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„Wenn man die Oberfläche der Erde durch ein hexagonales Raster aufteilt, finden wir einen Fußabdruck des Minings auf 44,3 Prozent der Erdoberfläche.“

Eine Gruppe chinesischer Wissenschaftler untersucht, wo Mining stattfindet. Ihre Arbeit ist die erste solide Schätzung, wie verteilt das Bitcoin-Mining tatsächlich ist.

Um ehrlich zu sein sind die meisten wissenschaftlichen Paper über Bitcoin und Kryptowährungen eher so sterbenslangweilig. Selten kommt es vor, dass in ihnen wirklich etwas neues steht.

Einer dieser seltenen Fälle ist ein Paper über die räumliche Herkunft des Bitcoin-Minings. Es nimmt sich eine der großen ungeklärten Fragen zu Bitcoin vor, über die schon lange und viel spekuliert wird. Wie so oft ist die Frage rein sachlich-technisch, doch die Antwort hochpolitisch.

Jeder weiß, dass eine kleine Handvoll von Mining-Pools das Mining zentralisieren. Die vier derzeit größten Pools – Foundry, AntPool, F2Pool und Binance – stellen mehr als 75 Prozent der Hashrate. Wie kann man da, fragen Bitcoin-Kritiker, von Dezentralisierung reden? Sobald diese vier Pools kooperieren, ist Schicht im Schacht.

Falsch, antworten Bitcoiner: Ein Pool bündelt nur die Hashrate der Miner. Sobald er diese missbraucht, ziehen die Miner sie schneller ab, als er eine Transaktion zensieren kann. Was auf der Oberfläche auf wenige Pools zentralisiert erscheint, besteht in Wahrheit aus tausenden und abertausenden individuellen Minern.

Aber wie viele genau? Und wie stark konzentriert sich das Mining dabei auf die großen Mining-Farmen?

Diese Frage blieb bisher eine große Unbekannte, und ich hatte wenig Hoffnung, dass sie jemals beantwortet wird.

Das Paper „Spatial analysis of global Bitcoin mining“ von einem Team chinesischer Wissenschaftler versucht nun, eben diese Frage zu beantworten.

Und ich bin aufgeregt, ob es gelingen wird!

Frag‘ den Mining-Pool

Die Methode der Forscher ist einfacher, als zu erwarten war. Sie haben kein magisches Verfahren gefunden, um die Miner hinter den Pools zu entdecken, sondern etwas sehr naheliegendes getan: Sie haben bei einigen Pools nach Daten gefragt. Welche, verraten sie nicht.

Die Mining-Pools haben den Forschern Daten zur Verfügung gestellt. Es handelt sich dabei nicht um IP-Adressen oder sonstige private Daten, sondern um geographische Orte. Die Pools haben ihre eigenen Daten nach Anweisungen der Forscher in diese aufgelöst. Das Ergebnis ist eine Tabelle mit 42.820 Zeilen. Diese Tabelle ist öffentlich einsehbar.

Das klingt einfach, plausibel und solide. Wenn man an der Methode nörgeln wöllte, könnte man vielleicht bemängeln, dass manche Miner ihre IP-Adressen durch VPNs oder Tor verschleiern, und dass die Pools, die Informationen an die Forscher weitergeben, womöglich nicht ausreichend repräsentativ sind.

Insgesamt aber gibt es wenig Gründe, an den Daten zu zweifeln. Was wir hier haben, ist ein wertvoller Datenschatz, der, wie die Forscher erwähnen, „hilft, das dezentrale Design von Blockchain-Technologien zu verifizieren, bestimmte Preiseffekte auf Kryptowährungen zu erkennen und akkurate Schätzungen über den Energieverbrauch und die Emissionen des Minings zu gewinnen.“

In der Tat: Schauen wir uns die Ergebnisse der Analyse an.

Mining an mehr als 6000 Orten

Es sei normal, zu denken, dass das Mining über die ganze Welt verstreut geschehe, schreiben die Forscher. Schließlich verhalten sich die technischen Voraussetzungen und ökonomischen Anreize überall gleich. Wo man Zugang zu günstigem Strom hat, lohnt sich das Mining.

Dennoch sei es „erstaunlich zu sehen, wie weit das Mining verstreut ist.“ Die gesammelten Daten zeigen, dass „Mining in mehr als 6000 geographischen Einheiten in 139 Ländern und Regionen stattfindet.“ Die Karte oben illustriert dies. Grüne Kreise, überall, selbst in Ländern, in denen es noch nicht mal Full Nodes gibt.

Die Miner arbeiten nicht nur an den üblichen, längst bekannten, altverdächtigen Orte – in China, auf Island, in den USA – sondern auch an überraschenden Plätzen, wo sie keiner vermutet hätte, etwa auf Tahiti oder in Malawi.

„Wenn man die Oberfläche der Erde durch ein hexagonales Raster aufteilt,“ erklären die Forscher,  „finden wir einen Fußabdruck des Minings auf 44,3 Prozent der Erdoberfläche.“ 44,3 Prozent! Fast die Hälfte.

Mining ist irrsinnig weit verteilt. Nicht nur stehen hinter jedem Pool tausende einzelner Miner – diese Miner sind auch mehr oder weniger auf die ganze Erdfläche verteilt. Diese Ergebnisse übertreffen noch die optimistischsten Erwartungen der Community!

Aber eine weite Verteilung bedeutet nicht, dass auch die Hashrate dezentral verteilt ist. Wenn wir diese betrachten, schwingt das Pendel wieder ein Stück zurück zur Zentralisierung.

Räumliche Zentralisierung, zeitliche Fluktuationen

Nach der reinen Bestandsaufnahme haben die Forscher die Daten analysiert. So haben sie etwa die Hashpower aggregiert und räumlich zugeordnet.

Dabei zeigte sich, dass 18 Top-Orte allein mehr als 61,8 Prozent der Hashpower stellten. „Die Miner konzentrieren sich nicht nur an wenigen Stellen, sondern bilden auch Cluster mit benachbarten Orten.“ Man erkennt das auf der folgenden Karte. Die tiefroten Flecken sind die 18 Hotspots. Die Welt wird plötzlich wieder klein und eng.

Geographische Verteilung der Hashpower.

Mithilfe der statistischen Methode Moran’s I messen sie die räumliche Verteilung des Minings. Das Ergebnis „widerspricht stark der Hypothese von räumlicher Zufälligkeit“; es demonstriert „eine starke Tendenz zur Konzentration von Rechenleistung.“

Dabei offenbart sich auch, nicht wirklich überraschend, eine starke Korrelation zwischen der Hashrate und der verfügbaren Energie. Dabei ist die Korrelation mit fossilen Energien ein Stückchen stärker als mit erneuerbaren Energien. Aber e zeigt sich sehr deutlich, dass die Miner dorthin ziehen, wo es erneuerbare Energien im Überfluss gibt.

Schwerpunkte des Minings mit erneuerbaren Energien.

Neben der räumlichen untersuchen die Forscher auch die zeitliche Verteilung. Die Daten, auf denen sie aufbauen, decken den Zeitraum von Juni 2018 bis Mai 2019 ab. In diesem Zeitraum fluktuieren die Schwerpunkte des Minings – die Orte, an denen mehr als 100 Mining-Geräte stehen.

Diese Fluktuationen erklären sich durch vier Muster:

(1) Wenn der Preis sinkt, migrieren große Mining-Farmen an günstigere Orte, während kleine und individuelle Miner nicht oder nur träge reagieren. Der ökonomische Druck ist bei großen, professionellen Farmen einfach größer.

(2) Saisonale Effekte, etwa die Regenzeit, beeinflussen die Überschüsse bestimmter Energieformen, etwa Hydropower, vermutlich aber auch Solarstrom. Dies schlägt sich darin nieder, dass große Mining-Farmen ihre Standorte im Lauf der Jahreszeiten wechseln.

(3) Regulatorische Einflüsse haben einen dramatischen Effekt auf die Standortwahl der Miner. Steuervorteile ziehen sie an, Verbote oder hohe Steuern stoßen sie ab.

(4) Iterative Effekte meinen, dass die Miner zunächst eher zufällig einen Platz finden, weil sie damit beginnen, aus Neugier oder Idealismus den Miner anzuwerfen, sich dann aber im Lauf der Zeit professionalisieren und dabei lernen, ihren Standort zu optimieren.

In der Tat

Insgesamt, schlussfolgern die Forscher, sei das Mining weit verteilt, was die dezentrale Natur der Blockchain-Technologie unterstreiche. Dies gelte aber nicht uneingeschränkt:

„Wenn man allerdings die Rechenleistung betrachtet, besteht eine starke Tendenz zu räumlicher Konzentration, vor allem an Orten mit überschüssiger und günstiger Energie.“ Dieses Phänomen erhöhe die Gefahr von 51-Prozent-Angriffen und mache „das gesamte Netzwerk anfälliger für regulatorische Veränderungen, Katastrophen oder andere Beschränkungen bestimmter Orte.“ Wenn die Staatsmacht bei den Minern durchgreifen will, kann sie an einer Handvoll Orten sehr viel ausrichten.

Darüber hinaus erkennen die Miner in der räumliche Verteilung des Minings „einen der fundamentalen Faktoren, um den Energieverbrauch und die CO2-Emissionen des Minings abzuschätzen.“ Das, was bisher eher wilde Schätzungen ins Blaue waren, findet mit ihrer Analyse zumindest ein wenig mehr Halt in der empirischen Wirklichkeit.

Sie schlagen aufgrund der Daten vor, „ein globales Framework zu bilden, um das Mining so zu regulieren, dass es Miner motiviert, sich an Orten niederzulassen, wo es überschüssige erneuerbare Energien gibt.“ Eine solche Regulierung ist längst überfällig. Sie könnte das zentrale Instrument sein, um Mining von einem aktuell eher klimaschädlichen System zu einem Helfer der Energiewende zu machen.

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10 Kommentare zu „Wenn man die Oberfläche der Erde durch ein hexagonales Raster aufteilt, finden wir einen Fußabdruck des Minings auf 44,3 Prozent der Erdoberfläche.“

  1. „Wenn man die Oberfläche der Erde durch ein hexagonales Raster aufteilt, finden wir einen Fußabdruck des Minings auf 44,3 Prozent der Erdoberfläche.“

    Was ein Unsinn! Die Frage, wie groß ein Hexagon ist, wieviel Fläche es also abdeckt, bleibt hier offen. Wenn man mit diesem Wert spielt, erreicht man nahezu jede Prozentzahl, die man man will.

    • Kein Unsinn. Eher eine Frage der Darstellung multidimensionaler Daten in Verindung mit einem Ort. Die Daten sehen vernünftig aus.

      • An einem Ort wird entweder mining betrieben oder eben nicht. Das ist binär, nicht „multidimensional“.

        Aber was ist hier bitte dein Punkt?

        Anders gefragt: Welche Aussagekraft hat die (von der Größe der Hexagons abhängige) Prozentzahl, wenn offen gelassen wird, wie groß ein Hexagon überhaupt ist?

      • Die Größe der Hexagone hängt in den beiden Bildern Bildern oben von der tatsächlichen Erdfläche ab, die sie überdecken. Die unterschiedliche Größe der Hexagone kommt zustande durch die Projektion des gebogenen Globus auf eine glatte Fläche.

        Natürlich mussten die Forscher einen Größenwert für ein FlächenHexagon willkürlich auswählen. Ich würde grundsätzlich erstmal (bis zum Beweis des Gegenteils) unterstellen, dass sie den auch sinnvoll gewählt haben.

        Das sie das nicht getan haben, kannst Du gerne nachweisen, die Rohdaten sind alle über Github zu beziehen. Mit denen kann man selbst ein wenig spielen. Für mich immer ein Indikator dafür, dass die Forscher ihre Interpretation auch selbst vertrauen.

        Selbstverständlich läßt sich nahezu jede Statistik fälschen, wenn man mit den Bereichsgrößen spielt. Nur warum sollte die Forscher das Deiner Meinung nach hier böswillgerweise getan haben. Das konnte ich aus Deinem Kommentar so nicht nachvollziehen. Sprich was genau ist Dein Punkt?

      • Sorry, statt „Statistik fälschen“ wollte ich „Statistik falsch darstellen“ sagen, denn die Statistikdaten sind selbstverständlich nach wie vor korrekt, selbst dann wenn sie falsch dargestellt werden.

        Und mein Punkt ist eben, das man diesen Punkt bei Statstikdarstellungen fast immer bringen kann und Forschern damit einfach eine böse Absicht unterstellt. Diese muss man meines Erachtens aber beweisen, sonst sagt das einfach gar nichts aus.

      • Okay, mein letzter Kommentar hierzu.

        „Nur warum sollte die Forscher das Deiner Meinung nach hier böswillgerweise getan haben.“

        Eine böse Absicht habe ich den Autoren der Studie in meinem beiden bisherigen Kommentaren nicht unterstellt. (s.o.)

        „Sprich was genau ist Dein Punkt?“

        Mir geht es hier um den oben zitierten Satz, der ja auch Titel des Artikels ist, nicht um die Studie. Wie bereits erwähnt, hat die darin genannte Prozentzahl keine Aussagekraft, da keine Angabe zur Größe der Hexagone gemacht wird. Es handelt sich also um einen unsinnigen Satz. Es ist in etwa so, als würde ich feststellen: „In die neue Lagerhalle passen 44,3 Dinge.“

    • Ich nehme an Christoph hat einfach diesen Satz aus der Studie zitiert:

      If we divide the surface of the Earth into hexagonal grids (n = 7205), we notice that 933 grids, namely, 44.3% of Earth’s land surface (Supplementary Note 3), have been found to have Bitcoin mining footprint (Fig. 2)

      Ich denke die  7205 ist die Anzahl der Hexagone auf die man die Erdoberfläche aufgeteilt hat. Diese dürften im Modell dann schon gleich groß sein (Nur in der Darstellung ergibt sich da ein Unterschied und die Pentagone).
      Die 44,3% wurden dann nicht aus der Kartendarstellung errechnet, sondern aus dem dahinterliegenden Globus-Modell indem die Hexagone auch immer ungefähr gleich groß sind. Die Hexagone die Wasser überstreichen hat man nicht gezählt, sondern nur die, die zu mehr als 50% Land überstreichen. Davon 44,3% ist eine Sätzung die, wie WerwilldasWissen genau richtig beschreibt, immer genauer wird je kleiner man die Hexagone wählt.

      Die genaue wissenschaftliche Methode kann man auf [Wikipedia|https://en.wikipedia.org/wiki/Discrete_global_grid] nachlesen.

      Wenn man Dein Lagerhallenbeispiel mal ran zieht, so zählt man hier nicht die Anzahl Dinge in der Lagerhalle, sondern die Anzahl der Lagerhallen in denen sich das Gesuchte (ein bestimmtes Produkt) befindet. Dann gibt man die Prozentzahl aller Lagerhallen an, in denen das Produkt zu finden ist. Würde man jetzt in jeder Lagerhalle eine Wand ziehen, so dass die Lagerhallen nur noch halb so groß sind, wird die Prozentzahl genauer, schwankt aber nicht zufällig.

      Natürlich immer vorausgesetzt alle Lagerhallen sind genau gleich groß. Für die Hexagone (im Gegensatz) zu Lagerhallen gilt zum Glück (für die Forscher) genau das.

      Sorry, ich will nicht Besserwisserisch sein. Was Forscher sich in der Untersuchung so alles gedacht haben, ist nicht immer so leicht nachzuvollziehen, ich bin da mittlerweile echt vorsichtig geworden mit meinen ersten Gedanken, wenn ich Forschungsergebnisse lese. I.d.R. haben sich die Forscher schon etwas mehr dabei gedacht. Der Artikel ist auch in der NAture erschienen und damit von anderen Forschern einem Peer Review unterzogen worden.
      Der Autor dieses Artikels hier hat hingegen nur den Bericht zitiert.

      Und entschuldige, wenn das jetzt doch alles ein wenig besserwisserisch rüberkommt. Ich fands hier aber mal wichtig zu sagen, nichts gegen Dich persönlich, ih. Kritik ist in jedem Fall immer willkommen. Davon lebt die Debatte ja.

      • Lustig da habe ich vergessen das \

        Zitat wieder zu schliessen. Ich kanns leider nicht mehr korrigieren.

  2. Chinesische Forscher veröffentlichen einen Artikel über Bitcoin-Mining, in dem auch steht, dass in China viele Miner arbeiten – in dem Land, das Mining verboten hat. China ist merkwürdig.

  3. werwilldaswissen // 13. November 2022 um 10:39 // Antworten

    Die Einteilung in Hexagone ist tatsächlich nicht ganz gleichmäßig möglich. Es ist nur eine Annäherung. Die wird wahrscheinlich besser, je kleiner man die Hexagone wählt. Nebenbei bemerkt sind auch genau 12 Pentagone in dieser Einteilung dabei, sonst kann man keine Kugel damit approximieren. Zur Statistik: Mein Zweifel ist, dass sich in ca. 70% der Hexagone wahrscheinlich wenig oder gar kein Land befindet. Nur 30% der Erdoberfläche sind überhaupt Land. Für diese Prozentzahl musste man also bei Hexagonen, die Küsten enthalten, eine Entscheidung treffen, ob man sie in die Grundgesamtheit 100% mit aufnimmt. Ich denke, da ist eher die Möglichkeit zur Manipulation der Zahl. Ich habe die Studie jetzt nicht gelesen. Prinzipiell wäre es natürlich möglich, jedes Hexagon (oder Pentagon) mit seiner Größe oder der enthaltenen Landfläche zu gewichten.

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