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Internationaler Währungsfond fürchtet „Kryptoisierung“

Bild aus dem Blog des IMF.

Der Internationaler Währungsfond (IWF) verlangt eine „umfassende, konsistente und koordinierte“ globale Krypto-Regulierung. Diese soll das etablierte Finanzsystem vor Krypto zu schützen. Vor allem in den Entwicklungs- und Schwellenländern seien die Risiken enorm. Soso, aha.

„Krypto-Assets“ und die damit verbundenen Produkte und Dienstleistungen seien, stellt der IWF in einem neuen Post einleitend fest, „in den vergangenen Jahren rapide gewachsen.“ Aber nicht nur das: Auch „die Verzahnung mit dem regulierten Finanzsystem“ wachse. Sie wird immer enger.

Und damit beginnt das Problem, auf das der IWF und andere internationale Organisationen zunehmend aufmerksam werden: Krypto frisst sich ins Finanzwesen hinein. Im Grunde war das zu erwarten. Wo sonst soll die Neu-Erfindung des Geldes anfangen, wenn nicht im Finanzwesen?

Aber Umbrüche sind bedrohlich, vor allem aus Sicht von Akteuren des etablierten Systems, und vor allem, wenn der Umbruch nicht nur technisch, sondern auch sozial und grundsätzlich ausfällt. Das Post, durch das der IWF seine Besorgnis äußert und Maßnahmen vorschlägt, Krypto zu bändigen, ist in so vielerlei Hinsicht interessant, dass es sich lohnt, es Stück für Stück durchzuarbeiten.

Schwer zu überblickende Risiken

Aus Sicht des IWF sind Kryptowährungen ein potenziell großes, im Detail aber schwer zu überschauendes Problem. Um die Größe des Marktes festzustellen, verlässt sich der IWF auf die (sehr umstrittene) Ziffer der Marktkapitalisierung aller Kryptowährungen. Diese betrage 2,5 Billionen Dollar, was  zwar sicherlich auch auf den unterliegenden technischen Innovationen beruhe, wie der Blockchain. Doch die Zahl „reflektiert womöglich auch eine Umgebung von etwas überdehnten Bewertungen“.

Das ist schön formuliert. Wenn ein Muskel zu weit gedehnt wird, zittert er. Dasselbe beobachtet der IWF bei den Krypto-Märkten: Als die ersten Nachrichten der Corona-Variante Omikron kursierten, stürzten die Krypto-Preise prompt ab. Diese Volatilität kann nicht nur zu Erschütterungen in Teilen des Finanzwesen führen. In manchen Ländern, mahnt die Institution, „können diese finanziellen Stabilitätsrisiken sogar bald systematisch werden.“

Ich nehme an, der IWF spielt auf El Salvador an, und womöglich auch auf andere Länder, die damit liebäugeln, wie dieses Bitcoin oder Stablecoins zur Landeswährung zu machen.

Dass die 2,5 Billionen Dollar ein eher unsicherer Wert ist, der existiert oder nicht existiert, wie Schrödingers Katze, und der morgen nicht mehr sein muss, was er heute ist, und der mit seinen Schwankungen über Nacht ganze Volkswirtschaften erschüttern kann  – das ist nur eine der Herausforderungen, vor die Krypto den IWF und die Regierenden dieser Erde stellt. Schon allein „die Identifizierung, das Beobachten und das Managen von Risiken“ trotze den Bemühungen von Regulierern und Unternehmen.

Die meisten Gesetzgeber täten sich schwer, „die Risiken zu überblicken, die aus diesem Bereich entstehen, in dem viele Aktivitäten noch unreguliert sind.“

Wenn die Träume der Bitcoiner beim IWF als Alptraum aufschlagen

Um welche Risiken handelt es sich? Der IWF sieht, unter anderem, interne Risiken, also Risiken, die in der Krypto-Ökonomie entstehen und sich zunächst auf diese begrenzen:  „Operative und finanzielle Integritätsrisiken durch Krypto-Börsen und -Wallets, Risiken des Investorenschutzes, von inadäquate Reserven und inakkurate Offenlegungen durch Stablecoins.“ Auch hier ist die Anspielung kaum zu überhören, diesmal auf den Stablecoin Tether (USDT).

Solche internen Risiken treffen vor allem Investoren, die in der Regel wussten, was sie tun, und die in der Regel auch schon ordentlich vom Krypto-Boom profitiert haben. Über deren Schaden müssten sich die IWF-Analysten nicht um den Schlaf bringen lassen.

Beunruhigender wird es aber, wenn die Risiken aus dem Krypto-Ökosystem herausspringen. Einerseits sorgt sich der IWF, dass interne Schocks in der Krypto-Branche in das allgemeine Finanzwesen streuen. Diese Befürchtung, dass ein Krypto-Crash zum nächsten Lehmann-Ereignis wird, das eine globale Finanzkrise auslöst, greift in den vergangenen Monaten zunehmend um sich, etwa bei der britischen Zentralbank.

Darüber hinaus treibt den IWF noch eine andere Sorge um: In Entwicklungs- und Schwellenmärkten — Hallo nochmal, El Salvador —  könne das Auftreten von Krypto „das beschleunigen, was wir ‚Kryptoisierung‘ nennen — wenn diese Assets die inländische Währung verdrängen und Wechselbeschränkungen und Maßnahmen der Kapitalkontrolle aushöhlen.“

An diesem Moment müssen wir kurz stehenbleiben. Der IWF übernimmt hier nämlich ein Meme der Bitcoin- und Kryptoszene. Schon seit langem reden Bitcoiner von der „Hyperbitcoinisierung“, der Verdrängung der etablierten Währungen durch Bitcoin. Das Meme geht auf einen Artikel zurück, den Daniel Krawisz 2014 für das Nakamoto-Institute schrieb. Darin erklärt er, wie Bitcoin eine „Demonetarisierung“ einleitet, „die jede hilflose Währung ergreift, die im Weg von Bitcoins Kurs zur völligen Weltherrschaft steht. Wenn das passiert, wird die Währung rapide an Wert verlieren und Bitcoin wird sie ersetzen.“

Die Ethereum-Szene spricht dagegen gerne von der „Tokenisierung„: von der Abbildung von allem (und jedem?) als Token. „Die Tokenisierung von allem wird neue Märkte schaffen, die bestehenden Märkte mit Liquidität füllen und die Silo-Architektur der gegenwärtigen Ökosysteme brechen und durch die fundamentale Interoperabilität von Blockchains ersetzen.“

Wenn der IWF nun von „Kryptoisierung“ schreibt, bläst er in exakt dasselbe Horn: Er bestätigt quasi die stärksten Visionen der Krypto-Szene, die nun allerdings als Alpträume bei dem internationalen Organ aufschlagen. Das ist eine ziemlich interessante Entwicklung. Man könnte sie auch „Sieg“ nennen.

Eine falsche Regulierung droht, globale Kapitalströme zu destabilisieren

Der IWF erkennt, dass die Regulierung von Kryptowährungen nicht ganz einfach ist. Nationale Alleingänge bissen sich an der sektorübergreifenden und grenzenlosen Art von Krypto die Zähne aus. Wenn verschiedene Länder verschiedene Strategien fahren, bieten sich viele Gelegenheiten für „regulatorische Arbitrage“: Krypto-Unternehmen siedeln sich irgendwo an, wo es einen Briefkasten und freundliche Gesetze gibt. Rein digitale Online-Unternehmen wie Krypto-Börsen können sich auswählen, wo sie sich niederlassen.

Darüber hinaus passt sich Krypto nicht immer in den regulatorischen Status Quo ein: „Existierende Gesetze und Regulierungen erlauben zum Teil nicht, im Rahmen eines nationalen Ansatzes alle Elemente dieser Assets umfassend abzudecken.“ Auch hier bleibt der IWF abstrakt, aber man könnte vermuten, dass er beispielsweise auf Utility Token anspielt. Diese Art von Token funktionieren faktisch oft wie ein Wertpapier, etwa eine Aktie, sind aber in vielen Jurisdiktionen unreguliert, da sie nicht als Geldanlage vermarktet werden, sondern als eine Art Werkzeug.

Darüber hinaus erschwert die grenzübergreife Natur von Krypto-Unternehmen sowohl Überwachung als auch Durchsetzung von Regeln. Viele Börsen beispielsweise existieren physisch nur als Briefkastenfirma in irgendeinem Steuer- und Regulierungsparadies, während die Mitarbeiter, vom Support bis zur Geschäftsführung, sich digital von beliebigen Orten aus einloggen. In der Kryptowelt kann man als digitaler Nomade aus den Nirgendwo heraus eine Börse führen, die mehr Umsatz macht, als etwa die Börse Stuttgart.

Wenn man in dieser Umgebung unkoordiniert reguliere, befürchtet der IWF, drohe man, globale Kapitalströme zu destabilisieren. Erneut schimmert durch, welche Dimension Krypto erreicht hat.

Die richtige Regulierung in den Augen des IWF

Eine Regulierung von Krypto könne nur erfolgreich sein, wenn sie „umfassende internationale Standards“ setzt. Nur diese können das Finanzsystem vor Krypto schützen, vor dem damit verbundenen Ökosystem und vor den damit verbundenen Transaktionen. Dass das globale Finanzsystem mittlerweile den Schutz vor Krypto braucht, zumindest aus den Augen des IWF, ist bemerkenswert.

Allerdings verkennt der IWF nicht, dass in Krypto eine innovative Technologie steckt. Daher fordert er, dass die Regulierung eine „Umgebung für nützliche Krypto-Produkte und -Anwendungen“ bewahren solle. Welche Anwendungen er damit meint, ist unklar. Vielleicht ja alle geschlossenen, zentralisierten, blockchain-basierten Währungen wie Chinas digitalen Yuan.

Der IWF fühlt sich selbst nicht berufen, regulatorisch aktiv zu werden. Stattdessen fordert er das Financial Stability Board (FSB) auf, „ein globales Rahmenwerk zu entwickeln, welches Standards für die Regulierung von Krypto-Assets“ enthalte. Idealerweise biete es „einen umfassenden und koordinierten Ansatz, der konsistent über die Jurisdiktionen hinweg greift, und das Risiko regulatorischer Arbitrage minimiert.“ Es soll also so wenig Schlupflöcher wie möglich geben.

Darüber hinaus hat der IWF einige Vorschläge, was dieses Rahmenwerk konkret enthalten soll. So sollen „Krypto-Dienstleister, die essenzielle Funktionen erfüllen, lizensiert oder autorisiert werden.“ Zu diesen Funktionen gehören unter anderem „das Speichern, der Transfer, das Settlement und die treuhänderische Verwahrung von Reserven und Assets.“

Dienstleister, die dies erledigen, werden in der Regel schon streng reguliert. Unter Umständen deutet die separate Erwähnung von „treuhänderischer Verwahrung“ allerdings darauf hin, dass der IWF auch nicht-treuhänderische Wallets reguliert sehen will. Dezentrale Finanzen (DeFi) hingegen scheint er nicht auf dem Schirm zu haben, weshalb die „umfassende“ Regulierung womöglich schon im Stadium der Planung scheitert.

Ferner sollten die Anforderungen an die primäre Nutzung des Krypto-Assets oder Stablecoins angepasst sein: Dienstleistungen und Produkte für Investoren sollten „ähnliche Anforderungen auferlegt bekommen wie Aktienbroker“, während Zahlungsdienstleister wie Banken reguliert werden sollten. Dies ist an sich eine gute Idee, um das Wirrwarr an Regeln und Regulierern, unter der die Branche oft leidet, zu entknoten.

Schließlich sollten die Behörden klare Anforderungen formulieren, wie regulierte Finanzinstitutionen mit Krypto umgehen können. Hier scheint sich einerseits die Hoffnung zu äußern, dass eine Art Übernahme durch etablierte Finanzinstitute die Krypto-Märkte bändigt, andererseits aber auch die Furcht, dass eine unkontrollierte „Kryptoisierung“ des Finanzwesens globale Verwerfungen nach sich zieht.

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3 Kommentare zu Internationaler Währungsfond fürchtet „Kryptoisierung“

  1. „…. wenn der Umbruch nicht nur technisch, sondern auch sozial und grundsätzlich ausfällt ….“, das ist die Erkenntnis. „…. sind Kryptowährungen ein potenziell großes, im Detail aber schwer zu überschauendes Problem …“, im Sinne des zweiten Teils der Zitierung ist das nicht das Problem, sondern die Lösung. Da ist die Welt sehr einfach!

  2. fabelhaft, jetzt geht dieses Ponzi-Fiatgeld-Konglomarat (IWF & Co.) langsam aber sicher selber zugrunde am eigenen Bürokratie- und Regulationsterror. Man kann ihre Kopfschmerzen förmlich riechen. Es verspricht unterhaltsam zu werden, sich die letzten grotesken Handlungsauswüchse dieses bald implodierenden Todessterns anzuschauen… 1.000 und mehr Seiten Nutzungs-AGB für jeden Kryptodienst usw.

    Bis es endlich so weit ist, dürften noch beträchtliche Ressourcen sinnlos verheizt werden in einem Kampf, der vom Imperium längst nur noch mit maximaler Gewaltmonopolanwendung aufrecht erhalten, doch nicht mehr gewonnen werden kann; in jedem Fall nicht flächendeckend.

  3. Man kann bald Bitcoin als Sicherheit verwenden, um eine Hypothek auf ein Haus auf zu nehmen. https://www.theblockcrypto.com/post/127592/crypto-ledn-series-b-funding-bitcoin-backed-mortgage-product Die Box der Pandora ist schon lange geöffnet, langsam bemerken es auch die Regulierer. Schrödingers Katze wurde hier heute erwähnt, wer immer noch nach dem Sinn des Lebens sucht, sollte unbedingt diesen Film sehen 🙂

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