016 bis zum 25. Februar 2019 falsche Angaben geleistet hat“. Denn die Tether waren in dieser Zeit meistens nicht vollständig gedeckt.

Genauer: Im Laufe des 26-monatigen untersuchten Zeitfensters hat Tether nur in 27,6 Prozent aller Tage die Stablecoins vollständig gedeckt. Die Deckung war also die Ausnahme, nicht die Norm. Darüber hinaus hat Tether die Reserven nicht vollständig in Dollar gehalten, wie behauptet, sondern „auf unregulierten Entitäten und diversen dritten Parteien gebaut, die die Guthaben gehalten haben, die die Reserven ausmachten; die Reserven mit den operativen und Kundenguthaben von Bitfinex vermischt; und Reserven in anderen Finanzprodukten gehalten.“ Unter den zahlreichen beauftragen dritten Parteien seien mindestens 29 nicht durch offizielle Verträge dokumentiert.

Diese falschen Angaben zu den Reserven sind vor allem das, wofür die CFTC Tether angeklagt hat. Mit der Verfügung stimmt das Unternehmen zu, diese und andere Vergehen nicht mehr zu wiederholen und die Strafe von 41 Millionen Dollar zu bezahlen.

Bei Bitfinex hingegen geht es vor allem darum, dass die Börse trotz einer Übereinkunft mit der CFTC von 2016 es US-Amerikanern erlaubt habe, auf der Börse mit Derivaten zu handeln und den Handel mit Derivaten durch P2P-Darlehen zu unterstützen.

„Noch schlimmer als befürchtet.“

Für die Tether-Kritiker ist die Verfügung natürlich ein Fest. Einer von ihnen, Benett Tomlin, hat sich das Dokument genau angesehen und erklärt auf seiner Webseite, welche Erkentnisse es nur bestätigt oder wiederholt, und welche es neu aufdeckt.

Bei Bitfinex handele es sich, so Tomlin, größtenteils um dieselbe Vorwürfe wie seit 2016: das unerlaubte Anbieten von Derivaten an US-Amerikaner. Interessant sind hier lediglich einige Einblicke, die noch einmal zeigten, dass es sich bei Bitfinex um einen „Bad Actor“ handele: „Erstens scheint es, als habe Bitfinex seinen Mitarbeitern aufgetragen, sicherzustellen, dass US-Bürger nicht in den Tabellen eingetragen werden, durch die sie die Verifizierungs-Anfragen dokumentieren. Zweitens scheint es, als habe Bitfinex seine Kunden aktiv dazu aufgefordert, VPNs zu benutzen, und sie auch wissen lassen, dass sie sich dadurch den KYC-Prozeduren entziehen könnten.“

Beides, schließt Tomlin, zeige, dass Bitfinex keine Absicht gehabt habe, mit der Verfügung von 2016 konform zu gehen. Er bezweifelt, dass es in Zukunft anders sein werde.

Interessanter findet er aber natürlich das, was im Tether-Settlement stehe. Denn Tether ist der Moby Dick aller Bitcoin-Kritiker und Scam-Jäger. Das Urteil zeige, so Tomlin, dass die Tether-Dollar „signifikant länger nicht gedeckt waren, als wir bereits wussten. Es scheint eher die Ausnahme als die Norm gewesen zu sein, dass Tether zwischen 2016 und 2018 die Assets hielt, die zu halten sie behaupteten.“ Dasselbe trifft auf die Commercial Papers zu – Tether habe schon viel früher als bereits bekannt in solche Papiere investiert. Das Lügen und Irreführen sei der Habitus bei Tether.

Dazu kommen noch einige Sahnehäubchen: Etwa dass Tether auch Assets als Reserven benutzt hat, die die Firma nicht besaß, sondern von denen sie nur annahm, sie erhalten zu werden. Oder dass dritte Parteien Gelder der Reserve gehalten haben, ohne dass ein formaler Vertrag existierte. Dies zeige,dass es um Tether noch schlimmer stehe, als angenommen. Dasselbe gilt dafür, wie unprofessionell Tether die Reserven mit den zirkulierenden Token abgeglichen habe: „Tether hat im relevanten Zeitabschnitt nicht zu zu allen Zeiten die Reserven akurat berechnet,“ so das Dokument. Vor 2018 habe das Unternehmen keine automatische Methode gehabt, um die Reserven mit den ausgegebenen Tether-Token in Echtzeit abzugleichen. Stattdessen benutzte Tether eine einfache Tabelle, in welche die Mitarbeiter manuell Informationen über Fiatgelder auf Bankkonten und so weiter eingetragen haben.

Anders gesagt: Der Schöpfer einer viele Milliarden Dollar schweren virtuellen Währung benutzt Excel, um deren Deckung zu dokumentieren.

Das ganze sprenge, so die Tether-Kritiker, alles, was man befürchtet hat. Das freilich ist eine Übertreibung, da die Tether-Kritiker eigentlich eine Nulldeckung angenommen hatten. Dramatisch ist es dennoch, und in keiner Weise geeignet, das Vertrauen in den Stablecoin zu erhalten, und die Kritiker haben völlig recht, wenn sie anmerken, dass bis Anfang 2019 nur ein Bruchteil der heute existierenden Tether geschöpft worden sind. Hat die Flut von Tether-Dollar seitdem die Probleme noch potenziert? Wenn es so schwierig ist, 6 bis 10 Milliarden Dollar als Reserve zu verwalten – wie schwierig ist es dann erst mit beinah 70 Milliarden?

„Keine Probleme im gegenwärtigen Betrieb“

Tether sieht das alles, naturgemäß, gänzlich andes. In einer knapp gehaltenen Mitteilung, die dieses Mal ohne die für Tether typische schnoddrige Angriffslustigkeit auskommt, meint das Unternehmen, die CFTC habe „keine Probleme in Tethers gegenwärtigem Betrieb“ gefunden (vermutlich, weil sie nicht danach geschaut haben). „Tatsächlich bezieht sich die Verfügung auf verschiedene Enthüllungen zu den Reserven vor mehr als 2,5 Jahren. Wie die Verfügung erklärt, sind diese Probleme vollständig gelöst, als die Nutungsbedingungen im Februar 2019 aktualisiert wurden.“

Anders als gemeinhin verstanden, habe die CFTC nicht herausgefunden, dass die Token nicht vollständig gedeckt waren. „Sondern einfach nur, dass die Reserven nicht vollständig und zu jeder Zeit in Cash auf einem Bank-Account in Tethers Namen“ waren. Tether habe zu jeder Zeit „adäquate Reserven“ gehalten und „es niemals versäumt, einen Auszahlungs-Antrag zu erfüllen.“ Tether habe zugestimmt, das Verfahren zu beendet, um nach vorne zu schauen.

Es kommt also alles darauf an, wie man es formuliert.

Über Christoph Bergmann (2796 Artikel)
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3 Kommentare zu Tether-Verfahren: Stablecoin zwischen 2016 und 2019 nur an 26,7 Prozent aller Tage vollständig gedeckt

  1. Da steht: „Im Laufe des 26-monatigen untersuchten Zeitfensters hat Tether nur in 27,6 Prozent aller Tage die Stablecoins vollständig gedeckt.“

    Die erste – m. E. ganz offensichtliche – Frage ist: was genau heißt „nicht vollständig“? Nur zu 99,9%, oder nur zu 10%? Um welche absoluten Summen geht es?

    Ich würde das verlinkte PDF ja gerne dazu lesen, nur habe ich leider gerade keinen Zugriff auf den lokalen PC des Autors… 😉

  2. „Die Herausgeberin des gleichnamigen Stablecons“ – Stablecon … I see what you did there 🙂

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