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Französische Großbank Société Générale nimmt 30-Millionen-Dollar-Darlehen von Maker DAO auf

Hauptgebäude der Société Générale in Paris. Bild von Jacques Paquier via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Eine der größten Banken der Welt wagt sich mit Haut und Haaren in die DeFi-Welt: Die Société Générale hinterlegt ihr OHF-Token, um sich bei einer Dezentralen Autonomen Organisation (DAO) ein Darlehen in DAI-Dollar zu nehmen. Anders gesagt: Die Maker DAO wird zur Zentralbank einer echten Bank.

Wer diese Meldung ignoriert ist selbst schuld: Die Société Générale FORGE, die Abteilung für digitale Assets der französischen Großbank, möchte sich von der Maker DAO 30 Millionen DAI leihen und dafür die von ihr herausgegebenen OHF Token als Kollateral hinterlegen. Dazu hat sie einen Vorschlag eingebracht, über den die Maker DAO derzeit abstimmt.

Dieser Vorgang mag etwas bürokratisch klingen. Aber er ist ohne Zweifel historisch: Er ist ein Meilenstein in der Verschmelzung klassischer Finanzinstitute mit Blockchains. Sowohl die Maker DAO als auch die  Société Générale lassen sich auf etwas Neues ein.

Vielleicht hilft ein Vergleich, die Bedeutung zu verstehen: Wenn die Volksbank beginnt, Bitcoin-Automaten aufzustellen oder Bitcoins zu verkaufen, dann ist das so, als würde jemand den Zeh vorsichtig in ein Planschbecken tauchen. Die Société Générale dagegen fährt aufs offene Meer und springt hinein.

Da so vieles neu ist und teilweise in esoterische Höhen des klassischen und dezentralen Finanzwesens reicht, werden wir hier Schritt für Schritt erklären, was vor sich geht.

Die Blockchain-Experimente der Société Générale

Beginnen wir mit der Société Générale. Das ist eine der größten Geschäftsbanken Frankreichs und Europas. Sie hat fast 150.000 Mitarbeiter und eine Bilanzsumme von mehr als einer Billion Euro. Das globale Financial Stability Board stuft sie als systematisch bedeutsames Finanzinstut für die globale Wirtschaft ein, das besonders zu überwachen ist. Sie ist eine jener Banken, die so groß sind, dass sie nicht scheitern dürfen.

Mit SG FORGE hat die Société Générale ein Startup gegründet, welches an der Schnittstelle des klassischen Bankenwesens und Blockchains experimentieren soll. Sein erstes Projekt war die Herausgabe der OHF-Token („obligations de financement de l’habitat“) im Jahr 2019. Diese Security Token repräsentieren Pfandbriefe („Covered Bonds“) nach dem französischen Recht: Anleihen, die von der herausgebenden Bank besichert sind, im Umfang von 100 Millionen Dollar als ERC-Token auf der Ethereum-Blockchain.

Die OHF-Token haben keine allzu aufregenden Eigenschaften: Sie geben Euro wieder, sind unverzinst und dürfen nur außerbörslich gehandelt werden („OTC-Handel“, „Over The Counter“). Anders gesagt: Sie sind Stablecoins, die mit einem AAA-Rating mehrerer Agenturen besonders solide wirken, aber in ihren Funktionen etwas eingeschränkt sind.

Aufregend ist jedoch ein kleiner, aber entscheidender Unterschied zu vergleichbaren Projekten deutscher Banken. So hat etwa das Bankhaus von der Haydt zusammen mit BitBond ebenfalls Euro-basierte Token auf einer Blockchain herausgegeben. Allerdings auf der Stellar-Blockchain, die zwar technisch praktisch sein mag, aber ökonomisch faktisch leblos ist. Die OHF-Token dagegen laufen nach einem Standard auf Ethereum, einer nicht immer praktischen, aber ökonomisch hochvitalen Blockchain.

Es gibt Token, und es gibt Token

Und an der Stelle wird es spannend: Solange ein Security Token nur ein Token ist, das man speichern und überweisen kann, passiert nicht viel. Papier wird zu Token, Datenbank zu Blockchain. Überweisungen sind vielleicht schneller und unter Umständen günstiger, aber das war’s. Es gibt zahlreiche Projekte deutscher Unternehmen, neben den Token des Bankhauses von der Haydt etwa die von Exporo, einem Portal für Investments in Immobilien. Sie alle zeichnen sich dadurch aus, dass sie in der Praxis weder aufregend noch bahnbrechend sind.

Denn diese Projekte verwenden Token auf eine Weise, dass sie sich zwar relativ nahtlos in bestehende Strukturen fügen, aber faktisch halbtot sind. Sie lassen sich nicht auf Blockchains ein, sondern wollen, dass sich diese an sie selbst anpassen.

Läuft das Token jedoch als ERC-Standard auf der Ethereum-Blockchain wie die OHF-Token, beginnt es zu leben. Es kommt jener Aspekt hinzu, der es interessant macht: Das Token wird programmierbar und interoperabel. Es kann eingelockt, kollateralisiert und auf die verrückteste und vielfältigste Weise in ein Netz von dezentralen und zentralen Finanzakteuren eingebunden werden. Die Idee hinter der Tokenisierung entfaltet sich.

Dass FORGE es wagt, diese Chance zu realisieren, ist phantastisch, und mir ist nicht bekannt, dass eine andere Großbank auch nur annährend ähnlich weit geht. Im September 2021 trat FORGE im Forum der Maker DAO auf, um sich für eine Refinanzierung eines Security Token zu bewerben.

Die Maker DAO

Die Maker DAO ist eine der ersten tatsächlich funktionierenden Dezentralen Autonomen Organisationen (DAO). Sie gibt den DAI-Stablecoin heraus, der an den Dollar gebunden ist und die Parität zu diesem seit der Gründung 2019 auch in schwierigen Marktsituationen erhält.

Die Schöpfung neuer DAI-Dollar funktioniert ähnlich wie die Schöpfung von Fiatgeld durch die Banken: Die Maker DAO vergibt sie als Darlehen. Anders als das Fiatgeld sind die DAI-Dollar aber nicht teilweise, sondern überkollateralisiert – der Empfänger des Darlehens hinterlegt andere Token, etwa Ethereum oder tokenisierte Bitcoins, als Sicherheit. Ein komplexer Mechanismus von Reserven und Auktionen sorgt dafür, dass die Sicherheiten im Falle eines Kurssturzes rechtzeitig liquidiert werden, um die Deckung der Dollar-Token zu erhalten.

Im Lauf der Zeit hat sich die Maker DAO merklich verändert. Sie wurde mehr oder weniger zur Vorzeige-DAO, und ihre Entwicklung zeigt, welche Potentiale, aber auch Herausforderungen darin liegen, eine DAO weiter zu bringen. So erweiterte sie das Spektrum der möglichen Kollaterale deutlich. Vor allem aber löste sie die anfänglich noch sehr aktive Maker Stiftung nach und nach in die DAO auf. Sogenannte „Core Units“ übernehmen in der DAO verschiedene Aufgaben, die auch an die echte Welt gekoppelt sind, und koordinieren sich durch Onchain-Mechanismen. Die echte Welt und die Blockchain verschmelzen.

Wenn eine Bank sich Geld von einer DAO leiht

Am 21. September stellte sich also FORGE im Forum der DAO vor, wo über solche Entscheidungen diskutiert wird. FORGE plant die folgende finanztechnische Operation:

Das Startup möchte die OHF-Token als Kollateral in den Vault der Maker DAO als Kollateral einlegen, um dafür ein Darlehen von 30 Millionen DAI-Dollar zu erhalten. Diese DAI-Dollar möchte es gegen US-Dollar wechseln und diese seiner Mutterfirma, der Société Générale, leihen, um dafür weitere OHF-Token im Umfang von 40 Millionen Euro zu erschaffen. Anders gesagt: Sie möchte weitere Einheiten von Stablecoin-artigen Token schaffen, und die Maker DAO soll eine Rolle dabei spielen, sie zu decken.

Diese Token-Refinanzierung wird explizit als Experiment vorgestellt, um traditionelle Kapitalmärkte mit DeFi zu verbinden. Dabei sollen die notwendigen rechtlichen Strukturen ausgelotet und aufgebaut werden, um Security Token besser in das französische Rechtswesen zu integrieren. Im Grunde genommen – und das ist die Sensation – übernimmt die Maker DAO eine Funktion, die eigentlich die Zentralbank übernimmt: Sie schöpft Geld, indem sie einer Bank ein Darlehen gibt.

Die zweite Sensation ist, dass die OHF-Token von der Maker DAO als Kollateral akzeptiert werden sollen. Damit geht erstmals eine Anleihe einer traditionellen Großbank in die Schatzkammer eines DeFi ein. Die Maker DAO wird damit ein wenig wie ein großer Fonds, der Assets aller Art aufsammelt, um auf deren Basis eine Währung zu stabilisieren. Dies ist der Punkt, über den derzeit die Maker DAO abstimmt. Die Abstimmung wird morgen zu Ende gehen; bisher ist die Zustimmung überwältigend.

Die Details zeigen, wie komplex mittlerweile der Betrieb der Maker DAO wurde, und wie vielschichtig in ihr Blockchain und echte Welt verschmelzen. So ist etwa die DIIS-Gruppe involviert, ein Pariser Finanzdienstleister, der die Maker DAO in diesem Fall repräsentiert. Denn anders als beispielsweise ein klassisches Blockchain-Token kann das OHF-Token nicht automatisch liquidiert werden, sondern ist auf reale Interaktionen angewiesen.

Aber dies sind Details. Das große Ganz zeigt, wie sich dezentrale Organisationen auf der Blockchain langsam ins Zentrum der Weltfinanz hineinwühlen, und auf dem Weg dorthin sowohl dieses als auch sich selbst transformieren.

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7 Kommentare zu Französische Großbank Société Générale nimmt 30-Millionen-Dollar-Darlehen von Maker DAO auf

  1. Schön geschrieben und eine gute Meldung! Na hoffentlich geht es wieder bergauf mit den Kryptos!

  2. Die allmähliche Verschmelzung von alter Finanzwelt mit der neuen Cryptowelt ist wirklich spannend und Dein Artikel ist sehr informativ – vielen Dank!
    An einem Punkt stutzte ich allerdings etwas: „übernimmt die Maker DAO eine Funktion, die eigentlich die Zentralbank übernimmt: Sie schöpft Geld, indem sie einer Bank ein Darlehen gibt.“ Ich glaube, das ist keine Geldschöpfung!? Oder ist der DAI-Dollar das Geld?

  3. Ein sehr spannender Vorgang. Aber trotzdem ist Maker DAO keine Zentralbank – ja, sie geben neues “Geld” oder Geld-Äquivalent raus (DAI) aber sie haben eine 100% teilweise >100% Besicherung durch Assets (in diesem Fall Real Life Assets von der SG). Der Vorteil einer Zentralbank ist immer noch die ungedeckte Geldschöpfung. Das schafft kein DAO. Ich nehme an, das ist Test-Run von „SG Forge“ – die digital Tochter von der SG. Das interessante daran ist die Kette. SG gibt 30mio USD eigenen Coin OFH heraus (backed mit home loans = Immobiliendarlehen – oha, da klingelt es doch.. das hatten wir quasi 2008 bei Lehman mit den CDS schon mal), der wird als collateral bei Maker DAO hinterlegt und die geben raus / kreieren DAI im Wert von 30m USD, diese werden von “SG Forge“ verkauft für 30m USD und SG Forge leiht die 30m als Loan seiner Mutter (SG) und nun kommts: SG nutzt diese 30m um 40m (!!) weitere OFH coins herauszugeben. Die 30m reichen aus, um das Credit Default Risk der Covered Bonds die die Basis von OFH Coins sind, zu besichern… da sollte der Regulator genau hinschauen, sonst haben wir wieder ein fly wheel wie 2008 und am Ende stehen viele “Könige wieder nackig” da….

  4. @Daniel: merci vielmal, ich habe es 3 mal durchgelesen, auch in anderen Quellen, und nicht begriffen – oder eine innere Stimme sagte mir, da passt doch was nicht. Jetzt isses glasklar. Auf in die nächste Verlagerung von arm nach reich – yuppieh.

  5. Weißt Du ob die OHF token frei handelbar sind? Oder werden sie ausschließlich nach der Issuance durch SocGen bei Maker als collateral hinterlegt und Dai geminted. Wenn OHF nicht wirklich frei fungible ist, dann ist der deal ja doch nur ein reiner bilateraler deal zwischen Maker und SocGen aber nicht im klassischen DeFi-Sinne „modular“. Wollte eine andere Bank hier mitmachen, bräuchten sie vmtl ein eigenes MakerDAO-proposal für ihren DB-Coin, CoBa-Coin, UniCredit-Coin.

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