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„Wir leisten nur humanitäre Hilfe. Wir rüsten keine Soldaten aus, sondern nur Freiwillige, mit Nahrung, Transportmitteln und Medizin, aber auch Schutzausrüstung.“

Rev Miller von Unchain.fund.

Ukrainische Krypto-Unternehmen verbinden sich mit Unchain.Fund – einer Spendenorganisation, die so dezentral und transparent wie möglich humanitäre Hilfe im Kriegsgebiet leistet. Einer der Organisatoren erzählt uns im Interview, wie sie durch Kryptowährungen helfen können.

Hallo, vielen Dank, dass du mir ein Interview gibst. Bitte erzähle zuerst etwas über dich …

Ich heiße Rev Miller, und ich verbringe gerade die meiste Zeit damit, Unchain zu helfen. Ich bin in Charkiw augewachsen, der zweitgrößten Stadt der Ukraine. Ich arbeite seit vier Jahren im Blockchain-Space, mit Token, Börsen und dem Metaverse. Derzeit arbeite ich an Atlantis World, einem Web3-Metaverse-Projekt, und Witnet, einem dezentralen Orakel.

Eigentlich lebe ich in Kiew. Aber ich bin kurz vor Kriegsausbruch mit meiner Familie nach Dubai geflogen, und nun kann ich nicht mehr zurück. Ich habe Freunde und Familie in der Ukraine. Ich verstehe, wie hart die Situation dort ist, und tue mein Bestes, von hier aus zu helfen.

Wenn ich es richtig verstehe, ist Unchain.fund eine Initiative von ukrainischen Blockchain-Startups, richtig?

Ja, als der Krieg ausbrach, diskutierte eine Gruppe von Leuten der Branche darüber, wie man einen Fond mithilfe von Blockchain-Technologien starten kann. Ich hatte schon zuvor ähnliche Ideen gehabt, und so haben wir es zusammen organisiert.

Im Kern verwalten wir Spenden in verschiedenen Kryptowährungen durch Multisig-Accounts. So kann niemand mit ihnen verschwinden. Dabei sind sowohl ukrainische als auch internationale Vertreter des Blockchain Space beteiligt. Seit heute unterstützt uns etwa auch Dima Buterin, der Vater von Vitalik Buterin von Ethereum.

In der Ukraine gibt es viele Krypto-Startups, etwa Weld Money, Atlantis und andere. Viele Projekte haben Wurzeln in der Ukraine. Der Solana-Gründer kommt etwa aus derselben Stadt wie ich, aus Charkiw. Dazu haben wir viele Partner aus dem Ausland, etwa Near, Bitcoin, Gnosis und andere, die mit uns verbunden sind, weil sie Ukrainer unter ihren Gründern und im Team haben.

„Es ist schwierig, wieder in den Alltag zurückzufinden, wenn Freunde und Familienmitglieder bombardiert werden.“

Wie ist es, derzeit ein Blockchain-Startup in der Ukraine zu sein? Arbeiten deine Freunde und Kollegen noch, oder sind alle im Kriegsmodus?

Viele arbeiten nun für den Unchain Fond. Manche in Vollzeit, manche in Teilzeit, manche nehmen an Calls teils oder signieren Multisig-Transaktionen.

Derzeit sind noch viele geschockt, und wir sind in der Krise. Alles bewegt sich und verschiebt sich, von der Arbeit zur Hilfe. Die Situation ist, um es harmlos auszudrücken, verrückt. Es ist schwierig, wieder in den Alltag zurückzufinden, wenn Freunde und Familienmitglieder bombardiert werden.

Aus humanitärer Perspektive macht es für uns und viele Leute einen riesigen Unterschied, den Blockchain-Space zu kennen und zu verstehen. Wir finanzieren zum Beispiel Nahrungsmittel und Medizin für tausende von Leuten. Auch Equipment für Freiwillige, die Nahrungsmittel und Medizin verteilen und Kinder oder älteren Menschen helfen. Das würden wir ohne die Branche nicht schaffen.

Was unterscheided Unchain von anderen Wohltätigkeitsorganisationen oder dem Fundraising der ukrainischen Regierung?

Wir haben einen hybriden Ansatz: Wir verteilen das Geld an andere Organisationen, aber auch an Freiwillige, denen wir vertrauen.

Freiwillige Helfer, die Geld brauchen, können sich bei uns bewerben, und wir entscheiden in der Community, wen wir unterstützen. Die Freiwilligen kaufen die Güter, die sie brauchen, und wir bezahlen die Rechnung. Auf die Art haben wir mehr Transparenz und Kontrolle, als wenn wir an Hilfsorganisationen spenden. Auf Google-Drive kannst du Bilder von Auslieferungen und von Rechnungen sehen. Wir versuchen, so transparent wie nur möglich vorzugehen.

Die meisten von uns sind aus der Ukraine, und viele bleiben auch dort, egal was passiert. Daher sehen und verstehen wir, was das Geld macht und was geschieht. Wir nutzen soziale Medien, wie Telegram, Twitter oder Discord, um Transparenz zu schaffen und die Geschichten zu teilen. Wir sind eher wie eine DAO, eine dezentrale autonome Organisation, als wie eine klasische Hilfsorganisation.

„Es ist ein wenig wie bei einem Startup.“

Es ist sicherlich viel Arbeit, mit den Freiwilligen zu arbeiten, oder?

Ja, wir sind derzeit 30 Leute, die in Vollzeit mit bisher rund 100 unterschiedlichen Freiwilligen arbeiten. Wir kümmern uns um externe und interne Prozesse, um PR und Marketing. Im Grunde sind wir alle Freiwillige, da wir nichts verdienen, sondern helfen wollen.

Wir haben ein Formular auf einer Webseite, durch das sich Freiwillige bewerben können. Sie müssen angeben, wer sie sind, wie sie das Geld verwenden, und wie sie es beweisen können. Das prüfen wir dann, was natürlich viel Arbeit ist, aber auch schnell gehen muss. Hilfe bekommen wir von einer Audit-Firma, die mit ukrainischen Blockchain-Startups arbeitet.

Was fehlt euch derzeit am meisten?

Unser Ziel ist es gerade, Aufmerksamkeit für den Fond zu schaffen, Geld zu sammeln, Leuten zu helfen und alles so transparent wie möglich zu machen. Wenn wir transparent sind, vertrauen uns die Leute; wenn uns die Leute vertrauen, bekommen wir mehr Geld; und wenn wir mehr Geld haben, können wir mehr helfen.

Wir können nicht alle persönlichen Daten wie Ausweise und so weiter veröffentlichen. Aber wir bemühen uns, in den sozialen Medien Details und Geschichten zu teilen. Es ist für uns wichtig, dass die Zahlungen auf der Blockchain stattfinden, das erlaubt es jedem, Teil unserer Community zu werden.

Intern arbeiten wir daran, effizienter zu werden und Prozesse zu verbessern. Es ist ein wenig wie bei einem Startup.

Das ist interessant. Eigentlich wollte ich aber darauf hinaus, was auf dem Boden fehlt, also in der Ukraine …

Ah, ok. Ich würde sagen, es fehlt überall an Ressourcen. Man braucht Medizin, aber auch Schutzausrüstung, um sie dorthin zu bringen, wo sie benötigt wird. Wir leisten nur humanitäre Hilfe. Wir rüsten keine Soldaten aus, sondern nur Freiwillige, mit Nahrung, Transportmitteln, Medizin, aber eben auch Schutzausrüstung.

Unsere Freiwilligen beschützen auch Krankenhäuser und Zivilisten, etwa indem sie sie aus bombardierten Regionen evakulieren. Viele Leute bleiben in der Ukraine, um zu helfen, etwa mein Vater, der mittlerweile 60 ist. Er könnte das Land verlassen, hat sich aber entschieden, zu bleiben. Viele sind wie mein Vater.

„Die Unterstützung durch die Blockchain-Communities ist unglaublich.“

Ihr akzeptiert verschiedene Kryptowährungen für Spenden. Wir übersetzt ihr sie in die notwendigen Güter?

Wir akzeptieren zehn verschiedene Kryptowährungen: Bitcoin, Ether, Binance (BSC), Polygon, Harmony, Near, Avalanche, Celo, Terra und IoTeX. Wenn eine Kryptowährung nicht Multisig-fähig ist, arbeiten wir mit den Foundations zusammen, die Coins sammeln und uns schicken, etwa bei IoTeX.

Wenn uns die Freiwilligen Rechnungen schicken, bezahlen wir sie entweder mit den Kryptowährungen, wenn sie das akzeptieren, mit Euro oder Dollar, wenn sie Waren im Ausland kaufen, etwa Medikamente, und mit Hrywna, wenn sie in der Ukraine einkaufen, etwa Lebensmittel. Ein Beispiel ist ein Restaurant, das kostenlos für alle kocht. Wir bezahlen die Rechnung für die Nahrungsmittel.

Um die Kryptowährungen zu wechseln, benutzen wir verschiedene Börsen, in der Ukraine etwa Kuna oder WhiteBIT, die weiterhin operieren, aber auch internationale Börsen. Zum Teil helfen uns aber auch Freunde und Kollegen, indem sie die Coins kaufen. Die Unterstützung durch die Blockchain-Communities ist unglaublich.

Ihr habt bereits mehr als vier Millionen Dollar eingeholt, aber nur 700.000 verteilt. Dafür wurdet ihr auch schon kritisiert. Warum ist das so?

Diese Woche planen wir, weitere 3 Millionen Dollar zu verteilen. Wir haben etwas Zeit gebraucht, um alles zu koordinieren.

Bei uns bewerben sich jeden Tag zahlreiche Freiwillige, derzeit mehr als Hundert. Unsere Herausforderung ist es, genügend Geld für sie einzusammeln, mit ihnen zusammen zu arbeiten und dabei ständig Transparenz zu schaffen.

Um sich zu bewerben, reichen die Freiwilligen Daten ein. Wir prüfen diese, etwa ihre Identität, wofür uns ein Unternehmen hilft, das im normalen Leben für Banken die Kundenidentitäten verifiziert. Wenn wir die Bewerbung annehmen, beginnen wir mit kleinen Beträgen, etwa 500 Dollar, und wenn es funktioniert, erhöhen wir sie sukzessive.

Damit verhindern wir, dass wir ausgenutzt werden. Wir lehnen etwa sieben Prozent der Bewerbungen ab, weil sie wohl Betrug sind, und nochmal 15-20 Prozent, weil sie nicht genügend Beweise liefern können oder Mittel für etwas verlangen, das wir nicht unterstützen, etwa die Bewaffnung von Soldaten.

„Sie nennen es eine ‚Spezialoperation‘. Das ist verrückt.“

Gibt es Projekte, auf die du besonders stolz bist?

Ja, natürlich. Wir helfen Zehntausende mit Nahrungsmitteln, wie mit dem Restaurant. Dann ist da ein Mann, der wurde aus einem getroffenen Auto gezogen. Er hat überlebt, aber hatte kein Geld für die medizinische Versorgung. Wir bezahlen für ihn das Krankenhaus und die Medikamente.

Wir sind auf so vieles stolz. Etwa wenn wir Kindern, die in der Metro Schutz suchen, Nahrungsmittel bringen, oder sie aus einer bombardierten Region evakuieren. Es gibt so viele Geschichten. Sie sind alle unterschiedlich, haben aber gemeinsam, dass sie uns vereinen und stärker machen.

Ist die Internetverbindung in der Ukraine gut genug, um Blockchains zu benutzen, über Telegram oder Twitter zu kommunizieren und Webseiten zu aktualisieren?

Der größte Teil der Ukraine ist weiterhin mit dem Internet verbunden. In manchen Gegenden wird es langsamer oder fällt aus. Die russische Armee – ich kann sie nicht so nennen, es sind Terroristen – hat bei Kiew und anderen Großstädten Leitungen durchschnitten.

Sie nennen es eine „Spezialoperation“. Das ist verrückt. Zivilisten sterben, ich habe auch enge Freunde meiner Familie verloren. Sie bombardieren Gebäude, viele sterben oder verlieren alles. Es ist eine schwere Situation, und wir tun unser Besten, um Menschen und unser Land zu retten.

Stehen Ukrainer weiterhin in Kontakt mit Russen? Ich habe gehört, viele Russen fliehen derzeit nach Dubai. Tauscht ihr euch aus?

Die Leute in der Ukraine und in Russland wissen, dass niemand Krieg will. Ich habe eine Menge Freunde in Russland, und ich liebe sie! Es sind die Politiker, die den Krieg wollen, und deswegen leiden so viele Menschen, Millionen von ihnen.

Aber die Leute in Russland tragen auch eine Verantwortung für das, was passiert. Wenn man still bleibt und nicht protestiert, bedeutet das, dass man es unterstützt. Ich weiß, dass Russland Leute, die aufstehen und ihre Meinung sagen, hart bekämpft. Die Zensur ist unglaublich, es ist wie bei George Orwells 1984.

Ich weiß auch, dass durch die Sanktionen der Krieg zu einer Krise in Russland wird. Aber das kann man nicht damit vergleichen, dass derzeit Menschen in der Ukraine sterben.

“ Ich habe noch niemals so eine Macht der Vereinigung gesehen.“

Was wäre nötig, damit die russischen Politiker den Krieg stoppen?

Ich finde, diejenigen, die die Macht hatten, einen Krieg zu beginnen, sollten nicht diejenigen sein, die weiter Entscheidungen treffen, da ihre Entscheidung zum Krieg fundamental falsch war. Entscheidungen sollten von Leuten getroffen werden, die die Menschlichkeit schätzen.

Russland sollte von der Geschichte der Ukraine lernen. Wir kämpfen für unsere Freiheit. Wer nicht für seine Freiheit kämpft, verdient sie nicht.

Es ist so surreal, was in Russland passiert. Sie stecken Kinder ins Gefängnis, weil sie sagen, dass sie keinen Krieg wollen. Polizisten greifen Leute an, sie schlagen Kinder und Frauen. Das ist keine Polizei mehr, das sind Terroristen. Und doch haben so viele Leute die Courage, zu protestieren, obwohl sie wissen, dass sie dafür ins Gefängnis müssen.

Gibt es etwas, das dir derzeit Hoffnung macht?

Eine Sache, die die Russen – ich kann sie keine Soldaten nennen, sodern nur Terroristen – nun verstehen, ist das: Ukrainer werden ihr Land und ihre Familien nicht aufgeben. Sie werden für die Freiheit sterben. Seit der Krieg begann, haben sich die Ukrainer vereinigt wie niemals zuvor. Ich habe noch niemals so eine Macht der Vereinigung gesehen.

Wir verteidigen unser Land. Wir sind keine Angreifer, sondern Verteidiger. Die Russen wissen nicht, wofür sie kämpfen. Ukrainer kämpfen für alles. Das ist eine ganze andere Energie und ein ganz anderer Wille, zu gewinnen.

Ich hoffe sehr, dass der Krieg bald diplomatisch beendet wird, um das Bluten und Töten zu stoppen. Ich will das wirklich. Aber ich will nicht, dass Russland bekommt, was es will. Russland will uns als Ukrainische Nation zerstören. Das wird niemals geschehen.

Über Christoph Bergmann (2802 Artikel)
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1 Kommentar zu „Wir leisten nur humanitäre Hilfe. Wir rüsten keine Soldaten aus, sondern nur Freiwillige, mit Nahrung, Transportmitteln und Medizin, aber auch Schutzausrüstung.“

  1. Sieg für die Ukraine. Fuck Putin die Ratte.

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