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Kann Bitcoin Kriege verhindern?

Sebastian Vrancx (1573–1647), Marodierende Soldaten. Bild via wikipedia geteilt, gemeinfrei.

Es heißt immer wieder, ein Geld wie Bitcoin würde helfen, Kriege zu begrenzen. Stimmt das? Wir schauen uns an, was die Geschichte dazu sagt.

Aus aktuellem Anlass kursiert derzeit die Theorie, dass Bitcoin gut für den Frieden sei. Hier ein paar Beispiele aus der deutschen Bitcoin-Community:

Daniel Wingen, Organisator der Münchner Konferenz „Value of Bitcoin“, sagt, Bitcoin werde es schwer machen, Krieg zu finanzieren, „und die Mächtigen daran hindern, gegen den Willen ihres Volkes zu handeln.“

Und, konkreter, angesichts eines geplanten 100-Milliarden-Euro-Investments in die Bundeswehr: „Investitionen in den Militär Komplex sind immer auch Kriegstreiber. Ohne Investitionen kein Krieg.“

Ähnlich, wenn auch etwas pathetischer, spricht „Blocktrainer“ Roman Reher: „Irgendwann werden wir morgens wach und bemerken, dass niemand mehr unseren Frieden stört. #Bitcoin“

Oder auch, wirft er einem Diskussionspartner vor: „Dass du nicht kapierst, dass Fiat ein Mittel der Kriegsführung ist?“

https://twitter.com/RomanReher/status/1497882254483337229

Und so weiter. Die Theorie kursiert in mehreren Inkarnationen, dreht sich aber meistens um denselben Kern:

Fiatgeld – also Papiergeld oder Bankengeld – erlaubt es dem Staat, Kriege durch die Notenpresse zu finanzieren. Hartes Geld dagegen – etwa Bitcoin oder Gold – zwingt ihn, die Mittel durch Steuern einzuholen. Mit Fiatgeld kann ein Staat einen Krieg in die Länge ziehen, solange er Abnehmer für seine Geldscheine findet. Mit hartem Geld muss er ihn beenden, wenn er die Bereitschaft der Bürger, Steuern abzugeben, überstrapaziert hat.

Der populärste Vertreter dieser Theorie ist vermutlich Saifedean Ammous, Autor des Bitcoin Standards. Der erste Weltkrieg habe sich, so Ammous, von den vorhergegangenen, kürzeren und begrenzteren Kriegen vor allem durch das Geld unterschieden: „Die Einfachheit, mit der eine Regierung Papiergeld herausgeben konnte, war verführerisch in der Hitze des Gefechts, und viel einfacher, als die Bevölkerung zu besteuern.“

Klingt logisch, oder? Hätte es kein Fiatgeld gegeben, wären die Weltkriege nicht so eskaliert. Allerdings zerschellt diese Theorie, sobald sie auf die Realität trifft.

Die Geschichte trieft vor Blut

Ich muss zugeben, dass es mich mit einer sehr speziellen Verzweiflung erfüllt, zu sehen, dass diese Theorie weiterhin ihr Unwesen treibt. Wozu haben wir denn 5.000 Jahre Geschichte? 5.000 Jahre, die endlos oft beweisen, dass hartes Geld Kriege weder verhindert noch begrenzt?

Man muss nur die Antike anschauen. Es gab vermutlich kein Zeitalter mit einem so harten Geld. Gold und Silber waren Zahlungsmittel und Wertspeicher, seit König Krösus in Form von Münzen, zuvor als Barren, Ringe und Ketten.

Und doch war das Altertum eine Epoche ständiger, grausamer und endloser Kriege. Krieg war eher Normalzustand als Ausnahme. Die Assyrer metzelten benachbarte Stadtstaaten nieder, die Babylonier die Assyrer, und die Elamer die Babylonier. Ägypten kämpfte Dynastie um Dynastie gegen die Nubier oder die Einwohner Palästinas.

Die griechischen Stadtstaaten führten viele Jahre Krieg gegeneinander, etwa Athen gegen Sparta. Sie verbündeten sich erst, als Xerxes mit einem Heer gegen den Peleponnes marschierte. Laut Herodot vereinigte das persische Heer fast alle Völker Asiens und brachte es auf 1,7 Millionen Mann. Selbst wenn der „Vater der Geschichte“ stark übertreibt, dürfte kein Fiatstaat jemals ein Heer aufgestellt haben, das in Relation zur Einwohnerzahl so groß war.

Im römischen Reich schließlich wurde der Krieg zur Staatsdoktrin. Rom führte beinah ununterbrochen Eroberungskriege.

Und nichts von allem wurde durch das harte Geld in irgendeiner Weise beeinträchtigt.

Im Mittelalter ging es weiter. Für deutsche Könige war es Ehrensache, in Italien, Osteuropa und dem heiligen Land Krieg zu führen. Solche Kriege waren oft lang und grausam und arteten, etwa in Sachsen oder Oberitalien, auch gerne in endlose Bürgerkriege aus. Felder und Dörfer wurden angezündet, damit der Feind sie nicht plündern konnte, Zivilisten gezwungen, mitzukämpfen und zu Zehntausenden für einen taktischen Vorteil geopfert. Die mittelalterliche Geschichte ist reich an bestialischen Massakern.

Im 17. Jahrhundert verheerte dann der 30-jährige Krieg Mitteleuropa. Er wollte einfach nicht aufhören. Kaiserliche, schwedische, böhmische, sächsische, bayerische, pfälzerische Söldnerheere zogen durch das Land und hinterließen nichts als Verwüstung. Am Ende bezahlte ein Drittel der Bevölkerung mit ihrem Leben.

Ich könnte noch lange weitermachen. Ich will nicht sagen, dass hartes Geld Kriege antreibt. Aber eines ist sicher: Es verhindert Kriege nicht, und es begrenzt sie auch nicht.

Nicht Schatzkammern bezahlen den Krieg – Kriege füllen Schatzkammern

Aber warum ist das so? Die Theorie ist doch plausibel: Staaten brauchen Geld, um Krieg zu führen. Mit Fiatgeld können sie Geld durch die Notenpresse so lange erzeugen, bis die Inflation die Wirtschaft komplett ausgeblutet hat, während hartes Geld sie dazu zwingt, Steuern einzusammeln und damit auch die Zustimmung der Bevölkerung zu gewinnen.

Es wäre logisch, dass hartes Geld Kriege verkürzt. Aber warum ist die historische Wirklichkeit so grundverschieden? Warum scheint es, dass hartes Geld Kriege nicht kürzer, sondern sogar länger und grausamer macht?

Ich habe ein paar Ideen und Vermutungen, von denen ich zwei hier ausbreiten werde.

Erstens war es für eine lange Zeit üblich, dass nicht die Schatzkammer den Krieg bezahlt, wie Bitcoiner gerne behaupten, sondern andersherum: dass der Krieg die Schatzkammer füllt. Nicht Reichtum, sondern Armut trieb einen Staat in den Krieg. Wenn er nicht genügend Geld hat, um Rohstoffe zu kaufen, dann nimmt er sie sich mit Gewalt.

Das perfekte Beispiel hierfür ist das römische Reich. Dieses hatte das vermutlich fortschrittlichste Staatswesen der Antike entwickelt. Um es zu bezahlen, reichten die Steuern nicht mehr aus. Da das römische Reich ein hartes Geld aus Gold und Silber hatte, blieb nur die Flucht nach vorne: Rom finanzierte sein Staatswesen durch eine endlose Serie von Eroberungskriegen.

Ab einem gewissen Zeitpunkt scheiterte der römische Imperialismus. Die Legionäre verrannten sich in den Wäldern und Sümpfen Germaniens. Immer mehr Aufstände innerhalb des Imperiums banden militärische Ressourcen. Rom reagierte darauf mit einer Münzverschlechterung. Der Aureus wurde leichter, sein Goldanteil sank. Die Münzverschlechterung war, das ist wichtig, kein Mittel, um Kriege zu finanzieren, wie gerne behauptet wird – sie war ein Versuch, das Staatswesen ohne Krieg zu erhalten.

Ähnlich während des 30-jährigen Krieges: Nicht der Überfluss an Geld in Händen der Fürsten zog ihn in die Länge – sondern ein Mangel an Geld. Die Söldnerheere wurden kaum oder gar nicht bezahlt. Was sollten sie anders machen, als zu plündern? Diese Mangellogik verselbständigte sich und eskalierte, was mit ein Grund für die riesigen zivilen Verluste wurde. Es ging nicht mehr darum, einen Krieg zu gewinnen. Es ging ums Überleben in einer Welt des Mangels.

Kriege werden nicht nur durch Steuern oder Inflation finanziert, sondern auch – und historisch gesehen vor allem – durch Plünderungen und Kontributionen. Eine Finanzierung über die Notenpresse könnte im Vergleich dazu die humanere Alternative sein.

Krieg kostet Geld – aber Friede auch

Die zweite Theorie ist damit verwandt: Staaten nutzen Geld nicht nur, um Kriege zu finanzieren, sondern auch, um den Frieden zu erhalten.

Im Kern der Behauptung, Bitcoin sei gut für den Frieden, steckt die Überzeugung, Staaten setzten Geld für Krieg ein. Indem man den Staaten das Geld entziehe, verhindere man daher Kriege, so die Idee.

Das ist eine viel zu einfache Perspektive. Denn Geld ist neutral. Ein Staat kann damit Soldaten und Waffen bezahlen und Atombomben bauen. Aber er kann auch Entwicklungshilfe leisten, in internationale Abkommen investieren und den allgemeinen Wohlstand erhöhen. Er kann sein Geld nutzen, um den Frieden zu bewahren.

Krieg kostet Geld, ja. Aber je nach den Umständen kostet Frieden noch mehr Geld. So spricht beispielsweise vieles dafür, dass nicht weniger, sondern mehr Geld in Staatshand den 30-jährigen Krieg früher beendet hätte. Hätten sich die Fürsten stehende Heere leisten können, hätten die Söldner es nicht nötig gehabt, Krieg zu führen, um zu überleben; hätten die Staaten die finanziellen Ressourcen gehabt, um eine Friedenswirtschaft aufzubauen, hätte die Wirtschaft die Söldner rascher in die Zivilgesellschaft reintegrieren können.

Gut funktionierende Staaten können nicht nur Kriege führen. Gerade demokratisch-kapitalistische Staaten erhalten noch öfter den Frieden.

Wie der absolutistische Staat die Kriege zivilisiert

Der 30-jährige Krieg endete mit dem Westfälischen Frieden. Dieser schuf eine neue, auf Frieden abzielende politische Ordnung in Europa. Er stärkte den Staat, der in den folgenden Jahrhunderten immer größer, komplexer und zentralisierter wurde.

Unter den absolutistischen Staaten Europas, im späten 17. und fast dem ganzen 18. Jahrhundert, wurden militärische Konflikte tatsächlich begrenzter. Es bildete sich ein Codex, um Kriegsverbrechen zu verhindern, die „Kabinettskriege“ reduzierten die zivilen Verluste deutlich, und ein Ausbau der diplomatischen Verbindungen schaffte es, Kriege zu verhindern oder früher zu beenden.

Der absolutistische Staat integrierte regionale Fürsten und Warlords. Diese konnten danach nicht mehr oder kaum noch Kriege und Fehden führen. Damit entfiel ein Faktor, der immer wieder für lokale Kriegsausbrüche gesorgt hatte.

Nicht die Art des Geldes hatte Kriege begrenzt – sondern der zivilisatorische Fortschritt und die bessere Organisation des Staatswesens im Absolutismus. Sie hatten die grausame Mechanik der Kriegsführung für die Schatzkammer durchbrochen und durch eine rationalere und konstruktivere Wirtschaftspolitik ersetzt.

Aber Gold ist nicht Bitcoin!

Aber, aber – ist Bitcoin nicht anders? Trifft all das, wenn es denn sein muss, auf ein hartes Geld zu, wie Gold und Silber, aber nicht auf Bitcoin? Man könnte zahlreiche Einwände formulieren, um die historischen Beweise zu entkräften.

So kann man auch Gold und Silber manipulieren. Die Römer haben das Gewicht des Aureus gesenkt, um mehr Soldaten bezahlen zu können, und die „Wipper- und Kipperzeit“ der Münzverschlechterung erreichte im 30-jährigen Krieg ihren Höhepunkt.

Wären die römischen Kriege und der 30-jährige Krieg begrenzter gewesen, wenn das Geld wahrhaft hart gewesen wäre, so, wie Bitcoin? Wäre es dann unmöglich gewesen, sie trotz der Erschöpfung der Ressourcen in die Länge zu ziehen?

Daneben, kann man einwenden, sind selbst Gold- und Silbermünzen nicht so unabhängig vom Staat wie Bitcoin. Die vormodernen Staaten besaßen die Minen und prägten die Münzen. Geld diente auch damals der Staatsfinanzierung – was bei Bitcoin nicht oder nur in sehr begrenztem Ausmaß möglich ist. War das Geld nicht nur nicht hart genug, sondern auch nicht ausreichend vom Staat getrennt?

Schließlich leben wir heute in vollkommen anderen Zeiten. Menschen haben mehr Informationen, um Kriege abzulehnen, es gibt andere Waffen, wir haben eine Friedensordnung, eine vernetzte Wirtschaft, einen stärkeren Rechtsstaat und viel mehr Ressourcen. Kann man das überhaupt mit damals vergleichen? Könnte die Theorie von Bitcoin als Friedensgeld in der heutigen Welt nicht viel besser greifen?

Diese Einwände entschärfen die historische Perspektive. Ja, hartes Münzgeld hat Kriege nicht verhindert oder begrenzt. Aber es gab noch niemals so ein Geld wie Bitcoin, daher beweist das nichts. Man kann die Gegenwart nicht mit der Vergangenheit vergleichen.

Bitcoin kann als Teil einer neuen, besseren Weltordnung mit Sicherheit einen Beitrag zu Frieden leisten.

Bitcoin kann verhindern, dass Inflation und Kapitalkontrollen jene Verarmung und Verzweiflung erzeugen, die Kriege befördert. Bitcoin kann auch dafür sorgen, dass die Welt zu einer Währungsunion wird, was Kriege vielleicht weniger wahrscheinlich macht. Und Bitcoin kann helfen, Kapital im Kriegsfall rasch über die Grenze zu senden, was Plünderungen weniger lukrativ macht.

Aber all das ist ziemlich hypothetisch. Man könnte ebenso darüber spekulieren, ob ein Geld wie Bitcoin nicht dafür sorgt, dass Staaten die Finanzmittel ausgehen, die sie brauchen, um den Frieden zu erhalten.

Wenn man die Rohstoffe des Nachbarns nicht mit Bitcoins bezahlen kann – bezahlt man dann mit Blei und TNT? Und wenn sich Staaten keine Wohlfahrt mehr leisten können – greifen dann Armut, Kriminalität und Gewalt um sich? Wenn ein bankrotter Staat desintegriert – reissen dann blutrünstige Warlords die Macht an sich?

Auch wenn man aktuell nach Russland schaut, stellt sich die Theorie auf den Kopf. Russland finanziert den Krieg mit Fiatgeld, und seine Bevölkerung benutzt Fiatgeld. Die Folgen sind nun, dass Finanzsanktionen greifen, der Rubel entwertet, und die anderen Zentralbanken die Fiat-Reserven der russischen Zentralbank einfrieren. Die Finanzierung des Krieges durch Fiatgeld trocknet rasch aus. Würde Russland auf Bitcoin setzen hätte es womöglich einen längeren Atem.

Ich bin mir nicht sicher, ob Sanktionen wirklich etwas bringen. Sie beruhen auch auf der historisch zweifelhaften Theorie, dass Staaten aufhören, Krieg zu führen, wenn ihnen das Geld ausgeht. Aber wenn man diese Theorie annimmt – und das machen diejenigen, die proklamieren, dass Bitcoin ein Friedensgeld sei – sollte einen ein Blick auf Russland zumindest nachdenklich stimmen.

All das bedeutet nicht, dass Bitcoin die Welt nicht zu einem besseren Ort machen wird, und dass ein solcher besserer Ort nicht auch friedlicher sein kann. Dafür gibt es hunderte Gründe. Aber der Zusammenhang zwischen Geld und Krieg gehört eben kaum dazu.


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6 Kommentare zu Kann Bitcoin Kriege verhindern?

  1. Wie wäre es mit einem BTC-Fond, der jedem russischen Soldaten, der die Waffen niederlegt und seine BTC-Adresse in die Kamera hält, 0,1 Bitcoin schickt?

  2. Das Bitcoin Krieg oder Frieden befördert, kann sein, aber keiner weiss es da wir das noch nicht erlebt haben. Soweit guter Punkt.

    Du schreibst ausserdem:
    > Sie beruhen auch auf der historisch zweifelhaften Theorie, dass Staaten aufhören, Krieg zu führen, wenn ihnen das Geld ausgeht.

    Ich glaube Sanktionen beruhen eher auf der Annahme, das sich einflussreiche Personen die sanktioniert werden, bzw. auch die Bevölkerung als Ganzes gegen ihre eigenen Herrscher wenden.

    Dass man einem Staat damit genug Mittel nimmt, um Krieg überhaupt zu führen, glaubt in unseren Regierungen vermutlich niemand. Russland erlebt Sanktionen seit 8 Jahren und ist grundsätzlich darauf vorbereitet, wenn auch vielleicht nicht in der jetzt erlebten Schärfe. Allerdings wenden sich bereits die ersten Oligarchen gegen Putins Krieg.

  3. Apokalyptische Reiter. Der Zweite ist da.

  4. Lieber Christoph, Du bist zweifellos historisch besser bewandt als ich und der Artikel war stark.
    Insbesondere, dass Du Saifedeans Bullshit in Zweifel ziehst finde ich stark, denn sein (sehr schlechtes) Buch ist wahrscheinlich nur wegen seinem Titel das gefühlt am öftesten referenzierte Buch in der Szene, obwohl ich bezweifle, dass die meisten, die dieses erwähnen, es überhaupt gelesen haben. Einer seiner Co-Autoren (im Vorwort) distanziert sich mittlerweile komplett von Bitcoin (und Kryptowährungen): https://nassimtaleb.org/2021/06/bitcoin-currencies-bubbles/
    Ich muss ehrlich gestehen, dass ich ihm in mindestens 80-90% zustimme.

    • Heja Paul, da gibst du mir ja eine Vorlage 🙂

      Zu Taleb: Er hat das Vorwort des Bitcoin Standard geschrieben, wohl ohne das Buch gelesen zu haben. Ich vermute, weil 1.) Ammous sein Landsmann ist, 2.) er zu dieser Zeit Bitcoin mochte, 3.) Ammous den von Tabel geschätzte Hayek feiert, 4.) Ammous Taleb Honigs ums Maul geschmiert hat und 5.) Ammous den „Taleb-Style“ des niveaulosen Schimpfens auf alle Wissenschaftler, die nicht der eigenen Nische entsprechen, pflegt.

      Dann hatte Taleb Covid, ist fast daran gestorben und hat fast ein Jahr gebraucht, um beim von ihm leidenschaftlich betriebenen Bankdrücken wieder auf die alte Leistung zu kommen. Dabei hat er wohl auch festgestellt, dass seine bisherigen politischen Lager nicht mehr aufgingen. Zuvor war er ein Freund von liberalen / libertären Ökonomen und rechtslastigen Populisten wie Donald Trump, und hat gegen die links-progressiven Intellektuellen gewettert. Nun stellte er fest, dass die Ammous‘ und andere Corona leugnen, also nicht nur Talebs persönliche Erfahrung, sondern auch die Risikoprognosen seiner Bücher, während die links-progressiven die Lage richtig deuteten.

      Ich vermute, in dem Zug hat er sich mit Ammous im Generellen beschäftigt und erkannt, was für ein Trottel das ist. Carnivore, Klimawandelsleugner, und dann noch billiges, plumpes Nachmachen von Talebs polemischem Stil. Aber weil sein Ego es nicht erlaubt, dass er sich in einer Person getäuscht hat, schießt er nun ganz und gar auf Bitcoin.

      Ich habe mich mit einem seiner Paper darüber beschäftigt:

      https://bitcoinblog.de/2021/06/29/wenn-die-geringste-chance-besteht-dass-bitcoin-in-zukunft-wertlos-sein-wird-ist-es-bereits-heute-wertlos/

      Es ist imho heiße Luft mit einem hohen Wert auf der Bullshit-Skala, und man könnte es damit zusammenfassen, dass der Markt halt nicht so intelligent ist wie Taleb.

      Zum Bitcoin Standard: Ich habe viel schlechtes über das Buch geschrieben. Aber ich denke, es ist nicht nur wegen des Titels so populär, sondern weil es vieles, was Bitcoiner gerne hören wollen, radikal formuliert und pseudowissenschaftlich untermauert. Seine historischuen Teile sind Missbrauch von Geschichte, wer sie liest, wird eher dumm als klug, seine Tiraden gegen Keynes, Ökonomen und andere Wissenschaftler sind plump und dumm, und seine Ideen über Kunst extrem anmaßend. Es gibt ein paar gute Stellen, etwa über Gold und hartes Geld, aber das hätte man auch auf 20 Seiten untergebracht.

      • Vielen Dank für die Hintergrundinfos, das mit Covid-19 bei Taleb ist an mir vorbeigegangen.

        Ich habe (wahrscheinlich bewusst) mit 80-90% Übereinstimmung bei seinem Paper übertrieben, dennoch hat es einige valide Punkte, wenn auch nicht vernünftig argumentiert wie z.B. der erste Kommentar, dass das System von Minern abhängig ist und sich ein stabiler Fee Markt entwickeln muss, damit Bitcoin ohne Coinbase Rewards sicher bleibt. Das sehe ich ehrlich gesagt nicht kommen, denn Transaktionen müssten Faktor x100-1.000 kosten (und Blöcke dabei voll werden), um alleine die aktuelle Hashrate beizubehalten.

        Und: Solange Bitcoin hauptsächlich Spekulationsobjekt ist, sehe ich keine Möglichkeit, dass die Volatilität sinkt und damit zum akzeptablen Zahlungsmittel im Handel wird (ohne sofortige Fiat-Brücke). Da trauere ich den Blocksize Wars hinterher, da man damals wohl das Momentum verpasst hat, als sich Bitcoin tatsächlich hätte etablieren können, aber durch die darauffolgenden Forks, Fee „Events“ und Co. ist es (bis auf Spekulation) komplett verpufft. Ich bleibe bei der Meinung, dass ein Asset nur dann langfristig als Wertspeicher dienen kann, wenn es eine solide Nachfrage jenseits der Spekulation gibt. Bei Gold ist diese traditionell durch Schmuck, Religion aber auch in der Technologie gegeben, Bitcoin müsste ein breit akzeptiertes Zahlungsmittel werden, um diesen Status zu bekommen… Dann wären wir bei ganz anderer Liquidität und ein Tweet von Elon Musk könnte nicht zu Sprüngen von über 10% führen. Die Extreme davon ist mittlerweile NFT, wobei ich Bitcoin an sich das „Original“ NFT nennen würde… Dabei geht es nicht um Kunst, sondern pure Spekulation, dass jemand irgendwann noch mehr dafür bezahlen wird. Bitcoin würde ich alleine wegen der fehlenden Fungibilität als NFT bezeichnen, denn die Berichte von eingefrorenen Accounts auf Börsen wegen schmutziger Coins mehren sich auf Reddit und Twitter.

        Werde wohl Ammous‘ Buch nochmal in die Hand nehmen, um die Stellen über Gold und hartes Geld (nochmal) durchzulesen, ich bin mir gar nicht sicher, ob ich damals überhaupt so weit gekommen bin, weil ich es von Anfang an ziemlich grausam fand. Es könnte tatsächlich sein, dass er mit seiner plumpen Art vielen Bitcoinern aus der Seele spricht…

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