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“Es hilft vermutlich, dass ich mich nicht nur mit Bitcoin, sondern auch mit Buddhismus beschäftige.”

Aaron Koenig moderiert 2013 die BXB, ein ehemaliger Offline-Exchange in Berlin. Alle Bildrechte bei Anastasya Stolyarov, bereitgestellt von Aaron Koenig

Viele Bitcoiner wurden durch Kryptowährungen reich. Richtig reich, unvorstellbar reich. Doch über das Thema wird wenig geredet. Es geht immer um Geld, aber so gut wie niemals um Reichtum. Fast wie ein Tabu. Wir versuchen, das Thema aufzubrechen. Für heute durch ein Interview mit Early Adopter Aaron Koenig – der uns verrät, warum er nicht so reich ist, wie viele denken, aber warum ihn das nur selten traurig macht.

Ich habe dich zum ersten Mal im Sommer 2013 auf einer Konferenz in Köln gesehen. Da war ich noch ganz neu in Bitcoin, und du sahst aus, als seist du schon immer dabei gewesen. Ich vermute, da kamst 2011 zu Bitcoin. Stimmt das?

Ja, ich habe im Mai 2011 das erste Mal über Bitcoin gelesen, im Handelsblatt und auf Spiegel Online. Im Juni 2011 ist mein erster eigener Artikel über Bitcoin erschienen. Ende 2011 begann unsere Zusammenarbeit mit Bitcoin.de. Sie haben das Preisgeld für unser Bitfilm-Festival gestiftet, 200 Euro pro Kategorie. Man konnte es in Euro oder in Bitcoin ausgezahlt bekommen. Alle Preisträger haben sich allerdings für Euro entschieden. Keine so kluge Entscheidung: sie hätten damals je 100 Bitcoin erhalten. 2012 haben wir für Bitcoin.de unser erstes Bitcoin-Erklärvideo produziert, mit Dr. Münzmacher und Hermann, dem Roboter. In Köln 2013 haben wir dann schon eine ganze Reihe von Bitcoin-Filmen gezeigt, u.a. für Colored Coins und KNC Mining.

Hast du damals auch Bitcoin für das Bitcoin.de-Video bekommen?

Nur zu einem Teil, und zwar genau die Summe, die an unseren indischen Animator ging. Das war einfach die schnellste und günstigste Lösung für eine Zahlung nach Indien.

Hat der Animator die Bitcoins behalten? Und du selbst wurdest in Euro bezahlt?

Ich schätze mal, dass er sie gleich in Rupien umgetauscht hat. Wir haben Euros für Fremdkosten wie Musik und Tonmischung genommen, die Leute haben damals noch keine Bitcoins akzeptiert. Selbst haben wir an dem Film nichts verdient, es war sozusagen ein Investment ins Marketing. Das hat sich aber gelohnt, denn der Film kam sehr gut an und wir haben darüber viele neue Kunden gewonnen.

Eine junge Frau kauft auf der BXB einen Bitcoin für 70 Euro. Hoffentlich hat sie gehalten … Alle Bildrechte bei Anastasya Stolyarov, bereitgestellt von Aaron Koenig

Hast du dir denn damals Bitcoins gekauft? Oder sie für andere Aufträge angenommen?

Ich war Bitcoin gegenüber zunächst eher skeptisch und dachte, er sollte besser durch Gold gedeckt sein. Das lag vermutlich daran, dass ich mich schon vor Bitcoin mit der Wiener Schule und ihrer Kritik am Geldsystem beschäftigt hatte. Es war ein Artikel von Erik Voorhees, der mir die Augen geöffnet hat. Erst dadurch wurde mir klar, dass Bitcoin durch seine Nützlichkeit und Knappheit seinen Wert bekommt und durch nichts gedeckt werden muss. Ich habe dann eine kleine Summe in Bitcoin investiert und angefangen, Bitcoins für meine Arbeit zu akzeptieren.

Wie kam es dazu, dass du bei Bitcoin dran geblieben bist? Ich glaube, viele habe 2011 davon gehört, aber nur wenige haben sich darauf eingelassen. Meinst du, es gibt ein bestimmtes Mindset, das man dafür brauchte? Und meinst du, es hat sich seitdem verändert?

Ich hatte 2009 – 2010 für ein Filmprojekt Vertreter der “Wiener Schule der Volkswirtschaft” interviewt und viel von ihnen gelernt, natürlich auch Bücher von Hayek, Mises und Rothbard gelesen. Insofern war es mir klar, dass wir ein anderes Geldsystem brauchen. Mein Interesse an Bitcoin war also nicht technischer Natur, wie bei vielen in der Anfangszeit, und es geht mir auch nicht darum, schnell damit viel Geld zu verdienen. Es geht darum, die Welt zum Besseren zu verändern, und das braucht natürlich viel Geduld und Stehvermögen.

Aarons neues Buchprojekt: Krypto-Kunst.

Die meisten Leute, die länger dabei sind und wirklich etwas aufgebaut haben, egal, wie gerade der Kurs steht, haben so eine Einstellung. Durch die unglaublichen Preissteigerungen der letzten Jahre sind auch viele Spekulanten und Betrüger auf Bitcoin aufmerksam geworden, das ist etwas ärgerlich, aber wohl nicht zu vermeiden.

Wie viele Bitcoins hast du damals denn gekauft oder eingenommen? Du musst mir keine absolute Antwort geben, ein Größenbereich würde auch reichen …

Gekauft nur ganz wenig, und wieviel ich über die letzten Jahre eingenommen habe: keine Ahnung. Viele meiner Filmprojekte sind in Bitcoin oder anderen Kryptowährungen bezahlt worden, aber die allermeisten habe ich wieder ausgegeben. Einerseits, um meine Animatoren, Sprecher und Musiker zu bezahlen, andererseits habe ich selbst seit 2013 hauptsächlich von Bitcoin gelebt. Da sind dann auch schon mal 23 Bitcoin für eine Miete draufgegangen. Ich fange lieber nicht an, dass alles zusammenzurechnen, nicht das ich schlechte Laune bekomme.

Hast du das Gefühl, die Chance verpasst zu haben, sehr reich zu werden?

Ich habe mir abgewöhnt, mich über so etwas zu ärgern. Bei Bitcoin ertappt sich wohl jeder bei Gedanken wie “hätte ich doch damals mehr gekauft” oder “hätte ich doch damals nicht verkauft”, was reine Zeitverschwendung ist. Ich habe die letzten Jahre gut von Bitcoin gelebt und ein bisschen was sparen können, damit bin ich zufrieden. Vor allem habe ich über Bitcoin viele spannende Menschen kennengelernt und bin bei einer historisch wichtigen Entwicklung dabei, die ich sogar aktiv vorantreiben kann.

Auszug aus Aarons neuem Buch.

Das finde ich viel interessanter, als mir jede Woche einen Lamborghini kaufen zu können. Wenn Leute wie ich nicht fünf Bitcoin für einen Burger und ein Bier im Room 77 ausgegeben hätten, würde es heute keine Bitcoin-Wirtschaft geben und der Kurs stünde nicht bei über 50.000 Euro. Insofern ist es unsinnig, irgendetwas zu bereuen. Es hilft vermutlich, dass ich mich nicht nur mit Bitcoin, sondern auch mit Buddhismus beschäftige, da gehört der Umgang mit störenden Gefühlen zur täglichen Praxis.

Hört sich so an, als sei das keine leichte Sache gewesen. Ich finde es erstaunlich, dass das deiner Begeisterung für Bitcoin keinen Abbruch getan hat. Mein Eindruck ist dass viele es von ihren Wallets abhängig machen, ob sie einen Coin gut oder schlecht finden … Gab es bei dir auch Phasen, in denen du gedacht hast, du würdest Bitcoin am liebsten den Rücken kehren?

Nein, das hatte ich nie. Natürlich freue ich mich, wenn der Preis steigt und bin weniger froh, wenn er fällt. Aber viel wichtiger ist, dass sich Bitcoin allgemein durchsetzt, auch gegen Widerstände. Gerade die Tatsache, dass sich Bitcoin trotz aller Totsagungen und Abstürze immer wieder erholt hat, bestätigt mich darin, aufs richtige Pferd, oder besser: auf den richtigen Honigdachs gesetzt zu haben.

Kann es sein, dass Bitcoiner so sind? Also, dass sie ihren Reichtum nicht so sehr zeigen, er ihnen fast schon egal ist, weil er eher eine versehentliche Folge von Idealismus ist?

Da gibt es wohl die verschiedensten Typen. Egal ist Geld sicher niemandem, aber es macht natürlich einen Unterschied, ob man es für Sportwagen, Designerkleidung und Champagner ausgibt, oder es re-investiert und für sich arbeiten lässt. Bitcoiner haben vermutlich ein stärker ausgeprägtes Bewusstsein für Geld als der Durchschnittsbürger. Man denkt ja automatisch zweimal darüber nach, wofür man seine Coins ausgibt, wenn sie im nächsten Jahr schon das Fünffache wert sein können.

Ich stelle mir vor, dass du auf deinen Reisen viele Bitcoiner triffst. Kommst du dir da manchmal arm vor? Sind ja sicherlich viele, die sehr profitiert haben …

Nein, im Gegenteil. Es ist doch wunderbar, reiche Freunde zu haben. Im Moment wohne ich bei einem Krypto-Freund, der eine Luxuswohnung mitten in Barcelona hat. Im August war ich im Crypto Castle in der Nähe von Weimar zu Gast, dort habe ich einen Vortrag gehalten und konnte dafür ein paar Tage fürstlich nächtigen und speisen. Dazwischen war ich in Prag, London, Danzig, Warschau, Krakau, Budapest, Budva (Montenegro) und Dubrovnik. Gewohnt habe ich meistens bei Freunden, hin und wieder in günstigen AirBnBs. Die Reisen von Ort zu Ort sind dank RyanAir und Flixbus auch sehr erschwinglich.

Bitcoiner lieben den Mond. Kein Wunder geht er als Meme und Kunstwerk in Aarons Buch ein.

Im November geht’s dann nach El Salvador auf die Latin American Bitcoin Conference, wo ich Sprecher bin und mein neues Buch über Crypto Art und Crypto Culture vorstelle. Wohnen werde ich wieder bei Freunden. Mein Lebensstil ist also eher preisgünstig. Dennoch könnte ich mir ein freieres und reicheres Leben kaum vorstellen.

Wie viele Bitcoiner triffst du im Jahr, wenn du auf Reisen bist, wie viele kennst du gut, und wie lange?

Es sind bestimmt ein paar hundert, jedenfalls, wenn Konferenzen normal stattfinden. Am besten kenne ich die Szene in Buenos Aires, Mexico City und Miami, weil ich da am häufigsten bin. Meine besten Freunde in der Bitcoin-Welt sind Rodolfo Andragnes, Diego Gutierrez und Franco Amati, die Gründer der Latin American Bitcoin Conference, auf der war ich jedes Jahr seit 2013 Sprecher oder Moderator, immer in einem anderen lateinamerikanischen Land. Die meisten Leute, die ich kenne, sind schon lange und eher aus idealistischen Motiven dabei. Vermutlich sind viele von ihnen mittlerweile recht wohlhabend, aber ich kenne niemanden, der das besonders raushängen lässt.

Du hast vorhin die Latin American Bitcoin Conference erwähnt, die demnächst in El Salvador stattfindet. Was machst du da?

Das ist meine Lieblingskonferenz, sie findet jedes Jahr in einem anderen Land statt, bisher in Argentinien, Brasilien, Mexiko, Kolumbien, Chile und Uruguay, und dieses Jahr natürlich in El Salvador, wo sonst? Ich bin dort auf einem Panel und werde wohl auch wieder als “Master of Ceremonies” durchs Programm führen.

Außerdem führen wir dort ein neues Mitglied in die “Crypto Hall of Fame” ein, die ich letztes Jahre gegründet habe. Sie ist sozusagen das Gegenstück zur “Rock´n´Roll Hall of Fame” für die Cryptowelt. Im Unterschied dazu gibt es in der Crypto Hall aber nur 21 Plätze, von denen 13 bereits vergeben sind, u.a. an Satoshi Nakamoto, David Chaum, Nick Szabo, Vitalik Buterin und andere Rockstars der Cryptowelt. Jeder kann vorschlagen, wer neu aufgenommen werden soll, ein Komitee aus internationalen Experten, hauptsächlich Crypto-Journalisten, trifft die Entscheidung. Der Sieger wird dann von Max Cryptohead porträtiert und in unserer 3D-Galerie ausgestellt.

Max, ein junger Künstler, den ich manage, hatte auch die Idee für eine Ausstellung über Crypto-Kultur, bei denen Künstler typische Crypto-Begriffe wie HODL, Honey Badger, To the Moon! oder When Lambo? in Kunstwerken darstellen. Die Ausstellung wird vorausichtlich in New York Premiere haben, einen Teil zeigen wir bereits als “Sneak Preview” in El Salvador.

Außerdem stellen wir dort den Ausstellungskatalog vor, der auch als Buch erscheint, Hardcover, vollfarbig, es wird gerade in El Salvador gedruckt. Zu jedem Kunstwerk gibt es darin einen Text, der erklärt, was dieses “Crypto-Meme” bedeutet und wo es herkommt. Ergänzt werden die Kunstwerke durch einfache Erklärungen zu NFTs, zum Mining, zur Blockchain, und was man sonst so über Crypto wissen sollte. Es ist also nicht nur für Kunstfreunde gemacht, sondern zugleich ein leicht konsumierbares Buch für Einsteiger in die Cryptowelt.

Über Christoph Bergmann (2557 Artikel)
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