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Die Miner müssen ihre „HODL-Strategie“ aufgeben

Stollen in einem verlassenen Bergbau in Deutschland. Bild von Marcus Horstbrink via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Mit am stärksten unter dem Verfall der Bitcoin-Preise leiden die Miner. Dies äußert sich nun in einer Art Mini-Kapitulation: Nachdem andere Finanzierungsquellen versiegen, müssen sie die angehäuften Bitcoins verkaufen.

Mining ist eine Art prozedurale Umwandlung von Fiatgeld wie Dollar in Bitcoin: Die Miner kaufen sich mit Dollar eine Hardware (einen Asic-Miner), und sie bezahlen mit Dollar, Euro und so weiter den Strom, der nötig ist, um die Hardware zu betreiben. Als Ertrag erhalten sie entsprechend ihrer Hashleistung Bitcoins.

Wenn der Bitcoin-Preis nun sinkt, werden die Gewinnmargen enger, und viele Mining-Geräte sind nicht länger profitabel. Bei Stromkosten von 7,5 Dollar-Cent und einer Poolgebühr von 3 Prozent trifft dies etwa die Antminer T17 – Baujahr 2019. „Der Output liegt zu jeder Zeit unter den Stromkosten. Daher raten wir den Minern, die Geräte abzuschalten, um Verluste zu vermeiden,“ schreibt der Cloud-Miner Bitdeer.

Collin Wu fügt in seinem wöchentlichen Mining-Newsletter hinzu, dass laut Statistiken von F2Pool die neueste Generation von Antminern, die S19, bei einem Preis von etwa 10.000 Dollar unrentabel werden. Da die Miner von Bitmain zu den effizientesten gehören, dürfte diese Schwelle für alle Geräte auf dem Markt gelten. Es würde interessant sein, zu erfahren, was bei einem Sturz unter 10.000 Dollar geschieht.

Hashrate des Bitcoin-Netzwerkes nach Blockchain.com

Die große Frage ist, wie lange es die Miner durchhalten, mit Verlusten zu arbeiten, und ab wann sie beginnen werden, Farmen in großem Umfang abzubauen. Bisher gibt es zwar einen Knick in der Entwicklung der Hashrate seit dem Alltzeithoch am 21. Mai. Doch eine echte Kapitulation ist im langfristigen Verlauf in keinster Weise sichtbar.

Sichtbar ist aber eine Änderung der Strategie, um den Betrieb zu finanzieren.

Die HOLD-Strategie

Während der letzten Jahren sind die meisten Miner eine „HODL-Strategie“ gefahren: Sie haben es um jeden Preis vermieden, die geschürften Bitcoins zu verkaufen.

Das ist einigermaßen konsequent: Denn ein Miner wäre kein Miner, wenn er nicht auf steigende Preise setzen würde. Mining bedeutet, das eingesetzte Kapital über den Verlauf mehrerer Jahre schrittweise und mit einem Rabatt in Bitcoin zu konvertieren. Anders als ein Investor, der jederzeit verkaufen kann, begibt sich ein Miner langfristig in Abhängigkeit vom Erfolg von Bitcoin.

Im Zuge dieser „HODL-Strategie“ haben die Miner vor allem zwei Quellen angezapft, um Strom und Miete zu bezahlen, ohne Bitcoins zu verkaufen:

Viele Miner haben Aktien ausgegeben, vor allem die Miner Nordamerikas: etwa Core Scientific (CORZ), Marathon Digital (MARA), Riot Blockchain (RIOT), Bitfarms, Hut 8, Hive und Argo Blockchain. Die Aktien bringen vor allem zwei Wertversprechen an die Börse: den Betrieb der Farmen sowie die angehäuften Bitcoin-Bestände. Dies hat im vergangenen Jahr hervorragend funktioniert, als sämtliche Mining-Aktien Höchstwerte erreicht haben.

Zum Teil haben die Miner auch Darlehen in Dollar und anderen Fiatgeldern aufgenommen, die durch eben jene Bitcoins als Sicherheit gedeckt waren.

So gelang es den Minern, große Mengen Bitcoins anzusammeln, und auf deren Grundlage den Betrieb zu finanzieren, ohne sie abzustoßen. Arcane Research ermittelte Mitte Mai, auf welchen Bitcoin-Schätzen einige der börsennotierten Miner saßen:

Im Bärenmarkt scheitert die Strategie

Im Mai und Juni mussten die Miner aber auf die harte Weise lernen,  schreibt Compass Mining, „dass diese Strategie nur solange funktioniert, bis sie nicht mehr funktioniert.“

Die Aktienkurse der Miner waren schon das ganze Jahr über unter Druck, und die Profitabilität bereits auf Kante genäht. Nach dem Kollaps der Preise im Mai und Juni stürzten sie vollends ein. Die meisten Aktien haben 80, einige mehr als 90 Prozent verloren.

Auch die Darlehen, die durch Bitcoin gedeckt wurden, werden teilweise fällig, weil der Wert der als Sicherheit hinterlegter Coins geschmolzen ist. Manche Plattformen, die Dollar gegen Bitcoin-Sicherheiten verleihen, etwa Celsius oder Babel Finance, sind insolvent, andere agieren zunehmend konservativ.

Es kommt zu einer Art Liquiditätsengpass. Die „HODL-Strategie“ scheitert, und die Miner sind gezwungen, ihre Operationen durch andere Quellen zu finanzieren: durch den Verkauf von Bitcoins.

Man kann das als eine Art kleine Kapitulation verstehen: Allein im Mai hat Core Scientific 2.598 Bitcoins verkauft, Riot Blockchain 250, und Argo Blockhain 427 BTC. Collin Wu ergänzt, dass die öffentlich gelisteten Miner im Mai 4.411 Bitcoins verkauft haben, was heute knapp 90 Millionen Euro entspricht.

Dies ist etwa vier Mal so viel als in den ersten Monaten 2022, in denen sie im Schnitt je 1.115 Bitcoins abgestoßen haben. Dennoch hielten diese Miner Ende Mai weiterhin 46.594 Bitcoins; gut 9.000 davon besitzt Marathon, die es bisher geschafft haben, keine Coins zu verkaufen.

Auch wenn für Juni noch keine vollständigen Zahlen vorliegen, besteht wenig Hoffnung, dass sich der Trend geändert hat. Der Miner Bitfarms schreibt vor kurzem, er habe „seine HODL-Strategie angepasst“, um „die Liquidität zu verbessern und die Bilanz zu stärken.“ Das Unternehmen hat 3.000 Bitcoin für etwa 62 Millionen Dollar verkauft, und mit einem Teil davon Darlehen zurückgezahlt, die durch Bitcoins gedeckt waren. Bitfarm besitzt weiterhin 3.349 Bitcoins; anders als bisher wird der Miner einen Teil der geschürften Coins auf den Markt werfen, um die Kosten zu decken.

Bitfarms ist sicherlich nicht der einzige Miner, dem es so geht, auch wenn es nicht jeder an die große Glocke hängt. Einigermaßen vollständige Infos über die börsennotierten Miner werden wir vermutlich erst im Juli haben.

Die Dunkelziffern

Wie viele Bitcoins aber insgesamt noch bei den Minern liegen, ist eine sehr schwierige Frage. Bei den öffentlich gehandelten großen Minern wird dies bekannt gegeben. Aber was ist mit den kleineren? Mit den privaten? Mit denen, die nicht börsennotiert sind?

Die drei größten börsennotierten Miner – Marathon, Core Scientific und Riot – stellen laut CompassMining gut 45 Exahash, was knapp ein Viertel der aktuellen Hashrate von etwas mehr als 200 Exahash ausmacht. Es dürfte also einen nicht unerheblichen Anteil von Minern geben, die nicht auf den Börsen gelistet sind.

Auf sie geben Onchain-Analysen einige Hinweise. Diese sind aber, wie der Analyst Coinmetrics am 22. Juni durchexerziert, nicht unbedingt einfach zu deuten. Wenn ein Pool einen Block findet, verteilt er die geschürften Bitcoins an die beteiligten Miner. Coinmetrics nennt diese die „1-Sprung-Miner“. Beispielsweise hat der Pool ViaBTC am 1. Juni 2022 insgesamt 223 Bitcoin an 60 einzelne Adressen ausgezahlt.

Insgesamt gibt es 2,9 Millionen Bitcoin-Adressen, die über einen Sprung von den Pools Bitcoins erhalten haben und daher wohl ins Mining involviert waren. Auf diesen Adressen liegen insgesamt 2,6 Millionen Bitcoins. Das sind 13,6 Prozent aller Bitcoins. So viele Coins wurden also geschürft und nie bewegt, seit es Mining-Pools gibt (also seit 2010 oder 2011).

Wenn man die Daten auf das Jahr 2022 eingrenzt, bleiben noch 34.000 solche Adressen übrig, die 125.000 Bitcoins halten. Mit einigen weiteren Heuristiken kann Coinmetrics die Anzahl auf 28.000 Adressen eingrenzen, die zusammen 55.000 Bitcoins halten.

Dieser Wert ist im Lauf der letzten Wochen erheblich gesunken, von etwa 75.000 auf 55.000. Die Miner werfen ihre Coins also auf den Markt, und zwar in einem deutlich größeren Umfang, als die Informationen über die börsennotierten Miner zeigen. Andererseits haben die Miner das ganze Jahr über Bitcoins akkumuliert, und ihre Bestände sind im Juni erst auf das Niveau von April gefallen.

Der Chart ist weiterhin sehr unscharf, etwa, weil er keine Daten darüber enthält, wie viele Miner noch Coins halten (oder abstoßen) die sie 2021 geschürft haben. Trotz dieser etwas nebulösen Datenlange sind zwei grobe Erkenntnisse nicht zu bezweifeln:

Erstens funktioniert die „HODL-Strategie“ der Miner nicht länger, weshalb sie seit Mai sehr viel mehr Coins auf den Markt werfen als in den Monaten und Jahren zuvor. Zum Teil werden sie daduch gezwungen, da mit Bitcoin gedeckte Darlehen fällig werden. Weil die Miner große Mengen Coins angehäuft haben, landen teilweise übermäßig große Summen auf den Börsen. Diese Liquidierung kann zum Teil erklären, weshalb die Kurse im Juni so stark gefallen sind.

Zweitens halten die Miner weiterhin Bitcoins in beträchtlichen Mengen. Sie hoffen weiter auf steigende Preise und versuchen, es durch das Tal zu schaffen, ohne mehr Bitcoins zu verkaufen, als notwendig. Bitcoins zu halten ist für sie weiterhin eine wichtige Grundlage des Geschäftes. Sollte die Flaute aber anhalten, könnte es notwendig sein, dass sie noch mehr Bitcoins verkaufen. Sie werden allerdings jederzeit gerne bereit sein, die „HODL-Strategie“ zu reaktivieren.

Über Christoph Bergmann (2796 Artikel)
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5 Kommentare zu Die Miner müssen ihre „HODL-Strategie“ aufgeben

  1. Kaufen,kaufen,kaufen.Wer nicht hört muss zahlen.

  2. Wer macht POW wenn die Miner nicht mehr arbeiten und keine nächsten Blöcke an die Blockchain hängen, weil sie die Kosten nicht mehr stemmen können?

    • Das ist wie in der Gastronomie. Gibt der eine Gastronom auf, kommt bald der Nächste und versucht sein Glück!

    • Mit höherer Hashrate wächst auch die Mining Schwierigkeit, einen Block zu finden, allerdings alle 2.016 Blöcke. Das funktioniert grob gesagt, dass die letzten 2.016 Blöcke und die Zeit, die dafür benötigt wurde, zugrunde genommen werden und die Abweichung zur „gewünschten“ Block Frequenz alle 10 Minuten berechnet wird. Liegt die tatsächlich benötigte Zeit über 20.160 Minuten, wird die Schwierigkeit entsprechend heruntergesetzt, liegt die Zeit darunter, wird die Schwierigkeit hochgesetzt. Die Schwierigkeit besteht vereinfacht darin, dass der Hash aller Transaktionen, des letzten Blocks und einer Zufallszahl (Nonce) bestimmte Voraussetzungen erfüllen muss, die zufällig aussehende Zeichenfolge muss vereinfacht mit X Nullen anfangen, der letzte Block hat z.B. den Hash 0000000000000000000079bf327f3a4bfba8b9d799a80edb5a4831cb4b323247. Miner spielen also Lotterie und der erste, der mit Hilfe seiner Zufallszahl einen passenden Block findet, veröffentlicht ihn und das passiert im Optimalfall alle 10 Minuten.

      Bei üblichen Schwankungen der Schwierigkeit ist das kein Problem, die paar Prozent Änderung stecken Miner in der Regel problemlos weg und man merkt kaum etwas davon, ob Blöcke ggf. im Schnitt alle 9 oder 11 Minuten auftauchen. Etwas anders ist das, wenn plötzlich ein großer Teil der Hashrate wegbricht, denn dann brauchen die übrigen Miner spieltheoretisch länger um Blöcke zu finden und es dauert deutlich länger als 21.160 Minuten für die nächste Schwierigkeitsanpassung und Transaktionen brauchen länger für eine Bestätigung, es passen auch weniger Transaktionen pro Zeit auf die Blockchain, zuletzt beim Mining-Ban in China sichtbar geworden. Beim Halving alle 4 Jahre müsste die Hashrate theoretisch auch einbrechen, aber bislang stieg der Preis immer entsprechend und man hat kaum Hashrate Verluste gesehen, das ist aber kein Naturgesetz und theoretisch sollten Transaktionsgebühren die Base Rewards ersetzen. Problem ist nur, dass das selbst bei heutigen Kursen 75$ pro Transaktion sein müssten, um die Sicherheit auf mindestens heutigem Level zu erhalten. Eigentlich sind Transaktionsgebühren also ein besseres Reward-System, vorausgesetzt die Nachfrage nach Transaktionen ist konstant. Denn der Bitcoin-Kurs spielt dann keine große Rolle, wenn User wissen, dass eine Transaktion immer etwa X Dollar kostet, dann passt die Wallet die Gebühr in BTC entsprechend an. Base Rewards von aktuell 6,25 BTC pro Block sind in Dollar dagegen genauso volatil wie der Bitcoin Kurs an sich, allerdings sind sie verlässlich, egal ob gerade viel Nachfrage nach Transaktionen besteht, oder nicht.

      Ich wage zu bezweifeln, dass Bitcoin auf lange Sicht Blöcke mit Transaktionen zu im Schnitt 75$ voll bekommen kann. Selbst für das Onboarding von Lightning Channels ist das extrem viel und Bitcoin wäre allenfalls für Banken, große Unternehmen und Reiche eine Option. Ich habe seit spätestens der Blocksize Debatte davor gewarnt, auch hier im Blog in den Kommentaren nachzulesen, dass eine starre Block Size mit den Halvings auf Dauer nicht vereinbar ist, mittlerweile sehen das einige Bitcoiner wie Peter Todd genauso, erst gestern habe ich ihm darauf geantwortet:
      https://twitter.com/janowitz/status/1540072846088671234

      Was wird also passieren? Es bleiben nur die wenigen profitabelsten Miner übrig, die ihren Strom praktisch kostenlos beziehen können, die Hashrate, Dezentralisierung und am Ende Sicherheit des Netzwerks wird auf lange Sicht darunter leiden, wenn man nicht irgendwann eine Hard Fork durchführt und die Block Size sukzessive mit den Halvings erhöht, damit sich ein vernünftiger Gebührenmarkt entwickeln kann und Blöcke mit vielen günstigen Transaktionen finanziert werden können oder man muss bei irgendeinem Halving bestimmen, dass es das letzte Halving ist und ab dann z.B. 0,5 BTC pro Block ausgeschüttet werden. Alle, die jetzt „Inflation“ aufschreien sollten sich mal überlegen wie hoch die aktuelle Inflation bei Bitcoin ist… z.B. 0,5 BTC pro Block wären anfangs eine Inflation von 0,125% jährlich und durch die leicht steigende Coin Menge würde diese weiter gegen Null sinken, diese aber nie erreichen. Bei Monero heißt das „Tail Emission“ und ist bereits seit einigen Tagen aktiv, bei 0,6 XMR pro Block, was 0,87% jährlicher Inflation bedeutet. Was bringt es? Selbst wenn keine Transaktionen vorhanden sind, lohnt es sich für die Miner, nächste Blöcke zu finden. Bei Bitcoin werden rationale Miner erst anfangen, den nächsten Block zu suchen, wenn es sich statistisch für sie lohnt, also genügend hochpreisige Transaktionen im Mempool sind.

  3. Angela Shaffer // 5. Juli 2022 um 14:22 // Antworten

    Ach so !

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